Oracular Amuletic Decree T1 (Papyrus Turin Cat. 1983)

Metadaten

Wissensbereiche
Schlagwörter
Alternative Namen
OAD T1
Aufbewahrungsort
Europa » Italien » (Städte Q-Z) » Turin » Museo Egizio
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus war Teil der Sammlung Drovetti (Edwards 1960, 51), die der aus dem Piemont stammende Diplomat während seiner Zeit als Generalkonsul für Frankreich ab 1803 in Ägypten zusammengetragen hatte. Die Sammlung wurde nach Verhandlungen in den Jahren 1822–1824 im Januar 1824 im Auftrag des Großherzogs der Toskana (Ferdinand III.) und unter Bewilligung von König Carlo Felice (d.h. Carlo Felice Giuseppe Maria, 1821 bis 1831 König von Sardinien) für das Museo Egizio angekauft (zu den Erwerbsumständen s. Ministero della pubblica istruzione 1880, XII–XIII und Botti 1921, 131–132).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Leider wurde die Herkunft der Antiken von Drovetti nicht dokumentiert, doch konzentrierte sich sein Wirken in erster Linie auf den thebanischen Raum, so dass vor allem bei dem Papyrus-Konvolut der Drovetti-Sammlung eine Herkunft aus Theben nicht unwahrscheinlich ist.
Edwards (1960a, xiii) geht von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den im Text genannten Göttern festmacht. Die Götter, die das Orakel geben, sind Mut, die Herrin von Ischeru, Chons von Theben, der Gnädige, sowie Amun, Herr der Throne Beider Länder, der für den Elenden eintritt, deren Kultstellen alle in Karnak zu lokalisieren sind.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960a, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.
Der Name der Besitzerin des Amuletts, Tascheritenjach „Die Mondtochter“ sowie derjenige ihrer Mutter, Mutempermesi „(Die Göttin) Mut ist im Geburtshaus“ sind vor allem für die Spätzeit belegt (Thirion 1988, 139). Dies passt zur paläographischen Einordnung der Texte.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Die orakelgebenden Götter Mut, die Herrin von Ascheru, Chons von Theben, Neferhotep und Amun, Herr des Thrones Beider Länder, der für den Elenden eintritt, versprechen der Besitzerin des Amuletts, Tascheritenjach („Die Mondtochter“, Thirion 1988, 139; 1994, 187–188), Tochter von Mutempermesi („Mut ist im Geburtshaus“), die man Tochter von Paahauti („Kämpfer/Mann“) nennt, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrunde liegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau – Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Dieser Papyrus befand sich ursprünglich in einem Lederbehälter (Edwards 1960a, 51).
Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960a, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß 2019, 26–36). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Text ist bis auf wenige unleserliche Stellen vollständig erhalten. Der Text war mit dem Verso auf Papier aufgeklebt, dass beim Ablösen bei einigen Stellen kleine Schäden hinterlassen hat. Der Papyrusstreifen hat eine Länge von 112 cm und eine Breite von 6,6 cm. Laut Aussage der Ausgräber soll er sich noch aufgerollt in einem Lederbehälter befunden haben, als er gefunden wurde (Edwards 1960a, 53). Der Papyrus ist auf beiden Seiten beschrieben. Der Text beginnt auf der Seite, auf der die Fasern vertikal verlaufen (Recto, transversa carta). Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Fasernverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um ein „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem gut lesbaren leicht kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 51; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Ein Faksimile des Verso wurde 1869–1876 von Pleyte und Rossi (1869–1876, Taf. 139–140) publiziert und der Papyrus findet im Jahr 1882 im Generalkatalog des Museums Turin eine Erwähnung (Fabretti et. al. 1882, 259).
Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a+b), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus Turin Cat. 1983. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle T1 aufgenommen (Edwards 1960a, 51–61; Edwards 1960b, Taf. 19–21). Im Jahr 2008 erschien eine deutsche Übersetzung des Textes von Carsten Peust (2008, 324–330). Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 1–13.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 1–3.

- Fabretti et al. 1882: A. Fabretti et al., Regio Museo di Torino. Antichità egizie 1, Catalogo generale dei musei di antichità e degli oggetti d’arte raccolti nelle gallerie e biblioteche del Regno 1.1 (Torino 1882), 259.

- Peust 2008: C. Peust. Ein Orakelamulett (pTurin 1983), in: B. Janowski – G. Wilhelm (Hrsg.), Omina, Orakel, Rituale und Beschwörungen, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge 4 (Gütersloh 2008), 324–330.

- Pleyte – Rossi 1869–76: W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869–1876), Taf. 139–140.

Literatur zu den Metadaten

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014).

- Botti 1921: G. Botti, La collezione Drovetti e i papiri del R. Museo Egizio di Torino, in: Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei, classe di scienze morali, storiche e filologiche: serie quinta 30 (11–12), 1921, 128–135, 143–149.

- Bourriau – Ray 1975: J. D. Bourriau – J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61, 1975, 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939).

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46, 2017, 55–100.

- Jacquet-Gordon 1960: H. J. Jacquet-Gordon, The Inscription on the Philadelphia-Cairo Statue of Osorkon II, in: JEA 46, 1960, 12–23.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20, 1963, 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étude 81 (Caire 1979), 167–183, Taf. 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9, 1987, 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118, 2018, 233–239.

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period. The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman – R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Thirion 1988: M. Thirion, Notes d’onomastique. Contribution à une révision du Ranke PN (sixième série), in: Revue d’Égyptologie 39, 1988, 131–146.

- Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees. A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99, 2013, 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree T1 (Papyrus Turin Cat. 1983)

Recto

[Rto. 1] (In göttlicher Weise) gesprochen hat Mut, die Große, die Herrin von Ascheru, diese große Göttin, die Älteste, die zuerst entstanden ist;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons in Theben, Neferhotep, dieser große Gott, der Älteste, der zuerst entstanden ist;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Amun, ⟨Herr⟩ des Thrones Beider Länder, [Vso. 5] der für den Elenden eintritt, dieser große Gott, der Älteste, der zuerst entstanden ist:

Wir werden Tascheritenjach („Die Mondtochter“) beschützen – ihre Mutter Mutempermesi („Mut ist im Geburtshaus“), ist die, die man Tochter von Paahauti („Der Kämpfer/Mann“)1 nennt – unsere Dienerin (und) unser Zögling.
Wir [Rto. 10] werden sie gesund erhalten an ihrem Fleisch (und) ihrem Skelett.
Wir werden sie behüten.
Wir werden sie beschützen.
Wir werden aktiv zwischen ihr und jeglicher Krankheit stehen (wörtl. handeln).

1 šrj(.t) n(.t) Pꜣ-ꜥḥꜣ.wtj: Der Name Pꜣ-ꜥḥꜣ.wtj ist seit dem Neuen Reich als Männername belegt (H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Band I. Verzeichnis der Namen (Glückstadt 1935), 103.12; Thirion 1988, 39, 139).

Wir werden ihr [Leben] geben, Gesundheit, eine lange Lebenszeit (und) einen großen (und) [Rto. 15] guten Lebensabend.
Wir werden ihren ganzen Körper (und) jedes ihrer Glieder von ihrem Kopf bis zu ihren beiden Sohlen gesund erhalten.
Wir werden jeden Traum (wörtl. Schlaf), den sie gesehen hat, gut machen (wörtl. zu etwas Gutem machen).
Wir werden jeden Traum (wörtl. Schlaf), den sie sehen wird, [Rto. 20] gut machen (wörtl. zu etwas Gutem machen).
Wir werden jeden Traum (wörtl. Schlaf), den irgendein Mann, irgendeine Frau, irgendein Mensch von jeglicher Art im gesamten Land für sie gesehen hat, gut machen (wörtl. zu etwas Gutem machen).

Wir werden jeden Traum (wörtl. Schlaf), den irgendein Mann, irgendeine Frau, irgendein Mensch von irgendeiner [Rto. 25] Art im gesamten Land für sie sehen wird, gut machen (wörtl. zum Guten machen).
Wir werden Gutes in Bezug auf sie (die Träume) sagen.
Wir werden für sie jegliche Anklage (wörtl. Angelegenheit)2 gut sein lassen vor Göttern (und) Menschen.
Wir werden deren (der Anklagen) schlechtes Schicksal, das ihnen (den Anklagen) innewohnt, aufheben.
Wir werden es (das Schicksal) für sie (Tascheritenjach) [Rto. 30] ⟨zu⟩ einem guten Schicksal machen.

2 Ungewöhnlich ist hier der Klassifikator D 40 (schlagender Arm), s. Edwards 1960a, 52, n. 10. Zweifelsohne handelt es sich in diesem Fall um eine bedrohliche Angelegenheit, was durch die Wahl des Klassifikators unterstrichen wird. Vielleicht geht es in die Richtung einer Anklage oder Anschuldigung, ähnlich wie Peet (pAbbott, 6,8: The Great Tomb-Robberies of the Twentieth Egyptian dynasty. Being a critical study, with translations and commentaries, of the papyri in which these are recorded (Oxford 1930) I, 41) md.t an einer Stelle als „Anklage“ („accusation“) auffasst, vgl. L. H. Lesko (Hrsg.), A Dictionary of Late Egyptian I (Berkeley/Providence 1982), 256. Im Papyrus Abbott weist die Schreibung keine Anomalien auf, das Wort ist mit dem Mann mit der Hand am Mund (A 2) klassifiziert (T. E. Peet, The Great Tomb-Robberies of the Twentieth Egyptian dynasty. Being a critical study, with translations and commentaries, of the papyri in which these are recorded (Oxford 1930) II, Taf. 3). Leider gibt es für dieses Götterversprechen keine Parallele in den anderen Texten, s. Edwards 1960a, 56.

Wir werden deren (der Anklagen) schlechte Absicht (?), die ihnen (den Anklagen) innewohnt, aufheben.
Wir werden sie (die schlechte Absicht) für sie ⟨zur⟩ guten Absicht machen.
Wir werden sie (die schlechte Absicht) für sie (Tascheritenjach) im Guten beenden auf jeder Seite (= überall).
Wir werden sie bewahren vor [Rto. 35] jedem schlimmen Schicksal.
Wir werden für sie jedes Schicksal3 restlos gut machen (wörtl. Wir werden für sie jedes Schicksal ⟨zu⟩ etwas Gutem machen, ohne dass es bei ihnen (noch) einen (negativen) Rest gibt).

3 Vgl. die Parallele in pBerlin 3059, 52–54, die in diesem Versprechen md.t anstelle von ꜥš-sḥn schreibt, s. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 86–88, 91.

Wir werden ihren Mund öffnen zum Essen (und) zum Trinken.
Wir werden ihr ḥꜣ.tj-Herz4 veranlassen, zu essen (und) zu trinken zu begehren.
Wir werden veranlassen, dass [Rto. 40] ihr ḥꜣ.tj-Herz jede Sache annimmt, jedes Fleisch (und) jeden Fisch, den sie essen wird.
Wir werden veranlassen, dass ihr ḥꜣ.tj-Herz jedes Bier (und) jedes Wasser annimmt, das sie trinken wird.
Wir werden veranlassen, dass ihre obere Zahnreihe (?) [Rto. 45] empfängt, während ihre untere Zahnreihe (?) sich hebt, weil es für das Leben ist, dass sie empfangen (und) sich heben (= kauen?).

4 Peust (2008, 326, mit Anm. 14) übersetzt hier ḥꜣ.tj mit „Magen“, mit dem Hinweis, dass der Begriff im Ägyptischen neben der Kernbedeutung „Herz“ auch für die Verdauungsorgane stehen kann. Dies entspricht der Auffassung in H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 582. Nach Walker (Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 153–169, zusammenfassend 185) bezeichnet ḥꜣ.tj in erster Linie das physische Organ „Herz“, kann sich aber auch im weiteren Sinne auf das Mediastinum, d.h. den mittleren inneren Bereich zwischen den Lungen im Thorax, beziehen. Des Weiteren kann ḥꜣ.tj, vor allem in Verbindung mit jb und im Bedeutungsspektrum ganz ähnlich, eine physische oder mentale bzw. sinnliche Komponente bezeichnen, die im Körper verankert ist (ebd. 183). Eine Verbindung von sowohl ḥꜣ.tj als auch jb mit dem Verdauungsapparat schließt er aus (ebd. 184).

Wir werden veranlassen, dass sie isst, um zu leben.
Wir werden veranlassen, dass sie trinkt, um gesund zu bleiben.
Wir werden veranlassen, dass sie vollständig [Rto. 50] gesättigt ist (wörtl. gesättigt ist (mit) einer Sättigung) an einem schönen Leben ⸢auf⸣ Erden.
Wir werden veranlassen, dass ihr⟨e⟩ Auge⟨n⟩ sehen, ihre beiden Ohren hören, und Kraft gedeiht in all ihren Gliedern.
Wir werden sie retten aus der Hand von Chons, dem jugendlich Existierenden, (und) Chons, dem Pläneschmieder, diese beiden Paviane, deren [Rto. 55] Sitz in Pinofe5 ist, wobei sie rechts (und) links von Chons sitzen (und) das Buch zum Töten (und) Beleben herausbringen.

5 Pr-nfr: Lesung nach Edwards (1960a, 53 [26]) als Ortsname der betreffenden Kultanlage in Karnak, der eine Lesung Ḥr.w-nfr ebenfalls zur Diskussion stellt. Weder die eine noch die andere Bezeichnung ist für eine solche Kultanlage in Karnak durch andere Quellen bezeugt.

Wir werden sie retten aus der Hand des Wildlöwen (Mahes) der Bastet, dieses Großen Gottes, der vom Blut der rḫy.t-Menschen lebt (wörtl. der, von dem gilt: dass er lebt, ist vom Blut der rḫy.t-Menschen).
[Rto. 60] Wir werden sie retten aus der Hand dessen, der den (Erd)boden beben lässt und den man den „Zappler“ nennt.6
Wir werden sie bewahren vor jeder Ba-Macht von Amun, Mut (und) Chons, Pre, Ptah (und) Osiris (sowie) Horus-Min (und) Isis von Koptos.
[Rto. 65] Wir werden sie von ihnen (den Göttern) unangetastet sein lassen.
Wir werden sie für sie besänftigen in all ihren Namen (= wie auch immer sie heißen mögen).

6 pꜣ n,tj (ḥr) di̯,t ktkt pꜣ jwtnw,t{.pl} mtw=w ḏd mnmn jr=f: Zur Semantik von ktkt „beben“ (Wb 5, 146.1–9) und mnmn „sich bewegen, schwanken“ (Wb 2, 80–81.15) s. P. Vernus, Élaboration littéraire et affectation archaïsante. Comment Sinohé sait se mettre en avant en se mettant à l’écart, in: H. M. Hays – F. Feder – L. D. Morenz (Hrsg.), Interpretations of Sinuhe. Inspired by two passages (proceedings of a workshop held at Leiden University, 2729 November 2009), Egyptologische Uitgaven 27 (Leiden 2014), 189–213, hier: 210–213.

Wir werden ⟨sie⟩ bewahren vor Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Blindheit (und) vor dem Wirken des Udjat(-Auges)7 während ihrer gesamten Lebenszeit.
[Wir] werden für sie jeden Gott (und) jede Göttin [Rto. 70] ihrer Mutter ⸢besänftigen⸣ (sowie) jeden Gott (und) jede Göttin ihres Vaters.
Wir werden sie bewahren vor ((jedem)) Plan, ⟨der⟩ sich vor ihnen (= den Göttern) befindet.
Wir werden sie bewahren [vor] einem Krokodils[biss], vor dem Biss einer Schlange, vor einem Skorpion, vor dem Biss von [Rto. 75] jeglichem Gifttier, jeglichem Ungeziefer/Gewürm (und) allen -Schlangen, die beißen, um zu verhindern, dass sie (= alle genannten gefährlichen Tiere) in ihre Nähe kommen können.
Wir werden sie retten ⸢aus der H⸣[and] [d]⸢er⸣ Götter, ⸢die einen Menschen⸣ auf dem Feld ⸢schnappen⸣ und ihn in der Stadt töten [Rto. 80].

7 jri̯(.t) wḏꜣ.t: Der Begriff ist uneindeutig. Edwards (Edwards 1960a, 2, n. 9) emendiert hier jri̯ zu jr.t „Auge“ und liest „Udjat-eye (?)“ mit Hinweis auf Belege, die an der Stelle jr.t mw.t „Auge eines Toten“ schreiben (L2, Vso. x+50, 76–77; P 4 23; s. auch pBerlin P 3059, 31–32: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 90), wobei 10 weitere Belege ähnliche Schreibungen aufweisen, wie diese in unserem Papyrus, s. eine Zusammenstellung der Belege bei Grams 2017, 82–83. Edwards vermutet, dass zwei Versionen sich vermischt haben könnten, da ihm der Infinitiv jri̯ in Verbindung mit dem Udjat-Auge keinen Sinn zu geben scheint. Fischer-Elfert (Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 108) nimmt den Infinitiv ernst und liest wörtlich „Wirken des Udjatauges“, dem hier gefolgt wird. Er setzt dies in Verbindung mit dem „Bösen Blick“. Dass es sich um ein schädliches Wirken handelt, ist erkennbar an der Klassifikation des Begriffs mit dem Sterbenden in Abkürzung (Z6). Ähnlich interpretiert Grams (ebd.) diese Stelle, wobei sie das „Wirken des Udjatauges“ auf die göttliche Sphäre beschränkt im Vergleich zu anderen Ausdrücken, die das Phänomen beim Menschen bezeichnen (jr.t bjn.t). Eine vergleichbare Verwendung liegt in einem magischen Spruch gegen Schlangen vor (pTurin Cat 1993, vs. 4.12), s. J. F. Borghouts, The ram as a protector and prophesier, in: Revue d’égyptologie 32, 1980, 33–46, hier: 35, mit n. 15. Allgemein zur Bedrohung durch und zum Schutz vor dem „Bösen Blick“ von Menschen oder Göttern, s. J. F. Borghouts, The Evil Eye of Apopis, in: Journal of Egyptian Archaeology 59, 1973, 114–150, bes. 142–148; N. Grässler, Konzepte des Auges im alten Ägypten, Studien zur Altägyptischen Kultur. Beihefte 20 (Hamburg 2017), 317–325.

Wir werden {ihn} ⟨sie⟩ retten aus der Hand der Götter, die einen Mensch⸢en⸣ in der Stadt schnappen und ihn auf dem Feld töten.
Wir werden sie retten aus der Hand der Götter, die einen Menschen in einem Atemzug schnappen (wörtl. beim Atmen).
Wir werden sie retten aus der Hand der Götter, die einen Menschen [Rto. 85] widersetzlich8 schnappen.
W⸢ir⸣ werden sie ⸢retten⸣ aus der Hand der Götter, ⟨die einen Menschen schnappen⟩ als Beute (?)9.
Wir werden sie retten aus der Hand der Götter, die einen Namen für einen (anderen) Namen schnappen. (= wahllos ?)

8 m ḏꜣy.t: Edwards (1960a, 54 [40]) verweist auf kopt. ⲛ̅ϫⲓⲟⲩⲉ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 794) und übersetzt „stealthily (= heimlich)“, dem Peust (2008, 327) folgt. Doch ϫⲓⲟⲩⲉ ist auf ṯꜣw „stehlen“ (Wb 5, 350.2–10) zurückzuführen, s. J. Černý, Coptic Etymological Dictionary (Cambridge 1976), 321; W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 332b. In den OAD ist wohl eher von ḏꜣ.ywt „Widersetzlichkeit, Übertretung, Übel“ (Wb 5, 518.3–18) auszugehen und entsprechend mit „widersetzlich“ zu übersetzen. Ähnlich dachte Gardiner (Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series. Chester Beatty Gift I (London 1935), 12 [3]), indem er in einem ähnlichen Kontext „violently“ übersetzte.
9 nṯr ⟨n.tj⟩ ⟨ṯꜣi̯⟩ ⟨rmṯ⟩ m kf(ꜥ): Ergänzung nach L1, Rto. 38–39.

Wir werden sie retten aus der Hand der Götter, die einen Menschen schnappen an Stelle eines (anderen) Menschen.
Wir werden einen anderen (Mann) oder eine andere (Frau) [Rto. 90] als Ersatz11 stellen an ihrer statt, wobei wir sie nicht als Ersatz10 ausliefern werden an deren statt.
Wir werden sie bewahren vor jedem bösen Blick (wörtl. Auge) (und) vor jedem bösen Sicht(omen).
Wir werden sie bewahren vor jeglicher (böser) Magie eines [Rto. 95] jeden Zauberers (und) jeder Zauberin, wobei wir nicht zulassen werden, dass sie (die Zauberer und Zauberinnen) (in schädlicher Weise) ꜣḫ-zaubermächtig über sie sind.
Wir werden sie bewahren vor dem Einstürzen einer Mauer (und) vor Zerstörung durch ein Unwetter.

10 rḏi̯ m šb.t: Der Ausdruck rḏi̯ m šb.t kann auch „verkaufen“ (wörtl. als Bezahlung geben) bedeuten, s. Wb 4, 436.16. Durch das folgende Versprechen sowie weitere Versprechen, die mit dem Verb šbi̯ „mischen, sich mischen unter, ersetzten“ (Wb 4, 436.4–14) formuliert sind (s. pTurin Cat. 1983 (T1), Vso. 14; pBM EA 10321 (L5), Rto. x+7 und Rto. x+20; pBM EA 10730 (L7), Rto. x+19–20; pKairo CG 58035 (C1), 49–50; pMMA 10.53 (NY), Rto. 36) geht eindeutig hervor, dass im Komplex dieser Versprechen ein „Ersatz“ im Sinne einer „Entschädigung“ oder „Abgeltung“ gemeint sein muss.
Der Kontext im vorliegenden Text legt eine Verbindung zu Sprüchen nahe, die den Orakelbesitzer vor gefährlichen Göttern schützen sollen, die Menschen in verschiedenen Lebenslagen rauben und töten können. Die Verbindung zu diesen Sprüchen wird in zwei Texten (pBM EA 10730 (L7), Rto. x+17–19 und pLouvre E 25354 (P3), Rto. x+58–60) explizit formuliert: L7: jw=j (r) šdi̯=f (x+18) m-ḏr.t nꜣ nṯr.w n.tj nḥm wꜥ (x+19) m šb.w wꜥ „Ich werde ihn retten aus der Hand der Götter, die jemanden als Ersatz eines (anderen) rauben.“ P3: jw=[n] (r) [šdi̯]=st (x+59) m-ḏr.t nꜣ nṯr.w n.tj (ḥr) ḏi̯.t (x+60) r(m)ṯ 〈m〉 šb.w(t) „[Wir] werden sie retten aus der Hand der Götter, die Menschen 〈als〉 Ersatz ausliefern“.
Darüber hinaus ist im weiteren Verlauf des Textes (Vso. 13–14) ein weiteres Versprechen aus diesem Komplex überliefert, das in drei weiteren Texten (pBM EA 10321 (L5), Vso. x+7/OAD, rt. 7 und Vso. x+20/OAD, rt. 20; pBM EA 10730 (L7), Rto. x+19–20; pKairo CG 58035 (C1), 49–50; pMMA 10.53 (NY), Rto. 36) das gesamte Thema repräsentiert. Die Zugehörigkeit zu dem oben beschriebenen Komplex zeigt pBM EA 10730 (L7), Rto. x+17–20, in dem beide Sprüche in direkter Folge belegt sind.

Wir werden sie retten aus der Hand der Sachmet [Rto. 100] und ihres Sohnes.
Wir werden sie retten aus der Hand der Meerkatze, die das Sanktuar kontrolliert (und) dem Pavian, der das Udjat-Auge11 kontrolliert.

11 ⸢wḏꜣ.t⸣: Das Wort ist hier – vielleicht beeinflusst durch die Schreibung in Z. Rto. 68 (?) – durch den Sterbenden in Abkürzung (Z6) als bedrohlich klassifiziert, vgl. Edwards 1960a, 55 [50].

Verso

[Vso. 1] Wir werden sie bewahren vor jeglicher Aktion eines wr.t-Geistes (und) vor jeglicher Einflussnahme (wörtl. herankommen) eines wr.t-Geistes.
Wir werden sie bewahren vor ⸢jeglicher⸣ Aktion eines wr.t⸣-Kanal-Geistes, vor jeglicher Aktion eines wr.t-Brunnen-Geistes, vor jeglicher Aktion eines wr.t-Tümpel-Geistes, vor jeglicher Aktion eines wr.t-Wasserdurchbruch-Geistes, [Vso. 5] vor jeglicher Aktion eines wr.t-Sumpf-Geistes.
[Wir] werden [sie bewahren] vor jeglicher ⸢Aktion⸣ eines Messerdämons, vor jeglicher Aktion eines Wanderdämons, vor jeglicher Einwirkung der ⸢Jahres⸣seu[che], vor jeglicher Einwirkung [von] Krankheit vor ⸢jeglicher⸣ Aktion von jedem Gott, der angreift.
[Vso. 10] Wir werden sie bewahren vor jeglicher Aktion eines Boten jedweden Gottes (oder) Göttin (und) vor jeder üblen (Nach)rede.
Wir werden sie aus der Hand der Götter vom (Buch) „Das, was im Jahr ist“1 retten.

1 tꜣ-jmj.j(t)-rnp.t: Die Phrase ist als Titel eines Buches zu interpretieren, was durch die Klassifikation durch Schnurschleife (V12) plus Semogrammstrich (Z1) am Ende des Ausdrucks gekennzeichnet ist. Diese Schrift ist neben anderen Büchern (Buch vom Leben und Tod; Buch vom Anfang des Jahres; Buch vom Ende des Jahres; Buch von den Epagomenen) vor allem in den Oracular Amuletic Decrees belegt (pLondon BM EA 10251 (L2), Rto. x+77–78; pLondon BM EA 10308 (L3), B 13–14; pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 52–53; pTurin Cat. 1983 (T1), Vso. 13; pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 26–27; pParis Louvre E8083 (P2), Rto 16; pParis Louvre E25354 (P3), Rto. 47–48; pKairo CG 58035 (C1), 24–25; pNew York MMA 10.53 (NY), Rto. 35; pChicago OIM E25622A-D (Ch.), 26–27; pPhiladelphia Penn E16724 (Ph), B 4–6; pBerlin ÄMP 10462 (B), 25–26; pBerlin ÄMP 3059 (B2), 40; pCleveland CMA 14.723 (CMA), 20–21; pBoulaq 4, vs. 8?), wo die orakelgebenden Götter den Besitzer bzw. die Besitzerin des Amuletts vor den „Göttern vom (Buch) Das-was-im-Jahr-ist“ schützen, vgl. Grams 2017, 83–84. Die Schreibung des Buchtitels variiert: in zwei Texten (L2 und P2) ist der Ausdruck ohne den bestimmten Artikel lediglich als jm(j).t-rnp.t angegeben. Ein Text (L2, Rto. 77–78) zeigt mit jm(.j)-ḥr(.j)-rnp.t „diejenigen, die im (und) auf dem Jahr sind (?)“ eine besondere Variante, die nur schwer zu verstehen ist, s. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 211. Vermutlich hat der Schreiber an dieser Stelle zwei Buchtitel miteinander vermischt: Zum einen den Titel, in dem hier zu besprechenden Satz jw =j/n (r) šdi̯ =st m-ḏr.t nꜣ nṯr.w n(.w) tꜣ jm(j.t) rnp.t und zum anderen die „Bücher der Epagomenen“ nꜣ mḏꜣ.y(t) ḥr(.jw)-rnp.t, die im weiteren Verlauf unseres Textes (T1, Vso. 27) bezeugt sind, ansonsten aber nicht in den OAD belegt sind.
Außerhalb dieser Texte ist der Buchtitel jm(j).t-rnp.t vermutlich auch in Medinet Habu III, 138, 37 erwähnt (s. S. Schott, Bücher und Bibliotheken im Alten Ägypten. Verzeichnis der Buch- und Spruchtitel und der Termini technici. Aus dem Nachlass niedergeschrieben von Erika Schott (Wiesbaden 1990), 11 [17] – hier ebenfalls ohne den Artikel) und begegnet ferner in einer Liste über den Inhalt einer Bücherkiste (pBerlin hier. 15779), s. H.-W. Fischer-Elfert, Aus dem Inhalt einer ꜥfḏ.t-Bücherkiste (Pap. Berlin P. hier. 15779), in: S. L. Lippert – M. Schentuleit – M. A. Stadler (Hrsg.), Sapientia Felicitas. Festschrift für Günter Vittmann zum 29. Februar 2016, Cahiers Égypte Nilotique et Méditerranéenne 14 (Montpellier 2016), 149–169, bes. 155. Hier lautet er tꜣ-jm(j).t-rnp.t=st „Das, was in ihrem Jahr ist“. Eine Paralelle ebenfalls mit Suffixpronomen findet sich im Papyrus Cleveland 14.273 (CMA, 20–21).

Wir werden zu jeder Zeit veranlassen, dass sie entschädigt wird.
⸢Wir⸣ werden s[ie] bewahren vor jeglicher [Vso. 15] Einwirkung der (schwerwiegenden) bṯ.w-Krankheit, vor jedem Durchmachen der (schwerwiegenden) bṯ.w-Krankheit (und) vor jeder Krankheit, die man nicht behandeln kann.
Wir werden sie bewahren vor jeglicher Krankheit der Bücher (?)2, vor jeglicher Krankheit des Kommens von einem, der Erfahrungswissen hat (d.h. vor jeglicher Krankheit, für die ein Diagnostiker kommen muss), vor jeglicher Krankheit des Kommens eines Vorlesepriesters (d.h. vor jeglicher Krankheit, für die ein Vorlesepriester kommen muss).3
Wir werden sie bewahren vor jeglicher Krankheit von allen [Vso. 20] Arten, die man kennt, (und) vor jeglicher Krankheit von allen Arten, die man nicht kennt.
Wir werden ((sie)) bewahren vor allen Einwirkungen eines ꜣḫ-Dämonen (und) vor allen Einwirkungen einer ꜣḫ-Dämonin.

2⸮mḏꜣ.yt?: Ergänzungsvorschlag nach Edwards, (1960a, 58 [19]) mit Hinweis auf die Zeilen Vso. 26–27, in denen md.yt ebenfalls belegt ist. Allerdings ist hier anders als in den späteren Zeilen kein Platz für einen vorausgehenden bestimmten Artikel. Gemeint wird sein, dass die Krankheit in den Handbüchern verzeichnet und somit bekannt gewesen sein dürfte, vgl. Peust 2008, 328.
3 mḥr nb n(.j) jyi̯ s:šsꜣ r mḥr nb jyi̯ ẖr(.j)-ḥꜣb(.t): Edwards (1960a, 58 [20]) liest bw anstelle von jyi̯ und übersetzt „every sickness (for which) there is no prescription“ mit der Bemerkung: „The construction in this case is obscure.“ Es ist aber lediglich ein Zeichen gut zu erkennen und der Platz bis zum Rand ist zu knapp für ein weiteres Zeichen. Das hier geschriebene Zeichen ist im Vergleich zu jyi̯ in der nächsten Zeile kompakter geschrieben, weist aber alle Elemente dieser Schreibung auf, so dass die Lesung jyi̯ plausibler scheint und eine parallele Konstruktion vorzuliegen scheint. Der Sinn bleibt allerdings rätselhaft. Eine Klimax in der Aufzählung der Krankheiten ist sehr wahrscheinlich. Vorstellbar ist hier die Nennung nach der Schwere der Behandelbarkeit: die erste Stufe ist die Diagnose und Behandlung nach dem, was in den Büchern verzeichnet ist, d.h. ohne das Hinzuziehen eines Arztes; in der zweiten Stufe ist die Erfahrung eines Experten notwendig; und in der dritten Stufe scheint mir ein euphemistischer Ausdruck für eine kritische und/oder durch dämonische Entitäten verursachte Krankheit vorzuliegen, da der Vorlesepriester als Spezialist für magische Praktiken zur zusätzlichen Behandlung durch Beschwörungen u.ä. herangezogen werden kann (zum Vorlesepriesters als Heiler, s. R. Forshaw, The role of the lector in ancient Egyptian society, Archaeopress Egyptology 5 (Oxford 2014), 115–121). Dass es sich bei der Gruppe mḥr(.t) nb(.t) jyi̯ ẖr(.j)-ḥꜣb um einen offenbar gut bekannten, lexikalisierten Ausdruck handelt, zeigt der Abkürzungsstrich für den Sterbenden (Z6) als Klassifikator am Ende der Gruppe an. Hier kann nur der gesamte Ausdruck gemeint sein, da dieser Klassifikator für das letzte Element der Gruppe ẖr(.j)-ḥꜣb „Vorlesepriester“ keinen Sinn ergibt.

Wir werden sie bewahren vor jeglicher Einwirkung, die Menschen findet, so dass sie sterben.
Wir werden sie bewahren vor jeglicher Krankheit (und) vor [Vso. 25] [... ... ...].
Wir werden sie retten aus dem Einfluss der Bücher (vom) Jahresanfang, der Bücher (vom) Jahresende (und) der Bücher (der) Epagomenen4.
Wir werden sie bewahren vor einem Kopfekzem (und) vor Hautflechte.
⸢W⸣[ir] werden sie [bewa]⸢hren⸣ vor einem schlimmen Schnupfen/Katarrh (und) vor [Vso. 30] der ⸢ꜥ⸣ḫ⸢.j⸣-Krankheit7.

4 nꜣ mḏꜣ.y(t) ḥr(.jw) rnp.t: Dieses aus drei Teilen aufgebaute Götterversprechen beinhaltet in den anderen Textzeugen (pLondon BM EA 10083 (L1), Rto. x+21–22/OAD rt. ; pLondon BM EA 10083 (L1), Rto. x+21–22; pLondon BM EA 10251 (L2), Rto. 54–55; pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 20–22; pParis Louvre E 8083 (P2), Rto. 18–20; pParis Louvre E 25354 (P3), Rto. 95–98; pCleveland CMA 14.723 (CMA), 21–23) lediglich zwei Teile, und zwar die Bücher vom Jahresanfang sowie diejenigen vom Jahresende. Die Erweiterung um die nꜣ mḏꜣ.t ḥr(.jw) rnp.t findet sich nur im hier behandelten Papyrus T1.
Bei dem Ausdruck ḥr(.jw) rnp.t handelt es sich mit einiger Sicherheit um eine verkürzte bzw. übergreifende Schreibung der Bezeichnung für die Epagomenen, die zum einen die Zahl 5 und zum anderen hrw „Tag“ auslässt. Edwards (1960a, 58 [26]) ist von seiner Lesung als Epagomenen nicht überzeugt, kann aber auch keine Alternative anbieten. Die verkürzte Schreibung muss allerdings nicht als Gegenargument gewertet werden, denn sie ist auch in späten Belegen bezeugt (s. P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 665) und findet vor allem eine Parallele im frühesten Beleg dieser Bezeichnung, nämlich in einer monumentalen Darstellung eines tabellarischen Festkalenders, der Tempeldienste verschiedener Familienmitglieder zusammenstellt, im Grab I des Nikaanch in Ṭihna al-Jabal, das in die 5. Dynastie datiert wird (B. Porter – R. L. B. Moss, Topographical bibliography of ancient Egyptian hieroglyphic texts, reliefs, and paintings IV. Lower and Middle Egypt (Delta and Cairo to Asyûṭ) (Oxford 1934), 131 [Grab 13 (Frazer)]; E. Thompson, The Old Kingdom cemetery at Tehna. Volume I: The tombs of Nikaiankh I, Nikaiankh II and Kaihep, Australian Centre for Egyptology. Reports 35 (London 2014), 46–48, Taf. 22–23, 56–57; H. Willems, Zum sozialen Hintergrund der Verfügungen des n.y-kꜣ-ꜥnḫ bei Ṭihna al-Jabal, in: H.-W. Fischer-Elfert – R. B. Parkinson (Hrsg.), Studies on the Middle Kingdom in memory of Detlef Franke, Philippika 41 (Wiesbaden 2013), 241–262, hier: 246–249; H. Altenmüller, Eine Stiftungsurkunde für die Opferversorgung des Grabherrn? Zum Bild des Grabherrn an der Staffelei, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 33, 2005, 2940, hier: 36–40). Auch für diesen frühen Beleg ist die Lesung diskutiert worden. Winter (Zur frühesten Nennung der Epagomenentage und deren Stellung am Anfang des Jahres, in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 56, 1960, 262266) lehnte die Deutung als Bezeichnung der Epagomenen aus Gründen, die die verkürzte Schreibung, inhaltliche Aspekte sowie das Layout der Darstellung miteinbezogen, ab und schlug als Lesung „das, was das Jahr beinhaltet“ (ebd. 364 mit Anm. 12) vor mit Verweis auf den Gebrauch der Präposition ḥr in Zeitangaben (Wb 3, 132.15). Folgte man dieser Auffassung, so ließe sich das hier vorliegende Götterversprechen mit einer weiteren, vom Standard abweichenden Version im Papyrus Berlin 10462 (B, Rto. 23–25) verbinden. Dort versprechen die orakelgebenden Götter Schutz vor den Göttern des Jahresbeginns, vor den Göttern des Jahresendes und vor den Göttern dessen, was im Jahr ist. Allerdings stellt dieser Beleg eine Art Verquickung der Standardversion des hier vorliegenden Götterversprechens mit demjenigen dar, in dem die orakelgebenden Götter den Besitzer bzw. die Besitzerin des Amuletts vor den „Göttern vom (Buch) Das-was-im-Jahr-ist“ schützen, (vgl. Grams 2017, 83–84), das in vielen Textzeugen belegt ist (pLondon BM EA 10251 (L2), Rto. 77–78; pLondon BM EA 10308 (L3), B 13–14; pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 52–53;  pTurin Cat. 1983 (T1), Vso. 13; pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 26–27; pParis Louvre E 8083 (P2), Rto. 16; pParis Louvre E 25354 (P3), Rto. 47–48; pKairo CG 58035 (C1), 24–25; pNew York MMA 10.53 (NY), Rto. 35; PChicago OIM E25622A-D (Ch), 26–27; pPhiladelphia PENN E 16724 (Ph), B 4–6; pBerlin 10462 (B), 25–26; pBerlin B 3059 (B 3059), 40; pCleveland CMA 14.723 (CMA), 20–21; pBoulaq 4, Vso. 8?).
Des Weiteren wurde die Diskussion um den frühesten Beleg im Grab des Nikaanch im Jahr 1986 erneut von Peter Der Manuelian aufgenommen. Er widerlegt die Argumente von Winter und kommt zu dem Schluss, dass es sich im Festkalender tatsächlich um eine verkürzte Schreibung für die Bezeichnung der Epagomenentage handeln müsse (P. der Manuelian, An essay in document transmission. Nj-kꜣ-ꜥnḫ and the earliest Hrjw-rnpt, in: Journal of Near Eastern Studies 45 (1), 1986, 1–18). Diese Auffassung wird durch den Papyrus Leiden I 346 gestützt, der in einer Kapitelüberschrift (III/4) ein „Buch der Epagomentage“ (mḏꜣ.t n.t hrw.w 5 ḥr.jw rnp.t) erwähnt (M. Bommas, Die Mythisierung der Zeit. Die beiden Bücher über die altägyptischen Schalttage des magischen pLeiden I 346, Göttinger Orientforschungen. 4. Reihe: Ägypten 37 (Wiesbaden 1999), 111–115; C. Theis, Magie und Raum. Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen, Orientalische Religionen in der Antike / Oriental religions in Antiquity 13 (Tübingen 2014), 331–332). In diesem Zusammenhang (III, 5), der ausdrücklich auf die Epagomenen zu beziehen ist, findet sich die Bezeichnung ꜥwꜣj.w n.w ḥr.jw rnp.t „Räuber der Epagomenentage“, die unmissverständlich die verkürzte Schreibung zeigt, die in dem frühesten sowie auch in dem hier besprochenen Beleg (T1) der OAD bezeugt ist. Mit Verweis auf pLeiden I 346 III/4–5 übersetze ich daher hier nꜣ mḏꜣ.y(t) ḥr.jw rnp.t mit „Buch der Epagomenen“.
Ein weiterer Beleg in den OAD (L2, Rto. 77–78) bietet mit jm.jw-ḥr.jw-rnp.t eine ungewöhnliche Schreibung, die eine kurze Diskussion erfordert. Der Beleg findet sich in dem Götterversprechen, in dem die orakelgebenden Götter Schutz vor den „Göttern (vom Buch) Das-was-im-Jahr-ist“ anbieten (Edwards 1960a, 17; vgl. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 211). Aufgrund des Kontextes ist es deutlich wahrscheinlicher, dass hier durch Assoziation eine Fehlschreibung von tꜣ-jm.jt-rnp.t produziert wurde, als von einer Lesung auszugehen, die „das, was im und auf dem Jahr ist“ o.ä. zu übersetzen wäre und für die sich keine Parallele finden lässt (vgl. Edwards, ebd.).
7 ⸢ꜥ⸣ḫ⸢.j⸣: Aufgrund der Schreibung sowie der Nähe zu den Hautkranheiten könnte es sich hier bei ꜥḫ.j um die ägyptische Entsprechung der sāmānu-Krankheit handeln, s. Grams 2017, 67; vgl. S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015), 171–176. Andererseits wäre es in Verbindung mit einem Katarrh auch möglich mit Edwards (1960a, 58 [30]) und Peust (2008, 328: „Stauungen“), ꜥḫj als „Anhebung“ von Wasser zu verstehen, wie es in Bezug auf die beiden Augen in Eb 378 (16.12.2019) belegt ist.

Wir werden sie bewahren vor der ḥmk.t-Krankheit (und) vor der smn-Krankheit.
Wir werden sie bewahren ⟨vor⟩ pšj-Pusteln (?) des Windes/Atems (?), (und) vor pšj-Pusteln (?) der Haut.10
Wir werden sie bewahren vor den Einwirkungen von jeglichen pšj-Pusteln (?) an jedem Körperteil.

10 {pšj}: Zu Beginn von Zeile 33 ist noch ein drittes Mal pšj geschrieben. Es fehlt die Präposition r, die sonst ein neues Element der Aufzählung einleitet sowie ein weiteres Substantiv zur Spezifizierung des Krankheitsbegriffs, wenn man von einem parallelen Aufbau zu den beiden vorhergehenden Angaben ausgeht, s. Edwards 1960a, 59 [33]. Da der Schreiber in den vorhergehenden drei Sätzen, die ebenfalls Hautkrankheiten beschreiben, jeweils Zweiergruppen gebildet hat, wäre es plausibel, anzunehmen, dass er, nachdem er ein drittes Mal pšj geschrieben hatte, neu angesetzt hat, um die dritte Angabe dieser Krankheit in einem neuen Satz zu formulieren.

(In göttlicher Weise) gesprochen hat Mut, die Große, [Vso. 35] Herrin von Ischeru, diese erhabene Göttin;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons von Theben-Neferhotep, dieser erhabene Gott, der Älteste, der zuerst entstanden ist;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons, der auf dem großen Thron ist, dieser erhabene Gott;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Amun, der ⟨Herr⟩ des Thrones beider Länder, der für den Elenden eintritt, dieser erhabenste Gott der [Vso. 40] erhabenen Götter, der Älteste, der zuerst entstand:
Wir werden Tascherienjach, deren Mutter Mutempermesi ist, unsere Dienerin (und) unseren Zögling, beschützen.
Wir werden sie gesund erhalten an ihrem Fleisch (und) an ihrem Skelett.
Wir werden ihren Kopf gesund erhalten.
Wir werden sie gesund erhalten [Vso. 45] an jeder Zahnreihe (?) ihres Kopfes.
Wir werden sie bewahren vor allen Einwirkungen jeglichen Leids am Kopf.

Wir werden die Locke ihres Haares wachsen lassen, wobei wir nicht zulassen werden, dass sie ausfällt12.
Wir werden ihre beiden Schläfen gesund erhalten.
[Vso. 50] Wir werden die Gefäße der Schläfe gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor den Einwirkungen von Migräne.
Wir werden ihre Stirn gesund erhalten.

12 fqj: Der intransitive Gebrauch des Verbums fqꜣ „(Pflanzen) ausreißen, (ein Volk) ausrotten“ (Wb 1, 579.11–12) ist sonst nicht belegt, s. Edwards 1960a, 59 [43].

Wir werden ihre beiden Augen gesund erhalten.
Wir werden deren (der Augen) Gefäße gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor ⸢jeglichem⸣ [Vso. 55] Anhalten (?) (und) [vor] ⸢jeglichem⸣ šnn-⸢L⸣eid [des] ⸢Auges⸣.
⸢Wir⸣ werden ⸢s⸣[ie] ⸢bewahren⸣ vor jeglicher/m Verdunkelung/Schielen13 des Auges, vor jeglichem Leukom des Auges, vor jeglicher Eintrübung14 des Auges (und) vor jeglichem ẖr-nṯr-Phänomen15 des Auges.
Wir werden ihren Mund gesund erhalten.

13 ḥꜣ~rj: Lies hier ḥꜣrj „Verdunklung“ (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 583; M. Müller, [Review:] J. E. Hoch, Semitic words in Egyptian texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton 1994), in: Orientalische Literaturzeitung 97, 2002, 29–43, hier: 39) gegen Edwards (1960a, 59, 1960b, Taf. 21a), der ḫr liest und darin eine Variante der šꜣr.w-Krankheit (Wb 4, 411.12) vermutet, ebenso wie ihm folgend Grams 2017, 66. Paläographisch überzeugender ist jedoch, das erste Zeichen nicht ḫꜣ (Lotus: M 12) zu lesen, sondern ḥꜣ (Papyrus: M 16), vgl. hierzu das Zeichen M 16 im folgenden Wort ḥꜣtj (Z. 57). Die Linienführung ist bei beiden Zeichen gleich, die Ähnlichkeit des ersten Zeichens mit M 12 ergibt sich aus der Ligatur mit dem vorausgehenden r (D 21).
14 ḥꜣtj: Hier wird entgegen Edwards (1960a, 59) und Grams (2017, 66), die das ḥꜣtj-Phänomen als Blepharitis verstehen, der Begriff als Verschleierung bzw. Eintrübung des Auges aufgefasst, s. Popko, Papyrus Ebers: Übersetzung und Kommentar, Eb 339, Anm. 1 (14.07.2019).
15 ẖr-nṯr: Lesung nach Edwards (1960a, 59 [50]); Bedeutung unklar.

Wir werden sie bewahren vor jeglicher thm-Wunde des Mundes.
Wir [Vso. 60] werden ihre 2 Ohren gesund erhalten.
Wir werden die Gefäße ihrer beiden Ohren gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor jeglichem Verschluß (?)16 des Ohres, (Rto. 63) vor jeglichem Taubsein des Ohres (und) vor jeglichem Vernichten des Ohres.
Wir [Vso. 65] werden es (das Ohr) hören lassen, wobei wir nicht zulassen werden, dass es taub wird.

16 sbn: Das Wort sbn als Bezeichnung eines (krankhaften ?) Zustands von Organen ist sonst nicht bezeugt. In diesem Text findet man es an zwei Stellen (T1, Vso. 64 u. Vso. 101–102), zum einen in Verbindung mit dem Ohr und zum anderen in Verbindung mit dem Anus. Edwards (1960a, 59–60 [52]) vermutet einen Zusammenhang mit sbn „Binde“ (Wb 4, 89.12–13), was auf ein Verschließen oder Verstopfen hindeuten könnte. Peust (2008, 329) folgt diesem Gedanken und übersetzt „Verschluss“.

Wir werden ihren Nacken ⟨ge⟩sund erhalten (und) wir werden dessen Muskel/Gefäße gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor jeglicher Erhebung des Nackens (und) vor jeglicher Anschwellung des Nackens.
Wir werden ihre Kehle [Vso. 70] gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor jeder Krankheit ihrer Kehle.
⸢Wir⸣ werden ihre Zunge gesund erhalten. Wir werden sie bewahren vor jeglicher Erhitzung der Zunge.
⸢Wir⸣ werden ⸢ihren⸣ jbḥ-Zahn ⸢gesund erhalten⸣, wobei wir nicht zulassen werden, dass er (aus)fällt.
Wir werden ihren nḏḥ.t-Zahn [Vso. 75] gesund erhalten, wobei wir nicht zulassen werden, dass er schmerzt.
Wir werden ihre beiden Schultern gesund erhalten.
Wir werden deren (der Schultern) Muskel/Gefäße gesund erhalten. Wir werden ihre beiden Arme gesund erhalten.
Wir werden die Muskeln/Gefäße ihrer Arme gesund erhalten.
Wir werden ihr [Vso. 80] ḥꜣ.tj-Herz gesund erhalten.
Wir werden sie vor jeglicher Krankheit des ḥꜣ.tj-Herzens bewahren (und) ⟨vor⟩ jeglicher Bitterkeit des ḥꜣ.tj-Herzens.
Wir werden ihre beiden (Körper)seiten gesund erhalten. Wir werden sie bewahren vor jeglicher ḥpt-Krankheit der [beiden] (Körper)seiten.
Wir werden ihren Bauch gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor [Vso. 85] jeglicher Krankheit des Bauches (und) vor jeglichem Leiden des Bauches.
Wir werden ⸢sie⸣ bewahren ⸢vor⸣ jeglicher ꜥb-Infektion des Leibes (und) ⟨vor⟩ ⸢jeglicher⸣ Bitterkeit des ⸢Bau⸣ches.
⸢Wir⸣ werden ihren pr(.w)-ḏꜣj.t-Körperteil gesund erhalten. Wir werden sie ⸢bewahren⸣ vor jeglicher Bitterkeit des Schicksals (und) vor jeglichem Leid des ḏꜣj.t-Körperteils.
[Vso. 90] Wir werden ihre Milz gesund erhalten.
Wir werden ihre Leber gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor jeglicher šntj-Krankheit der Leber (und) vor jeglicher schlechter Flüssigkeit der Leber.
Wir werden ihre Lunge gesund erhalten.

Wir werden ihre [Vso. 95] Gedärme gesund erhalten.
⸢Wir⸣ werden s[ie] ⸢bewah⸣[ren] vor jeglicher šp.t(?)-Krankheit18 der Eingeweide (und) vor jeglicher schlechter Flüssigkeit der Eingeweide.
⸢Wir⸣ werden ihren pḥ.wj-Hintern gesund erhalten.
Wir werden das Steißbein (wörtl. die Wirbelknochen) ihres pḥ.wj-Hinterns gesund erhalten.
Wir werden die Muskeln/Gefäße ihres pḥ.wj-Hinterns gesund erhalten.

18 ⸮š?p.tj: Vorschlag zur Ergänzung, der m. E. einigermaßen mit den erhaltenen Zeichenspuren in Einklang zu bringen ist und als Darmkrankheit (Wb 4, 444.8; H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 845) inhaltlich ebenfalls gut passt. Edwards (1960a, 60 [75]) schließt lediglich ḥpt aus, gibt aber keine Lösung an.

[Vso. 100] Wir werden ihren ḫpt-Hintern gesund erhalten.
Wir werden sie bewahren vor jeglicher Krankheit des Rektums, ⟨vor⟩ jeglichem Verschluß (?)19 des Rektums (und) ⟨vor⟩ jeglicher ꜥḫ.w-Krankheit (?)20 des Rektums.
Wir werden ihre beiden Beine gesund erhalten.
Wir werden deren (der Beine) Muskeln/Gefäße gesund erhalten.
W⸢ir⸣ werden die 10 Zehen (wörtl. Finger) [Vso. 105] ihrer beiden Füße (und) die 10 Finger ihrer (beiden) Hände gesund erhalten.

19 sbnw: Das Wort sbn als Bezeichnung eines (krankhaften ?) Zustands von Organen ist sonst nicht bezeugt. In diesem Text findet man es an zwei Stellen (T1, Vso. 64 u. Vso. 101–102), zum einen in Verbindung mit dem Ohr und zum anderen in Verbindung mit dem Anus. Edwards (1960a, 59–60 [52]) vermutet einen Zusammenhang mit sbn „Binde“ (Wb 4, 89.12–13), was auf ein Verschließen oder Verstopfen hindeuten könnte. Peust (2008, 329) folgt diesem Gedanken und übersetzt „Verschluß“.
20 ⸮[ꜥ]ḫw?: Die Stelle ist schwierig zu lesen. Edwards (1960a, 61 [80]) nimmt eine Dittographie von sbnw an. Der zur Verfügung stehende Platz ist allerdings nicht ausreichend für zwei Schriftquadrate. Der Klassifikator Aa2 sowie zwei Füllstriche am Ende des Wortes sind gut erkennbar, so auch von Edwards (Edwards 1960b, Taf. 21a) angegeben. Davor sind nur zwei Zeichen auszumachen, die einigermaßen gut als ḫw (Aa1–Z7) zu erkennen sind. Durch einen horizontalen Riss im Papyrus ist nicht ganz klar, wieviel Platz nach oben zur Verfügung steht. Hier ist möglicherweise etwas von der Zeile verloren gegangen. So könnte man noch oberhalb der Gruppe den Arm (D36) zur Krankheitsbezeichnung ꜥḫ.w (Wb 1, 224.13; H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 152) ergänzen, vgl. hierzu die Schreibung des Wortes in Zeile Vso. 30.

Wir werden ihren gesamten Körper (und) all ihre Glieder von ihrem Kopf bis zu ihren beiden Fußsohlen gesund erhalten.
Angefertigt als das, was die erhabenen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind, gesagt haben.