Oracular Amuletic Decree P4 (Papyrus Paris BN 182)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Papyrus Paris BN 182; OAD P4
Aufbewahrungsort
Europa » Frankreich » (Städte M-P) » Paris » Bibliothèque Nationale, Cabinet des Médailles

Inventarnummer: BN 182

Erwerbsgeschichte

Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 89) ging davon aus, dass das Amulett 1857 in die Sammlung der Bibliothèque Nationale gekommen ist und, dass es eventuell aus der Sammlung Anastasi stammen könnte. Worauf er diese Angaben stützt, erwähnt er aber nicht. Tatsächlich stimmen diese Angaben nicht. Der Papyrus wurde im März 1844 für die Summe von 11,25 Francs für die Sammlung angekauft, wie dem damaligen Registerbuch zu entnehmen ist. Auf der Seite 25 ist unter der Nummer 974 ein „Etui orné de deux tiles, contenant un manuscrit“ vermerkt. Über die Herkunft des Stückes ist leider nichts bekannt.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960a, xiii) nimmt generell für diese Gruppe von Texten eine Herkunft aus Theben an. Diese Annahme wird zumeist durch die im Text genannten Götter oder gelegentlich auch durch die genannten Personennamen gestützt. In diesem Papyrus sind die orakelgebenden Götter, Mut, Herrin von Ischeru, und Chons-von-Theben-Neferhotep, was gut zu einer Herkunft des Textes aus Theben passt. Der Name des Amulettbesitzers sowie diejenigen seiner Eltern sind nicht erhalten. Da keine Informationen über Herkunft und Fundumstände des Stückes bekannt sind, bleiben die Namen der orakelgebenden Gottheiten der einzige Anhaltspunkt zur Herkunft des Textes.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1960, 175, n. 5; Ead., 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Die orakelgebenden Götter Mut, die Herrin von Ischeru, und Chons-von-Theben-Neferhotep, versprechen dem Besitzer des Amuletts, dessen Namen sich leider nicht erhalten hat, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung seines Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau/Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet wird. Im hier vorliegenden Papyrus ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der hier vorliegende Text niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der 52 cm lange und 3,5 cm breite Papyrusstreifen ist zwar mehr oder weniger vollständig erhalten, doch befindet er sich in einem nicht sehr guten Zustand. Vor allem zu Beginn des Textes ist die rechte Seite stark beeinträchtigt und es sind einige Stücke ausgebrochen. Der Text war ursprünglich eng zusammengerollt und in einem hölzernen Behälter verstaut. Die Zerstörungen vor allem an den Seitenrändern sind so zu erklären. Unglücklicherweise sind die Lücken so verteilt, dass der Name des Orakelbesitzers nicht erhalten ist. Zudem ist der Text stark beeinträchtigt, da beim Ausrollen des Papyrus Fasern auf der beschriebenen Seite haften geblieben sind. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 89) beschreibt, dass die Lesbarkeit durch das Entfernen dieser Fasern erheblich verbessert werden konnte. Der Text wurde vermutlich um 1850 entrollt, auf Papier aufgeklebt und eingerahmt (http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc589009). Der hölzerne Behälter, ein Zylinder, der auf der Oberseite mit plastisch ausgearbeiteten Köpfen der Göttin Mut und des Gottes Chons, also den orakelgebenden Göttern, verziert ist, ist leider nicht erhalten. Eine Zeichnung des Behälters sowie des Papyrus im zusammengerollten und verschnürten Zustand sind mit eingerahmt. Folgende Beschreibung befindet sich ebenfalls in dem Rahmen: „Cylindre de bois évidé surmonté des têtes de Mouth et Chons avec une bélière, et contenant le payrus roulé (n°. 1044)“.

Der Papyrus ist nur auf einer Seite beschrieben, und zwar auf der Seite, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Verso“ bezeichnet wird, bei der die horizontalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück, auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt  bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (an dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem deutlich kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a+b), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus BN 182. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle P4 aufgenommen (1960a, 89–92, Bd. 2, pl. XXXV). Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom I. Text. London 1960, 89–92.

- I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom II. Plates. London 1960, pl. 35.

Literatur zu den Metadaten

- Adderly 2015: N. J. Adderly, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014).

- Bierbrier 2019: - M. L. Bierbrier. Who was who in Egyptology. 5. überarbeitete Auflage. London 2019.

- Bourriau – Ray 1975: J. D. Bourriau – J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61 (1975), 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939).

- Derchain 1965: Ph. Derchain, Le Papyrus Salt 825 (B.M. 10051) rituel pour la conservation de la vie en Égypte, Mémoires (de l’)Académie Royale de Belgique: Classe des Lettres 58, 1a (Bruxelles 1965).

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46 (2017), 55–100.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20 (1963), 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étude 81 (Caire 1979), 167–183, Taf. 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9 (1987), 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118 (2018), 233–239.

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman – R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58 (1972), 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99 (2013), 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Online-Ressourcen

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree P4 (Papyrus Paris BN 182)

[rto 1] ⸢(In göttlicher Weise) hat Mut, die Große⸣, die Herrin von Ischer[u] ⸢gesprochen⸣; ⸢In göttlicher Weise) hat Chons von Theben, Neferhotep gesprochen⸣ [...] [...]; [...] [...] [rto 5] [unser] ⸢Dien⸣[er].

⸢Wir werden seine Träume⸣, [...] ⸢sieht⸣, [g]⸢ut machen⸣ (wörtl. zu etwas Gutem machen). Wir werden [seine] [Träume], die [...] sieht, [g]⸢ut⸣ [machen] (wörtl. zu etwas Gutem machen).

Wir werden seinen Mund öffnen, ⸢um⸣ [zu essen] (und) [um] zu trinken.1

Wir werden [...] [rto 10] [...] [...] [vor] den (?)-Dämonen/Leuten [...].2 [Wir] werden ⸢ihn bewahren⸣ vor der Wanderdämonen(schar/truppe) der Bastet. Wir werden ihn vor den Göttern retten, die [___] packen (?) (und) vor den Göttern, die (?) [...] [rto 15] [...]. ⸢Wir werden⸣ [ihn vor] den Göttern ⸢retten⸣, die Menschen ⸢in der Stadt4 schnappen⸣ [...], [vor] den Göttern von dem [...],5 vor den Göttern von dem [...], vor den Göttern von (?) dem (?) [rto 20] [...], vor dem (?) [...] (und) vor (?) dem (?) [...].

Wir werden 〈ihn〉 vor der Linsenkrankheit (aus) Libyen6 〈bewahren〉. ⸢Wir⸣ werden ihn unversehrt sein lassen7 bei Lepra, bei Blindheit/Augenverletzung (und) bei (dem Wirken von) dem Auge eines Toten während seiner ganzen Lebenszeit.

Wir werden ihn vor der Ba-Macht von A[mun], [rto 25] [Mut] (und) Chons ⸢bewahren⸣ während seiner gesamten ⸢Lebens⸣zeit.

Wir werden ihn bewahren vor einer Krankheit [....],8 vor einer Krankheit des Kopfes (?) (und) vor einer Krankheit der Brust (?). Wir werden ihn unversehrt sein lassen bei Taubheit (?) der beiden Ohren, bei (?) [...], bei Bitterkeit, [bei] [...], bei jedem (?) Leiden [rto 30] des [...]-Körperteils, ⸢bei⸣ (?) , bei einer Infektion (?)9 (und) bei [...] 〈an〉 seiner Zahnleiste (?).10

Wir werden [ihn] [vor] einem Krokodil, vor einer Schlange, vor einem Skorpion, [vor einem Gifttie]r (und) ⸢vor einem Maul⸣, das beißt, bewahren. Wir werden ihn vor jeder Aktion von allen (schlimmen) Genossen bewahren, in die er [rto 35] geraten (wörtl. fallen) könnte.

Wir werden veranlassen, dass jeder Gott und jede Göttin, zu denen er gehen wird, ihn 〈mit〉 einem schönen Empfang empfängt.11

Wir werden ihn auf [allen (?)] Frachtschiffen,12 in die er einsteigen wird, beschützen. Wir werden [rto 40] ihn [...]. Wir werden ihn bewachen.13 [Wir werden ihn] auf jeder Art [von (?)]14 [...] (und) auf jeder Art von Reise, die er [macht, beschützen].

So hat man (in göttlicher Weise) gesprochen, und zwar Mut, die Große (?) [...] der/die zuerst entstanden ist (?) [...] [rto 45] [...]. Es haben die Götter, (?) (in göttlicher Weise) gesprochen:

Wir werden sein Ohrenpaar, [sein] Gebiss (?),15 [sein ?] [...] (und) sein [...] gesund erhalten. [Wir] werden seine Lungen(flügel), seine Nieren, seine Milz (und) seine Eingeweide gesund erhalten. [rto 50] [Wir werden] sie (die Körperteile) stark machen. Es hat (der Gott) [...] (in göttlicher Weise) zu ihm (dem Orakelbesitzer) (?) gesprochen: Wir werden ⸢seinen gesamten⸣ ⸢Rumpf⸣ gesund erhalten.

1 swrj: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. XXXVA) sieht nach swrj noch ein Quadrat mit Resten von Schriftzeichen, die er nicht zuordnen kann. Ich meinerseits kann seine Lesung nachvollziehen, doch nur, wenn ich genau dieses Quadrat miteinbeziehe. Ich sehe zu Beginn der erhaltenen Zeile das Tuch-s (S29) deutlich und vollständig, dann folgt eine nur mäßig gut erhaltene Gruppe, die man als wr-Vogel (G36) über r (D21) identifizieren kann. Einen Strich neben dem Mund, wie ihn Edwards (ebd.) angibt, kann ich nicht sehen. Das folgende Schilfblatt (M17) ist wieder gut erkennbar, dann folgt ein Haken, in dem man gut eine verkürzte, frühdemotische Schreibung der drei Wasserlinien (N35a) erkennen kann, s. Donker van Heel/Golverdingen, Vorläufige Paläographie (A-M), 25. Die beiden letzten hohen Zeichen passen gut zu dem Gefäß W22 und dem sitzenden Mann mit der Hand am Mund (A2).

2 Zerstörung: Es ist unklar, wo die Satzfugen verlaufen. Edwards sieht zu Beginn von Zeile 11 einen Satzanfang, doch ich kann diese Lesung nicht nachvollziehen. Der zur Verfügung stehende Raum würde ausreichen, doch ist auf dem Foto, das mir zur Verfügung steht, zu Beginn von Zeile 11 nach ein paar Spuren (ca. 2Q), die nicht zu einem Satzanfang passen, lediglich der Rest eines senkrechten Strichs zu erkennen, der zwar ein Schilfblatt (M2) sein könnte, doch ebensogut auch ein anderes senkrechtes Zeichen. In den folgenden drei Quadraten ist nichts mehr erhalten, dann folgt eine möglicherweise unvollständige Bezeichnung von Menschen oder vermutlich gefährlichen Dämonen o.ä. Die Reste der Zeichen zu Beginn von Zeile 12, bevor man den nächsten Satzanfang rekonstruieren kann, sind ebenfalls unleserlich. Aus meiner Perspektive sieht es daher eher danach aus, dass es sich bei den Resten von Zeile 10 bis 12 um einen Satz handelt. Inhaltlich würde man hier ein Schutzversprechen vor den Messerdämonen der Sachmet (ḫꜣ.tjw (n.w) Sḫm.t) erwarten, da im folgenden Satz die Wanderdämonen der Bastet (šmꜣ.y (n.w) BꜢst.t) genannt sind, vgl. pNew York MMA 10.53 (NY), rto 32–35. Die erkennbaren Spuren kann ich aber nicht mit einer Schreibung dieser Dämonengruppe in Verbindung bringen.

3 pꜣ šmꜣm.y BꜢ⸢st.t⸣: Es ist schwierig den Artikel Singular Maskulinum an dieser Stelle zu erklären. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 89 [8]) denkt an die Krankheit šmꜣ.y (Wb 4, 471.7–8; MedWb 851; Lemma-ID 154610), doch aufgrund der Verbindung zu Bastet handelt es sich sicherlich um die šmꜣ.y-Wanderdämonen (LGG VII, 78; Lemma-ID 881120), die in den Oracular Amuletic Decrees mit Bastet assoziiert werden können, s. pNew York MMA 10.53 (NY), rto 32–35. Diese Wesen werden in den Oracular Amuletic Decrees sowohl im Singular als auch im Plural genannt, im Singular zumeist in dem Ausdruck ꜥ.w nb n.j šmꜣ.w „jegliche Aktion eines Wanderdämons“. Gemeinhin treten diese unheilbringenden Entitäten aber immer als Gruppe auf, s. Lucarelli, Demons, in: UEE 2010, 3; dies., in: Broekman/Demarée/Kaper, Libyan Period, 237–238. Und so ist in Verbindung mit der Göttin Bastet im Papyrus NY (s.o.) auch ausdrücklich der Plural verwendet. Der Schreiber dürfte im vorliegenden Fall also den Begriff als Kollektivum aufgefasst haben.

4 ⸢dmy{t}⸣: Lesung nach Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A). Ich kann die Lesung nicht ganz nachvollziehen, kann aber auch keine bessere anbieten.

5 nꜣ nṯr.w n.w pꜣ [___]: Offenbar werden in diesem Schutzversprechen unterschiedliche Gruppen von Göttern und noch andere Gefahren genannt. In den Zeilen 18 bis 20 sind drei Gruppen von Göttern genannt, jeweils bezeichnet als nꜣ nṯr.w n(.w) pꜣ [___], wobei das auf den Artikel folgende Substantiv in jedem Fall leider nicht zu identifizieren ist. Edwards (HPBM 5, Bd. 2, pl. 35A) liest am Ende von Zeile 19/Anfang von Zeile 20 ḫꜣ.tjw, doch ich erkenne am Ende von Zeile 19 pꜣ mit folgendem in Zeile 20. Die Zeichen, die Edwards als X1-Z4-G4 liest (ebd.), deute ich als Beginn des Substantivs, wobei noch drei weitere eher hohe Zeichen folgen. Diese Gruppe von Zeichen ähnelt sehr stark der Gruppe, die an derselben Stelle in der Mitte von Zeile 18 geschrieben ist. Eine vernünftige Lesung kann ich aber leider nicht anbieten.

6 [P]⸢d⸣y: Lesung nach Edwards, HPBM 2, Bd. 2, pl. XXXVA, Bd. 1 90 [13]. Bei den Spuren zu Beginn von Zeile 22 handelt es sich mit einiger Sicherheit um ein Toponym, da der Klassifikator (O49) noch recht gut zu erkennen ist und man das nach der Angabe von „Lentigo“ auch erwartet. Wenn man die Spuren nach Edwards deutet, was gut zu den erkennbaren Resten passt, handelt es sich in diesem Fall um pyd-Libyen. Anders als Edwards erkenne ich allerdings vor dem Ortsklassifikator auch noch das Wurfholz (T14), was man als Klassifikator eher erwarten würde als O49. In den anderen Oracular Amuletic Decrees sind drei verschiedene Formen von tꜣ ꜥršn(.t) genannt, die geographisch unterschieden werden: die syrische und die kuschitische Form werden oft gemeinsam genannt und stellen den Hauptteil der Belege (pLondon BM EA 10308 (L3), B31–33; pLondon BM EA 10320 (L4), x+4–6; pLondon BM EA 10730 (L7), x+12–13; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 92–94; pKairo CG 58035 (C1), 31–33; pChicago ISACM E25633A-D (Ch), 78–79). In einem Text wird dem Paar noch eine ägyptische Form zugefügt (pBerlin ÄMP 10462 (B), rto 63–66). Nur ein weiterer Text außer dem hier vorliegenden nennt nur eine Form, und zwar die kuschitische (pPhiladelphia PENN E 16724 (Ph), D5–6). Eine libysche Variante ist in keinem anderen Text belegt. Wie sich die geographischen Angaben zu den erwähnten Hauterscheinungen verhalten und wie sich die einzelnen Formen unterscheiden, ist unklar.

7 jw =n{n} (r) ḏi.t wḏꜣ=f r: Es ist ungewöhnlich, dass der Schutz vor Lepra, Blindheit und einer weiteren nicht sicher zu identifizierenden Gefahr mit rḏi̯ wḏꜣ „unversehrt sein lassen“ formuliert ist. Generell findet sich bei diesem Versprechen das Verb šdi̯ „retten, bewahren“, s. beispielsweise pLondon BM EA 10083 (L1), rto x+10–12.

8 ⸮ḫꜣj?_: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A) liest mḥr nb, doch kann ich in den Zeichenspuren kein nb erkennen. Mir erscheinen die letzten Zeichen vor dem Ende der Zeile eher ḫꜣj_ zu lauten (M12-Z4-[]), wobei man mit dieser Lesung auch keine sinnvolle Ergänzung anbieten kann.

9 ⸢⸮ꜥb.w?⸣: Edwards (HPBM 4, Bd.1, 90 [18], Bd. 2 35A) schlägt für diese Stelle unter Vorbehalt die Lesung jbḥ „Zahn“ (Wb 1, 64.2–4; Lemma-ID 23830) vor. Ich würde allerdings nach Durchsicht der Parallelen sowie vor allem wegen des gut erkennbaren Klassifikators Z6, den auch schon Edwards (ebd.) als Argument gegen seinen Vorschlag angeführt hat, vorschlagen, die betreffende Stelle ꜥb.w (-b-w-F18-Z1-Z7) „Infektion“ (Wb 1, 174.15–18; Lemma-ID 36300) zu lesen, vgl. hierzu die ähnliche Schreibung in pTurin Cat. 1983 (T1), vso 86).

10 r [___] 〈n.j〉 ⸮nꜣy?=⸢⸮f?⸣ ⸮stn.w?: Lesung nach einem Vorschlag von Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 90 [18], Bd. 2 35A). Ich bin nicht überzeugt von dieser Lesung, kann aber keine bessere anbieten. Der zur Verfügung stehende Raum am Ende von Zeile 30 und zu Beginn von Zeile 31 ist recht knapp, um einen Ausdruck für eine Störung oder ein Leiden zu ergänzen, und mindestens der dann erforderliche Genitiv vor dem Possessivartikel wäre vom Schreiber ausgelassen worden.
Nach den Parallelen könnte man in dieser Aufzählung auch die Ausdrücke srf.t „Hautentzündung“ (Wb 4, 196.15; Lemma-ID 139450) und rmn.t-Hautkrankheit (Quack, in: Fs Kitchen, 415; Lemma-ID 879248) erwarten, doch kann ich die Begriffe in keiner Weise mit den erhaltenen Zeichenresten in Zusammenhang bringen.

11 šsp m šsp nfr: Vgl. pLondon BM EA 10730 (L7), x+23–24 sowie pVandier, Recto 1, 12 u. 5.15: šsp tw=k Pꜣ-rꜥw n šsp [⸮nfr?] „Möge Pre dich empfangen durch einen schönen Empfang!“ und (j)m(j)-rʾ-mšꜥ [⸮Mrj-Rꜥw?] šsp [tw=k] nꜣ-(n) dwꜣ.t n šsp nfr „General [Merire], mögen die Unterweltlichen [dich] empfangen durch einen schönen Empfang“.

12 m mnš.w [⸮nb?]: Die Lesung von Zeile 38 ist alles andere als sicher. Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A) erkennt dort jw=n{n} ⸢šdi̯⸣ =⸢f⸣ ⸢n⸣ ꜥ(.w) ⸢nb{t}⸣ [mn]š.w. Ich würde eher die Stelle, die er als ꜥ.w liest, als etwas beeinträchtigte Viper (I9: =f) mit folgender m-Eule (G17) deuten. Ohnehin wäre bei seinem Vorschlag davon auszugehen, dass der sonst obligatorische Semogramm-Strich (Z1) nach dem Arm (D36) sowie das notwendige Genitiv-n ausgelassen worden wären (vgl. Zeile 42). Das folgende Zeichen, das ein nb-Korb sein könnte, würde ich mn lesen wollen mit Verweis auf Zeile 50, wo die Gruppe ähnlich geschrieben ist. Zwischen mn und š ist etwas von der Oberfläche abgeplatzt, so dass beide Gruppen etwas beeinträchtigt sind. Ich bin nicht restlos von dieser Lesung überzeugt. Der Vorteil gegenüber derjenigen von Edwards liegt nur darin, dass man die oben genannten Auslassungen nicht erklären müsste.

13 rs{tp}=f: Die Schreibung von rs „aufwachen, wachen, bewachen“ (Wb 2, 449.8–451.12) zeigt ein zusätzliches tp, das sonst nur im Nomen bzw. im intransitiven Gebrauch von rs (tp) geschrieben ist. In diesem Versprechen muss das Verb transitiv sein, so dass die Schreibung zu emendieren ist, vgl. hierzu auch die Parallele in L1 (rto x+63) mit einfacher Schreibung rs.

14 ⸮m? ⸮pꜣ?: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A) liest hier ebenso wie in der folgenden Zeile n ꜥ.w nb, doch scheint mir hier ein horizontaler Riss im Papyrus an der Stelle, wo man das n erwartet, die Form der Zeichen zu verunklaren. Ohne diesen Querstrich scheint mir m pꜣ die zu bevorzugende Lesung zu sein.

15 j⸮bḥ?: Die Spuren nach dem Schilfblatt passen nicht zu einem neuen Satzanfang. Es sollten also nach der Satzstruktur weitere Körperbereiche/-teile folgen. Möglicherweise könnte man jbḥ (M17-D58-V28-Ff1-X1-F18-Z1-F51) lesen.