Oracular Amuletic Decree C1 (Papyrus Kairo CG 58035)
Übersetzung und Kommentar
Oracular Amuletic Decree C1 (Papyrus Kairo CG 58035)
Recto
[rto 1] (In göttlicher Weise) hat Month-Re, der Herr von Theben, gesprochen; (und in göttlicher Weise) hat Month, dieser, der auf dem großen Thron ist, gesprochen. Also haben (in göttlicher Weise) die großen Götter, gesprochen, die Ältesten, die zuerst entstanden sind:
〈Wir〉 werden [rto 5] Nesanchefenmaat beschützen, den Sohn von Padiese, dessen Mutter Aset(em)permes ist, unseren Diener. Wir werden ihn gesund erhalten 〈an〉 seinem Fleisch (und) seinem Skelett. Wir werden ihn behüten. 〈Wir〉 werden ihn beschützen. [rto 10] Wir werden (aktiv) zwischen ihm und [jeder] Krankheit stehen (wörtl. handeln).
[...Wir] werden seine [beiden] ⸢Augen⸣ sehen lassen. 〈Wir〉 werden sein Ohrenpaar hören lassen.
〈Wir〉 werden ihn sich [rto 15] vollständig sättigen lassen (wörtlich sich an einer Sättigung sättigen) an einem [schönen?] Leben auf Erden. Wir werden ihn bewachen [am Tag]. Wir werden über [ihn] wachen [bei] Nacht. Wir werden ihn zu jeder Zeit halten. Wir werden ihn nicht [rto 20] verlassen. Wir werden ihm zugunsten unser sehr großes (und) erhabenes Orakel ausstellen (wörtl. geben) täglich, täglich (= wirklich an jedem einzelnen Tag)!
Wir werden ihn vor jeder Aktion eines Messerdämons bewahren, vor jeder Aktion von Wanderdämonen (und) vor jeder Aktion der Götter (des Buchs) [rto 25] „Das, was im Jahr ist“. Wir werden ihn vor jedem Einfluss der jr.jw-Glossare1 bewahren, vor jedem Einfluss der ṯꜣ.w-Schriften2 (und) vor jeder Aktion der Jahresseuche.
Wir werden ihn vor Lepra bewahren, vor Blindheit (und) dem Wirken des Udjat-Auges. Wir werden ihn [rto 30] vor der tnw-Alterserscheinung (und) Schorf/Ausschlag (?) bewahren. Wir werden ihn aus dem Griff der Linsenkrankheit aus Syrien retten (und) vor der Linsenkrankheit aus Kusch (bewahren).
Wir werden ihn aus der Hand der Sachmet und ihrem [rto 35] Sohn retten. Wir werden ihn aus der Hand 〈der〉 Meerkatze der Kontrolle des Hügels (und aus der Hand) des Pavians der Kontrolle des Udjat-Auges (/-Augenpaares) retten. Wir werden ihn 〈aus der Hand〉 von Sopdu-Horus des Westens retten. Wir werden [rto 40] ihn aus der Hand von Sopdu-Horus des Ostens retten, 〈den〉 Vorstehern 〈der〉 Messerdämonen der Neunheit3 (ebenso bezogen auf Sopdu-Horus des Westens im vorhergehenden Satz).
Wir werden ihn vor jedem bösen Schicksal retten, vor jeder bösen Angelegenheit, vor jedem bösen Prozessieren (und) vor jedem [rto 45] bösen Streiten. Wir werden nicht zulassen, dass sie (die bösen Angelegenheiten) sich irgendwo in seiner Nähe jemals (wörtl. wieder und wieder) ereignen zu irgendeiner Zeit seines Lebens.
Wir werden ihn vor jeder Einwirkung der srf.t-Hautentzündung bewahren, vor jeder Einwirkung der rmn.t-Hautkrankheit (und) vor Fieber.
Wir werden ihn zu jeder [rto 50] Zeit ersetzen lassen. Wir werden (in göttlicher Weise) „ja“ 〈zu〉 seinen Gebeten sagen. Wir werden seine Bitten erhören.
Wir werden ihn vor jeder Aktion eines wr.t-Geistes bewahren (und) vor jedem Nähern eines wr.t-Geistes.
Wir werden seine [rto 55] Prächtige4 für ihn beruhigen. Wir werden für ihn das Quartett der Prächtigen von Memphis5 beruhigen.
Wir werden veranlassen, dass sein (todbringendes) Schicksal, seine (todbringende) Bestimmung, seine (aktive) Zeit, [rto 60] sein [...] (und) sein Buch für ihn zufriedenstellend/angenehm sind.
1 jr.jw-Glossare: Es handelt sich zweifelsohne um die Bezeichnung oder den Titel einer Gruppe von Büchern bzw. Schriftstücken, da das Wort mit der Schleife V12 und einem Semogrammstrich Z1 klassifiziert ist. Edwards verweist auf den Titel eines magischen Texts aus Deir Rifeh (pUCL 32781, vso), in dem ähnlich wie im pTurin 54050 verschiedene Todesarten aufgelistet sind, s. Fischer-Elfert, in: CdE 88/175, 2013, 15–34; Gardiner, in: Petrie, Gizeh and Rifeh, 27 [78], pl. XXVII o.; Schott, Bücher, 293 [1352]. Fischer-Elfert (in: CdE 88/175, 2013, 18–20; in: WdO 43, 2013, 110–113) charakterisiert die jr.jw-Schriften als zu Handbüchern bzw. Sammelhandschriften unterschiedlichen Inhalts gehörende „Begleittexte“ bzw. „Glossare“ mit einem ergänzenden und/oder erklärenden Inhalt.
2 ṯꜣ.w-Schriften: Es handelt sich zweifelsohne um die Bezeichnung oder den Titel einer Gruppe von Büchern bzw. Schriftstücken, da das Wort mit der Schleife V12 und einem Semogrammstrich Z1 klassifiziert ist. Edwards (HPBM 4, 96 [15]) liest mit einigen Bedenken ṯnw (drei Mal G41 über einer Buchrolle) und lässt dementsprechend eine Übersetzung offen. Die Stelle ist nicht sehr gut zu erkennen, doch gehe ich davon aus, dass es sich parallel zu dem vorhergehenden Begriff um eine spielende Schreibung mit drei gleichen Vögeln handeln sollte. Möglicherweise könnte es sich um den Begriff sḥ.w „Zusammenfassungen“ handeln, der abgekürzt mit G41 und Pluralstrichen geschrieben werden kann. Inhaltlich passender fände ich allerdings hier ṯꜣ.w (drei Mal G47 über einer Buchrolle) zu lesen. Denn dann würde hiermit ein weiterer Beleg der Bezeichnung ṯꜣ.w „Buchsammlung“ o.ä. (Wb 5, 349.16–18; Lemma-ID 174460) vorliegen. Allerdings lässt die spärliche Beleglage eine präzise Bestimmung der als ṯꜣ.w bezeichneten Schriften bisher noch nicht zu, s. Fischer-Elfert, in: CdE 88/175, 2013, 19. Das Foto, das mir zur Verfügung steht, ließ keine eindeutige Entscheidung zu. Ich schlage daher als Lesung dieser Stelle unter Vorbehalt drei Mal G47 über einer Buchrolle vor, möchte aber betonen, dass dies durch eine Autopsie am Original oder an einem gut auflösenden Foto überprüft werden muss.
3 〈die〉 Vorsteher 〈der〉 Messerdämonen der Neunheit (〈nꜣ〉 ⸢⸮ḥr?⸣(.jw) ḫꜣ.yt(jw) n(.w) 〈tꜣ〉 psḏ.t): Zu Beginn von Zeile rto 41 sind die Zeichen nicht klar. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 96 [25], Bd. 2, pl. 37A) schlägt mit einigen Bedenken für die erste Gruppe in der Zeile ḫn(.tj) vor. Diese Lesung kann ich nicht nachvollziehen. Direkt vor ḫꜣ (M12) sehe ich Zeichenspuren, die ich ḥr (D2 über D21) lesen würde. Das wäre im Vergleich mit den Parallelen (pTurin Cat. 1984 (T2), rto 49; pParis Louvre E 25354 (P3), B x+22–23) eine sehr verkürzte Schreibung, ließe sich aber eventuell vertreten. Ob davor noch etwas stand, oder ob dort der Papyrus dunkel verfärbt ist, lässt sich auf dem Foto, das mir zur Verfügung steht, nicht gut erkennen; es sieht eher nach einer Verfärbung aus. Da der Schreiber den bestimmten Artikel vor psḏ.t ausgelassen hat, gehe ich davon aus, dass er den Artikel zu Beginn der Bezeichnung ebenfalls ausgelassen haben könnte. Die Ergänzung des bestimmten Artikels im Plural erfolgte nach den Paralleltexten (pLondon BM EA 10308 (L3), B, x+20–23; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 47–49; pBerlin ÄMP 10462 (B) rto x+19–20), da sich die Bezeichnung standardmäßig jeweils auf beide Götter bezieht, die in den anderen Texten jeweils in einem Satz genannt sind, hier aber auf zwei Sätze aufgeteilt sind. Allgemein zu der Bezeichnung, s. LGG V, 407b; Sass, Slaughterers, Knife-Bearers and Plague-Bringers, 49–51.
4 seine Prächtige (tꜣy=f Šps(.t)): Zur Vorstellung einer persönlichen Schicksalsgöttin bzw. Schutzgöttin, Šps.t, s. Quaegebeur, Shai, 155–157. Anders als in den Belegen, die Quaegebeur (ebd.) zusammengestellt hat, wird in unserem Text deutlich, dass die Macht einer solchen persönlichen Schicksalsgöttin nicht per se positiv bzw. zugunsten des Menschen ausgerichtet sein muss. Wie bei anderen Gottheiten auch, kann offenbar selbst bei im Allgemeinen schützend agierenden Wesenheiten Unruhe bzw. Unausgeglichenheit potenziell gefährliche Macht entfalten. Dies mag sich auch in dem Personennamen Tꜣy=s-Šps.t-hr.tj „Ihre Prächtige ist zufrieden“ (RPN I, 376.1; Quaegebeur, Shai, 157) zeigen.
5 das Quartett der Prächtigen von Memphis (tꜣ 4 Šps.yt n.w(t) Ḥw.t-kꜣ-Ptḥ): Die Gruppe der „Vier Prächtigen“ (Šps.wt fd.wt: LGG VII 66b) ist ab der 19. Dynastie belegt. Es handelt sich um Schutzgottheiten mit einer Verbindung zu Feuer bzw. Fackeln (Quaegebeur, Shaï, 158). In einem Beleg sind die Göttinnen ähnlich wie hier mit dem Ptah-Tempel in Memphis assoziiert (pChester Beatty 9, vso B 14.9–10: Šps.wt fd.wt n.wt pr-Ptḥ, LGG VII, 66b). Übersichten zur Beleglage sowie Interpretationen derselben bieten Quaegebeur (Shaï, 158–159) und Theis (Magie und Raum, 595–600). Belege im Rahmen von Raumschutzsprüchen zeigen, dass es sich bei der Gruppe um Schutzmächte von Räumlichkeiten zunächst im weltlichen Bereich, später – ab der Dritten Zwischenzeit – auch im Tempel handeln dürfte (Theis, ebd., 597), die in Form von tönernen Schalen oder eventuell auch schlangenförmigen Tonobjekten, in denen ein Feuer entzündet werden konnte, an den vier Seiten bzw. in den vier Ecken eines Raumes aufgestellt werden konnten (Theis, ebd., 595–597). In dieser Form könnte es sich um Vorläufer der sog. „Vier Kugeln“ handeln, die als Sachmet, Bastet, Wadjet und Schesemtet identifiziert werden und die aus anderen Schutzritualen bekannt sind (Theis, ebd. 597–600). Ebenso wie im vorausgehenden Versprechen, ist in unserem Text bemerkenswert, dass von dieser Gruppe von Schutzgöttinnen potenziell auch Gefahr ausgehen kann, wenn sie sich nicht in einem Zustand der Ruhe bzw. Zufriedenheit befinden.
Wir werden ihn vor jedem Zauber eines {vor jedem Zauber eines}6 Syrers, Nubiers (oder) eines Menschen aus Ägypten bewahren. Wir werden nicht zulassen, dass sie ihn (den Zauber) [rto 65] jemals (wörtlich: wieder und wieder) gegen ihn (den Orakelbesitzer) anwenden zu irgendeiner Zeit seines Lebens.
Wir werden ihn vor dem Biss einer (Gift-)Schlange bewahren, vor dem Stich eines Skorpions (und) vor dem Biss von jedem Maul, das beißt. Wir werden nicht [zulassen], dass sie (die gefährlichen Tiere) Macht [rto 70] über ihn haben werden zu irgendeiner Zeit seines Lebens.
〈Wir〉 werden seine Träume gut sein lassen. Wir werden sie 〈zu〉 gänzlich guten Träumen machen. Wir werden deren (der Träume) zweitklassige [rto 75] Absicht, die in ihnen ist, vertreiben. Wir werden deren (der Träume) gute Absicht zu seinen Plänen legen.
Wir werden seinen ganzen Körper, seine Glieder (und) seinen gesamten Rumpf vom Kopf [rto 80] bis zu seinen Fußsohlen gesund erhalten. Wir werden für ihn ein zꜣ-Schutzamulett für jeden Körperschutz machen auf jeder Art von Reise, die er unternehmen wird, (und) an jedem Ort, an dem er sich befindet.
Wir werden für ihn Amun-Re, den König der Götter, [rto 85] den großen Gott, den Ältesten, der zuerst entstanden ist, beruhigen (und) Mut, die Große, die Herrin von Ischeru, Chons in Theben-Neferhotep, Amene(m)ope, Month (und) Amaunet, (also) alle Götter und Göttinnen des Himmels und der Erde. [rto 90] 〈Wir〉 werden ihn vor ihrer (der Götter) Ba-Macht bewahren, vor ihren Anklagen/Verleumdungen, vor ihren Verbrechen (und) vor ihren schlechten Orakeln. Wir werden nicht zulassen, dass sie (die Götter) jemals (wörtl. wieder und wieder) [rto 95] Macht über ihn haben zu irgendeiner Zeit seines Lebens.
Wir werden das, was (uns) vorliegt, auf diesen (göttlichen) Orakel(papyrus) (?)7 schreiben (wörtl. machen) oder8 das, was darauf fehlt.
Es ist geschrieben (wörtl. gemacht), was wir, die großen Götter, [rto 100], die Ältesten, die zuerst entstanden sind, (in göttlicher Weise) gesagt haben.
6 {vor jedem Zauber eines} ({ḥkꜣ.w nb n(.j)}): Sehr wahrscheinlich Dittographie durch Zeilenumbruch, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1 97 [44].
7 Orakel(papyrus) (?) (⸢⸮ḫr?⸣.tj): Die erste Gruppe dieses Wortes ist schwer zu lesen. Edwards (HPBM 4. Bd. 2, pl. 38A) liest hier den Arm (D36) über t-Brot (X1), emendiert allerdings nach den Parallelen zu ḫr.tj „Orakel“ (Wb 3, 318.5–8; Lemma-ID: 119940), s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 98 [58]. Unter der Voraussetzung, dass diese Gruppe zum Teil verblasst oder abgerieben ist, könnte man im Vergleich zur Schreibung von ḫr.tj zu Beginn von Zeile rto 21 auch hier ohne Emendierung von einer solchen ausgehen. Mit diesem Versprechen liegt eine sehr verkürzte Version der sog. „Vergessensklausel“ vor, die am Ende der Texte nochmals versichert, dass die im Orakeltext erwähnten Gefahren wirklich alles umfassen, was generell vorstellbar erscheint. Eine ausführliche Version, die in der Struktur mit der hier vorliegenden zu vergleichen ist, findet sich im pTurin Cat. 1985 (T3), rto 113–vso 3.
8 oder (m rʾ-pw): An dieser Stelle macht das Wort m-rʾ-pw „oder, anderenfalls“ (Wb 2, 397.1–4; Lemma-ID 600585) inhaltlich keinen Sinn. In den Paralleltexten (z.B. pTurin Cat. 1985 (T3), rto 113–vso 3) findet sich an dieser Stelle ḫr-m-dj „ferner“ (Wb 2, 177.16; Lemma-ID 119750). In einem Text (pLondon BM EA 10251 (L2), vso x+54) wird in einer vergleichbaren Formulierung jrm „zusammen mit“ (Wb 1, 115.17–20; Lemma-ID 29840) verwendet.
