Oracular Amuletic Decree B (Papyrus Berlin 10462)
Übersetzung und Kommentar
Oracular Amuletic Decree B (Papyrus Berlin 10462)
Recto
[...] [rto x+1] [...]1 [NN, deren Mutter Rua]iw2 [ist] (?), meine ⸢Dienerin⸣, ⸢mein⸣[en Zögling (?)]3. [Ich werde ih]r Fl[eisch] (?) [gesund erhalten (und) ihr Skelett] (?).4 Ich werde [ihren Mund] öffnen, [um zu essen und] ⸢um⸣ zu trinken. [Ich werde sie essen] [rto x+5] [lassen, um zu leben]. [Ich werde] sie ⸢trinken⸣ lassen, [um gesund zu bleiben]. [Ich werde] ⸢jeden⸣ [T]raum (wörtl. Schlaf), den ein anderer oder [eine andere] [für]⸢sie⸣ sie[ht], ebenfalls [gut machen (wörtl. zu etwas Gutem machen)]. Ich werde [sie vor der bꜣ.w-Macht von]5 Amun, Mut und Chons bewahren, die (?) [...] [rto x+10] [...]. Ich werde ⸢sie⸣ (Amun, Mut und Chons) beruhigen [für sie].
[Ich werde sie] vor Lepra, vor Blindheit/Augenverletzung (und) [vor dem Wirken des Udjat-Auges (?)] bewahren.
[Ich] werde sie vor dem Einstürzen [einer Mauer] (und) vor Zerstörung (durch) ein [Unwetter] ⸢bewahren⸣.6 Ich werde sie [rto x+15] [auf dem] Uferdamm beschützen (und auf) den Gespannen, auf [die sie steigen (?)]7 wird. Ich werde (nach) [ihr] sehen. [Ich] werde sie [behü]ten. Ich werde sie [bei allen Arten des Reisens]8 beschützen, die sie ausführen (wörtl. machen) wird.
1 Textverlust: Nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 113) dürften etwa 3 bis 4 Zeilen Text fehlen. Aus der Formulierung der Versprechen geht hervor, dass nur ein orakelgebender Gott genannt war, und zwar Amenemope, wie aus Zeile rto x+96 eindeutig hervorgeht. Darüber hinaus fehlen Name und der größte Teil der Filiation der Orakelbesitzerin.
2 [Rua]iw ([___]jw): In der erhaltenen „Adress-Zeile“ auf der Rückseite wird der Name der Mutter als Rʾ-wꜣ-jw angegeben. Der Name ist dort mit dem sitzenden Kind (A17) geschrieben, was Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 113) zu der Lesung des Names als Rʾ-wꜣ-jw-šrj veranlasste. Mit Verweis auf de Meulenaere (in: Trabajos de Egiptologia/Papers on Ancient Egypt (TdE) 2, 2003, 113–116), der die Funktion und Lesung des Zeichens A17 in Personennamen untersucht hat, ist für den hier vorliegenden Namen aber anzunehmen, dass das Zeichen A17 in diesem Fall nicht gelesen werden darf, sondern als Klassifikator aufzufassen ist (ebd., 115 [2.]). Dies wird unterstützt durch die ersten drei Zeichen in der ersten erhaltenen Zeile des Papyrus: Hier sehen wir recht deutlich jw (M17-Z7) gefolgt von dem Wurfholz (T14). Das Wurfholz wird auch zur Klassifikation von ausländischen, z.B. libyschen Namen verwendet (Colin, Les Libyens en Egypte, 58). Insofern hätten wir hier an der passenden Stelle im Formular vermutlich das Ende des Namens der Mutter, der auf dem Verso in der erhaltenen Adress-Zeile mit Rʾ-wꜣ-jw angegeben ist. Es könnte sich gut um einen ausländischen Namen handeln, wobei mir bisher kein weiterer Beleg dieses Namens bekannt ist.
3 [Zögling (?)] ([⸮sḫpr?]): Mutmaßliche Ergänzung nach dem üblichen Formular, das generell in den Oracular Amuletic Decrees zur Vorstellung des/r Besitzers/in des Amulettpapyrus verwendet wird, vgl. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 113, [3].
4 Die Schutzformel von Fleisch und Skelett steht für gewöhnlich zu Beginn der Versprechen direkt nach der Vorstellung des/r Orakelbesitzers/in. Die Ergänzung von Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 113 [4]) orientiert sich an den Parallelen unter Einbeziehung des zur Verfügung stehenden Platzes. Sie passt sehr gut zu den erhaltenen Spuren, doch da lediglich Reste von maximal sechs Zeichen erhalten sind, kann man diese Rekonstruktion nicht als hundertprozentig gesichert annehmen.
5 Ergänzung: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 113–114 [10]) schlägt überzeugend als Ergänzung r bꜣ.w vor mit Verweis auf pTurin Cat. 1985 (T3), rto 69–73. Wie das Versprechen endet, ist nicht ganz klar. Ausgehend von dem n, das noch erkennbar ist, könnte hier ebenso wie in T3 als Abschluss des Versprechens nꜣ nṯr.w ꜥꜣ.w p.t tꜣ „die großen Götter von Himmel und Erde“ gestanden haben, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 113 [10]. Es könnten aber auch weitere Götter folgen, wie ebenfalls in T3 (Pre, Ptah, Jah, Thot, Osiris, Min und Isis von Koptos) oder in pLondon BM EA 10083 (L1), rto x+32–34, wo Amenemope, Month und Maat genannt sind.
6 Ergänzung nach pLondon BM EA 10083 (L1), rto x+7–9, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 114 [14]. Am Ende von Zeile x+13 sind Reste eines Zeichens zu erkennen, die Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. XLVA) als q (N29) deutet, doch vermute ich, dass es sich eher um einen Hausgrundriss (O1) handeln dürfte, entsprechend der Schreibung dieses Wortes im pLondon BM EA 10308 (L3), A x+5–6. Zu Beginn von Zeile x+14 ist ausreichend Platz für qrj und einen vorausgehenden Genitiv.
7 Ergänzung nach pLondon BM EA 10251 (L2), rto x+58–59 (Kombination von ḥtr „Gespann“ und ꜥḏt „Uferdamm“) und pLouvre E 8083 (P2), vso 6–9 (Spezifizierung durch Relativsatz), s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 114 [17]. Das Verbum ṯzi̯ (Wb 5, 405.1–407.15), hier intransitiv gebraucht (Wb 5, 406.15–407.15), ist durch die erhaltenen Klassifikatoren (U40-D56-D54) recht eindeutig bestimmt. Die Paralelle schreibt wṯz (Edwards, HPBM 4, Bd. 2, pl. XXXIA), doch zeigen Formulierung sowie die verwendeten Personalpronomen, dass der Schreiber ṯzi̯ im Sinn hatte.
8 Ergänzung: Vgl. pLouvre E 8083 (P2), vso x+3–5.
[Wir werden sie] aus der Hand von Sopdu-Horus im Ost[en] (und) [aus der Hand von Sopdu-Horus] im Westen [retten], den Vorstehern der Messer[dämonen] [rto x+20] [der] Neunhei[t].9 Ich werde sie ⸢aus⸣ [der Hand der sieben Sterne d]es Großen Wagens (wörtl. Vorderschenkels) retten, die [vom Himmel] fallen [und] Menschen [nieder]strecken.10 Ich werde [sie aus der Hand] der Götter (der Bücher) vom Jahresanfang retten, aus der Hand [rto x+25] [der Götter] (der Bücher) [vom] Jahres[ende] (und) 〈aus〉 der Hand [der] Götter (vom Buch) „Das, was [im Jahr ist]“. [Ich werde] sie 〈aus〉 der Hand ((der)) Götter von Behe[det]11 [rett]en […angreif]en. Ich werde [sie aus der Hand der] ⸢Götter retten⸣, die einen Menschen ((in)) der [Stadt] finden und ihn auf den Feldern töten [rto x+30] (und) [aus der Hand der Götter (?)], die einen Menschen auf den Feldern finden [und ihn] in (?) [d]er Stadt [töten]12. Ich werde [sie aus der Hand der Götter] ⸢des⸣ südlichen Ackerlands retten (und) aus der Hand [der Götter] des nördlichen Ackerlands.13 Ich werde [sie] [vor einem] Kanal-[wr.t]-Geist, vor einem Brunnen-wr.t-Geist (und) [rto x+35] einem Tümpel-[wr.t]-Geist bewahren. Ich werde [sie aus der Hand der Götter] retten, ((die)) einen Menschen widersetzlich schnappen. [Ich werde sie aus der Hand] der Götter [retten], die [einen Menschen beim] Rückzug/[auf] der Flucht schnappen. Ich werde [sie aus der Hand der] Götter retten, die ⸢einen Menschen⸣ [rto x+40] [als Beute]14 schnappen (wörtl. nehmen). Ich werde sie ⸢aus⸣ [der Hand der Götter] retten, [die] Menschen schnappen (wörtl. nehmen), obwohl es weder ihr Schicksal (noch) ihre (glückliche) Bestimmung ist. Ich werde ⸢s⸣ie aus der Hand der Götter [retten], die angrei[fen]. Ich werde sie aus der Hand von [rto x+45] [(?) (aus dem Ort) (?)]15 retten. Ich werde [sie aus der Hand (?)] jedes [An]greifers retten, der angreift.
[Ich] werde ihren Bauch 〈mit〉 [männlichen (?)] Kindern (und) [weiblichen (?)] Kindern ⸢füllen⸣. [Ich] werde [ihren Haushalt (?)] [rto x+50] [mit Gerste (?)]16, [E]mmer, Dienern, [...], Ziegen, Vieh (und) jedwedem Kleinvieh (?) ausstatten. Ich werde […]17 geben/veranlassen, so dass sie unversehrt ist.
Ich werde [sie aus] ⸢der Hand⸣ von Chons, dem jugendlich Existierenden, retten, [rto x+55] (und von) [Chons], dem Pläneschmieder, dies[en] beiden [Pavianen], die 〈zur〉 Rechten (und) [Linken] ⸢von⸣ Chons-in-Theben-Nefer[hotep] sitzen, (und) ⸢die⸣ ein Buch über [Töten] (und) ⸢über⸣ Beleben herausbringen. Ich werde [sie] [rto x+60] [vor Zau]ber aus Ägypten bewahren, vor [Zaub]er aus Syrien, (und) [vor] [Zau]ber aus Nubien.
9 Vgl. pLondon BM EA 10308 (L3), B, 22 und pKairo CG 58035 (C1), I. 39–41 Rekonstruktion nach pTurin Cat. 1984 (T2), rto 49 (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 114 [18]). Durch die Wiederholung im Satz kann man hier durch die Rekonstruktion einen guten Eindruck gewinnen, wieviel vom rechten Rand des Papyrus verloren gegangen ist. Wenn man davon ausgeht, dass der Schreiber die Orthographie der Wörter nicht variiert hat, was innerhalb eines Satzes in den OAD kaum belegt ist, dann ergibt sich für die zu ergänzende Phrase m-ḏr.t Spd-Ḥr ein Platzbedarf von 2,3 cm. Man sieht, dass die Zeile x+20 etwas enger geschrieben ist als die Vorangehende, daher käme man auch mit ca. 2 cm aus. Die ursprüngliche Breite des Papyrus würde demnach bei etwa 6,5 bis 7 cm liegen.
10 Ergänzung nach pLondon BM EA 10083 (L1), rto 12–16 (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 114 [19–20]). Hier sind zwei Versprechen miteinander vermischt worden: der Schutz vor den sieben Sternen des Großen Wagens und der Schutz vor Meteoriten (Sterne, die vom Himmel fallen). In L1 werden beide Gefahren genannt, formuliert in zwei einzelnen Versprechen, die im Text direkt aufeinanderfolgen.
11 ((der)) Götter von Behe[det] (((nꜣ)) nṯr.w ⸢⸮Bḥd⸣[.t?]): Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 114 [27]) schlägt vor, Bḥd.t zu lesen, was gut zu den erkennbaren Zeichenresten passt, die sich als Stoßzahn F18 über der Hand D46 identifizieren lassen. Im pTurin Cat. 1985 (T3), rto 46–47 ist ein Versprechen zum Schutz vor den Göttern des Ackerlandes von Behedet (Edfu) (nꜣ nṯr.w tꜣ št.t Bḥd.t) erhalten, s. LGG IV, 546a. Womöglich hatte also der Schreiber diese Göttergruppe im Sinn, jedoch tꜣ št.t ausgelassen. Dass er bereits den bestimmten Artikel vor nṯr.w ausgelassen und über die Zeile gesetzt hat, würde dazu passen, dass er bei diesem Versprechen offenbar etwas unkonzentriert war.
12 [und ihn in (?) [d]er Stadt [töten] ([mtw=w ẖdb=f] ⸮((⸢m⸣))? [p]ꜣ dmy{t}): Die Ergänzung ist durch den ersten Teil des Satzes sowie die Parallelen in den anderen Texten (vgl. pLondon BM EA 10320 (L4), x+6–8; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 29–31; pParis Louvre E 25354 (P3), rto x+39–41) abgesichert.
13 Ergänzung nach pTurin Cat. 1984 (T2), rto 23–25.
14 [als Beute] ([⸮m kfꜥ?]): Der Kontext sowie die beiden erhaltenen Klassifikatoren, Löwenhinterteil F22 und schlagender Mann A24, sprechen für die Ergänzung von m kfꜥ, vgl. pLondon BM EA 10083 (L1), rto x+38–39, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 115 [41].
15 (aus dem Ort) (?) ([___ꜣšw.t]): Es handelt sich um ein Toponym, das nicht näher identifiziert werden kann, zumal sich in den anderen Texten auch keine Parallelen zuordnen lassen, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 115 [44]. Aufgrund der Klassifikation mit dem Wurfholz über dem Fremdland (N77) handelt es sich vermutlich um einen Ort bzw. eine Gegend außerhalb Ägyptens.
16 [mit Gerste (?)] ([⸮jt?]): Ergänzung nach pLondon BM EA 10083 (L1), vso 64–65. Anders als Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 115 [47]) gehe ich davon aus, dass der Platz für die Ergänzung ausreichend ist, um jt mit hineinzunehmen.
17 Es gibt keine Parallele, die uns hier einen Hinweis auf den fehlenden Text geben könnte. Die erhaltenen Spuren am rechten Rand der Zeile sind leider auch wenig aufschlussreich. Vor dem jw-Nebensatz wurde lediglich ein waagerechter Strich geschrieben, der an dieser Stelle seltsam wirkt, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 115 [49]. Ein „spacefiller“ mitten in der Zeile ist ungewöhnlich. Möglicherweise sind darüber aber noch sehr stark ausgebleichte Reste von Tinte zu erkennen. Eine gesicherte Rekonstruktion dieser Stelle ist nicht möglich.
Ich werde [sie] vor ((der)) Linsenkrankheit aus Ägypten bewahren, vor der Linsenkrank[heit] [rto x+65] aus Syrien (und) vor der [Linsen]krankheit aus Nubien. [Ich werde] sie vor [allen] bös[artigen] ḫzd-Geschwüren [bewahren]. Ich werde sie vor jeder bösartigen [bz]bz-Schwellung (?) bewahren. [rto x+70] [Ich werde] sie vor [jeder] bösartigen mšpn.t-Hautflechte bewahren. Ich werde sie [vor] jedem bösartigen mššw.t-[Ko]pfekzem (?)18 bewahren. [Ich] werde [s]ie vor der 3-Tage-Krankheit (Malaria tertiana), vor der ?-[Tage]-Krankheit (und) vor der Krankheit vom Tag 14 bewahren.19
Ich werde ihren Kopf [rto x+75] [gesund erhalten]. Ich werde ihr linkes [Ohr], ihr [rechtes] Ohr (und) beide Augen gesund erhalten. Ich werde ihr[e] beiden [Schultern?]20 gesund erhalten. Ich werde [ihre beiden Oberarme] gesund erhalten. [I]ch werde ihre [beiden?]21 (Unter-)Arme gesund [rto x+80] erhalten. [Ich werde] ihre beiden Brüste [gesund] er[halten]. [Ich werde] ihren Nacken [gesund erhalten]. Ich werde ihr [...]-Körperteil gesund erhalten. Ich werde ihr [...]-Körperteil gesund erhalten. Ich werde ihre Ripp[en] gesund erhalten. [I]ch werde ihr ḥꜣ.tj-Herz gesund erhalten. Ich [rto x+85] werde [ih]re Milz [gesund erhalten]. Ich werde [ihre] beiden ⸢N⸣ieren gesund erhalten. Ich werde ihre Lungen(flügel) [gesund erhalten]. Ich werde ihr ge[samtes?] pr-ḏꜣj-Organ [gesund erhalten]. Ich werde ihre Einge[weide] gesund erhalten. [rto x+90] Ich werde die Wirbel [ih]res [Rückens (?)] gesund erhalten. Ich werde ihr Rektum gesund erhalten. [Ich werde ih]re beiden Oberschenkel [gesund erhalten]. Ich werde die 10 Finger ihrer Hand [gesund erhalten]. Ich werden [die] ⸢10⸣ 〈Zehen〉 ihres Fußes ge[sund erhalten]. Ich werde [sie] gesund [rto x+95] erhalten [von] ihrem [K]opf bis zu ihren [beiden?] Fußsohlen.
18 mššw.t-[Ko]pfekzem (?) ([__]šꜣ): Eine Ergänzung von mššw.t „Schorf/Kopfekzem“ (Wb 2, 158.6; MedWb 399; Westendorf, Handbuch, 143) ist sehr naheliegend, da die zuvor genannte mšpn.t-Hautkrankheit in den Oracular Amuletic Decrees immer zusammen mit mššw.t auftritt, vgl. pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+41–42; pLondon BM EA 10308 (L3), B, x+29; pLondon BM EA 10587 (L6), vso 27; pTurin Cat. 1983 (T1), vso 28; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 106; pTurin Cat. 1985 (T3), vso 28–29. Allerdings zeigen die noch erhaltenen Zeichen eine Schreibung, die sich nicht eindeutig diesem Begriff zuordnen lässt: Der Beginn des Wortes ist nicht erhalten. Zu erkennen ist der Lotusteich (M8) mit Semogrammstrich (Z1) sowie die schlechte Pustel (Aa2) über einem Pluralklassifikator (Z2). Ein Plural ist bei diesem Begriff ungewöhnlich, zudem vermisst man die Angabe einer Feminin-Endung, die in den Parallelen regelmäßig geschrieben ist, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 115 [60]. Ich würde allerdings durch die Nähe zu mšpn.t eher an eine ungewöhnliche Schreibung von mššw.t denken, als eine dritte Bezeichnung einer weiteren Krankheit anzunehmen. Der Satz gehört ganz klar in den gleichen Kontext wie die vorangehenden. Mit dem folgenden Satz beginnt inhaltlich ein neuer Abschnitt. Daher sollte es sich um eine Hautkrankheit handeln, wobei allerdings die erhaltenen Zeichen mit den weiteren in den OAD belegten Hautkrankheiten noch weniger in Verbindung zu bringen sind als mit mššw.t.
19 In diesem Satz wird Schutz vor verschiedenen Formen der Malaria versprochen. Der Begriff mḥr-hrw.w-3 bezeichnet das sog. „Drei-Tage-Fieber“ (Malaria tertiana), bei dem die Fieberschübe periodisch alle 48 Stunden auftreten. Das zweite Element könnte sich auf das „Vier-Tage-Fieber“ (Malaria quartana) beziehen, bei dem die Fieberschübe periodisch alle 72 Stunden auftreten. Der Tag 14 ist allerdings schwierig in eine Malaria-Symptomatik einzuordnen, könnte aber ganz generell als gefährlicher Tag für eventuell auftretende Krankheiten gelten, s. zu dieser Textstelle ausführlich Bardinet, Le paludisme, 49. Die Unterscheidung in der Übersetzung der im Ägyptischen gleich konstruierten Krankheitsbezeichnungen mḥr-hrw.w-3 und mḥr-hrw.w-14 als „3-Tage-Krankheit“ und „Krankheit vom Tag 14“ versucht diese Einschätzung von Bardinet zu verdeutlichen. Allgemein zu Malaria im Pharaonischen Ägypten s. Bardinet, Le Paludisme, 23–45.
20 [Schultern?] ([⸮qꜥḥ?]): Ergänzung nach Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 116 [64].
21 [beiden?] ([⸮2?]): Der Raum zu Beginn von Zeile x+80 ist groß genug, um die Zahl 2 und eventuell noch einen Klassifikator zu ḫpš zu ergänzen, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 116 [66].
[So hat man gesprochen]22, und zwar Amenemope, der [große Gott?]23.
Was jedes Versprechen angeht, das […] die, die sie(?) [darauf (?)] gemacht (=geschrieben) haben [und die], welche sie nicht [rto x+100] [darauf gemacht (= geschrieben)] haben: [Ich] werde Gutes für (?) sie machen.24
22 [So hat man gesprochen] ([j.n] =[tw]): Der Anschluss des Götternamens mit n weist darauf hin, dass hier die Konstruktion j.n=tw m/(j)n NN (ENG, 357–358, §714; zur Auffassung der Form als aktive Verbalform mit unpersönlichem Suffix =tw, s. Junge, Näg. Gr., 107) vorliegen muss, wie sie in einigen der Oracular Amuletic Decrees (pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+50; pTurin Cat. 1984 (T2), vso 112; pParis BN 182 (P4), 43 und pCleveland CMA 14.723 (CMA), 34) vorkommt, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 116 [76]. Die Texte L1 und P4 zeigen jeweils einen Götterklassifikator (G7) nach dem Suffix tw, wie es auch in dem hier vorliegenden Text sein dürfte. Der Klassifikator kann sich auf das Suffix beziehen, ebenso wie er in der ersten Person Singular bzw. Plural in den OAD verwendet wird. Die Tatsache, dass der Text T2 jedoch an dieser Stelle den sitzenden Mann mit der Hand am Mund (A2) zeigt, deutet darauf hin, dass der gesamte Ausdruck vermutlich als lexikalisierte Einheit aufgefasst werden muss. Dann wäre der Götterklassifikator wohl hier ähnlich wie in der Konstruktion mit ḏd auf den gesamten Ausdruck bezogen, in dem Sinne, dass „man in göttlicher Art und Weise gesprochen habe“.
23 der [große Gott?]: Zu Beginn der Zeile sind etwa drei Quadrate nicht erhalten. Der zur Verfügung stehende Raum reicht daher nicht aus, um die gesamte zu erwartende Titelfolge pꜣ [nṯr-ꜥꜣ wr šꜣꜥ-ḫpr] zu rekonstruieren. Ebenso wie Edwards (HPBM 4, B. 116 [77]) gehe ich davon aus, dass wohl lediglich pꜣ nṯr-ꜥꜣ genannt gewesen sein dürfte. Die Ergänzung ist allerdings keineswegs als gesichert zu betrachten.
24 Die Schlussklausel in diesem Text passt in den Teilen, die erhalten sind, nicht zu den Versionen der Paralleltexte. Daher ist es schwer, eine Rekonstruktion des Satzes anzubieten. Zu Beginn von Zeile rto x+98 würde man nach den Parallelen etwas wie ḥr pꜣj ḫr.tw erwarten, vgl. pParis Louvre E 25354 (P3), vso x+19–20; pTurin Cat. 1984 (T2), vso 113–114). Jedoch passt der Anschluss zum folgenden Text nicht. Am rechten Rand sind vor nꜣ noch drei Zeichen zu erkennen: ⸮ḥ?j (gedrehter Flachs V28 – Schilfblatt M17 – Mann mit Hand am Mund A2). Während die beiden letzten sehr gut gelesen werden können, ist dies bei dem ersten Zeichen etwas schwieriger, da die Form nicht so eindeutig ist. Am ehesten käme aus meiner Sicht V28 in Frage. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 116 [79]) lässt dieses erste Zeichen aus und stellt fest, dass ein j vor nꜣ keinen Sinn ergibt. Letztendlich bietet daher die Lesung des Zeichens auch keine weiteren Erkenntnisse. Der weitere Text passt wieder auf das bekannte Formular, die angebotenen Ergänzungen folgen den Vorschlägen von Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 116 [80–81]. Die Zeile endet mit jw=st, was wiederum ein Problem darstellt. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 116–117 [82]) vermutet hier den Beginn eines Nebensatzes, der sich nicht mehr erhalten hat. Er erkennt minimale Tintenspuren in der nächsten Zeile. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass der Text mit der Zeile rto x+101 endete und der folgende Teil des Papyrus unbeschrieben geblieben ist. Geht man davon aus, so kann man an dieser Stelle entweder einen Fehler annehmen oder davon ausgehen, dass der Schreiber an dieser Stelle eventuell jw für r geschrieben haben könnte. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass man an dieser Stelle nicht die Präposition r, sondern eher n erwarten würde. Insofern bleibt die oben angebotene Übersetzung vorläufig.
Verso
[vso 1] [...] ihre Mutter (ist) Ruaiu.
