Papyrus Turin CGT 54050

Metadaten

Alternative Namen
ID der Turiner Datenbank / Turin Database ID: 103552 Papyrus Turin Cat. 1995 = Papyrus Turin Pleyte/Rossi 118-119 (Recto) Papyrus Turin Cat. 1996 = Papyrus Turin Pleyte/Rossi 123-125 (Recto) resp. 120–122 (Verso) TM 755026 (Recto) TM 755027 (Verso) pTurin Cat. 1995+1996+2114/502+2114/503+2114/504
Aufbewahrungsort
Europa » Italien » (Städte Q-Z) » Turin » Museo Egizio
Erwerbsgeschichte

Die genaue Herkunft und Erwerbsgeschichte ist unbekannt. Die Papyrusdatenbank des Museo Egizio gibt fragend 1824 als Erwerbsdatum an und vermutet, dass der Papyrus Teil der Sammlung Drovetti war, die im Oktober 1822 von der Academia della Scienze di Torino angekauft worden war (dazu Documenta inedití, Bd. 3, XII–XIII). Im Katalog der Sammlung Drovetti, soweit publiziert in Documenta inedití, Bd. 3, 206–292 (hier Abschnitt „Papirus et Manuscrits“ auf Seite 206–210) findet sich kein Papyrus, dessen Länge mit denen von Roccati 2011, 15 angegebenen (66 cm Länge für pTurin Cat. 1995, 86 cm Länge für pTurin Cat. 1996) übereinstimmt. Aber das erlaubt keine sichere Aussage, denn für die meisten Manuskripte findet sich in dem Inventar einzig eine Angabe der Länge, was eine Identifizierung fast unmöglich macht; und es ist unklar, ob pTurin Cat. 1995 oder 1996 darin überhaupt schon als zusammengehörig betrachtet wurden oder ihrerseits in noch weitere Fragmente aufgeteilt waren, die erst später zu „Cat. 1995“ und/oder „Cat. 1996“ zusammengefügt wurden.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Die Datenbank des Museo Egizio gibt fragend Deir el-Medineh als Fundort an. Auch das dürfte auf der Annahme beruhen, der Papyrus sei Teil der Sammlung Drovetti und würde wie andere Papyri eben aus Theben stammen.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie, (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie

Die Datierung beruht auf paläographischen Kriterien, Borghouts 1987, 260 datiert ihn aus diesen Gründen in die frühe 20. Dynastie; Roccati 2011, 252 neigt eher zur 2. Hälfte der 20. Dynastie, nennt aber auch Zeichenformen, die eher in die 19. Dynastie weisen. Beck, 2015, 166, Anm. 367 hat ferner noch Zeichenformen der 18. Dynastie gefunden.

Textsorte
Rezitation(en) » Hymnus, Rezept(e), Rezitation(en) » Ritual/Liturgie
Inhalt

Der Papyrus Turin CGT 54050 ist von zwei verschiedenen Schreibern beschrieben worden. Die Vorderseite enthält ein langes Reinigungsritual, möglicherweise für einen bereits Verstorbenen, das angibt, von Thot selbst erdacht worden zu sein. Gegen Ende wandelt sich der Text eher in eine Thot-Aretalogie und einen Thot-Hymnus, vgl. Borghouts 1987, 261–262. Der erhaltene Teil der Rückseite beginnt mit Salb- und Räuchermitteln, wobei das erste erhaltene für einen Verstorbenen gemacht wird oder sich eines Verstorbenen bedient. Es folgt eine lange Liste von Todesarten, an denen man sterben kann. Dieser Text bezeichnet sich in der Einleitung als „Königsdekret des Osiris“, endet aber wie magische Sprüche mit einer Anweisung, die ihn als Begleitspruch für ein kombiniertes Räucher-, Einnehme- und Salbmittel ausweist. Es folgen weitere Salbmittel.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus ist unvollständig und besteht aktuell aus zwei größeren und drei kleineren Fragmenten. Die beiden größeren tragen die alten Nummern Cat. 1995 (Roccati 2011, 15: 66 cm; Turiner Datenbank: 65 cm) und Cat. 1996 (Roccati 2011, 15 wie Turiner Datenbank: 85 cm). Das gesamte Dokument misst bei aktueller Montage 1,84 m Länge (die Angabe von 152,5 cm bei Roccati 2011, 15 ist nur die Summe aus den Längen von Cat. 1995+1996; dazu sind aber noch die drei kleinen Fragmente zu addieren). Diese Länge ist nur approximativ, da das Fragment mit dem Beginn der 1. Kolumne nicht direkt anschließt und der fehlende Text nicht mit solcher Sicherheit rekonstruiert werden kann, dass sich daraus die Länge der Lücken ablesen lässt. Auch ist die Breite der Kolumnen nicht völlig identisch, so dass auch das nur bedingt Rückschlüsse auf die Größe der Zerstörung erlaubt. Immerhin kann gesagt werden, dass die 1. Recto-Kolumne bei der derzeitigen Montage der Fragmente kürzer wäre als die anderen Kolumnen.
Die größeren Fragmente sind über die gesamte Kolumnenhöhe erhalten, die 20 cm beträgt.
Es lassen sich acht Einzelblätter unterschiedlicher Länge (ca. 20 – ca. 35 cm) ausmachen. Am Anfang des Rectos ist ein Schutzstreifen von etwa 5 cm Breite zu erkennen. Dieser muss aber ursprünglich noch etwas breiter gewesen sein, weil dieses Fragment auf der Rückseite bis zur linken Abbruchkante (= die rechte Kante des Rectos) beschrieben ist und es ursprünglich zumindest noch so breit gewesen sein muss, dass es das linke Ende dieser Verso-Kolumne enthält.
Das Recto enthält sechs Kolumnen zwischen 11 und 14 Zeilen Länge. Nach den Parallelen lässt sich erschließen, dass am Ende noch wenigstens zwei weitere Kolumnen fehlen (Borghouts 1987, 262). Das Verso enthält im aktuellen Zustand sieben Kolumnen zwischen 10 und 11 Zeilen Länge.
Die Orientierung der Texte auf Vorder- und Rückseite ist identisch, d.h. der Papyrus wurde über die Schmalseite gedreht.

Schrift
Hieratisch

Die Leserichtung verläuft von rechts nach links. Der Text auf dem Recto ist mit Verspunkten gegliedert und enthält einige Rubra. Das Verso enthält mehrere gänzlich rubrizierte Passagen, die teilweise zu verblasst sind, um sie lesen zu können.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Der Recto-Text ist neuägyptisch mit einigen mittelägyptischen grammatischen Konstruktionen, das Verso ist komplett mittelägyptisch, „[t]here is practically no trace of Late Egyptian at all here“ (Borghouts 1987, 263).

Bearbeitungsgeschichte

Vom Fragment Cat. 1996 wurde von Pleyte – Rossi 1869, Taf. 123–125 (Recto) und 120–122 (Verso) ein Faksimile publiziert, vom Verso allerdings ohne die rubrizierten Passagen, die Pleyte – Rossi nicht entziffern konnten. Vom Fragment Turin Cat. 1995 wurde ebenda, Taf. 118–119 das Recto publiziert, das Verso blieb unpubliziert. Im Jahr 1905 konnte A. H. Gardiner im Rahmen seiner Tätigkeit für das Projekt „Altägyptisches Wörterbuch“ diese beiden Hauptfragmente samt dem Verso von Cat. 1995 kollationieren. Vor allem die Liste von Todesarten auf Verso 2–4 hat immer wieder Aufmerksamkeit erfahren und ist tlw. unabhängig von den anderen Passagen übersetzt worden (bspw. Chabas 1875, Dawson 1930, Borghouts 1978, 4–6, Fischer-Elfert 2018, 104–107); hierbei ist der Papyrus gelegentlich als Turin 1993 statt Turin 1996 bezeichnet worden. Eine Transliteration des gesamten hieratischen Textes ins Hieroglyphische, eine Übersetzung ins Italienische, eine Paläographie und Bearbeitungsgeschichte finden sich bei Roccati 2011.
A. Massart plante eine Edition des Papyrus, zu der er aber krankheitsbedingt nicht mehr kam (Borghouts 1987, 257). Eine „gründliche Bearbeitung“ durch Borghouts und Roccati ist laut Fischer-Elfert 2018, 16, Anm. 5 zu erwarten; ein Vorbericht dazu ist Borghouts 1987. Mit Borghouts’ Tod im Jahr 2018 dürfte sich diese Bearbeitung weiter verzögern.

Editionen

- Pleyte – Rossi 1869: W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), 1. Bd., 148–164, 2. Bd., Taf. 118–125.

- Roccati 2011: A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 9–15, 22–36, 91–118, 161–164, 171–173, 198–252.

Literatur zu den Metadaten

- Beck 2015: S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015).

- Borghouts 1978: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978).

- Borghouts 1987: J. F. Borghouts, The Edition of Magical Papyri in Turin. A Progress Report, in: A. Roccati – A. Siliotti (Hrsg.), La magia in Egitto ai tempi dei faraoni: atti, convegno internazionale di studi, Milano, 29-31 ottobre 1985 (Verona 1987), 257–269.

- Chabas 1875: F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19, 1875, 57–68.

- Dawson 1930: W. R. Dawson, Notes on Egyptian Magic, in: Aegyptus 11, 1930, 23–28.

- Documenta inedití: Ministero della pubblica istruzione (Hrsg.), Documenti inedití per servire alla storia dei musei d’Italia. Bd. 3 (Firenze, Roma 1880).

- Fischer-Elfert 2018: H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart, 2. Auflage 2018).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Recto: Reinigungsritual

[Rto. 1,1] Anfang des Spruches [zum Vollziehen der Reinigung, die]1 Thoth, der Herr der Gottesworte, [für die Götterneunheit ausgeführt hat --- als] täglichem [Bedarf]2, als das, was gesagt wird: (oder: Anfang des Spruches ..., den Thot ... kreiert hat ...)3

1 Ergänzung am Satzanfang mit Roccati nach pChester Beatty XVI. Auf pChester Beatty XVI fehlt der Anfang des Titels vor j:jri̯. A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 2. Plates (London 1935), Taf. 71, der am Satzanfang aufgrund der noch fehlenden Parallele nur ergänzte, ergänzte danach noch die Genitiv-Nisbe, also rʾ n. Die Genitivnisbe ist von A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 91.1 nicht angegeben, kann aber vielleicht ebenfalls ergänzt werden. Bei der derzeitigen Montage der Fragmente scheint die Lücke zwischen dem Fragment mit dem Kolumnenanfang (= pTurin Cat. 2114/502) und dem Fragment aus der Mitte der Kolumne (= pTurin Cat. 2114/504) etwas zu klein für diese Ergänzung (egal, ob mit oder ohne Genitiv-Nisbe), aber da diese Lücke vermutlich nur approximativ ist, dürfte dies wohl nicht gegen diese Ergänzung sprechen.
Das Bezugswort des (hier nur ergänzten, aber in pChester Beatty XVI erhaltenen jri̯.n: „was gemacht hat“ ist unsicher. Ist es die Reinigung, die Thot vollzieht? Oder ist es der Spruch, der von Thot kreiert wird?

2 Auch die Ergänzung von n psḏ.t: „für die Götterneunheit“ basiert auf pChester Beatty XVI. Danach bricht dieser Papyrus wieder ab. Die Ergänzung von m ẖr.t-hrw: „[als] täglichem [Bedarf]“ ist nicht durch die Parallele gesichert, folgt aber mit Roccati, ebd. auf Basis der festen Formel m ẖr.t-hrw n.t rꜥ-nb.

3 Der genaue Umfang des Rubrums ist unbekannt. Definitiv nicht rubriziert war auf pTurin CGT 54050 der Gottesname; auf der Parallele pChester Beatty XVI ist die Phrase jri̯.n Ḏḥw.tj n psḏ.t nicht rubriziert.

O NN, den NN geboren hat, [ich habe dich gerettet]4, ⟨ich habe dich⟩ beschützt.
I[ch bin Thot --- Atum ist/als sein leiblicher Sohn].5 Ich will deinen Mund öffnen (und) will deine Lippe(n) auftun. [Ich will --- (?)] vertreiben.6 Die Reinigung des [Thot ist deine Reinigung, deine Reinigung ist]7 die Reinigung des Seth, und umgekehrt. Du sollst dich (mit Natron) säubern [---]8 du sollst dich (mit Natron) säubern, und umgekehrt9. [---]. Er ist gereinigt durch das Wasser [Rto. 1,5] von Jenem10 [---] Abendbarke (???)11. [Er ist gereinigt mit dem Wasser von Diesem12, das aus Elephantine herauskommt,]13 das aus der (Quell-)Öffnung14 von Elephantine15 herauskommt (und) zum Großen Grünen16 (Meer) (fließt) (???). [Er ist gereinigt durch das göttliche Wasser, das aus den beiden tiefen Quelllöchern herauskommt.]17 [---] (Göttin) NN, um NN, den NN geboren hat, zu reinigen.
Ich bin [Thot] [---]18 Reinigung, um zu veranlassen, dass [---] hört [---] alles dadurch.
Ich bin Thot, [---] (Ort) „Roter/s [___]“19 in [Rto. 1,10] [---] Sohn des Osiris, den [Isis] geboren hat [---] [(Schlange) NN], sein Schutz [Rto. 2,1] über meinen Zauberspruch hinaus. Mein Spruch ist rein, meine Rede ist wirksam. Alles, was ich getan habe, ist vortrefflich, wobei ich an meinem eigenen Leib gereinigt bin an diesem Tag der Reinigung des (göttlichen) Falken.

4 Die Parallele auf pChester Beatty XVI hat j mn msi̯ n mn.t jyi̯.n=j ḫr=k: „O NN, den NN geboren hat, zu dir bin ich gekommen!“ Das übernimmt auch Roccati in seiner Übersetzung des Turiner Textes: „O Tale, figlio della Tale, sono venuto a te.“ Der Turiner Text bietet aber auf dem Fragment Cat. 2114/504 klar ein ḫwi̯, so dass trotz der Pluralstriche, mit denen es geschrieben ist, vielleicht eher die Phrase j mn msi̯.n mn.t jw nḥm.n=j tw ḫwi̯.n=j tw vorliegt, vgl. dazu pChester Beatty VIII, Rto. 7,7, 7,10, 7,13–8,1, 8,3, 8,6, 8,9, 8,12, 9,2 und 9,5 (DZA 24.037.300DZA 24.037.380 = A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 2. Plates (London 1935), Taf. 41–42). Auch dort sind einige Belege korrupt und müssen emendiert werden, so dass das Fehlen von n=j tw in pTurin CGT 54050 nicht gegen eine solche Rekonstruktion spricht. Die in pChester Beatty VIII übliche Fortsetzung m-ꜥ jḫ.t nb.t bjn.t ḏw.t m-ꜥ ḥkꜣ.w nb ḏw.t j:ḏd=st r=k: „vor allen schlimmen (und) bösen Angelegenheiten, vor allen bösen Zaubern, die sie gegen dich ausgesprochen haben.“ würde im Turiner Text fehlen, aber dort stünde die Phrase ohnehin in einem anderen Kotext.
Diese Ergänzung würde die Lücke in der aktuellen Länge ungefähr füllen, wäre aber für die Lücke, wie in Zeile Rto. 1,1 rekonstruiert, etwas zu kurz. Ein gewisser Zweifel bleibt zudem, weil der winzige noch erhaltene Zeichenrest vor ḫwi̯ nicht ganz zu einem tw zu passen scheint.

5 Ergänzung nach pChester Beatty XVI.

6 In pChester Beatty XVI bricht das Fragment nach sp.tj=k ab, und auf einem anderen Fragment folgt, nach etwa zwei Zeichengruppen (in aktueller Montage der Fragmente) die Wortfolge =j ḏw.w nb, so dass es verführerisch wäre, auf pTurin CGT 54050 zu dr[=j ḏw nb] zu ergänzen: „[Ich will alles Übel] vertreiben.“ Roccatis Textsynopse (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 91.4) suggeriert sogar noch etwas mehr Platz für zusätzliche Ergänzungen, aber das ist bei der aktuellen Montage der Fotos und den in den vorherigen Zeilen vorgeschlagenen Ergänzung nicht möglich. Auch die Ergänzung nach pChester Beatty ist zweifelhaft, weil an der Bruchkante des Papyrus unterhalb des Armes vom ꜥb.w des folgenden Satzes noch ein kleiner Zeichenrest erhalten ist, der zu einem supralinearen Abstrich eines Zeichens gehören muss, das in der Lücke gestanden hat – und weder ḏw noch nb besitzt einen solchen Abstrich.

7
Ergänzung mit Roccati unter Zuhilfenahme von pChester Beatty XVI (wobei dort wohl steht: „Seine Reinigung ist (die Reinigung des) Seth. Die Reinigung des Seth ist seine Reinigung“).
Der Platz auf pTurin CGT 54050 würde für die von Roccati vorgeschlagene Ergänzung gut reichen. Ob der Platz auch noch für ein ṯz-pẖr („und umgekehrt“) nach „Die Reinigung des [Thot ist deine Reinigung]“ ausreichen würde, ist dagegen unsicher.

8 nṯri̯.y=k ___: An der Abbruchkante von pTurin CGT 54050, Fragment Cat. 2114/502, ist noch ein senkrechter Zeichenrest über die gesamte Zeilenhöhe erhalten, den Roccati fragend zu einem mj ergänzt. Tatsächlich sieht der Zeichenrest dem Milchtopf ähnlich. In der anschließenden Lücke würde man dann einen Gottesnamen, vielleicht Thot, erwarten: nṯri̯.y=k mj [Ḏḥw.tj]: „Du sollst dich reinigen wie [Thot].“ Dies allein würde jedoch die Lücke bis zum nächsten nṯri̯.y=k nicht füllen. Statt zu einem mj könnte man den Zeichenrest auch zu einem weiteren Fahnenmast ergänzen, auch wenn die Fahne etwas spitzer wäre als bei dem Zeichen am Zeilenanfang. Sollte man die Lücke ergänzen können zu: ntri̯.y=k ⸢nṯri̯⸣[.y NN ntri̯.y NN nṯri̯].y=k: „Wirst du (mit Natron) gesäubert, [wird NN (mit Natron) gesäubert. Wird NN (mit Natron) gesäubert], wirst du (mit Natron) gesäubert“? Eine solche Phrase ist ähnlich einmal in den Pyramidentexten und im Mundöffnungsritual belegt, vgl. die Belege von Wb 2, 366.12–13. Eine Ergänzung wie hier vorgeschlagen würde die Lücke ungefähr füllen (wenn sie auch etwas zu lang wäre, wenn jedes nṯr.y so ausführlich geschrieben wäre) und würde stilistisch gut zu den vorigen Wechselsätzen passen.

9 ṯs-pẖr: Das schwache Rubrum sieht eher danach aus als nach Roccatis ḏd. Der Verspunkt danach ist gut an der Abbruchkante zu erkennen.

10 pfj: Auf pChester Beatty XVI folgt dem eine Lücke von etwa zwei Gruppen (wenn die aktuelle Positionierung der Fragmente korrekt ist), und dann ꜣḫ.tj n.t [---]. Dafür schlägt A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 127 als Ergänzung vor: „[on?] the horizon of [heaven?]“.

11 (m)sk.tjt: Der Vorschlag ist ganz unsicher: Auf pChester Beatty XVI sind nur noch ein Schiff und der Falke auf Standarte erhalten, außerdem davor an der Abbruchkante noch zwei Zeichenreste, die A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 2. Plates (London 1935), Taf. 71 fragend als t und Z4 wiedergibt. In A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 127 übersetzt er „bark (?)“, erwägt aber in Anm. 3: „Or perhaps mẖnty ‚the Ferryman‘.“ Auch auf pTurin CGT 54050 ist das Wort teilweise zerstört. Die erhaltenen Zeichen transliteriert Roccati, Magica Taurinensia, 22 und 92.8 als Schilfblatt, Barke über k-Korb und weitere Barke. Das kleine hieratische Zeichen vor der zweiten Barke hat er übersehen. Während pChester Beatty XVI nach diesen Wortresten einen syntaktischen Einschnitt hat und mit jw=f wꜥb fortfährt, stehen auf pTurin CGT 54050 noch Zeichen, die Roccati als n über Sonnenscheibe und Falke auf Standarte transliteriert und auf S. 161 mit „che Ra percorre navigando“ übersetzt. Ob er an so etwas wie [ḏꜣi̯].n Rꜥ dachte? Erst dann folgt dort der syntaktische Einschnitt, erkennbar am noch erhaltenen Verspunkt.
Das, was Roccati als n + Sonnenscheibe und Falke auf Standarte transliteriert, dürfte aber eher t + Ei + Schlange, also das Wortende einer weiblichen Gottheit, sein, vgl. etwa die Schreibungen dieser Gruppe in den Namen von Isis und Nephthys in Rto. 6,10–11. Während das Zeichen davor in pTurin CGT 54050 auch ein Stern sein könnte, spricht die Form auf pChester Beatty XVI tatsächlich für das Schiff, so dass eine Schiffsbezeichnung vorliegen muss, die vergöttlicht sein kann. Das Zeichen, das Roccati als weiteres Schiff über k-Korb transliteriert hat, sieht diesem sicheren Schiff aber nur bedingt ähnlich. Könnte es eher der Mopp mit der Lesung sk sein, so dass man an die (m)sk.tt-Barke denken könnte? Diese kann vergöttlicht sein, und zwar sowohl mit männlichem (passend zu pChester Beatty XVI) als auch mit weiblichem (passend zu pTurin CGT 54050) Götterklassifikator, s. DZA 24.394.260. Vgl. die Schreibung der Barke in Verso 5,5; die Formen sind nicht identisch, aber es gibt auch bei anderen Hieratogrammen Abweichungen, so dass generell zu prüfen wäre, ob Recto und Verso überhaupt vom selben Schreiber stammen. Auf dem Recto gibt es keinen Beleg für das Zeichen mit der Lesung sk, nur zwei Belege mit der Lesung wꜣḥ, deren Form ebenfalls abweicht – dies liegt jedoch eher darin begründet, dass in diesem Fall das Hieratische generell zu zwei Formen tendiert, vgl. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III. bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. 398 und 399. Das kleine Zeichen in Recto 1,5 vor dem Schiffsklassifikator, das Roccati übersehen hat, könnte u.U. eine etwas klein geratene Ligatur aus t + Gardiner Sign-list Z4 sein. Eine Unsicherheit bei der Interpretation als msk.tjt-Barke besteht nur darin, dass die Gruppe t über Ei + Schlange ist in diesem Papyrus immer echte Wortendung + Klassifikator ist und nicht nur Klassifikator allein. Das t wäre also kein „bedeutungsloser“ Zusatz, sondern eine Endung, und als solche müsste sie eigentlich noch vor dem Schiffsklassifikator stehen.

12 m mw n.w pw: Gardiner übersetzt „with that water“, liest also nur m mw pw. Allerdings übersetzt er zuvor m mw n.w pfj mit „with the water of that“, scheint also dort ebenfalls mw n.w pfj (oder einen direkten Genitiv?) gelesen zu haben, obwohl mw beide Male gleich geschrieben ist.

13 Ergänzungen mit Roccati nach pChester Beatty XVI. Dort ist wiederum erhalten: jw=f wꜥb m mw n.w pw pri̯ m ꜣbw pri̯ m rʾ n [---]. Es liegt nahe, dort ebenfalls noch ein zweites Mal den Ortsnamen ꜣbw zu ergänzen, aber angesichts der Abweichungen beider Texte in den vorherigen Zeilen kann das nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden.

14 rʾ n ꜣbw: Gardiner, der die Parallele pTurin CGT 54050 noch nicht kannte, hatte das rʾ n [---] des pChester Beatty XVI mit „from the mouth of ...“ übersetzt. Üblicherweise wird mit eine Fluss- oder Kanalmündung bezeichnet, Wb 2, 391.1. Hier dagegen scheint damit das mythische Quellloch des Nils bei Elephantine gemeint zu sein.

15 Der Ortsname ꜣbw käme in diesem Satz zweimal vor, wenn man beide Versionen tatsächlich parallelisieren kann. In pChester Beatty XVI ist der erste Beleg (teilweise) erhalten und der zweite zerstört, in pTurin CGT 54050 wäre umgekehrt der erste Beleg zerstört und der zweite (teilweise) erhalten. Der Beleg des pChester Beatty XVI ist mit dem Ortsklassifikator geschrieben, muss aber davor – heute zerstört – noch andere Klassifikatoren gehabt haben. Der Beleg von pTurin CGT 54050 steht im Zeilenumbruch von Rto. 1,5 zu 1,6. Roccati gibt die Schreibung als ꜣb-b-t-Ersatzstrich-Ortsklassifikator-Z1 wieder und versieht die letzten beiden Zeichen, die teilweise zerstört sind, mit Fragezeichen. Das, was er als t+Ersatzstrich gelesen hat, ist aber vielleicht nur eine w-Schleife mit langem Abstrich, und der Eindruck, dass es zwei Zeichen sind, kommt nur durch eine abgeplatzte Papyrusfaser zustande. Der Klassifikator am Beginn der neuen Zeile kann nicht identifiziert werden: Die Zeichenreste scheinen nicht zu Roccatis Ortsklassifikator zu passen, aber auch zu keiner anderen üblichen Klassifizierung von Elephantine.

16 wꜣḏ-wr: Roccati liest sw (mit Fragezeichen), gefolgt von den Resten der Gruppe wr + r. Auf pChester Beatty XVI sind nur Reste der Gruppe wr + r erhalten sowie danach ein senkrechter Zeichenrest, der zu einem Schilfblatt gehören könnte. Roccatis sw ist nach dem Turiner Foto jedoch eher die Ligatur wꜣḏ (vgl. bspw. mit dem sw von Rto. 2,9), so dass es verführerisch ist, zu wꜣḏ-wr zu ergänzen. Dieses wird in ramessidischen Papyri oft mit Schilfblatt nach wr geschrieben, so dass die Schreibung wr + Schilfblatt(?) des pChester Beatty XVI ebenfalls dazu passen könnte. Auf dem Turiner Papyrus ist vor Roccatis Binse bzw. dem hier vorgeschlagenen wꜣḏ in der unteren Zeilenhälfte ein waagerechter Strich erhalten, der weder zu Roccatis Binse noch zu dem hier stattdessen vorgeschlagenen wꜣḏ gehört und vielleicht ein n ist. Damit könnte man ein elliptisches pri̯ m ON (pri̯) n ON ergänzen, auch wenn in Verbindung mit einem Ortsnamen eher die Präposition r zu erwarten ist als n (s. Wb 1, 519.4–5).

17 Ergänzung nach pChester Beatty XVI, wo dieser Satz nach einer kleinen Lücke (gemäß Roccatis Ergänzung) oder direkt (gemäß der hier vorgeschlagenen Ergänzung) an den vorigen Satz anschließt. Unter dem t von wr.t scheint der Rest der doppelten diagonalen Linie, Gardiner Z4, zu stehen, weswegen A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 127 davon ausgeht, dass der Dual „die beiden Quelllöcher“ vorliegt und nicht nur der Singular. Das Substantiv selbst zeigt keine Dualendung. Zu wr.t hier als „tief“ und nicht, der Standardbedeutung nach, als „groß“, s. vielleicht W. Schenkel, Die Farben aus Sicht der Alten Ägypter, in: P. Dils – L. Popko (Hrsg.), Zwischen Philologie und Lexikographie des Ägyptisch-Koptischen. Akten der Leipziger Abschlusstagung des Akademienprojekts „Altägyptisches Wörterbuch“, ASAW 84 (3) (Leipzig, Stuttgart 2016), 166–167: Dort spricht sich Schenkel dafür aus, dass wr gelegentlich eine semantische Intensivierung ausdrückt. Ein Quellloch oder eine Höhle, aus der Wasser hervorquillt, ist zwar nichts, was man per se intensivieren kann, aber wenn man Schenkels Gedanken weiterführt und das Charakteristikum eines Quellloches intensiviert, wird man wohl eher an ein „tiefes“ als an ein „großes“ Loch denken dürfen. „Tiefes Wasser“ ist dagegen mw mḏ, etwa in der Lehre des Ani.

18 Nach Roccatis Synopse gehören die Wort- und Satzfetzen [_]r[_], wpw.t r[ʾ] und wꜥb.n [w]j m mw n.w von pChester Beatty XVI in die Lücke von pTurin CGT 54050, Rto. 1,7–8. In pChester Beatty XVI verteilen sich diese Fetzen auf drei Zeilen – plus, teilweise oder ganz, eine vierte Zeile, je nachdem, wo das n hingehört, das Roccati dem msi̯.n zuordnete. In pTurin CGT 54050 entspricht das nur zwei Zeilen. Ob dies vom Platz ausreicht, müsste geprüft werden.

19 [___]-dšr: Mit dem Stadtzeichen klassifiziert und daher ein Ortsname. Vom vorherigen Wortteil sind die drei Wasserlinien, das Kanalzeichen und der Füllstrich erhalten, es muss demzufolge eine Gewässerbezeichnung sein. Ob einer der Ortsnamen š-dšr: „Roter See“ u.ä. (H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques. Bd. 4 (Le Caire 1927), 129) vorliegt? Dafür wäre š aber äußerst ausführlich klassifiziert.

Gekommen bin ich, um NN, den NN geboren hat, vor jeglichem Schrecken und jeglichem Zorn20, vor der Gewalt jeglichen Gottes und jeglicher Göttin, [jeglichen] (männlichen) Geistes und jeglichen (weiblichen) Geistes, (und vor) jeglicher schlimmen und üblen Angelegenheit zu retten. Sein Mund ist mit diesem eisernen Meißel geöffnet, mit dem der Mund der Götter geöffnet wurde.21 Sein(e) Ohr(en) sind mit diesem Finger aus Weißgold aufgesperrt, [mit] dem die Ohr(en) der Götter aufgesperrt wurden. ⟨Sein⟩ rechtes Auge ist mit Malachit gefüllt.22 Sein linkes Auge [Rto. 2,5] ist mit Bleiglanz gefüllt. Ich habe jeden seiner Körperteile belebt, und jedes seiner Glieder, das im Kasten des Anub[is]23 ist. Jeder Körperteil ist vollständig. Jedes seiner Glieder ist gesund. Die Stränge von NN, den NN geboren hat, sind wie das, was dieses Band am Himmel und auf Erden macht (???).24 NN, den NN geboren hat, ist wie (die Pflanze namens) ‚Sehne des Phönix‘25, der von selbst entsteht, die (?) diese Götter als Udjat(-Amulett) im Tempel des Re an seinen Hals legen.

20 nš⟨n.j⟩: Das Wort ist teilweise zerstört. Gardiner (DZA 50.143.870) gab nach nš eine kleine Lücke an, gefolgt von einem sitzenden Seth als Klassifikator sowie Fleischstück und Pluralstrichen. Über das Wort schrieb er: „ob nšn?“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 23 transliteriert das Hieratische wie Gardiner, schreibt aber statt der Lücke schlicht n und doppelte diagonale Linie, Gardiner Z4. Dass diese Gruppe tlw. zerstört ist, markiert er nicht. Damit erhält Roccati ein unzweifelhaftes nšn.j. Die Zerstörung nach erschwert aber die Lesung nach wie vor. Bei der derzeitigen Montage der Papyri ist der Platz nach eigentlich zu knapp sowohl für Gardiners Lücke als auch für Roccatis nj.
Ob die Zeichenspuren danach schon zum Klassifikator gehören? Ihrer Form nach wäre das zumindest denkbar. Oder sollte nur dagestanden haben, analog zum verbalen nš.ṱ in Rto. 5,1?

21
Derselbe Satz kommt in Tb 23 vor.

22 mḥ.t: Man wird sicher annehmen dürfen, dass nur die Lider, die Augenbrauen und die Region zwischen Augenbrauen und Lidern gefüllt sind und nicht das Auge selbst.

23 hn n Jnp.w: Anubis wird gelegentlich als „Herr des Kastens“ bezeichnet, und laut dem späten pJumilhac 5,18 ist damit gemeint, dass Anubis den Kasten ṯs-verschließt, s. J. Vandier, Le Papyrus Jumilhac (Paris 1961), Bd. 1, 117 und 154, Anm. 125. Laut Vandier soll dies auf Kästen und Schreine anspielen, auf denen Anubis liegend dargestellt ist (vgl. als bekannteste Darstellung den Anubisschrein des Tutanchamun, Carter-Fundnummer 261, Kairo, JdE 61444). Laut J. Vandier, Memphis et le taureau Apis dans le papyrus Jumilhac, in: J. Sainte Fare Garnot (Hrsg.), Mélanges Mariette, BdÉ 32 (Le Caire 1961), 105–123, hier 117 könnte mit dem „Kasten des Anubis“ eine Kiste mit Equipment zur Mumifizierung gemeint sein oder eine Bücherkiste, in der religiöse Schriften gelagert sein könnten. Auf der Stele des Paraherwenemef (Kairo JdE 3299) ist davon die Rede, dass der Mund des Verstorbenen geöffnet sei m hn n Jnp.w. J. Berlandini, Varia memphitica VI. La stèle de Parâherounemyef, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale, 85 1985, 41–62, hier 46 und 48, Anm. (j) übersetzt das mit „grâce au (matériel du) coffre d’Anubis“ und vermutet darin ein „réceptacle des objets nécessaires à la momification“. Sie schließt sich explizit Vandier an, fasst aber seine beiden Alternativerklärungen zu einer zusammen: Solche Kisten könnten sowohl Geräte und Salben als auch Papyrusrollen enthalten. In pTurin CGT 54050 bezeichnet der „Kasten des Anubis“ aber wohl eher den Sarg, wenn gesagt wird, dass alle Glieder darin seien.

24 Die Aussage des Satzes bleibt unklar. Ob eine Anspielung auf das ebenso geschriebene, nur anders klassifizierte Wort sšd: „Blitz“ vorliegt? Zu diesem Wort vgl. R.A. Caminos, The Chronicle of Prince Osorkon, Analecta Orientalia 37 (Roma 1958), 81–82, § 119 und E. Hornung, Das Buch der Anbetung des Re im Westen (Sonnenlitanei). Nach den Versionen des Neuen Reiches. Teil 2. Übersetzung und Kommentar, Aegyptiaca Helvetica 3 (Genève 1976), 130, Anm. 310. Sollten die „Stränge“ des NN (d.h. seine Nerven, Muskeln, Blutgefäße etc.) bzw. das mit ihnen verglichene „Band“ (ob die Mumienbinde gemeint ist?) wegen der länglichen Form mit Blitzen verglichen worden sein? Ferner besitzt auch Osiris, der Verstorbene par excellence, ein sšd; dieses befindet sich am Himmel, während sein Leichnam in der Duat ist, DZA 29.629.570.

25 rdw-[n-]bn.w: Gardiner (DZA 50.143.880) denkt an das Verb rd: „NN ist wie gedeiht der bnw“. In A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 58, Anm. 5 geht er dagegen von rwḏ.t: „Sehne“ aus und übersetzt die Passage mit „N, born of M, is like the sinew of the phoenix (or heron) that came into being of itself“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 161.30-31 folgt Ersterem: „il Tale, figlio del Tale° è come fiorisce la fenice“. Die Verbindung rwḏ-n-bn.w ist inzwischen als Pflanze erkannt worden, die als Materia magica auch andernorts Verwendung findet, s. I. Guermeur, À propos d’un passage du papyrus médico-magique de Brooklyn 47.218.2 (x+III,9 – x+IV,2), in: I. Guermeur – C. Zivie-Coche (Hrsg.), „Parcourir l’éternité“. Hommages à Jean Yoyotte, Bd. 1, Bibliothèque de l’École des hautes études, Sciences historiques et philologiques 156 (Turnhout 2012), 541-555, hier 550-551 und J.F. Quack, Altägyptische Amulette und ihre Handhabung, Orientalische Religionen in der Antike 31 (Tübingen 2022), 30-31 sowie 92. In der Turiner Stelle ergänzt Guermeur in der kleinen Lücke nach rdw die Genitivnisbe.

Sei gegrüßt, der (du) in der Unterwelt (b)ist, dessen Name das Gestern ist, Osiris, der wahr[___] (?)26. NN, den NN geboren hat, gießt (???)27 Wasser aus für den, der im Sarg der Unterwelt ist, vier Mal. Der Leuchtende erscheint hell am Himmel und auf Erden am Tage des Ergreifens der [Köpf(e)]28 seiner Feinde durch NN, den NN geboren hat, (und am Tage) des Sie-Tötens nach seiner täglichen Gewohnheit.29

26 Wsjr mꜣꜥ [___]: W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 149 lesen asiri ba ntr sati mn ms n mn-t mu (d.h. Wsjr bꜣ nṯr.j sti̯ mn msi̯.n mn.t mw): „Osiris, l’esprit divin, arrose un tel fils d’une telle avec l’eau (...)“. Gardiner (DZA 29.166.530) schlägt vor: Wsjr p[w] m ⸢ẖr.t⸣-nṯr [__] sti̯ (???) mn msi̯.n mn.t mw: „Das ist Osiris in der Nekropole. NN st mw (...)“ und schreibt zum vorletzten Wort: „irgendeine Schreibung von st ‚schießen‘“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 23 transkribiert Wsjr p[_] m nṯr [___] šw.tj (???) mn msi̯.n mn.t mw und übersetzt S. 161: „Osiri il dio [dalle alte ?] piume. Il Tale, figlio tella alte, liba acqua (...)“.
(1) Das erste Wort nach dem Namen des Osiris wird kaum bꜣ sein, wie Pleyte/Rossi vorschlagen, weil der bꜣ-Vogel dann in der Höhe viel zu gestaucht wäre. Auch das p von DZA und Roccati ist zweifelhaft. Auf dem aktuellen Foto von Turin erinnert die Form der Zeichenreste eher an mꜣꜥ, Gardiner, Sign-list U5. Zu der fast geraden Sichelklinge vgl. bspw. die Sichel in mꜣꜣ in Rto. 4,3. Der von DZA und Roccati als (Oberteil der) Eule interpretierte Zeichenrest wäre dann eigentlich der Griff der Sichel. Problematisch ist allerdings die Frage, was in der unteren Zeilenhälfte gestanden hat. Der bei mꜣꜥ zu erwartende Arm müsste eigentlich noch Zeichenreste an der Abbruchkante hinterlassen haben.
(2) Die Zeichenreste nach der Fahne dürften Pleyte/Rossi wohl als t und r, d.h. als phonetische Komplemente zu nṯr interpretiert haben, vgl. auch ihr Faksimile in Bd. 2, Taf. 118. DZA schlägt dagegen ẖr (mit Fragezeichen) und r vor, also den Beginn von ẖr.t-nṯr mit regulär vorangestelltem nṯr. Für die Lücke gibt es keinen Ergänzungsvorschlag; Pleyte/Rossis hakenförmiges Zeichen am Ende der Lücke wird als Kreis mit Fragezeichen wiedergegeben und wohl wie die gesamte Lücke dem Wort ẖr.t-nṯr zugeschlagen. Jedenfalls suggeriert die Übersetzung, dass die Lücke mit dem Wort „Nekropole“ als gefüllt angesehen wurde. Roccati gibt für die Zeichenreste direkt hinter der Fahne keine Interpretation. Man kann aus seiner Übersetzung allenfalls schließen, dass er sie vielleicht, wie Pleyte/Rossi, als Komplemente zu nṯr verstanden hat.
Keine der beiden Interpretationen ist völlig überzeugend: Für t und r scheint der oberste Strich der Zeichenreste etwas zu senkrecht. Auch Gardiners ẖr ist fraglich, denn man hat den Eindruck, als ob es an der Abbruchkante noch einen kleinen Bogen eines supralinearen Abstriches gibt, der nicht zu den hieratischen Formen des ẖr passt. Eine alternative Interpretation kann allerdings nicht geboten werden. Insgesamt ist es verführerisch, das Wort nach dem Gottesnamen als „der Richtige“ (mꜣꜥ oder mꜣꜥ.tj) oder als „der Gerechtfertigte“ (mꜣꜥ-ḫrw) zu lesen; und sollte man das Nachfolgende doch ẖr.t-nṯr lesen können, liegt eine der Bezeichnungen mꜣꜥ-ḫrw-m-ẖr.t-nṯr-(...) von C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. p-nbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 219–220 für Verstorbene nahe. Aber für all das ist der vordere Teil eigentlich zu kurz geschrieben.

27 Die letzten fraglichen Zeichengruppen vor mn msi̯.n mn.t lasen schon Pleyte/Rossi fragend sati: „arrose“, d.h. sti̯: „ausgießen“ (da Pleyte/Rossi in „Osiris“ das Subjekt vermuteten, wurde mn msi̯.n mn.t das direkte Objekt, und sie mussten vor mw eine Präposition ergänzen). Auch Gardiner (DZA) vermutet eine Schreibung von sti̯. In diese Richtung weisend ist das letzte Hieratogramm vor mn, das Tierfell mit Pfeil Gardiner F29. Davor steht eine Ligatur von t und Gardiner Z4. Die eigentliche Schwierigkeit besteht in der Erklärung des Zeichens davor, zumal es tlw. zerstört ist. Der obere Teil besteht aus zwei senkrechten Zeichen; die untere Hälfte erinnert an ein k, vgl. Möller-Nr. 511 (pHarris), gerade auch in späten Ligaturen, wie in bꜣk, Möller-Nr. 211 (pAbbott). Man wäre beinahe versucht, in dem Zeichen eine sehr ungewöhnliche Form des Tierfelles mit Pfeil zu erkennen, das in der unteren Hälfte bekanntlich ein scheinbares k enthält (weswegen das Hieratogramm in späterer Zeit oft als znk in Hieroglyphen rückübertragen wurde), wenn dieses Tierfell eben nicht in regulärer neuhieratischer Graphie links folgen würde.
Roccati erwog dagegen die Doppelfederkrone, also wohl eine Graphie von Möller-Nr. 416, und einen Anschluss an die Bezeichnung des Osiris. Basierend auf seiner Übersetzung „alte ?] piume“ wird er an [qꜣi̯-]šw.tj: „der mit hoher Federkrone“ gedacht haben (vgl. die Aufführung eines Belegs für šw.t: „piuma“ für diese Zeile in seinem Index, S. 189), und tatsächlich könnten die schwachen Zeichenreste vor dem fraglichen Hieratogramm die Reste eines Schmutzgeiers sein. Nach seiner Übersetzung bildet allein das letzte Zeichen vor mn das Wort sti̯. Erklärungsbedürftig ist jedoch, dass das Tierfell bei diesem Verb als Logogramm oder Phonogramm dient, jedenfalls im Hieratischen immer durch phonetische Komplemente und Klassifikatoren erweitert wird. Das heißt, egal ob man mit Pleyte/Rossi und DZA die gesamte fragliche Gruppe als Schreibung von sti̯ interpretiert und damit das Tierfell zum Klassifikator erklären muss, oder ob man mit Roccati in dem Tierfell ein Logogramm sieht, wäre die Schreibung ungewöhnlich.
Ähnliche hieratische Formen wie die vorliegende haben noch die Zehen, Möller-Nr. 595, und zumindest im oberen Teil auch der Klassifikator für ꜥꜣb: „darbringen“ (Möller-Nr. 286), das in späterer Zeit ein paar Mal für das Darbringen von Opfergaben und wenigstens einmal, in Edfu, in einer Wasserspende verwendet wird (DZA 21.655.350), die man vielleicht sti̯: „ausgießen“ könnte. Allerdings lässt sich keines dieser Zeichen sinnvoll in den Kontext einbinden. Auch die Kollokation mit dem Folgenden hilft nicht weiter: Wasser für den im Sarg liegenden wird „gegeben“ (Formen von rḏi̯: DZA 31.605.650, DZA 31.605.780, vgl. ähnlich mit „Luft“ DZA 31.605.690), nicht „ausgegossen“.

28 dp: So der Ergänzungsvorschlag von DZA 50.143.890. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 23 und 161.34 schlägt dagegen : „bocca“ vor, was aber im Kontext weniger zu passen scheint.

29 Übersetzung des Satzanfanges mit DZA 50.143.890. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 161.33 schließt das als „che rischiara in cielo e risplende in terra“ an den, „der im Sarg in der Unterwelt ist“, des vorigen Satz an. Das würde allerdings einen verschränkten Ausdruck #Partizip(1) Partizip(2) Adverbialphrase(1) Adverbialphrase(2)# voraussetzen, was stilistisch zwar interessant wäre, aber weiterer Verifizierung bedürfte.

Zu ihm bin (ich) gekommen.
Ich bin Thot. Ich werde jede üble und schlimme Sache verscheuchen, die gekommen ist, um NN, den NN geboren hat, zu befallen, wie Re sich vor [Rto. 2,10] seinen Feinden gerettet hat, wie Chnum sich vor Sobek gerettet hat, wie Horus sich vor Seth gerettet hat, wie Thot sich vor Baba gerettet hat, wie Re sich selbst vor den vier [Feind]en gerettet hat, was in Hutweret passiert ist (wörtl.: getan wurde), und (vor) dem Feind, der ⟨im⟩ Norden von Hermopolis ist. Ihr sollt [(eure) Hände NN, den N]N30 [geboren hat, (hilfreich) entgegenstrecken]. Keine Waffe31 irgendeines Gottes oder irgendeiner Göttin soll Macht über ihn bekommen; [---]32 alle seine Glieder, die aus Feuerstein sind [---] sein [---]33 ist aus Eisen.

30 Ob der Satz so zu ergänzen ist? Das Satzende ist relativ sicher: Ein großer Teil der Himmelshieroglyphe, mit der mn.t hier geschrieben ist, ist noch auf dem Faksimile von W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 2, Taf. 118 zu erkennen (mittransliteriert von Gardiner auf DZA 50.143.890 und bei A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 23). (Die Übersetzung „‚Berg‘, Sohn von ‚Himmel‘“ auf DZA bezieht sich natürlich auf die hier wie auch in anderen Texten übliche Graphie von mn msi̯.n mn.t.) Auf dem aktuellen Foto ist dieses Zeichen nicht mehr vorhanden.
Der Beginn von Zeile 2,11 ist dagegen weniger klar. Die Zeichenreste am Beginn passen weder zu Roccatis mn (das auch nicht die gesamte Zerstörung ganz füllen würde) noch zu Gardiners „Kommt nicht gegen (...)“ (d.h. wohl m-jri̯ jwi̯ o.ä.). Ob man sie zu ḏr.t: „Hand“ ergänzen kann? Für das hier in der Übersetzung suggerierte ḏr.wt=sn n (...) reicht der Platz allerdings kaum aus, aber vielleicht für ein elliptisches ḏr.t n.

31 ꜥḥꜣ.w meint zunächst allgemein und konkret die Waffe, also das, womit man kämpft (ꜥḥꜣ), und im Speziellen die Pfeile. Hier dürfte es dagegen im metaphorischen Sinne als Zauber gemeint sein. So sagt der Preis an den Schöpfergott in der Lehre für Merikare, § 136 explizit, der Gott habe den Menschen den Zauber als Waffe erschaffen (jri̯ ḥkꜣ.w r ꜥḥꜣ.w). Und wenn der magische Spruch gegen den Dämon Sehaqeq auf oLeipzig ÄMUL 5251 (alt oLeipzig 42) laut Vso. 2 über einem mḥj n ḥḏ.w (DZA 21.931.430: „Kranz von ...“, H.-W. Fischer-Elfert, „Lass keine Milde walten mit Nubien! Hüte dich vor seinen Einwohnern und seinen Magiern!“. Der nubische Dämon Sehaqeq, in: D. Raue (Hrsg.), Inschriften im Ägyptischen Museum –Georg Steindorff– der Universität Leipzig, Kleine Schriften des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig 10 (Berlin 2016), 27–30, hier 30: „Flachsstängel (?)“) gesprochen werden soll, jri̯.w m ꜥḥꜣ: „gemacht zu einem Pfeil“, fragt sich, ob auch hier die metaphorische Bedeutung „Zauber“ mitschwingt.

32 m[_] ḥꜥ.t=f nb.t: A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 23 schlägt m=kj vor: „perché“ (zu dieser Nuance von m=kj s. Wb 1, 4 unten). Der Zeichenrest in der unteren Zeilenhälfte nach dem m ähnelt tatsächlich dem Korb des k, aber der Henkel müsste dann sehr kurz geschrieben und nach oben gerichtet sein und somit in der Lücke gestanden haben, denn davon ist nichts zu sehen.

33 [_]m=f: DZA 50.143.900 und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 23 ergänzen den Zeichenrest nach dem Verspunkt (ein in der Mitte der Zeile nach rechts oben weggehender Strich) zu einem Schilfblatt und lesen jw=f. Auf dem aktuellen Foto von Turin sind in der unteren Zeilenhälfte jedoch noch ein, wenn nicht sogar zwei weitere Zeichenreste zu erkennen, die gegen diese Ergänzung sprechen. Auch die Lesung des anschließenden Zeichens als w-Schleife ist fraglich. Es wirkt eher wie ein m, das allerdings in der Handschrift des Papyrus sonst viel größer und schlanker ist, vgl. das m fast unmittelbar daneben.

[Rto. 3,1] Chnum, der Herr von Elephantine, schickte zu Chnum, dem Herrn von Hutweret, mit den Worten:
„Schicke mir (wörtl.: lass mir bringen) dein Amulett, indem es heil ist, damit ⟨ich⟩34 es an den Hals35 von NN, den NN geboren hat, hänge, während sein Stoffstreifen (?)36, der an ihm ist, wie ein von Isis zusammengedrehter37, ein von Nephthys gezwirnter37 (und) ein von Hedjhotep in der Arbeit des Ptah gewebter37 ist, als (etwas,) was die Göttin Isis im Inneren des südlichen und des nördlichen Heiligtums (von Sais) anfertigte (und) was Neith vor sich (?) knotete (?),38 hinter dir / um dich, um jeden deiner Feinde, tot oder lebend, zu fällen.“

34 DZA 50.143.900 und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 161.42 übersetzen imperativisch: „Hänge auf!“ Eine finale Übersetzung könnte aber im Kontext passender sein. So auch schon der Alternativvorschlag des DZA.

35 ḫḫ n: Lesung der beiden Zeichen unter dem Tierhals und -nacken mit DZA 50.143.900 als ḫḫ klassifizierendes Fleischstück und n, während Roccati sie als Fleischstück und f interpretiert, dann aber eine Epexegese annehmen muss: „appendilo al suo collo, (del) Tale, figlio della Tale“.

36 pꜣy=f mnḫ{.t}: Nur hier belegt. Die Bedeutung „Schnur des Amuletts?“ (Wb 2, 87.12) ist einzig aus dem Kontext geraten. DZA 24.117.480 vermutet aber auch, dass es nur eine Verschreibung von mnḫ.t: „Kleid, Gewand, Stoffstreifen“ (Wb 2, 87,13–88,2) sein könnte. Allerdings ist das Wort auf pTurin CGT 54050 aufgrund des Possessivpronomens sicher maskulin. Unklar bleibt, ob es eine Schnur ist (< Zeugstreifen) und sich pꜣy=f und r=f auf das Amulett bezieht, oder ob es sich auf NN bezieht und, wie mnḫ.t, ein Gewand meint, das in pBerlin P 3055 (DZA 29.612.800) und Edfu (DZA 29.612.810 und 29.612.820) in Kollokation mit sšn und msnerscheint. Die Kollokation mit sšn und msn spricht für Letzteres, die Tatsache, dass dann ein abrupter Themenwechsel vorläge, für Ersteres.

37 sšn, msn und sḫt: Zur Frage, welche Vorgänge mit diesen Verben gemeint sind, vgl. D. Bidoli, Die Sprüche der Fangnetze in den altägyptischen Sargtexten, Abhandlungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo, Ägyptologische Reihe 9 (Glückstadt 1976), 66, B. Backes, Rituelle Wirklichkeit. Über Erscheinung und Wirkungsbereich des Webergottes Hedjhotep und den gedanklichen Umgang mit einer Gottes-Konzeption im Alten Ägypten, Rites égyptiens 9 (Turnhout 2001), 80, N.S. Braun, Pharao und Priester – sakrale Affirmation von Herrschaft durch Kultvollzug. Das Tägliche Kultbildritual im Neuen Reich und der Dritten Zwischenzeit, Philippika 23 (Wiesbaden 2013), 170, Anm. c und weitere Literatur bei S. Töpfer, Das Balsamierungsritual. Eine (Neu-)Edition der Textkomposition Balsamierungsritual (pBoulaq 3, pLouvre 5158, pDurham 1983.11 + pSt. Petersburg 18128), Studien zur spätägyptischen Religion 13 (Wiesbaden 2015), 163, Anm. ac.

38 {ṯz.t} ⟨ṯz⟩.n N.t r-ḥꜣ.t=st ḥꜣ=k: Vgl. dazu vielleicht Tb 50 (s. im TLA und Totenbuch-Projekt): ṯz ṯz.t jn Nw.t mꜣꜣ zp=s dp.j n mꜣꜣ=j mꜣꜥ.t n msi̯ nṯr.w ꜥẖm.w: „Ein Knoten ist von Nut geknüpft, da ihr Erstes Mal erblickt wurde, als ich Maat (noch) nicht gesehen hatte und als Götter und Kultwesen (noch) nicht geboren waren.“ (Übers. B. Backes) und jw ṯz ṯz.t ḥꜣ=j jn Swtj: „Ein Knoten wurde von Seth um mich geknüpft“ (Übers. B. Backes). Dieser Spruch ist identisch mit CT 640; dort ist es interessanterweise nicht Nut, sondern Nun, der den Knoten knüpft.
Der plötzliche Wechsel in die zweite Person Singular bei ḥꜣ=k ist merkwürdig. Ob das durch die performative Natur des Textes begründet ist, durch die ein textexterner Adressat mit mn msi̯.n mn.t gleichgesetzt wird?

O NN, den NN geboren hat, erhebe dein Gesicht, (um) Re (zu) schauen! Du mögest den lieblichen Hauch einatmen, der vom Horizontischen kommt! Ach, möge Nechbet mit einem großen Schutz(amulett) kommen, ach, [Rto. 3,5] möge Uto mit reinem Wasser zu dir kommen, um dich damit zu reinigen, so wie das, was sie für ihren Vater Re-Harachte auf den großen Felsen des Ostgebirges getan haben, wenn die große „Umringler“-Schlange erscheint, die einen Feuersteinblock39 von 30 Ellen (Länge? Höhe?) vor ihrer Gestalt40 hat.

39 jnr n ds: „Stein von“ + Steinart ist eine tautologische, aber häufige Wortverbindung. Spezifisch bei ds: „Feuerstein“ ist sie hingegen unüblich. Wohl deshalb vermutet DZA 50.143.910 an dieser Stelle in ds eher das „Messer aus Feuerstein“, weiß aber mit den „30 Ellen von steinernen Messer[n]“ nichts anzufangen. Ob jnr vielleicht eher einen „(Stein)block“ meint? Dann wäre hier ein Block aus Feuerstein gemeint. Diese Bedeutung „Block von ...“ würde bei den meisten anderen Verbindungen von jnr n + Gesteinsart ebenso gut passen.

40 ḫpr=f: Mit Falken auf Standarte geschrieben und damit etwas Göttliches. Aber was, ist unklar. DZA 50.143.910 vermutet einen Skarabäus; A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.51–52 die „manifestazione“; C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. p-nbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 378a, s.v. Mḥy-wr erwägt die „Gestalt“. Da ein gewaltiger Feuerstein davor liegt, liegt eine physisch greifbarere Übersetzung wie „Gestalt“ näher als „Manifestation“.

O (du), der (du) in Rosetau (b)ist, in der großen Halle von Cheri-aha, die (ihr) in Busiris (oder: Mendes) seid, die (ihr) in Abydos seid, die (ihr) in Heliopolis seid, die (ihr) in Memphis seid, die (ihr) in Hermopolis seid, die (ihr) in Hutweret seid, die (ihr) in Herakleopolis seid, die (ihr) in Letopolis seid, die (ihr) am Himmel seid, die (ihr) auf Erden seid, die (ihr) in der Unterwelt seid, die (ihr) in euren Schreinen seid:
Wendet eure Aufmerksamkeit NN, den NN geboren hat, zu!
Rettet ihn vor dem Hungern, vor dem Dürsten41, vor Nacktheit, {vor Nacktheit,} vor der Gewalt jeglichen [Rto. 3,10] Gottes und jeglicher Göttin, vor jeglicher Verunreinigung, vor jeglichem (weiblichen) Geist und jeglichem (männlichen) Geist,42 vor jeglicher Krankheit, ohne dass ihm irgendeine Angelegenheit, die sie hassen, geschieht!
Siehe, NN, den NN geboren hat, ist ein Bote des Re.
Sachmet geleitend, ist er gekommen.
Er ist ein Gefolgsmann des Ptah.
Er ist ein Bote eines jeden Gottes und einer jeden Göttin.
Er ist es, der dem Thot Nachricht bringt.
NN, den NN geboren hat, kennt die geheime (Bücher)kiste, die in Heliopolis ist.

41 jbi̯⟨.t⟩: Ob analog zu ḥqr.ṱ – wenn das richtig gedeutet ist – auch bei jb eher der (scil. substantivisch gebrauchte) Infinitiv „Dürsten“ als das Substantiv „Durst“ gemeint ist? Man würde dafür zwar eine t-Endung erwarten, aber das wäre auch bei dem Substantiv der Fall, das feminin ist und auch im Neuen Reich noch oft mit t-Endung geschrieben ist (nicht auf der Rückseite dieses Papyrus, Vso. 3,10, wo aber auch der Wortbeginn ungewöhnlich geschrieben ist). Da hier auch die drei Wasserlinien fehlen, die sehr häufig als Klassifikator des Verbs auftreten, könnte man überlegen, ob hier die Gruppe aus t+Wasserlinien ausgefallen ist.
Gardiner vermutete dagegen auf DZA 50.143.920, dass ursprünglich das Wort mit Wasserlinien und Mann mit Hand am Mund klassifiziert war, und dann die Wasserlinien getilgt und durch das Böckchen ersetzt worden sind. Das lässt sich aber auf dem aktuellen Turiner Foto nicht verifizieren.

42 ꜣḫ.y(t) nb.t ꜣḫ.y nb: Sic! Die Reihenfolge weicht von der üblichen ab, in der zuerst der männliche Geist und dann der weibliche Geist genannt wird. C. Peust, Ladies and Gentlemen or Gentlemen and Ladies? On the order of conjoined gendered nouns in Egyptian, in: The Bulletin of the Australian Centre for Egyptology 17, 2006, 113–121 äußerte auf Basis seiner Untersuchung von Reihungen gegenderter Nomina die Vermutung, dass die Reihenfolge [männlich] – [weiblich] im Ägyptischen keine Frage von vermeintlicher Bedeutung oder Hierarchie ist, sondern ein linguistisches Phänomen: Wenn das feminine Pendant eine Ableitung von einer männlichen Grundform ist, wie bspw. bei snsn.t: „Bruder“ und „Schwester“, findet sich in Aufzählungen die linguistische Reihenfolge [Grundform] – [Ableitung der Grundform], die eine biologische/soziale Reihenfolge [männlich] – [weiblich] suggeriert. Sind das männliche und weibliche Pendant dagegen nicht wurzelverwandt, wie bei ṯꜣ.yḥm.t: „Ehemann“ und „Ehefrau“ oder mw.tjt: „Mutter“ und Vater“, sind beide Reihenfolgen belegt: [männlich] – [weiblich] und [weiblich] – [männlich]. Das Bsp. ꜣḫ.y(t) nb.t ꜣḫ.y nb von pTurin CGT 54050 gehört in die erste Kategorie und würde damit eigentlich Peusts Vermutung widersprechen. Andererseits könnte hier auch ein stilistisches Spiel durch bewusste Abweichung von dieser Regel vorliegen. Hierzu ist vielleicht auch darauf hinzuweisen, dass auch der folgende Vers stilistisch insofern abweicht, als er keine Paarung aufweist: Der Schreiber hätte problemlos ein parallel gebildetes Verspaar mḥr nb mḥr.t nb.t bilden können. Oder sollte dort nur eine – fehlerhafte oder gewollte? – Haplographie vorliegen: mḥr ⟨nb mḥr.t⟩ nb.t?

O Siegelbewahrer der Herren von Heliopolis, (hiermit) bringt er diese43 Pflanze [Rto. 4,1] des (Ortes namens) „Gottesfeld“44, um ihm daraus ein Salbmittel(?)43 herzustellen. Er hat die Große (Uräusschlange) zu der in der Höhle befindlichen (Gottheit), die in U-Poqer (bei Abydos) ist,44 gebracht, indem er sie an den Kranz der Rechtfertigung, vor ihren Vater, setzt,45 (und) indem er denen, die in Busiris (oder: Mendes)46 sind, Opferbrote, und denen47, die in Abydos sind, {Jubiläen} ⟨Kleidung⟩48 gibt.
(Ihr) Götter, die (ihr) auf der Flammeninsel seid, kommt, versammelt euch und hört die Angelegenheit49 des Horus bezüglich (seines) Vaters Osiris. Sie ist wichtig und nützlich, (und) ihre Macht entfaltet sich, nachdem (?) Geb für Thot gehandelt hat an der Stätte der Ewigkeit im Auftrag des (Götter)kollegiums (?), (und?) nach ihrem (d.h. des Kollegiums) Ausspruch (???)50, dass ⟨er⟩ (d.h. Horus) (?) seine Herrschaft ausübe (???).51 Der Himmel ist für Re geöffnet, die Erde für Geb und die Nekropole für Onnophris – er lebe, sei heil und gesund.

43 Zuvor ist keine Pflanze genannt, auf die sich das Pronomen beziehen kann. Der Referent dürfte daher außerhalb des Textes liegen, und vermutlich ist mit diesen Worten eine spezifische Pflanze weitergereicht worden, so dass bei der Verbform ein Koinzidenzfall vorliegen könnte.

44 Nach dem mythologischen Papyrus Brooklyn 47.218.84, Zeile 9,8 (D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 125 (Le Caire 2006), 21) liegt der Ort „Gottesfeld“ bei Bubastis im Ostdelta.

43 gꜣs.t: Ein Hapax legomenon. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.61–62 übersetzt mit „rimedio“, dachte also vermutlich an eine Schreibung von gs.w: „Salbmittel“, das im pBerlin P 3038 ähnlich geschrieben ist (vgl. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 925).

44 jm.j.t ṯpḥ.t n.tj W-pqr.t: DZA 50.143.930 und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.62 ergänzen ein m vor dem Ortsnamen und gehen von einem Relativsatz aus. C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd I. ꜣ-y, Orientalia Lovaniensia Analecta 110 (Leuven 2002), 296b übersetzt dieses Epitheton dagegen mit „Die in der Höhle von W-pḳr (ON bei Abydos) ist“, vermutet also eine Genitivkonstruktion. Zu Schreibungen der Genitiv-Nisbe n(.j) bzw. n(.j).t als n.tj s. etwa A. Erman, Neuaegyptische Grammatik, 2. Auflage (Leipzig 1933), § 214. Verspunkte vor der Genitiv-Nisbe von indirekten Genitiven sind selten, kommen aber vor, vgl. N. Tacke, Verspunkte als Gliederungsmittel in ramessidischen Handschriften, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 22 (Heidelberg 2001), 164. Auch dass in Zeile 3,8–9 vor jedem n.tj ein Verspunkt steht, könnte hier die Setzung des Punktes vor einem weiteren vermeintlichen n.tj beeinflusst haben. Die Lösung des LGG hätte den Vorzug, keine Emendation zu erfordern; andererseits ist der Satz auch weiter hinten nicht ganz fehlerfrei, und im vorliegenden Text kommt die Schreibung der Genitiv-Nisbe als n.tj nicht vor.
Wer die „in der Höhle in U-Poqer befindliche“ Gottheit ist, ist unklar. Das LGG nennt nur diesen Beleg. Die Lesung jm.jt ist auch gar nicht sicher – das Hieratische könnte man auch jm.j lesen, mit Gardiner Z4 statt t. Zu maskulinen Gottheiten jm.j-ṯpḥ.t und jm.j-ṯpḥ.t=f s. C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd I. ꜣ-y, Orientalia Lovaniensia Analecta 110 (Leuven 2002), 256b. Könnte mit *„dem Gott von U-Poqer“ Osiris gemeint sein?

45 Das Überreichen des „Kranzes der Rechtfertigung“ oder des „Siegeskranzes“ ist ein v.a. aus ptolemäischen Tempelinschriften bekanntes Tempelritual, in dem der Kranz Göttern wie Horus, Osiris oder Re als Zeichen des Sieges über die Götterfeinde überreicht wird. Daneben wird er auch im Totenbuch, Tb 19 und 20, erwähnt, wo er dem Verstorbenen als Zeichen über das erfolgreich überstandene Jenseitsgericht und des Triumphes über seine Feinde mitgegeben wurde, s. Jankuhn, LÄ III, 1980, 764, s.v. „Kranz der Rechtfertigung“ und M. Müller-Roth, Der Kranz der Rechtfertigung, in: A. Manisali – B. Rothöhler (Hrsg.), Mythos & Ritual. Festschrift für Jan Assmann zum 70. Geburtstag, Religionswissenschaft. Forschung und Wissenschaft 5 (Berlin 2008), 143–162, hier 149. Archäologisch sind solche Kränze auf Mumien mehrfach nachgewiesen, s. P. Derchain, La couronne de la justification. Essai d’analyse d’un rite ptolémaïque, in: Chronique d’Égypte 30 (60), 1955, 225–287, hier 225, Anm. 1. Der Kranz, der in pTurin CGT 54050 beschrieben ist – mit der Uräusschlange „vor ihrem Vater“, d.h. vor dem Sonnengott Re bzw. der Sonnenscheibe –, entspricht am ehesten Derchains Typ VII, der einmal in Dendur als Gabe an den verstorbenen und vergöttlichten Pa-her belegt ist, s. Derchain, ebd., 228 und 286, Nr. 29. Der in pTurin CGT 54050 genannte Ortsname W-pqr bringt die Textstelle zudem in einen rituellen Kontext mit dem „Spell for bringing the garland of triumph during the wag-feast in Upeqer, the first month of the akhet-season, (day) 4“ im Totenbuch der Nodjmet vom Beginn der 21. Dynastie, vgl. dazu schon Derchain, ebd., 235 und ausführlicher G. Lenzo, The Two Funerary Papyri of Queen Nedjmet (P. BM EA 10490 and P. BM EA 10541 + Louvre E. 6258), in: British Museum Studies in Ancient Egypt and Sudan 15, 2010, 63–83, hier 70–71.

46 Ḏd.t: Wie in Recto 3,7 steht hier Ḏd.t. Die Stelle in 3,7 hat Gardiner nicht übersetzt, in 4,2 sieht er auf DZA 50.43.940 hierin den Ortsnamen Mendes. C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. p-nbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 518a–b und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.52, 63–64 identifizieren dagegen in beiden Fällen den Ortsnamen als Busiris – vielleicht, weil auf dem Verso, 4,4 und 4,8 ebenfalls die n.tj m Ḏd.w erwähnt sind, auch dort zusammen mit den n.tj m ꜣbḏ.w (die in beiden Recto-Stellen danach, in beiden Verso-Stellen davor genannt sind). Auch dort übersetzt Roccati, ebd., 172 Busiris, und auch Gardiner, DZA 50.144.110 und 50.144.120 und C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. IV. nbt-h, Orientalia Lovaniensia Analecta 113 (Leuven 2002), 378c sehen hierin den Ortsnamen Burisis. Die Schwierigkeit zu entscheiden, welcher Ortsname vorliegt, liegt darin, dass sich beide Ortsnamen im Konsonantenbestand nur durch die Endung unterscheiden: Ḏd.w: Busiris vs. Ḏd.t: Mendes. Daher ist nicht immer klar zu entscheiden, welcher Ortsname gemeint ist, und das umso weniger im Hieratischen, wo t und w, wenn als w-Schleife geschrieben, in manchen Handschriften nahezu identisch aussehen. Während die beiden Recto-Stellen ein deutliches t schreiben – in Zeile 3,7 etwas zerstört, aber noch gut erkennbar –, schreiben die beiden Verso-Stellen eine w-Schleife. Da auch auf dem Verso das t in der Regel etwas ausführlicher und ohne längeren Abstrich geschrieben wurde, wird man darin kein schmal geratenes t erkennen können. Es ist nun aber wahrscheinlich, dass in allen Fällen derselbe Ortsname vorliegt, und die Verbindung mit Osiris spricht eher für Busiris, wenn auch Mendes nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

47 ⟨n nꜣ⟩ n.tj: Die Bruchkante zwischen den alten Fragmenten Cat. 1995 (von Pleyte/Rossi nicht publizierte Kolumne) und Cat. 1996 (= Pleyte/Rossi 123) läuft genau zwischen ḥb-sd und n.tj entlang. Gardiner, DZA 50.143.940 ergänzt in der Lücke senkrechte Pluralstriche (gefolgt von A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 25, der allerdings waagerechte Pluralstriche angibt), die zu ḥb-sd gehören, merkt aber zu ihnen und dem anschließenden n.tj an: „lies n nꜣ nti”. Auf dem aktuellen Turiner Foto läuft der Bruch durch die Klassifikatoren von ḥb-sd. Ob ursprünglich danach Pluralstriche folgten, kann nicht mehr gesagt werden; die Lücke würde aber dafür ausreichen. Pleyte/Rossi haben diese Kolumne nicht faksimiliert, so dass unbekannt ist, ob zum damaligen Zeitpunkt noch etwas mehr vom Papyrus vorhanden war. Daher ist auch unbekannt, ob Gardiner die Pluralstriche allein aus dem Kotext heraus ergänzte, oder ob er noch einen Rest davon gesehen hat, als er diesen Papyrus 1905 fürs Ägyptische Wörterbuch kollationierte (s. Wb I, v). Für die von Gardiner vorgeschlagene Verbesserung in n nꜣ ist die Lücke jedenfalls tatsächlich zu schmal.

48 ḥbs.wt: Das Subjekt des Satzes scheint noch immer „NN, den NN geboren hat“ zu sein. Dieser kann aber schwerlich den Göttern Jubiläumsfeste geben, denn diese Art Fest wird üblicherweise von Göttern an Könige verliehen. Es wird sicher eine Verschreibung für ḥbs: „Kleidung“ vorliegen.

49 sḏm mdw.t wird eher das Anhören einer Angelegenheit bzw. im juristischen Sinne das Abhalten eines Verhöres meinen als das neutrale Hören von Reden. Dafür spricht auch die Nennung der ḏꜣḏꜣ.t wenig später. Die „Angelegenheit von Horus und Seth“ wird etwa in PT 485 „angehört“, s. im TLA. Sollten sich die maskulinen Suffixpronomina der folgenden Verben auf diese „Angelegenheit“ beziehen, müsste man die Femininendung von mdw.t tilgen. Roccatis Übersetzung der Pronomina durch „sia“ lässt leider keine Entscheidung zu, worauf er sie bezogen hat.

50 r-rʾ=w ist eigentlich eine typisch neuägyptische Schreibung der Präposition r im Status pronominalis, die aber nach der Präposition m keinen Sinn ergibt. Roccati vermutet eine Schreibung für : „Mund“.

51 ꜥꜣi̯=f jw ꜣḫ=f jw ḫpr wsr(.w) jw jri̯.n Gb (...): Die Syntax, besonders die Frage, was Haupt- und Nebensätze sind, ist unklar. Das wird nicht zuletzt durch die Bruchkante von Cat. 1995 und 1996 erschwert, die genau zwischen ꜣḫ=f und jw ḫpr entlangläuft und die Lesung des jw erschwert: Erhalten ist nur die untere Hälfte der Zeile mit einem senkrechten Strich und der w-Schleife. Eine Ergänzung zu jw ist zwar relativ wahrscheinlich, und angesichts der Kürze der Lücke ist eigentlich auch kein anderes Wort denkbar, allerdings sind auf dem aktuellen Turiner Foto über der w-Schleife möglicherweise noch Tintenreste zu erkennen, die nicht zu einem jw gehören können.
Gardiner, DZA 50.143.940 beginnt mit Hauptsätzen, bricht aber dann ab: „Er ist gross, er ist gut: seine Macht wird ...“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.65–66 versteht die ersten drei jw als Umstandssätze, parallel zu einem als Umstandssatz gebrauchten ꜥꜣi̯=f, und beginnt dann einen neuen Hauptsatz: „(...) perché sia grande, sia illustre,° avvenga la sua potenza.° Lo ha fatto Geb (...)“. Die Setzung der Verspunkte suggeriert jedenfalls, dass ꜥꜣi̯=f jw ꜣḫ=f enger zusammengehören, also entweder eine syntaktische Einheit bilden oder vielleicht zwei Einheiten, die aufgrund ihrer Kürze einen gemeinsamen Vers bilden und vielleicht parallel zu verstehen sind. Rein syntaktisch wären (NR-mittelägyptisch) ein uneingeleiteter und ein durch jw (Schenkel: Rang VII) eingeleiteter Umstandssatz möglich, (mittelägyptisch) ein komplexer Verbalsatz mit Rang-V-Erweiterung, (neuägyptisch) ein Hauptsatz mit durch jw eingeleitetem Nebensatz. Allerdings liegt es aber auch nahe, davon ausgehen, dass jw ꜣḫ=f und jw ḫpr wsr(.w)=f syntaktisch parallel aufzufassen sind; d.h. jede Lösung für jw ꜣḫ=f sollte auch für jw ḫpr wsr(.w)=f zutreffen. Ob vielleicht nur das jw vor ꜥꜣi̯=f ausgefallen ist und somit nur Haupt- oder nur Nebensätze vorliegen?

NN, den NN geboren hat, wird dem Leben überwiesen sein. Kein einziges Unheil kann ihm etwas anhaben.
O [Rto. 4,5] Heil und Gesundheit, ihr zwei großen Götter, die (ihr) an der Seite von Re-Harachte seid: Bereitet dem NN, den NN geboren hat, Schutz!
Er ist (doch) einer von euch.
Er ist Horus im Sumpf/Nest von Chemmis, ist ein Falke von einer Elle darin.
Er ist dieser Jüngling (?)52, der Sohn der Hathor. Krummstab und Geißel sind in seiner Hand.
Er ist als König53 erschienen, die beiden Horizonte auseinander scheuchend (?)54.
Er ist aus den Kindern der Nut (d.h. von den Sternen) hervorgegangen.
Er ist den Kindern des Geb (d.h. der Erde) beigetreten.
Thot übt seinen (magischen) Schutz aus (und) wiederholt seine Verteidigung millionenfach. Alle Götter seit der ersten Urzeit hören auf die göttliche Weisung von Hu und Sia, die er55 hervorgebracht hat. Höre, Leib [---] groß!56

52 jḥwn.wyt, mit Stadtklassifikator Gardiner, Sign-list O49 geschrieben: Gardiner (DZA 53.143.950) wie Roccati gehen von einer ungewöhnlichen Verschreibung für den Götternamen Ihi, den „Musikanten“, aus. Die dafür notwendige Emendation ist recht umfangreich und man fragt sich, ob diese Verschreibung auf ein Jḥj-(m-)Jwn.yt: „Ihy von Dendera“ zurückgeht (zu zwei ptolemäerzeitlichen Belegen s. C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd I. -y, Orientalia Lovaniensia Analecta 110 (Leuven 2002), 543b).
Die Emendationen würden allerdings geringer ausfallen, wenn man überhaupt nicht jḥj, sondern ḥwn.w: „Jüngling, Knabe“ liest, für den im Neuen Reich Schreibungen mit initialem j belegt sind. Eine Schreibung mit Doppelschilfblatt ist zwar nicht belegt (die Schreibung auf DZA 26.650.470 ist natürlich die vorliegende Stelle, die vom Wörterbuchteam offenbar versuchsweise auch diesem Lemma zugeordnet wurde), doch könnte man sie notfalls zu den Idiosynkrasien dieses Textes zählen, so dass letztlich nur noch das t und der Stadtklassifikator zu tilgen wären. So wie hier fasst auch Y. Koenig, Le papyrus de Moutemheb, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 104, 2004, 291–326, hier 315 diese Stelle auf.

53 Das meint hier vielleicht Osiris.

54 Das affizierte Objekt von sḥri̯ ist in der Regel negativ konnotiert, wodurch die Handlung zu einem positiven Resultat führt: „Sünden, Böses, Feinde, Krankheiten vertreiben“. Wie dagegen ein Horizont vertrieben werden kann, ist unklar; und wenn man es metaphorisch deutet, hätte die Handlung u.U. sogar negative Implikationen, denn die Horizonte sind die Orte, an denen die Sonne auf- und untergeht, sind also für den Sonnenlauf unabdingbar. Die hier vorgeschlagene Übersetzung „auseinander scheuchen“ stellt nur einen Versuch dar, die Handlung in eine positive Aussage zu verkehren, nämlich einen schöperischen Aspekt, ohne sich zu weit von der Grundbedeutung von sḥri̯ zu entfernen. Oder sollte man mit DZA 50.143.950 annehmen, dass ꜣḫ.tj hier „aus [ḏw.t] verderbt” ist?

55 Das bezieht sich wohl auf Thot als Schöpfer von Ḥw: „Ausspruch“ und sjꜣ: „Erkenntnis“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.75–76 möchte das Verb dagegen trotz des Verspunktes mit dem folgenden Satz verbinden und übersetzt: „Eglia ha° udito le membra della grande (?).°“

56 jri̯=f sḏm ḥꜥ.t [___] wr.t: Die Parallele pBerlin P 23220 a–g, Zeile x+3 schreibt stattdessen Jri̯ Sḏm (jw)ꜥ.t-smsw(?): „Sehgott und Hörgott, Erbe der Ältesten (?)“. Vgl. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 160–163 mit ausführlichem Kommentar zu den von ihm vorgenommenen Emendationen (Hinweis Fischer-Elfert). Mit dem Sehgott und dem Hörgott wird ein weiteres Götterpaar genannt, das neben Hu und Sia oft mit Thot assoziiert wird, s. den ausführlichen Kommentar von Fischer-Elfert, ebd., 162–163. Auf pTurin CGT 54050 liegt wohl eine Umdeutung vor: wr.t ist dort mit der Ligatur wr+r geschrieben, die anders als der Mann mit Würdenstab im Berliner Papyrus nicht smsw gelesen werden kann. Und statt des Sehgottes schreibt der Turiner Papyrus deutlich jri̯=f mit folgendem Verspunkt. Auch der Verspunkt nach wr.t ist deutlich zu erkennen; im Turiner Papyrus wird also der Gottesname Thot, anders als Fischer-Elfert das für den Berliner Papyrus vorschlägt, wohl schon zum folgenden Satz gehören.

Thot, übe den Schutz des Leibes (?)57 aus für NN, den NN geboren hat!
Er ist der einzige Sohn, den zwei Weibchen (?) geboren haben.58
[Rto. 4,10] Unter der Vierzahl der Männer und der Vierzahl der Frauen, die ⟨im⟩ Norden von Heliopolis sind, wuchs er auf. Betritt sie (d.h. die Männervierzahl) die obere Menset, dann verlässt sie (d.h. die Frauenvierzahl) die untere Menset.
Er ist das lebende Ebenbild (???) des Re,59 der im Haus des Herrschers – er lebe, sei heil und gesund – ist.60
Er ist der Türhüter im Haus des großen Fürsten61, der in Heliopolis ist.
Er ist die Hieroglyphe von Schu und Mut (?)62 im Hut-Benben, das Wort (dessen?), der in seiner geheimen Gestalt im prächtigen Isched-Baum ist, dessen ureigensten Namen man nicht kennt.
Er ist dort (im) Zustand (?)63 der Millionen und Hunderttausende Jahre vor ihm64, der Millionen Ellen von Dunkelheit auf jedem seiner Wege,65 von dem man nicht weiß, an welchem Ort er ist.
Komm zu NN, den NN geboren hat!
Mögest du ihn vor jeder bissigen ‚Maulschlange‘66 retten!
[Rto. 5,1] Sie soll sich seiner nicht bemächtigen! (Denn) er ist Sachmet.
Sie soll nicht gegen ihn wüten! (Denn) er ist Seth, groß an Kraft.

57 ḥꜥ.t: Lesung mit Roccati, 25. Pleyte/Rossi, 158 dachten an ꜥ.wt: „Körperteile“, Gardiner (DZA 50.143.960) fragend an zp.w: „Taten“.

58 msi̯{.pl}.n{=f} jd(,t)? 2: Die Lesung der Passage ist unsicher, wird aber durch die Parallele pBerlin P 23220 a–g, Zeile x+4 bestätigt (s. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 160–161). Schon Gardiner (DZA 50.143.960) dachte an msi̯.w n=f jd.t 2.t: „Ihm wurden 2 Weiber geboren“. Gegenüber seinem Vorschlag wird hier das Suffixpronomen getilgt und eine aktive statt passive Relativform angesetzt. Zu Göttern, v.a. Horus, die zwei Mütter haben können, s. J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, (= Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970) (Leiden 1971), 36–39, Anm. 7.
A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 25 und 162.77 dachte dagegen an mḥ 2 mit Personenklassifikator: „al quale è nato un secondo“. Das würde aber wohl eher durch msi̯ n=f sn.nw(=f) ausgedrückt.

59
Ägyptisch my.t(j) (?) ꜥnḫ n Rꜥ: Bei einer Übersetzung „lebendes ... des Re“ liegen für das fragliche Wort twtoder bꜣnahe, was aber beides nicht zu den Zeichenresten passt. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 25 und 101.79 transliteriert das erste fragliche Zeichen als mdw-Stab, dem es durchaus ähnelt, vgl. etwa in 4,12. Auch gibt es einen singulären Beleg für einen mdw ꜥnḫ einer Gottheit als Bezeichnung eines Priesters (wenn auch von Hathor und nicht von Re, LGG III, 464c–465a). Aber v.a. die Schreibung des Wortendes (?) passt nicht zur Familie mdw, Wb 2, 179.2–182.6, und auch nicht zum mdw-Stab, Wb 2, 178.1–14. Die Parallele (nach Roccatis Zuordnung) pTurin CGT 54053, Fragment e (s. Roccati, 38 rechts unten, 101.79) zeigt an der Abbruchkante ein Zeichen, das Roccati ebenfalls als mdw-Stab wiedergibt, dessen Lesung aber auch unsicher ist. Es passt jedenfalls nicht zu den Spuren des mdw-Stabes in der Zeile darunter, die laut Roccati, 101.81 zu dem Satz [ḥw.t-brbr] mdw n.tj m ḫprj=f štꜣ.w gehört. Die Parallele pBerlin P 23220 a–g schreibt mj.t, bietet aber insgesamt einen anderen Satz (mntf mj.t(jt) (?) Jmn wr n ḥw.t-ꜥꜣ.t: „Er ist das Ebenbild (?) des Amun, des Großen, des ḥw.t-ꜥꜣ.t”, s. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 160–161). Dennoch schlägt Fischer-Elfert, ebd., 164 auch für pTurin CGT 54050 mj statt mdw vor; er erwägt kurz eine Lesung als mjw ꜥnḫ n Rꜥ: „lebender Kater des Re“, lehnt dies aber wegen der Zeichenreste am Wortende gleich wieder ab. Ob man das vorletzte Zeichen als Ligatur aus t über Buchrolle lesen kann? Diese Gruppe kommt im Versotext mehrfach vor, mal in Einzelzeichen getrennt, mal als Ligatur, die je nach Kontext mal mehr, mal weniger elaboriert geschrieben ist. Eine exakte Parallele für die Form vom Ende von Rto. 4,10 lässt sich nicht finden, aber die Formen von dmḏ.yt in der zweiten Hälfte von 4,2 und in ḥqꜣ.yt am Ende von 4,6 gehen zumindest in diese Richtung. Damit könnte man vielleicht mj-j-j-t:Y1 lesen und darin, vergleichbar zu pBerlin P 23220 a–g, ein „Ebenbild“ sehen, in diesem Fall ein „lebendes Ebenbild des Re“. Einzig das letzte Zeichen der Zeile wäre noch erklärungsbedürftig, da es nur als senkrechter Strich erklärt werden kann, der bei mj oder mj.tj aber nicht vorkommt.

60 Die Parallele pBerlin P 23220 a–g schreibt stattdessen mntf mj.t(jt) (?) Jmn wr n ḥw.t-ꜥꜣ.t: „Er ist das Ebenbild (?) des Amun, des Großen, des ḥw.t-ꜥꜣ.t”, trägt also zur Klärung des Satzes von pTurin CGT 54050 wenig bei (s. Fischer-Elfert, ebd., 160–161).

61 Das ḥw.t-sr-wr jm.j Jwn.w kommt auch im Täglichen Kultbildritual, pBerlin P 3055 vor – die hieroglyphische Fassung schreibt dort statt ḥw.t-sr-wr aber nur ḥw.t-wr, DZA 29.382.750.

62 Mw.t: Die Parallele pBerlin P 23220 a–g, Zeile x+7 schreibt stattdessen den Göttinnennamen Tfnw.t (s. H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015), 160–161). Auch die Parallele pTurin CGT 54068 lässt auf den Götternamen Šw seine Partnerin Tfnw.t folgen, s. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 48 und 101.80. Allerdings ist dort Tfnw.t das letzte Wort in der Zeile, und die Zeilenanfänge dieser Kolumne sind nicht erhalten, so dass unklar ist, ob Tfnw.t anstelle von mw.t steht, also tj.t ḏsr(.t) ⟨n.t⟩ Šw Tfnw.t | [m ḥw.t-brbr] zu rekonstruieren ist, oder ob Tfnw.t dort ein Zusatz ist und man lesen muss: tj.t ḏsr(.t) ⟨n.t⟩ Šw Tfnw.t | [mw.t m ḥw.t-brbr]. Aufgrund v.a. der Berliner Parallele ist mit Mw.t wohl tatsächlich die Göttin „Mut“ gemeint und nicht „la madre (nella Dimora dell’Obelisco)“ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 162.80–81), auch wenn die Namen von Göttinnen sonst in diesem Text mit Schlange und nicht, wie hier mit Falke auf Standarte, klassifiziert werden. Eine Gleichsetzung von Tefnut mit Mut findet sich – nach einer Gleichsetzung von Schu mit Chons-Neferhotep – auf der Stele BM EA 706, Zeile 6, aus Deir el-Bahari (Zeit Sethos’ I.), K.A. Kitchen, Ramesside Inscriptions, Historical and Biographical. Vol. I (Oxford 1975), 330.14.

63 Die Interpretation der Gruppe zwischen jm und ḥḥ (hier als „Zustand“ übersetzt) ist höchst unsicher. Die Parallele pTurin CGT 54068 bietet ein m vor ḥḥ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 101.82), aber da der Papyrus davor zerstört ist, ist unklar, ob es noch weitere Unterschiede zu pTurin CGT 54050 gibt. Gardiner hat den Arm als Schreibung für : „Stück u.ä.“ interpretiert; abgelegt unter der Nummer DZA 21.546.590 als Beleg für Wb 1, 158.12. Dem folgt vielleicht implizit Roccati, ebd., 162 in seiner Übersetzung der Stelle. Eigentlich fehlt dafür der Logogrammstrich. Statt Gardiners Interpretation als „Stück“ wird hier eine ebenso fehlerhafte Schreibung für : „Befinden, Zustand“ vorgeschlagen.

64 ḥr=f: Die Klassifizierung der Präposition mit dem Falken auf Standarte ist unerwartet, kommt aber auch in der Parallele pTurin CGT 54053 (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 39 und 101.82) und wohl auch auf pChester Beatty VIII vor, wo an der Abbruchkante noch der Falke auf Standarte und das =f erhalten sind. Auf oDeM 1181 (H.-W. Fischer-Elfert, Lesefunde im literarischen Steinbruch von Deir el-Medineh, Kleine ägyptische Texte 12 (Wiesbaden 1997), 147) fehlt dagegen hinter ḥr der Falke auf Standarte; dafür steht wie auf pTurin CGT 54050 hinter ḥr=f ein Verspunkt. Dies und die syntaktisch parallele Konstruktion pꜣ n.tj r:nḥḥ ḥꜣ=f ḏ.t m-ḥr=f sprechen dafür, dass auf oDeM 1181 m-ḥr=f ein Präpositionalgefüge ist. Ähnliches wird dann vielleicht auch bei den beiden Turiner Papyri vorliegen, so dass ḥr trotz des Falken auf Standarte eine Präposition und kein Substantiv ist. Ob vielleicht deswegen der Schreiber von pTurin CGT 54050 den Verspunkt vor ḥr=f wieder getilgt hat? Hatte er ihn erst gesetzt, weil er ḥr=f wegen des Klassifikators für ein Nomen und den Beginn einer neuen syntaktischen Einheit hielt, dann seinen Fehler bemerkte und korrigierte?

65 n ḥḥ mḥ m kk.wj ḥr wꜣ.t.ṱ=f nb(.t): Das wird hier parallel zu n ḥḥ ḥfn.w ... gesetzt, obwohl zu prüfen wäre, ob eine solche Konstruktion stilistisch möglich ist. Die beiden Nomina recta finden sich – im ersten Fall so ähnlich, im zweiten in identischer Form – als Attribute des „Herrn der Millionen“, auf pChester Beatty VIII, Vso. 14,3 (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 101.82–102.83 und A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 2. Plates (London 1935), Taf. 49) sowie auf oDeM 1181 wieder (zu diesem inklusive der anderen Parallelen H.-W. Fischer-Elfert, Lesefunde im literarischen Steinbruch von Deir el-Medineh, Kleine ägyptische Texte 12 (Wiesbaden 1997), 147–150; der von ihm zitierte pTurin ist die vorliegende Stelle von pTurin CGT 54050).

66 „Maulschlange“ ist nur ein Versuch, die ägyptische Bezeichnung zu übersetzen. Im Brooklyner Schlangentext kommt jedenfalls keine -Schlange vor, nur eine rʾ-bḏḏ-Schlange, die aber aufgrund der Zerstörungen der Stelle nicht identifiziert werden kann, s. C. Leitz, Die Schlangennamen in den ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften und der Literatur: Abhandlungen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse 6 (Stuttgart 1997), 139. Es liegt also wohl eine poetische Bezeichnung und kein taxonomischer Terminus technicus vor.

O (Un-)Toter, (Un-)Tote: Kommt nicht zu NN, den NN geboren hat, weder als Hauch noch als Gegenwind, weder als šm.yt-Hitze67 noch als euer68 dḥr.t-Phänomen, weder als wbd.t-Verbrennung noch als der Gluthauch, der aus dem Maul der Uräus-Schlange kommt, (auch nicht) als Feuer, das aus dem Mund der Bastet kommt, (oder) als die Flammen, die aus dem Mund der Sachmet kommen! Ihr sollt nicht zu ihm kommen! Ihr sollt euch nicht seiner bemächtigen, bis dass die Erde hell wird und die Sonne aufgeht, um dem Re seine Botschaft zu verkünden! Keine schlimme und üble Sache soll ihn befallen, um sich im Fleisch des NN, den NN geboren hat, einzunisten (wörtl.: um ihren Platz im Fleisch von (...) zu machen)!
Sopdu, der Herr des Ostens, möge dein Nest zerstreuen, und er möge dein Ei zerbrechen! Verbirg dich nicht in all diesem Fleisch des [Rto. 5,5] NN, den NN geboren hat! Siehe, er veränderte seine Gestalt zu (der des) Horus, des Vorstehers von Letopolis, des Oberarztes im Tempel des Re, des Gottes, der mich schicken ließ (???)59. Du sollst aufhören, am Knochen des Sohnes60 der ... (?)61 zu kauen, dem Fleisch des NN, den NN [geboren hat]!

67 šm.y(t): Die Schreibung mit Doppelschilfblatt ist identisch mit dem šm.y in Rto. 5,11, das aufgrund des Artikels tꜣ feminin sein muss. Im Wb wurden beide Stellen als (einzige) Belege für šmj.t, Wb 4, 469.8, abgelegt. Da dieses Lemma also eventuell auf diesen Text von pTurin CGT 54050 beschränkt ist (J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Sonderschrift, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 3 (Mainz 1976), 99 und 579, Anm. 473 kennt noch ein einmal belegtes koptisches Derivat ϣⲁⲙⲏ), fragt sich, ob es vielleicht eine Sonderschreibung des Terminus šmm.t: „Fieber“ der medizinischen Texte ist, zumal es hier zusammen mit dem dḥr.t-Phänomen(?) und der wbd(.t)-Verbrennung genannt ist, die beide ebenfalls in medizinischen Texten vorkommen. Das scheint auch R. Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch - Deutsch (2800-950 v. Chr.). Die Sprache der Pharaonen (Marburger Edition), Kulturgeschichte der Antiken Welt 64, 4. Auflage (Mainz am Rhein 2006), 889, s.v. {32898} zu vermuten, der bei dem Wort auf šmm.t verweist.

58 Die einmalige Verwendung des Personalpronomens inmitten der Aufzählung mutet merkwürdig an. Sollte =tn eigentlich nur ein verderbtes hieratisches Tierfell sein, mit dem die dḥr.t-Krankheit geschrieben werden kann? In der folgenden Zeile sieht die Ligatur für =tn etwas anders aus: Dort ist das t nach rechts geöffnet (wie für ein hieratisches t auch üblich) und nicht, wie hier, nach links.

59 j:ḏi̯ j:hꜣb⟨.tw⟩=j: Vermutlich ist „(der Gott), der mich schicken ließ“ gemeint. Die Konstruktion bleibt eigenartig: „Der mich schicken lässt“ wäre eigentlich j:ḏi̯ hꜣb.tw=j oder allenfalls noch j:ḏi̯ wj hꜣb. Gardiner (DZA 50.143.990) erwog eine Vermischung von j:ḏi̯ jwi̯=f: „der ihn gehen lässt“ und j:hꜣb wj: „der mich schickt“ (für die Schreibung des enklitischen Pronomens wj als scheinbares =j s. A.H. Gardiner, A didactic passage re-examined, in: Journal of Egyptian Archaeology 45, 1959, 12–15, hier 14). Y. Koenig, Magie et magiciens dans l’Égypte ancienne, Bibliothèque de l’Egypte ancienne (Paris 1994), 207 geht von zwei parallelen Partizipien aus: „qui a placé (et) qui a envoyé“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 163.93–94 hat das j:ḏi̯ vielleicht getilgt („il dio che ha fatto il mio invio“).

60 zꜣ: Roccatis Übersetzung als „uccello“ ist wegen des Personenklassifikators nicht möglich.

61 mmmꜣ.w: Hapax legomenon. Geschrieben mit der doppelten Ligatur Eule+Arm sowie der Gruppe Sichel+Schmutzgeier, klassifiziert mit Kopf und Schlund des Rindes (Gardiner F10), dem Mann mit Hand am Mund (Gardiner A2) und den Pluralstrichen. Dieser Klassifizierung nach gehört es zum Wortfeld „essen, einnehmen, verschlucken“. So auch Y. Koenig, Magie et magiciens dans l’Égypte ancienne, Bibliothèque de l’Egypte ancienne (Paris 1994), 207 und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 163.93–94, die mit „avaler“ und „inghiottito“ übersetzen. Ob sie an eine ungewöhnliche Schreibung des Verbs ꜥm: „verschlucken“ dachten? Dieses wird in ramessidischen Papyri mitunter <ꜥmꜣm(w)> geschrieben, s. etwa DZA 21.716.000, die hier verwendete Schreibung ist dagegen nicht belegt. Da die Bedeutung unsicher ist, ist auch der Anschluss an das Folgende unklar. Beide schließen das Folgende direkt an: „avaler les chairs de X né de Y“ und „inghiottito° nella carne del Tale, figlio della Tale“. Dies hat den Vorteil, das Folgende syntaktisch einzubinden, setzt sich aber über den Verspunkt hinweg.

O jeglicher Schmerz, der an NN ist, den NN geboren hat: Du sollst nicht an ihm verweilen in einem Verweilen! Du sollst nicht beschäftigt sein (?, wörtl.: beauftragt werden?)62 in seinen Körperteilen in einem Auftrag (?)! Niste dich nicht in ihm ein (wörtl.: Mache dir keinen Platz in ihm), oder ich verrate (wörtl.: nenne) deine Gestalt und dein Wesen, weil du gesagt hast:
Ich bin vortrefflich/wirksam63 wegen der Sichel (wörtl.: des Horns) des Mondes.64
Sobald er zürnt, packe ich zu.
Sobald er sich zur Ruhe begibt, lasse ich los.
Trittst du in den Himmel ein, verspeist du alle Sterne, die in ihm sind.
Lässt du dich auf dem Erdboden nieder, richtest du die menschliche Nachkommenschaft zugrunde, die darauf ist.65
Streckst du den Arm zum Fremdland aus, [Rto. 5,10] tötest du alle Tiere66, die darin sind.
Legt man dich auf das Ufer des Meeres, lässt du alle Fische sterben, die darin sind.67
Dann wirst du der Hitze des Re-Harachte ausgesetzt, der täglich 1000 Tiere kaut.
Wenn du kommst, um ihn zu schädigen68, um (ihn) wach zu machen in der Nacht, (und) um Verunreinigung herbeizuführen am hellichten Tage69, wird man dich in der Nekropole aufsuchen, und man wird dein Grab suchen, in dem du bist, und man wird dich nicht nordwärts fahren lassen und man wird dich nicht südwärts fahren lassen, und man wird dir den Mond am Himmel entgegenstellen, während dir Seth auf der Erde entgegen(steht).

62 ḥnwj: Hapax legomenon, pTurin CGT 54050, Rto. 5,6. Abgelegt in Wb 3, 110.5 als ḥnwj. Klassifiziert ist es mit einem zunächst unklaren hieratischen Zeichen und dem schlagenden Mann. Wb denkt bei dem fraglichen Zeichen an ein Horn (Gardiner F16) und bringt das Wort wohl mit dem Substantiv ḥnw.t: „Horn“ (Wb 3, 109.14–110.4) zusammen. Daher auch die Wb-Vermutung: „vom Stechen o.ä. einer Krankheit in den Gliedern“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 26 transliteriert es dagegen als Elefantenzahn (Gardiner F18). Seine Übersetzung „infilerai“ dürfte jedoch aus dem Kontext geraten sein. Die Parallele auf pTurin CGT 54054, Fragment Cat. 2106/388 (= Roccati, ebd., 56 und 105.95), Rto. 7 schreibt bw sḥnw.t=k („du hast noch nicht beauftragt“, J. Winand, Études de néo-égyptien. 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992), §§ 459–461, oder „du hast nicht beauftragt“ bei Tilgung des t) statt nn ḥnw.y=kwj. Das erhellt zwar den Sinn der Passage nur wenig, zeigt aber, dass in pTurin CGT 54050 wohl das Verb sḥn vorliegt. So wohl auch schon die Vermutung von Y. Koenig, Magie et magiciens dans l’Égypte ancienne, Bibliothèque de l’Egypte ancienne (Paris 1994), 207, der mit „tue ne commanderas pas“ übersetzt. Das passt auch gut zur folgenden adverbialen Ergänzung, mit der sich dann das Wortspiel nn 〈s〉ḥn=k – m sḥn analog zum vorhergehenden Wortspiel nn wꜣḥ=k – m wꜣḥ.w ergibt. Außerdem eröffnet das die Möglichkeit, das fragliche Zeichen in der Klassifikation ebenfalls als t + Buchrolle zu lesen. Da sḥn ein transitives Verb ist, in beiden Parallelen aber ein direktes Objekt fehlt, wird vermutlich eine Passivform vorliegen. Zum „Beschäftigt-Sein in ...“ vgl. etwa pTurin A = pTurin Cat. 1882 Vso. 2,3 (beschäftigt auf den Feldern).

63 mnḫ ḥr pꜣ db: Diese und die fast parallele Phrase in pLeiden I 350 sind vom Wb als Beleg für mnḫ: „auffädeln“ (d.h. hier übertragen: „aufgespießt“), Wb 2, 87.8–11 abgelegt worden: DZA 24.117.430 und DZA 24.117.440. Die hier gegebene Übersetzung folgt einem mdl. Vorschlag von H.-W. Fischer-Elfert, vgl. schon den Vorschlag auf DZA 24.117.430 und J.F. Borghouts, The Edition of Magical Papyri in Turin. A Progress Report, in: A. Roccati – A. Siliotti (Hrsg.), La magia in Egitto ai tempi dei faraoni: atti, convegno internazionale di studi, Milano, 29-31 ottobre 1985 (Verona 1987), 257–269, hier 265 („I feel quite well“). Y. Koenig, Magie et magiciens dans l’Égypte ancienne, Bibliothèque de l’Egypte ancienne (Paris 1994), 207 kehrt dagegen zu der Wb-Vermutung zurück: „Je suis empalé sur la corne“.

64 „Sichel (wörtl.: des Horns) des Mondes“: Roccatis Übersetzung „al corno destro della luna (crescente)“ folgt hier der Version von pTurin CGT 54054: ḥr ꜥb wnm.j n jꜥḥ.

65 Die Sequenz „Lässt du dich auf dem Erdboden nieder, richtest du (...) zugrunde“ fehlt an dieser Stelle auf pTurin CGT 54054 und folgt erst der Sequenz. „Legt man dich auf das Ufer des Meeres, lässt du alle Fische sterben“.

66 dp-n-ꜥw.t: Dieses Kompositum wird in Wb 5, 267.4 mit der Übersetzung „das Beste an Tieren“ unter der Rubrik tp/dp (n): „das Beste von“ abgelegt. Das Wort ꜥw.t/jꜣw.t (Wb 1, 29.15–16 und 170.7–171.1; und jw.t?, s. J.F. Quack, Die Lehren des Ani. Ein neuägyptischer Weisheitstext in seinem kulturellen Umfeld, Orbis Biblicus et Orientalis 141 (Freiburg (Schweiz), Göttingen 1994), 115, Anm. 117) hat ein breites Bedeutungsspektrum: Meist wird es als „Kleinvieh“ interpretiert und meint hier v.a. Schafe, das ꜥw.t ḥḏ.t: „weißes Kleinvieh“, und Ziegen, das ꜥw.t nḏs.t: „kleines/geringes Kleinvieh“. Davon ausgehend kommt es zu einer Bedeutungserweiterung vom „petit bétail/petits quatrupèdes“ über „bétail, quadrupèdes“ zu „animal“ allgemein, s. P. Vernus & J. Yoyotte, Bestiaire des pharaons (Paris 2005), 87. Metaphorisch kann es dann auch den Menschen als „Vieh Gottes“ bezeichnen, Wb 1, 171.1. Die erweiterte Bedeutung „Tier“ kann je nach Kontext wiederum spezifizierter, eingegrenzter, sein: Wenn etwa im Zweibrüdermärchen (pd’Orbiney) Bata das jꜣw.t seines Bruders hütet, liegt die Bedeutung „domestiziertes Vieh“ nahe, und gemeint sind in dem Fall nicht Schafe und Ziegen, sondern Rinder, wie besonders aus der Sequenz 5,5–8 deutlich wird, in der Bata das jꜣw.t in den Stall treibt und ihn dabei die „Leitkuh“ (tꜣ jḥ(.t) ḥꜣw.tj) vor seinem Bruder warnt, der ihm auflauert. Dagegen wird jꜣw.t in pTurin Cat. 1993 = pTurin CGT 54051, Rto. 2,13 (s. DZA 22.981.570 = A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 68) neben mnmn.t genannt, das eher als „(scil. domestiziertes) Herdenvieh“, v.a. bestehend aus Rindern, verstanden wird, aber seinerseits auch wieder allgemeinere Bedeutungen annehmen kann, Wb 2, 81.17–23. Was man unter dem Kompositum dp-n-jꜣw.t zu verstehen habe, ist unklar; die Wb-Übersetzung „das Beste von“ wird von A.H. Gardiner, Some Reflections on the Nauri Decree, in: Journal of Egyptian Archaeology 38, 1952, 24–33, hier 30–31 angezweifelt, ohne dass er zu einem genaueren Ergebnis kommt. Er vermutet, dass dem dp hier eine „generalizing force“ innewohnt, „though one not easy for our modern minds to grasp“. Wie das einfache jꜣw.t, so kann auch dieses Kompositum gelegentlich ein breiteres Bedeutungsspektrum haben: Im Nauri-Dekret Sethos’ I. scheint es zunächst domestiziertes Vieh zu meinen, aber wenn der Prinz des Prinzenmärchens, pHarris 500, auf seiner Wanderung vom dp-n-jꜣw.t nb n ḫꜣs.t: „jedem ... des Berglandes“ lebt, dann dürfte eine allgemeinere Bezeichnung für (essbare) Tiere vorliegen. Vielleicht wird man es gelegentlich noch auf „Pflanzenfresser“ eingrenzen können, denn der arme Soldat der Soldatencharakteristik des pChester Beatty V = pBM EA 10685, Rto. 5,9–5,14 lebt nur von Feldpflanzen mj dp-n-jꜣw.t nb: „wie irgendwelches Vieh“. In der Spätzeit ist es definitiv eine allgemeine Bezeichnung für Tiere; so werden im pBrooklyn 47.218.156, Zeile x+5,5 die Glieder des Bes als dp-n-jꜣw.t(-artig) beschrieben, d.h. als „tierisch“ o.ä., und Nims geht in seiner Besprechung dieses Kompositums (C.F. Nims, The Demotic Group for ‚Small Cattle‘, in: Journal of Egyptian Archaeology 22, 1936, 51–54, hier spez. 54), davon aus, dass auch die ramessidischen Belege schon die allgemeine Bedeutung „animal“ haben. Das dürfte auch für den Beleg in pTurin CGT 54050 zutreffen, der auch von Nims explizit erwähnt wird (noch als „pTurin Pleyte/Rossi 124.10“). Das koptische Derivat ⲧⲃⲛⲏ kann wiederum sowohl das „Haustier“ als auch allgemein das „Tier“ sein, W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 223.

67 pTurin CGT 54054 fügt den Fischen noch ꜣpd.w nb: „alle Vögel“ hinzu. Außerdem folgt dort die Sequenz „Lässt du dich auf dem Erdboden nieder, richtest du (...) zugrunde“ der Sequenz. „Legt man dich auf das Ufer des Meeres, lässt du alle Fische sterben“.

68 thi̯: Gardiner (DZA 50.144.000) interpretiert die drei Striche zwischen th und den Klassifikatoren als Schmutzgeier und hieratische Abkürzungsstriche (vermutlich aufgefasst als Abkürzung für Doppelschilfblatt, denn der Vermerk „Pap. Tur. 124“ auf dem Schreibungszettel DZA 31.132.920 kann nur W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 2, Taf. 124 und damit die vorliegende Stelle meinen). Damit hat er das Wort als Beleg für thi̯ abgelegt (als DZA 31.133.990), s. auch seine Übersetzung als „schädigen“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 26 transkribiert die drei Zeichen dagegen als Schmutzgeier, Eule und w-Schleife und erhält damit das Verb thm: „durchstoßen, eindringen“; seine Übersetzung als „disturbarlo“ (163.106) scheint dennoch in Gardiners Richtung zu gehen. Die beiden hinteren der drei fraglichen Zeichen sehen tatsächlich ein wenig wie ein kurz geschriebenes m und eine w-Schleife aus. Aber die Klassifikatoren, das Bein mit dem Messer und der schlagende Mann, sprechen doch für thi̯.

69 mtr.t wird traditionell als „Mittag“ aufgefasst, s. Wb 2, 174. 6–7, R.O. Faulkner, A Concise Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 2002 (Repr. 1962)), 121, R. Hannig, Großes Handwörterbuch Ägyptisch - Deutsch (2800-950 v. Chr.). Die Sprache der Pharaonen (Marburger Edition), Kulturgeschichte der Antiken Welt 64, 4. Auflage (Mainz am Rhein 2006), 398, {14299}–{14300}. Diese Bedeutung geht auf H. Brugsch, Die Phallusgruppen in der hieroglyphischen Schrift. Schluss, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 1, 1863, 31–38, hier 35 zurück, der es mit koptisch ⲙⲉⲉⲣⲓ, ⲙⲉⲣⲓ verglich, das eben „Mittag“ bedeutet (vgl. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 99), und die Bedeutung für die älteren Sprachstadien mithilfe von pSallier I, Rto. 5,1 und pAnastasi I, 17,8 untermauerte, wo im unmittelbaren Zusammenhang von Hitze die Rede ist. Dass damit eine konkrete Uhrzeit, wohl die Mittagszeit, gemeint ist, kann auch mithilfe von anderen Stellen bezeugt werden, etwa mit der Prophezeiung des Neferti, 51–52, in der es heißt, dass man nicht wisse, wann mtr.t passiert und man nicht den Schatten der Sonne (d.h. sein Fehlen?) ausmachen könne. Allerdings kann im Demotischen und Koptischen das Wort auch allgemeiner den Tag im Gegensatz zur Nacht (grḥ) bezeichnen (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 192, Westendorf, ebd.), und diese allgemeinere Bezeichnung ergibt auch in pTurin CGT 54050, Rto. 5,12, wo es ebenfalls der Nacht gegenübergestellt ist, besseren Sinn als „Mittag“. Auch an anderen Stellen würde ein breiter gefasstes „Tag“ gut passen. So fragt sich, warum von der mit dem faulen Schreiberschüler verglichenen Antilope in pLansing, Rto. 3,9 gesagt wird, dass sie die „Mittagszeit“ nicht beim Pflügen verbringe (also nicht arbeiten würde). Gemeint ist doch sicher, dass sie den lichten Tag, den Arbeitstag, nicht beim Pflügen verbringt, zumal vermutlich auch ein Bauer in der Mittagszeit, wenn die Sonne am höchsten steht, eine kurze Pause gemacht haben wird. Und von Sethos I. und Ramses III. wird gesagt, dass sie jung seien „wie Re, wenn er mtr.t bringt“ (DZA 24.457.430, DZA 24.457.450), was allgemein auf den lichten Tag besser passt als auf die Mittagszeit, zu der Re nach ägyptischen Vorstellungen vom Sonnenlauf schon nicht mehr ganz jung ist.
Fischer-Elfert (mdl. Mitteilung) merkt dagegen an, dass Dämonen zur Mittagszeit keinen Schatten werfen und dann besonders gefährlich sind.

Siehe, NN, den NN geboren hat, ist dieser Abdju-Fisch, der an der Spitze der Barke des Re ist. Und er ist der Zwerg70 aus Fayence, der am Hals des Geb ist. Neith, bereite (?) dich auf ihn vor!71 [Rto. 6,1] Er ist dieser Skarabäus mit vier Flügeln.72
Diese seine Ba-Seele ist die Ba-Seele des Osiris. Banebdjed, diese seine Ba-Seele, ist die Ba-Seele des Re.
Er ist Herischef. Er ist die Vierheit der Goldfalken, die an der Spitze der Barke des Re sind und seinen Schutz ausüben.
Ruft ⟨er⟩ zum Himmel, dann antworten sie ihm. Ruft er zur Unterwelt, dann antworten sie ihm, (nämlich?) Amset, Hapi, Duamutef und Qebehsennuef.
Dann wird seine Ba-Seele an den Himmel versetzt und sein Leichnam in die Unterwelt, wie (es) mit Osiris, dem Sohn der Nut, (geschehen) ist.

70 nmj: Der Zwerg ist vielleicht der Mond oder der Sonnengott, A. Klasens, A Magical Statue Base (Socle Béhague) in the Museum of Antiquities at Leiden, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 33, 1952, i–xi, 1–112, hier 94 mit Literatur. Zum ramessidischen Weltgott als nmj vgl. auch G. Vittmann, „Riesen“ und riesenhafte Wesen in der Vorstellung der Ägypter, Veröffentlichungen der Institute für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität Wien 71 (Wien 1995), 15–17 (mdl. Hinweis Fischer-Elfert).

71 Die vermeintlich fast identisch geschriebene Parallele, die A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 109.111–112 für diesen und den folgenden Satz mit Verweis auf „[G. Daressy, Description des monuments épigraphiques trouvés à Karnak en 1921-1922, in:] ASAE 22[, 1922, 261–268, hier 268]“ gibt, ist nur derselbe Satz in Daressys (nicht ganz korrekter) Transliteration von Pleyte/Rossi, Papyrus de Turin, Taf. 124. Auf der von Daressy in ASAE 22 publizierten Horusstele steht in Wirklichkeit: (...) nm(j) pw n ṯḥn [---] N.t ḥri̯.t.tw r=f. Zu den beiden Kairener Horusstelen CG 9403 und 9431bis, die Roccati ebenfalls aufführt, s. H. Altenmüller, Der Sockel einer Horusstele des Vorstehers der Wab-Priester der Sachmet Benitehhor, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 22, 1995, 1–20, spez. 14, und J. Berlandini, Une stèle d’Horus sur les crocodiles du supérieur des prêtres de Sekhmet, Padiimennebnesouttaouy, in: Cahiers de Karnak 6, 1980, 235–245, hier 245. Auf diesen Horusstelen wird Geb nicht genannt, und der Fayencezwerg hängt laut Stele Kairo CG 9431bis, Zeile 48–50 am Hals der Neith (zum Kotext s. G. Daressy, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire. Nos 9401-9449. Textes et dessins magiques (Le Caire 1903), 41). Auf Stele Kairo CG 9403 scheint er zum „Hals des Zwerges“ (?) zu gehören; Roccati hat hinter ḫḫ n das Zeichen des Zwerges ausgelassen (s. Daressy, ebd., 11 und H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte Ägyptens im 1. Jahrtausend v. Chr, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Textband, 40–41). Das folgende ḥri̯.tw r=f der Horusstelen versteht Altenmüller als Imperativ: „Halte dich fern von ihm“. Zumindest auf pTurin CGT 54050 muss der Gottesname Neith aber, dem Verspunkt nach zu schließen, zu ḥr.tw r=f gehören. Könnte man auch hier einen Imperativ ansetzen und den Namen der Göttin als Vokativ auffassen? Dafür könnte sprechen, dass in pTurin CGT 54054 möglicherweise (die Stelle ist etwas zerstört) ḥr=k gestanden hat (Roccati, ebd., 57 und 109.112), was dann ein Prospektiv sein könnte – wobei in dem Fall in der Lücke davor nicht Neith, sondern eine maskuline Gottheit ergänzt werden müsste. Notierenswert ist ferner, dass auf der Statue Cairo CG 9431bis ḥri̯: „sich fernhalten“ gestanden hat, wohingegen die beiden Turiner Papyri ḥr: „sich bereit machen“ (mdl. Vorschlag Fischer-Elfert) oder ḥri̯: „Angst haben vor“ bieten. Man wird aber sicher die Turiner Papyri nicht emendieren dürfen, zumal die Phrase dort in einem ganz anderen Kontext vorkommt und daher nicht notwendigerweise dieselbe Aussage intendiert sein muss. Viel eher könnte man überlegen, ob nicht die Passage von CG 9431bis emendiert werden müsste, denn auch die von Daressy in ASAE 22 publizierte Statue hat ḥri̯: „Angst haben vor“. Hierfür müsste man alle von Altenmüller und Berlandini genannten Belege prüfen.

72 jm.j 4 n dnḥ.w: Mit DZA 50.144.010 eher so zu lesen als jm.jw n dnḥ.w: „scarabeo alato“ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 163.112–113).

(O ihr) Götter des nördlichen Himmels, (und ihr) Götter des östlichen Himmels: Kommt zu NN, den NN geboren hat, der das Udjat-Auge des Horus zu ihm (nämlich Horus) und die Hoden des Seth zu ihm (nämlich Seth) brachte (?), der die Götter in ihre Tempel setzte und die seligen Verstorbenen in ihre Gräber, der in Frieden eintritt und in Frieden herauskommt, ohne dass mein Arm abgewehrt wird [Rto. 6,5] durch irgendeinen Gott oder irgendeine Göttin, durch irgendeinen Widersacher oder irgendeine Widersacherin.
Siehe, es gibt keine Körperteile des NN, den NN geboren hat, die ohne einen Gott sind:
Sein Kopf ist Re,
sein(e) Ohr(en) sind Banebdjed,
sein rechtes Auge ist Nechbet,sein linkes Auge ist Wadjet,
seine obere Lippe ist Neret-schepset,
seine untere Lippe ist Weret,
sein Nacken ist Weret-Hekau,
sein Schlagarm72 zur Rechten ist Horus,
sein linker Arm ist Seth,
sein Rücken ist wie(?)73 Month,
seine Flanke zur Rechten ⟨ist⟩ Schu,
seine linke Flanke ist Chonsu,
sein Kinn(?)74 ist wie(?) Sachmet,
seine ḫrr-Halspartie (?)75 ist der Phönix, der von selbst entstand,
sein Oberarm ist Nut, die die Götter geboren hat,
seine Nase ist Thot,76
sein Hati-Herz ist Chepri,
sein Kehlkopf(?)77 ist Meheret78 von Oberägypten(?)79,
die Lendenregion (?)80 seines Rückens ist Satis und Anuket,
seine Zunge ist Osiris,
seine Zähne sind Upuaut,
seine 5 Finger sind das große Pantheon81,
seine anderen 5 sind das kleine Pantheon81,
sein Bauch ist Neith, die Herrin von Sais,
seine Milz, seine Leber, seine Lunge [Rto. 6,10] (und) seine Eingeweide sind Amset, Hapi, Duamutef und Qebehsenuef,82
sein Hinterteil ist Geb83,
sein Phallus ist Min-Kamutef,
sein rechter Oberschenkel ist Isis,
sein linker Oberschenkel ist Hathor,
seine Kniescheiben sind Tait,84
seine Unterschenkel85 sind Nefertem,
die Sohlen86 seiner Füße sind Geb, der Vater der Götter.
Keine schlimme und üble Sache soll ihn angehen! Keine Krankheit soll ihn befallen! (Denn) er ist Thot, der Große, der Sohn des Re auf dem Thron des Atum87! Er ist bei Re am Himmel. Dem Onnophris – LHG – hat er die Unterwelt überwiesen, um dem Herzensmüden (d.h. dem Osiris) den Nordwind zuzuführen (wörtl.: zu geben), (um) die Herzen der Seufzenden (zu) beruhigen,88 (um) die Sonne an den östlichen Horizont(berg)en des Himmels aufgehen und sie an den westlichen Horizont(berg)en des Himmels untergehen (zu) lassen, (und) um den Mond an den südlichen Himmel zu setzen, dessen Abbild man nicht kennt.

72 ḫpš meint zunächst den Vorderschenkel etwa von Rindern, davon abgeleitet aber auch den menschlichen Arm, v.a. der aktive Arm, bei dem Aspekte wie „Kraft“ und „Stärke“ mitschwingen, vgl. H.G. Fischer, Hands and Hearts (Berlin 1157), in: Journal of Egyptian Archaeology 59, 1973, 224–226. S. auch H. Willems, Crime, Cult and Capital Punishment (Mo'alla Inscription 8), in: Journal of Egyptian Archaeology 76, 1990, 27–54, hier 30–31. Wiederum davon abgeleitet (?) bedeutet das Wort auch „Kraft, Stärke“ u.ä. Die hier gewählte Übersetzung versucht diesem Aspekt gerecht zu werden. J.H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 273 versteht unter ḫpš rein anatomisch „arm, foreleg – encompasses the entire foreleg as well as the shoulder girdle (scapula + attached muscles)“, allerdings ohne weitere Begründung. Auf S. 316 übersetzt er das Wort in der hiesigen Stelle mit „upper limb“.

73 Unsicher ist, ob hier wirklich, abweichend von den anderen Sätzen, die Präposition mj: „wie“ vorliegt, oder ob es nur eine Schreibung von m ist. Zum Wechsel von mj und m im Neuägyptischen vgl. A. Erman, Neuaegyptische Grammatik, 2. Auflage (Leipzig 1933), §§ 606 (Ende) und 621. Vgl. dazu auch die auf einen Hinweis von H. te Velde zurückgehende Idee von W. Guglielmi, Die Göttin Mr.t. Entstehung und Verehrung einer Personifikation, Probleme der Ägyptologie 7 (Leiden 1991), 107, dass in diesen Gliedervergottungen keine Identifikation der Körperteile mit Göttern vorliegt, sondern ein elliptischer Vergleich mit den entsprechenden Körperteilen der Gottheiten – also „sein Rücken ist wie (der Rücken des) Month“, „sein linker Arm ist (wie der Arm des) Seth“ usw., vgl. zu dieser Art der Ellipse A.H. Gardiner, Egyptian Grammar. Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, 3rd, rev. edition (Oxford 1957 (Repr. 2001)), § 506.4.

74 ꜥnꜥn.t wird, wie schon Wb vermutet, eine spätere Form des jnꜥ der Pyramidentexte sein. Dieses ist in Pyr. 1308a = PT 539 (Pyramide Pepis I.) mit Nase, Mund, Kinn und Bärtchen klassifiziert; darauf basierend wird allgemein die Bedeutung „Kinn“ angenommen. Wie P. Dils feststellt, passt die Bedeutung „Kinn“ zu allen Belegen von jnꜥ.t (mit Femininendung) im chirurgischen pEdwin Smith (s. den Kommentar zu Zeile 8,10 im TLA). In den Körperteillisten von Mutter und Kind, Spruch 5 sowie dem Pap. mag. Vatikan, 3,7 ist es an Stellen eingereiht, die ebenfalls zum Kinn passen könnten. In pTurin CGT 54050 steht es dagegen zwischen den Körperseiten/Flanken auf der einen Seite und einem unbekannten Körperteil und dem Oberarm auf der anderen Seite, doch folgt diese Aufzählung weder der Reihenfolge A capite ad calcem oder einer anderen unmittelbar erkennbaren Abfolge, so dass dies kein Gegenargument gegen die Bedeutung „Kinn“ wäre.

75
ḫrr: Die ersten beiden Konsonanten sind mit Einkonsonantenzeichen geschrieben, der letzte syllabisch als ; mit Fleischstück und Pluralstrichen, die aber nicht zwangsläufig einen grammatischen Plural anzeigen, vgl. die Schreibung von ḏrw.w weiter vorn und von dp.t wenig später. Möglicherweise ist es identisch mit dem ḫrr von Tb 101, das etwa im Totenbuch des Juja (pKairo CG 51189 = TM 134267), Kol. 418, mit Einkonsonantenzeichen und dem Rinderkopf und -schlund (Gardiner F10) geschrieben ist (s. I. Munro, Die Totenbuchhandschriften der 18. Dynastie im Ägyptischen Museum Cairo, Ägyptologische Abhandlungen 54 (Wiesbaden 1994), Taf. 57). Sollte dasselbe Wort vorliegen, dann handelt es sich wohl um eine Bezeichnung des Halses, denn in Tb 101 heißt es, dass ein Amulett „um seinen ḫrr“ gelegt werden soll. A. Massart, À propos des „listes“ dans les textes égyptiens funéraires et magiques, in: Pontificio Istituto Biblico (Hrsg.), Studia biblica et orientalia, edita a Pontificio Instituto Biblico ad celebrandum annum L ex quo conditum est Institutum. Vol. III. Oriens antiquus, Analecta biblica 12 (Roma 1959), 227–246, hier 236, Nr. 56 transkribiert ḫr-r, als läge ein Kompositum vor. Außerdem spielt er in Anm. 1 mit dem Gedanken, es als Adamsapfel zu übersetzen, ist sich dessen aber nicht sicher genug. W. Guglielmi, Die Göttin Mr.t. Entstehung und Verehrung einer Personifikation, Probleme der Ägyptologie 7 (Leiden 1991), 106, Anm. 10 vergleicht mit dem ḫrm des Rezeptes H 17 (H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 667). Das ist jedoch ein Hapax legomenon in unklarem Zusammenhang, und die Möglichkeit, dass ein Textfehler vorliegt, ist nicht auszuschließen. Zusätzlich verweist Guglielmi mit Referenz auf P. Lacau, Les noms des parties du corps en Égyptien et en Sémitique, Mémoires de l’Académie des inscriptions et belles-lettres 44 (Paris 1970), §§ 107, 109, 110 auf angeblich semitisches *ḫnr und *ḫrn. Das ist jedoch missverständlich: Lacau verbindet in §§ 109–110 den koptischen Status pronominalis ϣⲉⲉⲛⲧ= mit ḫnt, nicht mit šr(.t): „Nase“ (jedoch unter Beeinflussung des ersten Konsonanten von ϣⲉⲉⲛⲧ= durch šr(.t)) und erwägt („pure hypothèse“), in der Verdopplung des Vokals einen möglichen Hinweis darauf zu sehen, dass die Wurzel ḫnt auf ḫnr oder ḫni̯ zurückgehen könnte. Hierfür wiederum sucht er arabische Vergleichsbeispiele. Seine Hypothese ist jedoch nicht zu halten, denn das t von ḫnt gehört zur Wurzel und müsste in seine Hypothese einbezogen werden. Zur Form ϣⲉⲉⲛⲧ= s. J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Sonderschrift, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 3 (Mainz 1976), 428, Anm. 97 und 464, Anm. 125.

76 Die Zuschreibung der Nase zum ibisköpfigen Thot passt sehr gut, da er mitunter das Epitheton „der Nasige“ tragen kann (fnḏ.j, C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. p-nbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 193). pTurin CGT 54054 schreibt dementsprechend auch fnd (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 58 und 114.129); das komplementierende Schilfblatt in pTurin CGT 54050 spricht allerdings dafür, dass dort šrj zu lesen ist.

77 ꜥšꜥš ist, wie sein feminines Pendant ꜥšꜥš.t, bislang in den medizinischen Texten nicht belegt. W. Guglielmi, Die Göttin Mr.t. Entstehung und Verehrung einer Personifikation, Probleme der Ägyptologie 7 (Leiden 1991), 107 vermutet hierin eine Nominalbildung von ꜥš: „rufen“ mit einer Reduplikation nach dem Schema ABAB; das Nomen bezeichne „als ‚Ruferin‘ sehr treffend den Kehlkopf, der wohl auch hier wieder die Speiseröhre miteinschließt.“

78
Mḥr.t: Der Name der Göttin lautet Mr.t, üblicherweise geschrieben mit dem Zweikonsonantenzeichen mr sowie phonetischem Komplement und Endung, vgl. W. Guglielmi, Die Göttin Mr.t. Entstehung und Verehrung einer Personifikation, Probleme der Ägyptologie 7 (Leiden 1991), 5–8. Die hier vorliegende Ausnahmeschreibung mit dem Meißel (Gardiner Sign-list U23) wäre nach traditioneller ägyptologischer Transkription ebenfalls mr.t zu lesen und damit allenfalls graphisch auffällig. J.F. Quack, Zum Lautwert von Gardiner sign-list U 23, in: Lingua Aegyptia 11, 2003, 113–116 hat jedoch plausible Belege für die Lesung von U23 als mḥr vorgelegt, was diesen Beleg von pTurin CGT 54050 auch phonetisch auffällig macht. Daher bildete er eines der Argumente von S.D. Schweitzer, Zum Lautwert einiger Hieroglyphen. [D1], [U23], [F25] und [W19], in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 138, 2011, 132–149, hier 143, bei U23 doch wieder zur Lesung mr zurückzukehren. J.F. Quack, Nochmals zum Lautwert von Gardiner Sign-List U 23, in: Lingua Aegyptia 30, 2022, 271-289, hier 293-284 nimmt „diesen Beleg zwar durchaus ernst, [sieht] darin jedoch kein zwingendes Argument“, um generell wieder zur Lesung mr zurückzukehren; vielmehr vermutet er an dieser Stelle eine „mentale Verquickung“ des Namens der Meret mit Gottesbeichnungen die mit mḥr beginnen. Dass an dieser Stelle die Göttin Meret gemeint ist, ist jedenfalls recht sicher, denn ihre Assoziation mit der Kehle ist auch in anderen Texten belegt, s. Guglielmi, ebd., 105-124.

79
Eigentlich steht n šmꜥ.t da. Der Sinn dieses Zusatzes ist unklar. Gardiner (DZA 50.144.040) transkribierte die letzte Zeichengruppe als sitzende Frau („ohne Punkt“; zu diesem häufigen Phänomen des Neuhieratischen vgl. bspw. A. Erman, Neuaegyptische Grammatik, 2. Auflage (Leipzig 1933), § 60) über Pluralstrichen und schlug für den ganzen Gottesnamen vor: „Mr der Sängerinnen“. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 27 transliterierte die fragliche Gruppe dagegen als Buchrolle über Pluralstrichen. Seine Wiedergabe des ganzen Gottesnamens als „Mershemat“ lässt nicht erkennen, wie er šmꜥ interpretiert hat. Eine Schreibung mit Buchrolle würde am ehesten noch auf das Verb „schmal sein“ passen. Hier wird W. Guglielmi, Die Göttin Mr.t. Entstehung und Verehrung einer Personifikation, Probleme der Ägyptologie 7 (Leiden 1991), 106 mit Anm. 9 gefolgt, die einen Schreibfehler für šmꜥ.w: „Oberägypten“ vermutet; die „Meret von Oberägypten“ ist auch in anderen Giedervergottungen und sonstigen Texten belegt, vgl. Guglielmi, ebd., A. Massart, À propos des „listes“ dans les textes égyptiens funéraires et magiques, in: Pontificio Istituto Biblico (Hrsg.), Studia biblica et orientalia, edita a Pontificio Instituto Biblico ad celebrandum annum L ex quo conditum est Institutum. Vol. III. Oriens antiquus, Analecta biblica 12 (Roma 1959), 227–246, hier 232 und C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. p-nbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 330b–c.

80 dp.t wird als Vorgänger des koptischen ϯⲡⲉ: „Lende, Hüfte“ verstanden, vgl. DZA 31.388.860 und A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. II (Oxford 1947), 243*–244*, Nr. 592. Gardiner erwähnt aber unter Verweis auf eine mündliche Mitteilung Dawsons (vgl. AEO I, 16: „I am indebted to Mr. W. R. Dawson, who has also furnished me with valuable comments on a number of the items“) Belege v.a. des Ramesseumsonomastikons, wo die Übersetzung „Lende“ nicht passt, sondern wohl ein allgemeineres Wort für ein Fleischstück vorliegt: Als Einträge 290–292 (A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. III (Oxford 1947), Taf. 4 A) werden nacheinander „zwei lange dp.t“, „zwei dp.t vom wꜣḥ/sk” und ein „dp.t vom Rektum (pḥ.wyt)“ genannt, vgl. A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. I (Oxford 1947), 17 und J.H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 230. (Im Papyrus Edwin Smith kommt es ferner im Zusammenhang mit einer Brustverletzung vor, wo „Lende“ ebenfalls schlecht passt, s. den Kommentar von P. Dils zu pEdwin Smith, Fall 43, im TLA.) Dawson schlägt daher eine allgemeinere Bedeutung „joint“ vor. In pTurin CGT 54050 Rto. 6,8 (= Gardiners Referenz „Pleyte & Rossi, Pap. Turin, 125,8“) ist es mit w-Schleife und Pluralstrichen geschrieben, aber durch den Artikel tꜣ als grammatischer Singular gekennzeichnet. Als einziger Körperteil der Liste dieses Papyrus ist es mit zwei Gottheiten zusammengebracht, nämlich mit Satis und Anuket, so dass der Singular auf ein dualisches Körperteil hinweisen könnte.

81 „Pantheon“: Wörtl.: „Götterneunheit“. Diese Zahl ist aber nicht immer wortwörtlich zu nehmen, sondern meint die Gesamtheit der Götter. Da diese „Neunheit“ hier mit den 5 Fingern gleichgesetzt wird, scheint eine Übersetzung wie „Pantheon“ passender.

82 Die vier Horussöhne werden hier mit den Körperteilen identifiziert, die sie als Kanopengottheiten bewachen, wobei die Reihenfolge von Hapi und Amset vertauscht ist, denn es ist Hapi, der der Milz zugeordnet ist, und Amset ist derjenige, der der Leber zugeordnet ist. Zur Verschreibung wfj (= wfꜣ) > s.wt vgl. A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. II (Oxford 1947), 245*, Nr. 598 (gefolgt von J.H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 317, nicht gefolgt von A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 163.133, der stattdessen kommentarlos ein bislang nicht belegtes (?) Wort für „cistifellea“, die „Gallenblase“, annimmt). Offenbar ist das hieratische Wachtelküken zum s.t-Thron, das f zur w-Schleife und eine doppelte diagonale Linie (Gardiner, Sign-list Z4) zu einem t geworden (Letzteres ist im ramessidischen literarischen Hieratisch nicht selten). Möglicherweise hat der Schreiber seinen Fehler bemerkt und dazu angesetzt, ihn selbst zu korrigieren. Denn der Schrägstrich über dem s.t kann, nach seinem Winkel zu urteilen, nicht zur ns-Zunge der darüberliegenden Zeile gehören und scheint nach dem Turiner Foto zu schließen vielleicht sogar über dem s.t statt unter ihm entlang zu laufen, ist also später als das s.t auf den Papyrus gekommen. Möglicherweise könnte man diesen Strich daher aus Durchstreichung interpretieren; die zu erwartende Korrektur findet sich dagegen nicht. Die Parallele pTurin CGT 54053, Rto. 8,1 (= Fragment Cat. 1964, Zeile 1) hat (leicht zerstört) wfj, allerdings noch vor mjs.t statt danach.
Auch das davorstehende mjs.t ist merkwürdig geschrieben, denn das von Gardiner und Roccati als s transkribierte Zeichen sieht auf dem Turiner Foto eigentlich wie der Falke auf Standarte, G7 aus.

83 Qb wird von Gardiner (DZA 50.144.040) und C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. VII. š-, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven 2002), 305a, F.b (= Beleg 102) als Schreibung für den Gottesnamen Geb aufgefasst. Dieser Name ist jedoch im Papyrus sonst mit der Gans Gardiner, Sign-list G38 = Möller-Nr. 217bis, einem b und dem Falken auf Standarte geschrieben, während hier abweichend die Einkonsonantenzeichen q und b sowie Falke auf Standarte geschrieben sind. Zudem wird Geb noch einmal in der Folgezeile genannt, wo er mit den Fußsohlen identifiziert wird (beides als Auffälligkeit auch vermerkt von Gardiner). Aber was wäre die Alternative? Es gibt einen, allerdings bislang nur einmal in ptolemäischer Zeit belegten Gott Qb, Leitz (Hrsg.), ebd., 176a–b. Oder ist es ein Gottesname, der von qꜣb: „verdoppeln, vermehren“ oder qꜣb: „Windung“ abgeleitet ist? Gerade Letzteres würde gut zum Hintern passen, an den sich bekanntlich der gewundene Darm anschließt. Zu Gottesnamen aus diesen beiden Wortfamilien, die z.T. auch nur mit den Einkonsonantenzeichen q und b geschrieben sind, s. C. Leitz (Hrsg.), ebd., 175b–176a. Die Parallelen zu pTurin CGT 54050 sind leider an dieser Stelle zerstört. Möglicherweise ist die Stelle auch verderbt, denn auffälligerweise fehlt auch die Präposition m, die in dieser Liste sonst nur an Stellen fehlt, an denen eine Assimilation an Vorangegangenes (???; ḏrw.w=f ḥr wnm.j ⟨m⟩ Šw) oder Folgendes (msḏr=f ⟨m⟩ Bꜣ-nb-Ḏd, sp.w=f {m} ḥr,j ⟨m⟩ Nrj.w-šps.j und ꜥšꜥš=f ⟨m⟩ Mḥr(.t) n šmꜥ.ywt) zur Erklärung herangezogen werden könnte, was hier nicht der Fall ist.

84 Bislang folgt die Liste dem Schema #singularischer Körperteil – eine Gottheit; pluralischer Körperteil – mehrere Gottheiten#, so dass es verführerisch wäre, hier die Pluralstriche zu streichen. Die Parallele pTurin CGT 54053, Fragment Cat. 1964, Zeile 2 schreibt auch nur einen Singular (außerdem wird dort die Kniescheibe nicht mit Tait, sondern mit Selqet identifiziert, s. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 42 und 116.135–136). Andererseits sind die folgenden beiden Körperteile ebenfalls pluralisch geschrieben, und der letzte Körperteil hat noch den dualischen Zusatz „seiner beiden Beine“, so dass man die Schreibungen nicht ohne Not emendieren sollte.

85 sḏḥ ist ein Körperteil von Menschen und Tieren; sowohl die Positionierung in Körperteillisten oder Reihungen von Körperteilen als auch die gelegentliche Klassifizierrung mit dem Bein sprechen dafür, dass es sich um eine Bezeichnung für das Bein oder einen Teil davon handelt. Es kann auch mit dem Knochen klassifiziert werden, hat also einen knöchernen oder zumindest harten (vgl. die Schreibung von ḥnn: „Phallus“ mit Knochen in pTurin CGT 54050 und pChester Beatty I) Bestandteil. Andererseits wird es auch oft mit dem Fleischstück geschrieben; dies und die explizite Erwähnung von jwf n sḏḥ in pBoulaq 11 (DZA 29.917.760) belegen, dass es auch fleischige Bestandteile aufweist.
Schon früh ist sḏḥ als Bezeichnung des Unterschenkels angesehen worden, weil es auf der Metternichstele zwischen mn(.t).j: den „Oberschenkeln“ und rd.wj: den „Füßen“, steht, s. H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Bd. IV (Leipzig 1868), 1276–1277, und vgl. Stern, in: G. Ebers, Papyros Ebers. Das hermetische Buch über die Arzeneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift (Leipzig 1875), Bd. 2, 43a, gefolgt (?) von Wb 4, 394.1–4, H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 833 und J.H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 276. Im Rezept Eb 128 ist einmal das ḥꜣ.t sḏḥ: „Vorderseite von sḏḥ“ belegt, was H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 833 als „Vorderseite des Unterschenkels“ und damit „Schienbein“ auffassen. (B. Ebbell, The Papyrus Ebers. The Greatest Egyptian Medical Document (Copenhagen, London 1937), 41 übersetzt dagegen nur mit „front of the leg“, versteht sḏḥ also nur unspezifisch als „Bein“, ebenso T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995), 268: „la partie antérieure de la jambe“.) G. Lefebvre, Tableau des parties du corps humain mentionnées par les Égyptiens, Supplément aux Annales du Service des Antiquités de l’Egypte 17 (Le Caire 1952), 49, § 56 vermutet in der Doppelsetzung des Knochenklassifikators in der Schreibung des Duals einen möglichen Hinweis darauf, dass der Begriff sowohl Schienbein als auch Wadenbein umfasst. Diese Idee findet Anklang bei H. Grapow, Anatomie und Physiologie, Grundriß der Medizin der alten Ägypter I (Berlin 1954), 93, W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36 (Leiden 1999), 226, und Walker, ebd., muss aber angezweifelt werden, da zu klären wäre, inwiefern sich diese Schreibung von anderen Doppelsetzungen des Klassifikators bei einem Dual unterscheidet. Das jwf n sḏḥ von pBoulaq 11 ist nach einer Idee von Dawson (A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. I (Oxford 1947), 17) wohl als „shin of beef“, als Haxe, zu verstehen.

86 kkp.w ist sicher eine Verschreibung (Dittographie) für kp.w, so schon DZA 30.586.540. Zu dem Wort s. J.E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 317–318, Nr. 457. Der Schreibung nach ein Fremdwort und sicher zu akkadisch kappu, hebräisch כַּפ, arabisch كَفّ zu stellen. Die Bedeutung „Handfläche“ für das ägyptische kp ḏr.t ergibt sich daraus, dass dies den abgeschlagenen Feindeshänden in den Schlachtreliefs von Medinet Habu beigeschrieben ist. Die parallele Bildung kp (n) rd.wj spricht dann für Fußsohlen. Das demotische Derivat ist gpe: „Fußsohle“, W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 578, und das koptische ist ϭⲟⲡ: „Fußsohle, Fuß“, bzw. ϭⲟⲡⲉ: „Hand“, W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 462–463.

87 s.t-Tm: Die Klassifizierung mit Hausgrundriss spricht für die Bezeichnung von Heliopolis als „Sitz des Atum“ (H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques. Bd. 5 (Le Caire 1928), 70), die Präposition ḥr für eine wörtliche Übersetzung als „Thron des Atum“ als Bezeichnung des Königsthrones. Auf Atum bezogen wird der Thron relativ selten, v.a. in pHarris I (DZA 28.817.010, 28.817.040) und Medinet Habu (DZA 28.817.030, 28.817.050) und einmal in der Zeit von Ramses II. (DZA 28.817.020).

88 sḥtp jb.w n jhꜣm.w: Die Parallele pTurin CGT 54053, Fragment Cat. 1964, Zeile 4 hat sḥtp jb.w=sn jhꜣm.w: „(um) ihre seufzenden Herzen zu beruhigen“ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 42 und 117.139); und pTurin CGT 54054, Fragment Cat. 2107/404g, Zeile 7 schreibt: [sḥt]pj (?) mit Falke auf Standarte jb.w=sn [---]: „der (göttliche) Beruhiger (???) ihrer Herzen“ (???) (Roccati, ebd., 58 und 117.139). Auf pTurin CGT 54053 sind vor sḥtp an der Abbruchkante des Papyrus noch deutlich Pluralstriche zu erkennen. Möglicherweise ist in dieser Version der Nordwind nicht dem Herzensmüden, sondern einer Personengruppe zugeführt worden – ob vielleicht die wrḏ.w: „die Müden“ (Wb 1, 338.8) gestanden hat, wenn man von einer möglichst geringen Abweichung ausgehen will? Oder gehören die Pluralstriche ans Ende des Kompositums wrḏ.w-jb: „die Herzensmüden“? In jedem Fall dürfte sich das =sn dieser Version auf diese Personengruppe bezogen haben, und das dürfte wohl auch den Plural jb.w der Version pTurin CGT 54050 erklären.

Ich bin Thot, den die Großen geschickt haben in diesem seinen Namen als Ibis. Der Platz der Göttin89 möge gegen ihr [---]

89 jri̯.y s.t n tꜣ nṯr,yt: Das Substantiv s.t: „Ort, Platz, Stelle“ scheint kein sinnvolles semantisches Subjekt von jri̯.y zu sein, und es wäre zu erwägen, jri̯.y als Partizip an „Thot“ oder „Ibis“ anzuschließen. Damit könnte man die Passage mit einer Strophe aus dem Thothymnus des Haremhab vergleichen, in der es heißt: jri̯ s.t n nṯr.w rḫ štꜣ.w wḥꜥ mdw.wt=sn: „der die Stätte der Götter schafft, der die Geheimnisse kennt und ihre Worte deutet“. Vgl. dazu M.-R. Rose, Dimension der Göttlichkeit im Diskurs. Der Thothymnus des Haremhab, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 35, 2006, 261–293, hier 284–285. Jedoch sind Partizipien von jri̯ in pTurin CGT 54050 Rto. stets mit einem komplementierenden r geschrieben worden, was dagegen spricht, das hiesige jri̯.y als Partizip aufzufassen. Leider bricht der Papyrus an dieser Stelle ab, und auf den Parallelen ist dieser (Teil-)Satz gar nicht erhalten, was eine syntaktische Analyse erschwert. Auch Rose, a.a.O. ist unsicher, inwiefern beide Passagen miteinander verglichen werden können.

Verso

Vso. x–2,1: Spruch oder Rezept für einen Einlauf

Literatur:
Foto, bereitgestellt vom Museo Egizio Torino, 2018
A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30, 171

[Vso. 2,1]1 [---] 1/64+1/64 (Oipe = 2 Dja) (?).2
Werde über 2 Tage hinweg in den Hintern gegossen.

1 Mindestens eine Kolumne ist nicht mehr erhalten. Daher zählt A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 diese Kolumne als zweite. J.F. Borghouts, The Edition of Magical Papyri in Turin. A Progress Report, in: A. Roccati – A. Siliotti (Hrsg.), La magia in Egitto ai tempi dei faraoni: atti, convegno internazionale di studi, Milano, 29-31 ottobre 1985 (Verona 1987), 257–269, hier 262, errechnet jedoch aufgrund der Parallelen für den Recto-Text, dass dort am Ende mindestens zwei Kolumnen fehlen würden. Dies würde bedeuten, dass auf dem Verso auch Platz für mindestens zwei Kolumnen am Beginn wäre, und die erste erhaltene Kolumne eigentlich als Kol. 3 oder sicherheitshalber als x+3 zu bezeichnen wäre. Um die Orientierung im Text aber nicht zu verkomplizieren, wird hier Roccatis Zählung übernommen.

2 Die Zahl ist sicher die Mengenangabe einer heute nicht mehr erhaltenen Droge. Während A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 zwei Einerstriche wiedergibt und diese auf S. 171 mit „due“ übersetzt, lässt das aktuelle Turiner Foto bei dem ersten Strich auf der rechten Seite etwa auf mittlerer Höhe noch einen winzigen Querstrich erkennen. Daher dürfte kein Einerstrich vorliegen, sondern wohl eher das hieratische Zeichen für 1/64 Oipe. Das zweite Zeichen besteht zwar tatsächlich, soweit erhalten, aus nur einem senkrechten Strich, doch wird man aus der Kombination mit dem vorigen Zeichen schließen können, dass auch hier eigentlich ein zweites Mal 1/64 Oipe genannt wird. Zu dieser Verdopplung des Maßes s. etwa Rezept Eb 60.

Vso. 2,1–2,5: Salbmittel für einen oder unter Zuhilfenahme eines Leichnams

Literatur:
- Foto, bereitgestellt vom Museo Egizio Torino, 2018
- A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30, 171

Salbmittel:1
Folglich hole man eine Scherbe (?)2 [---]3.
Spruch für das Haar (?) und (?) sein ... (?):4 Geben [---]5 Bestandteil des Kopfes eines Toten,6 dessen Gesicht nach Osten/links gerichtet ist. Werde (?) nach unten gegeben.7
Spruch für diese Scherbe, indem sie verkehrt (?) zur (?) Sonne steht, so/bis dass (?) sie [---]
8.
Nachdem er (d.h. der Kopf?, die Scherbe?) all sein (?) Wasser abgegeben hat, was daran (?)9 ist, gibt man folglich dieses Wasser der/hin zur (?) Scherbe in einen Topf auf [---] der Bestandteil [des] Kopfes dieses Toten.
Werde fein zermahlen; werde gemischt ⟨mit/in⟩ (?) diesem Wasser dieser Scherbe: 1/64 (Dja)10. [Vso. 2,5] Werde [---] wegen der / für die Freude (?)11, die einem Mann oder einer Frau bereitet (?) wurde. Das Mittel(?)12 (dient der) Beseitigung (der Einwirkung) eines (Un-)Toten13 oder einer (Un-)Toten usw.

1 A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 schließt das an die vorhergehende Applikationsanweisung an und übersetzt verbal: „ungere“. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass ein Mittel gleichzeitig rektal eingeführt und äußerlich aufgetragen werden soll, und bei einem Kombinationsmittel wäre zu erwarten, dass zwischen beiden Applikationsanweisungen die Ingredienzien und evtl. Verarbeitungsansweisungen des zweiten, äußerlichen Mittels stehen (vgl. unten Vso. 5,10–6,3, wo zudem das verbale gs auch noch anders geschrieben ist).

2 ꜥr ist mit Gardiner V12 klassifiziert, wie ꜥr.t: „Buchrolle“. Hier muss jedoch ein anderes Wort vorliegen, das im Folgenden mit maskulinem Artikel kombiniert wird. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 vermutet, wohl über die Assoziationskette Papyrus >> Schriftträger >> Ostrakon, eine „coccio“, eine Scherbe. Möglichweise hat er auch an ꜥr, den „Kiesel“, gedacht.

3 [___]: Die Zeichenreste lassen sich nicht sicher deuten. Der Abkürzungsstrich für den Feind, Gardiner Z6, wie A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 angibt, ist jedoch nicht darunter.

4 Die Lesung des gesamten Satzes ist problematisch. Das rʾ n ist noch relativ sicher. Danach scheinen die Haare zu stehen, Gardiner D3. Diese können dann eigentlich nur für šnj stehen, das aber ansonsten im Hieratischen nie logographisch geschrieben ist, zudem noch ohne Logogrammstrich. Ob man diese ungewöhnliche Kurzschreibung mit dem – ebenso zweifelhaften – zp in Vso. 2,5 vergleichen kann? Das Wort nach dem ḥr ist unsicher. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 denkt an dr: „beseitigen“. Das Zeichen unter dem d scheint aber einen sublinearen Abstrich zu haben, was eher zu einem f als einem r passt. Außerdem scheint zwischen dem ḥr und dem d noch ein schmales, hochrechteckiges Zeichen zu stehen.

5 A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 und 171 ergänzt am Anfang von Zeile 2,2 nur ḫr=tw (zur sich daraus ergebenden Form rḏi̯.t.ḫr=tw vgl. die nächste Zeile): „è posto un arto alla testa di un morto (...)“. Vergleicht man den Zeilenanfang allerdings mit der Länge des rḏi̯.ḫr=tw der folgenden Zeile, und bedenkt man, dass nach Zeile 10, wo am Beginn mindestens m(w)t n und der Beginn einer Tierbezeichnung verloren sind, wohl wenigstens drei Quadrate vom Zeilenanfang fehlen, erscheint die Lücke in 2,2 etwas zu groß für ḫr=tw allein.

6 Der ꜥ.t n ḏꜣḏꜣ n m(w)t wird in Zeile 2,4 noch einmal erwähnt. Zur Frage, was mit dem ꜥ.t des Kopfes gemeint sein könnte, s. J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, (= Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970) (Leiden 1971), 67, Textanmerkung 95. Er vermutet, dass ꜥ.t „tendon“ oder einen „fleshy part“ meinen könnte, und wenn vom ꜥ.t des Kopfes die Rede sei, vielleicht konkret „cheek“. Laut J.H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 19–26 ist ꜥ.t ein sehr allgemeiner Begriff und kann jeden Körperteil bezeichnen. Mangels semantisch besserer Alternativen favorisiert er die Übersetzung „bodily part“.

7 Unsicher ist, ob es sich um einen Teil der Anweisung handelt, oder ob dies noch Teil der Beschreibung des Gesichts des Toten ist.

8 Am Anfang der Zeile fehlt wohl etwas mehr als in Roccatis Rekonstruktion. Sein Vorschlag „[asciugar?]lo“ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171) bleibt dennoch nicht ganz unmöglich. Für den eigentlichen Spruch ist die Lücke aber zu klein, dieser wird im Text gefehlt haben.

9 r=s: Sic. Man hat zunächst den Eindruck, als läge im Kontext die Beschreibung der Behandlung der Scherbe vor: Sie soll zum Trocknen (?) der Sonne ausgesetzt werden, und nachdem sie alles Wasser abgegeben hat, soll dieses in ein Gefäß gegeben und weiterverwendet werden. In dem Fall müsste sich das r=s eigentlich auch auf ꜥr beziehen, was aber grammatisch nicht geht, denn ꜥr ist maskulin. Könnte man das notfalls als fehlerhafte Genusinkongruenz wegen des normalen femininen ꜥr.t erklären, spricht auch der gesamte Kontext gegen diese Interpretation: Wenn die Scherbe der Sonne ausgesetzt wird, wird kaum Wasser übrig sein, das man weiterverwenden kann, denn dieses dürfte verdunstet sein. Daher fragt sich, ob sich das maskuline =f eher auf ḏꜣḏꜣ: den „Kopf“ bezieht, von dem Wasser ablaufen soll, und das feminine =s dementsprechend auf den ꜥ.t n ḏꜣḏꜣ, den „Bestandteil des Kopfes“. In dem Fall wäre das n vor pꜣ ꜥr als Präposition aufzulösen statt als Genitiv-Nisbe; zu rḏi̯ n s. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 547–548, dort allerdings immer: „Droge A rḏi n=f/s/sn Droge B“: „Droge A; ihr werde hinzugegeben Droge B“.

10 Was Roccati als wꜣḏ gelesen hat, wirkt eher wie der Bruch rʾ-60. Jedenfalls wird nach G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III. bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. 280 die wꜣḏ-Dolde im Neuhieratischen nicht mehr mit zwei senkrechten Strichen unten rechts und links geschrieben, und vgl. auch die Schreibung von wḏḥ in Zeile Vso. 2,1. Die halb zerstörten Zeichenspuren dahinter könnte man zu einer hieratischen 4 ergänzen ([2] × 2 Einerstriche), so dass sich der in medizinischen Texten häufige Bruch rʾ-64 ergäbe. Allerdings ist 1/64 Dja eine für Wasser ungewöhnlich geringe Menge innerhalb medizinischer Rezepte.
Ein Lesungsvorschlag für die übrigen Zeichen kann nicht unterbreitet werden. Dass es ein Verb ist, ergibt sich zumindest aus dem deutlich lesbaren Klassifikator A24.

11 ꜣw.t-jb: Vielleicht eher so zu lesen (allenfalls noch mn.wt-jb: „Leiden des Herzens“?). Für Roccatis jm.j-jb sind die Zeichenreste am Wortanfang jedenfalls zu breit. Zum Hieratischen vgl. die Schreibung von ꜣw, Gardiner, Sign-list F40, im Wort ḥfꜣ.w: „Schlange“ in Vso. 6,3. Hat das Wort hier die Grundbedeutung „Freude“, oder ist es ein vereinzelter früher Beleg für die Bedeutung „Amulett“?

12 zp: Lesung mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 als Tenne, Gardiner O50. Eine derart abgekürzte Schreibung für zp ist ungewöhnlich; sie kommt aber vielleicht (? – die Lesung ist ebenso unsicher) noch einmal in Vso. 2,7 vor.

13 „(Un-)Toter“: Es ist dasselbe Wort wie das, dessen Kopf im Mittel verwendet werden soll. Während dort der physische Körper gemeint ist, ist hier der Totengeist gemeint, der das Grab verlassen und die Lebenden heimsuchen kann, s. H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375, 2. Auflage (Stuttgart 2018), 21–24. Er schlägt daher die Übersetzung als „Wiedergänger“ vor.

Vso. 2,5–5,1: Schutzdekret gegen verschiedene Todesursachen

Literatur:
- Foto, bereitgestellt vom Museo Egizio Torino, 2018
- A.H. Gardiner, DZA 50.144.06050.144.130
- A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30–33, 171–172

- J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, Nisaba 9 (Leiden 1978), 4–6, Nr. 9 (auf S. 119 versehentlich pTurin 1993 genannt)
- F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68 (nur Liste der Todesarten und der Götterbedrohung)
- W.R. Dawson, Notes on Egyptian Magic, in: Aegyptus 11, 1930, 23–28, hier 23–25 (nur Liste der Todesarten)
- H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, 2. Auflage (Stuttgart 2018), 104–107, und 164, Nr. 89 (versehentlich pTurin 1993 genannt)
- W. Pleyte, F. Rossi, Papyrus de Turin, Leiden 1876, Bd. 2, Taf. 120–122

Königsdekret des Osiris, des Ersten [der Westlichen,]1 des sehr Verborgenen im Balsamierungshaus von Abydos,2 der das Versteckte von Rosetau verhüllt, der die Hand erhebt ... (?)3 [---] der zum Binsengefilde Fahrende.

1 ḫntj-[jmn.tt]: So oder ähnlich ist die nächstliegende Lösung, die Lücke zu füllen. Unsicher ist, ob dies die Lücke am Zeilenanfang komplett gefüllt hat, oder ob noch mehr gestanden hat.

2 m pr-nfr ꜣbḏ.w: Gardiner, vielleicht basierend auf W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 2, Taf. 120, erwog m pr nṯr.w ḏi̯.t (ohne Übersetzung). J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 4 übersetzte: „in the Treasure House in Busiris“, las also m pr-ḥḏ Ḏd.w(?). Zur Lesung m pr nfr ꜣbḏ.w s. C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. II. -b, Orientalia Lovaniensia Analecta 111 (Leuven 2002), 451c und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30. Der Ortsname ist auf dem aktuellen Foto deutlich zu erkennen.

3 __ẖnm_: Die erste fragliche Zeichengruppe, die stark an einen hieratischen tjw-Vogel erinnert, hat Gardiner, DZA 50.144.060 fragend als r-ḏd wiedergegeben, A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 als bꜣ-Vogel. Die Zeichen danach gaben Gardiner wie Roccati als Schilfblatt, w-Schleife, k-Korb und Götterklassifikator wieder. Während Gardiner nach seinem r-ḏd nur ein jw=k anbieten kann: „Du sollst ...“, vermutet Roccati zusammen mit dem bꜣ-Vogel eine Schreibung für bjk: „falco“ (S. 171). Das aktuelle Turiner Foto zeigt statt des Schilfblattes jedoch eher den ẖnm-Krug, s. zum Vergleich Vso. 5,5. Borghouts bietet für die gesamte Passage keine Lösung.

Mittel4, um (den negativen Einfluss?) eines (Un-)Toten, einer (Un-)Toten usw. auf irgendeine (der im Folgenden) mit ihrem Namen aufgelisteten Tode(sarten) (?)5 zu beseitigen, (nämlich auf) (?) [---], irgendein [___]6, die Einwirkung eines Gottes oder die Einwirkung einer Göttin, auf (die Einwirkung) eines (Un-)Toten oder einer (Un-)Toten,

4 zp: Gardiner, DZA 50.144.060 interpretiert das runde Zeichen als (Orts-)Klassifikator, der zum sḫ.t-jꜣr des vorigen Satzes gehört. Tatsächlich ähnelt das Zeichen dem Ortsklassifikator; aber es wäre nach den Pluralstrichen eigentlich fehlplatziert. Roccati interpretiert es als Tenne, Gardiner O50, mit der Lesung zp. Dieselbe Kurzschreibung liegt vielleicht in Vso. 2,5 vor (ebenfalls vor dr), wo eine Interpretation als Ortsklassifikator definitiv keinen Sinn ergäbe. Daher wird hier Roccati gefolgt. Während Roccati das zp aber adverbial an den vorigen Satz anschließt („nell’occasione di (...)“), wird hier ein syntaktischer Einschnitt angesetzt.

5 m(w)t nb ḥsb.w ḥr rn=f: Übersetzung mit Gardiner, vgl. auch Roccati. Borghouts sah hierin stattdessen: „any dead one whose name is ‚counter-of-face(s)‘“; so auch Fischer-Elfert.

6 [---] nb: Gardiner dachte an ḥr (?) nb, Borghouts und Fischer-Elfert an „any god“ / „eines jeglichen Gottes“, d.h. nṯr nb; A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 30 transkribiert zꜣ nb und übersetzt 171: „in ogni manifestazione“.

auf den Tod (durch Erkrankung?)7 seines Kopfes, auf den Tod (durch Erkrankung?)7 seiner Augen, auf den Tod (durch Erkrankung?)7 seines Bauches,

7 mwt n Körperteil: In den bisherigen Übersetzungen nimmt niemand Stellung dazu, welcher Genitiv vorliegt. Sollte es ein Genitivus objectivus sein – der jeweils genannte Körperteil stirbt –, würde es implizieren, dass die Liste mehrfach zwischen Genitivus objectivus bei Körperteilen und einem Genitivus subjectivus bei den anderen Todesarten wechselt. Alternativ könnte man erwägen, in „mwt n Körperteil“ stets eine Abkürzung für „mwt n (Erkrankung des) Körperteils“ zu verstehen, d.h. „Tod (durch Erkrankung) seines Kopfes“, „Tod (durch Erkrankung) seiner Augen“ etc. Diese Lösung bietet jedenfalls T. Bardinet, Dents et mâchoires dans les représentations religieuses et la pratique médicale de l’Égypte ancienne, Studia Pohl. Series Maior 15 (Roma 1990), 27–48 im Fall der nḥd.wt an, auch wenn er sie zugunsten einer anderen Übersetzung gleich wieder ablehnt. Folgt man dieser Idee, läge bei allen Todesarten ein Genitivus subjectivus vor.

auf den Tod durch eine(n) Plage(geist),8 [auf den Tod] durch einen ꜥḫ.w-Dämon und den Tod durch eine ꜥḫ.wt-Dämonin,9 auf den Tod durch Eindringen des Re,10 auf den Tod durch einen Schicksalsschlag (?) bei Tage,11

8 m(w)t n (j)ꜣd.t: „Tod durch eine(n) Plage(geist)“: Vgl. schon W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 153, F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68, hier 63 und W.R. Dawson, Notes on Egyptian Magic, in: Aegyptus 11, 1930, 23–28, hier 23. Gardiner, DZA 50.144.070 ging von „Feinden (?)“ aus, ohne das Lemma zu spezifizieren, an das er dachte. Anlass für seine Interpretation dürfte der Feind-Klassifikator Z6 gewesen sein. Später ist diese Stelle im Wb als Beleg für jꜣd.t: „Plage, Seuche“ abgelegt worden (DZA 20.240.310, wo als weitere Übersetzungsvorschläge den „Feinden (?)“ noch „Mangel, Hungersnot“ beigefügt wurde). Borghouts, Roccati und Fischer-Elfert vermuteten dagegen, sicher wegen der vorangegangenen Körperteile, eine Schreibung für jꜣ.t: „backbone“, „dorso“ bzw. „Rückgrat“. Das von ihnen noch ergänzte Suffixpronomen =f wäre dann am Beginn der folgenden Zeile zu ergänzen. Hier wird dem Vorschlag von Pleyte/Rossi, Chabas, Wb und Dawson gefolgt, weil das Rückgrat später noch einmal genannt wird und, soweit erhalten, auf diesem Papyrus keine Todesart zweimal genannt ist.
Der Begriff jꜣd.t kann ganz allgemein einen schlechten Zustand oder eine Notlage bezeichnen. In medizinischen Kontexten bezeichnet es dagegen eine i.d.R. saisonal am Jahresende (als jꜣd.t rnp.t) auftretende Erscheinung, die wohl verschiedenen modernen Krankheitsbildern entspricht und durch die aufkommende Nilflut und das dadurch verursachte Anwachsen der Zahl der Krankheitserreger und -überträger verursacht wird. Vgl. dazu S. Herrmann, Iꜣd.t und di’u. Die „Seuche des Jahres“, in: Göttinger Miszellen 219, 2008, 37–39 und H. Győry, Jꜣdt rnpt or the „pestilence of the year“, in: R. David – J. Cockitt (Hrsg.), Pharmacy and Medicine in Ancient Egypt. Proceedings of the Conferences Held in Cairo (2007) and Manchester (2008), BAR International Series 2141 (Oxford 2010), 81–84. C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 206–208 bringt die jꜣd.t rnp.t konkret mit der Beulenpest in Verbindung, da nach dem ägyptischen Tagewählkalender die jꜣd.t rnp.t durch die Boten der Göttin Sachmet verbreitet wird und eine Verbindung zwischen Sachmet und Ratten gezogen wird, die als Träger der Pest galten, und weil die „Pfeile der Sachmet“ als Überträger der jꜣd.t rnp.t galten, was zu der Beschreibung mancher Pestkranken passe, die sich an den Stellen, an denen später die Pestbeulen auftreten, wie angestochen oder angeschossen fühlten. Dem folgt auch W. Westendorf, Seuchen im Alten Ägypten, in: A. Karenberg – C. Leitz (Hrsg.), Heilkunde und Hochkultur I. Geburt, Seuche und Traumdeutung in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraumes, Naturwissenschaft, Philosophie, Geschichte 14 (Münster, Hamburg, London 2000), 55–69, hier 60–61, der kurz die Möglichkeit diskutiert, ob die Rezepte gegen Mäuse/Ratten im Papyrus Ebers als Seuchenprophylaxe zu interpretieren sind, dann aber diese Hypothese als zu weit hergeholt selbst wieder ablehnt. Allgemein ist jꜣd.t als Krankheitserscheinung auch eine dämonische Natur zu eigen (H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 21). Das passt hier auch zu den anschließend genannten, ebenfalls dämonischen Erscheinungen. Daher wird hier versuchsweise jꜣd.t als „Plage(geist)“ übersetzt, auch wenn das semantisch wohl etwas verharmlosend wirkt.
Auf der nur in einem kleinen Fragment erhaltenen, aber prinzipiell ähnlichen Liste von Todesarten auf pRifeh = pLondon UC 32781 (TM 755047), Vso. 4 wird die jꜣd.t rnp.t ebenfalls genannt, wenn auch vielleicht noch im Einleitungstext und nicht als eine der Todesarten (zu diesem Text Gardiner, in: W.M. Flinders Petrie, Gizeh and Rifeh (Double Volume), British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account 13 (London 1907), 27 und Taf. 27o, H.-W. Fischer-Elfert, Anfang eines iry.w-Traktats des wti-Umwicklers inclusive einer post-mortalen Thanatologie, in: Chronique d’Égypte 88 (175), 2013, 15–34). Aufgrund dessen überlegt Fischer-Elfert, ebd., 30, ob man auf pTurin CGT 54050 am Beginn von Zeile 2,9 nicht ebenfalls n rnp.t ergänzen kann.

9 m(w)t n ꜥḫ.w(t): Die Markierung der Femininform nicht durch eine t-Endung, sondern durch Pluralstriche erinnert an den ꜣḫ(.t)-Geist in Rto. 2,3 und 3,10. Zu dem ꜥḫ.w, bei dem es sich um die ägyptische Übertragung des vorderorientalischen Sāmānu-Dämons handelt, s. S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015), 166–167 und 171–208. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 lässt dieses Wort dagegen ohne Übersetzung und versteht das vorige, maskulin-singularische ꜥḫ.w auch nicht als maskulines Pendant, sondern als „scottatura“ (abgelehnt von Beck, ebd., 167).

10 m(w)t n ꜥq n Rꜥ: Unbekannte Todesart. Bezüglich der Syntax dachte Gardiner an die Präposition: „Eintritt zu Re“, J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 4 an einen Genitiv: „entering of Rēꜥ“. Auf S. 100, Anm. 11 vermutet er darin eine Umschreibung für „sunrise ?“, ohne aber eine Idee zu äußern, wieso man daran sterben könnte. Zudem wird der Sonnenaufgang üblicherweise durch wbn ausgedrückt, und im Text zur Sonnenuhr im Kenotaph Sethos’ I., Kol. 12, scheint das Eintreten des Re eher den Sonnenuntergang zu bezeichnen, s. F. Hoffmann, Beispiele für Übersetzung und Kommentierung ägyptischer astronomischer Texte. Sonnenuhr, Sonnenaufgang und Dekansterne, in: A. Imhausen – T. Pommerening (Hrsg.), Translating Writings of Early Scholars in the Ancient Near East, Egypt, Greece and Rome. Methodological Aspects with Examples, BzA 344 (Berlin, Boston 2016), 335–378, hier 335. Vielleicht deswegen hatte Borghouts an anderer Stelle, nämlich in J.F. Borghouts, Lexicographical Aspects of Magical Texts, in: S. Grunert – I. Hafemann (Hrsg.), Textcorpus und Wörterbuch. Aspekte zur ägyptischen Lexikographie, Probleme der Ägyptologie 14 (Leiden, Boston 1999), 149-177, hier 176, ꜥq n Rꜥ mit „nightfall“ übersetzt. Vgl. allgemein auch Wb 1, 230.8. S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015), 167 schlägt für das ꜥq n Rꜥ des pTurin CGT 54050 Sonnenstich vor. Da ꜥq n ein Eintreten in etwas, auch den Leib, bezeichnet (Wb 1, 230.16–17) und nicht nur ein einfaches Herantreten an jemanden, ist diese Idee durchaus erwägenswert.

11 m(w)t n ꜣ.t m hrw: Zu ꜣ.t vgl. A.H. Gardiner, The First Two Pages of the Wörterbuch, in: Journal of Egyptian Archaeology, 34 1948, 12–18, hier 14–15. Ihm zufolge sind ꜣ.t: „der Moment“ und ꜣ.t: „die Kraft“, die „striking power“, miteinander zu verbinden. Konkret in pTurin CGT 54050 dürfte dem ꜣ.t allein schon des Kontextes wegen eine negative Konnotation innewohnen. Hier wird versucht, dies durch die Übersetzung als „Schicksalsschlag“ widerzuspiegeln. Fischer-Elfert erwog dagegen: „Tod zu irgendeinem Moment am Tage“. Da er sich bei der vorangegangenen Todesart „beim Eintritt des Re“ Borghouts’ Vermutung „sunrise ?“, „Sonnenaufgang?“ anschloss, könnte man hierin eine Minigruppe sehen, die tageszeitbezogene Todesarten nennt. Zur Abrundung des Bildes würde man dann aber vielleicht noch den Abend oder die Nacht erwarten, vgl. den in Vso. 5,8 beschworenen Dämon, der m grḥ m hrw m nw nb: „in der Nacht, bei Tage und zu jedem Augenblick“ wirkt.

auf den Tod durch ein Krokodil und den Tod durch einen Löwen, [Vso. 2,10] [den Tod durch ein ...]-Tier, auf den Tod durch eine Schlange, auf den Tod durch einen Skorpion, auf den Tod durch irgendein wildes Tier,12 auf den Tod durch Zustoßen der Hörner eines [Stieres(?) und den Tod durch] irgendein [---]-Tier,13

12 m(w)t n mꜣj.w nb wird nicht der Tod durch einen jeden Löwen sein (so Borghouts und Roccati), weil der Tod durch einen Löwen schon genannt wurde. Der Quantifikator nb zeigt an, dass mꜣj.w hier eher eine generische Bedeutung haben wird und das Raubtier als solches bezeichnet. Eine solche generische Bedeutung hat mꜣj.w etwa im römerzeitlichen Tebtynis-Onomastikon. So auch schon F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1) 1875, 57–68, hier 63, der zwischen dem „mort de lion“ im ersten Fall und dem „mort par tout espèce carnassier“ im zweiten unterschied, Gardiner, DZA 50.144.070, der an einen „Löwen“ im ersten Fall und an „irgendein grosses Raubtier“, „wohl generisch“, im zweiten Fall dachte, und W.R. Dawson, Notes on Egyptian Magic, in: Aegyptus 11, 1930, 23–28, hier 23, der zwischen „a lion“ und „any kind of feline animal“ unterschied. (Wenn W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 153 mꜣj.w mit „terre“ übersetzen, verwechselten sie das Wort wohl mit mꜣw.t: „Neuland“.)
A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 fügt danach noch ein „[come morte di iena?]“ ein. Allerdings befindet sich an dieser Stelle keine Lücke im Papyrus – die Ergänzung ist fehlplatziert und gehört eigentlich in die Lücke zwischen sein „come morte di leone“ und „come morte di serpente“ am Zeilenwechsel von Vso. 2,9 auf 10. Vgl. dazu Chabas, ebd., der genau an dieser Stelle „De la mort par (l’hyène)“ platziert, worauf Roccati wohl basiert. Chabas schreibt dazu in Anm. 4: „On ne distingue pas plus dans la lacune que le déterminatif des noms d’animaux. Dans des textes du mème genre, l’hyène est ordinairement nommée après le lion.“ An welche Texte „du mème genre“ er dachte, ist unklar. Infrage kommt eigentlich nur der magische pHarris, der tatsächlich auf mꜣj.w die ḥṯ.t folgen lässt (DZA 27.547.000 und DZA 27.547.010).

13 m(w)t n sḫ n db.wj n | [___] [m(w)t] [n] ___ nb: F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68, hier 63 übersetzte das Ende von Zeile 2,10, unter Verweis auf pAnastasi V, 17,5, mit „De la mort par la blessure de l’insecte“. In pAnastasi V steht allerdings kein „insecte“, sondern wohl die „Nildpferd(peitsche?)“. In die gleiche Richtung auch Fischer-Elfert, der als Alternativen „Stoß irgendeines Nilpferdes/Hornes (?)“ bietet. In pTurin CGT 54050 weisen die Klassifikatoren jedenfalls deutlich auf die „Hörner“ hin. Die recht naheliegende Ergänzung „Stier“ am Beginn von Zeile 11 findet sich schon bei Gardiner. (Dennoch sei zumindest am Rande erwähnt, dass die Erwähnung des Nilpferdes tatsächlich in einer der Lücken erwartbar ist.)
Die Zeichenreste nach dem „[Stier]“ (?) wird man wohl zu einem „Tod durch“ ([m(w)t n]) „irgendein“ (nb) anderes Tier ergänzen können (so auch Gardiner und Roccati). Chabas’ Ergänzung des Krokodils (S. 64) am Beginn von Zeile 11 ist nur als Vorschlag zu verstehen und funktioniert nur, weil er die Erwähnung des Krokodils in der vorigen Zeile nicht lesen konnte, aber generell in dieser Liste ein Krokodil erwähnt erwartet (S. 64, Anm. 1). Der Quantifikator nb spricht für die Ergänzung einer generischen Tierbezeichnung, nicht einer spezifischen Tierart.
Borghouts übersetzte dagegen die gesamte Passage ab den letzten erhaltenen Worten von 2,10 mit „death of the thrust of the horns of any [... bull (?)]“, dachte also, dass sich das nb auf den zu ergänzenden Stier bezieht und die Zeichenspuren davor nur eine Spezifizierung des Stieres darstellen. In dem Fall müsste man von einem Kompositum ausgehen, denn das vor nb erkennbare Tierfell muss der Klassifikator einer Nominalverbindung sein und kann nicht bspw. zu einem Adjektiv gehören, das nur lose als Attribut angeschlossen ist.

auf den Tod durch irgendein Gemetzel,14 auf den Tod durch Getötet-Werden durch das Erz (d.h. eine Waffe), auf den Tod durch Begraben-Werden, auf den Tod durch Nicht-[Vso. 3,1]-Begraben-Werden,15 auf den Tod durch Herabfallen von der Mauer, auf den Tod durch Ertrinken (oder: durch Kentern?),16 auf den Tod durch einen, der im/als (?) Schatten (?) agiert,17

14 m(w)t n ẖꜣ.jw nb: Aufgrund des anschließenden Todes durch eine erzene Waffe ist mit ẖꜣ.jw nb vielleicht eher „irgendein Gemetzel“ o.ä. gemeint und nicht „irgendwelche Leichen?“ (Gardiner), „death of any corpse“ (Borghouts), „morte di ogni cadavere“ (Roccati). ẖꜣ.yt, der „Leichenhaufen“, ist ein Kollektivum zu ẖꜣ.t: „Leichnam“, und „einen (großen) Leichenhaufen unter/von ihnen machen“ ist ein häufiger Ausdruck königlicher Siegesrhetorik. Die meisten dieser Stellen könnte man wörtlich eben mit „Leichname, Leichenhaufen“ übersetzen, doch scheint das Wort ẖꜣ.yt in dieser Verbindung dann auch eine metaphorische Bedeutung „Gemetzel, Blutbad“ o.ä. bekommen zu haben.

15 m m(w)t n qrs m m(w)t n tm qrs: „Tod durch Begraben-Werden, Tod durch Nicht-Begraben-Werden“. Die erste der beiden Todesarten meint vielleicht den Tod durch eine nicht ordnungsgemäße Bestattung, da nach ägyptischen Vorstellungen durch eine ordnungsgemäße Bestattung gerade nicht der Tod, sondern das Leben im Jenseits garantiert wird. Dieser letztere Aspekt schwingt dagegen in der zweiten der beiden Todesarten mit: der Tod durch ausbleibende (scil.: ordnungsgemäße) Bestattung. Es ist interessant, dass im Ägyptischen dennoch beide Male derselbe Begriff qrs verwendet und nicht dazwischen differenziert wird.

16 m(w)t n ꜥgꜣ.y ist entweder Tod durch Kentern (Gardiner, Dawson, Roccati) oder konkreter durch Ertrinken (Chabas, Borghouts). Das Erstere bedingt nicht zwangsläufig das Zweite, denn beim Kentern könnte man theoretisch auch durch Schiffsteile erschlagen oder von Krokodilen gefressen werden. Dafür, dass dennoch hier die Nuance auf dem „ertrinken“ liegt, spricht zunächst, dass der Tod durch das Krokodil separat genannt ist, und die allgemeinere Bedeutung „kentern“ scheint v.a. dann vorzuliegen, wenn ein Schiff als Patiens genannt wird. Andererseits wird in x+2,2 noch ein Tod durch hrp genannt, bei dem es sich auch um „ertrinken“ handeln könnte, so dass ꜥgꜣ.y eine andere Bedeutung haben müsste. Vgl. hierzu den Kommentar zu hrp. Zu verschiedenen Aspekten des Todes im Wasser s. J.F. Quack, Die Furcht vor dem Meer und der Tod im Nil. Wasserangst im Alten Ägypten, in: A. Lichtenberger – A. Berner – J.-M. Henke – B. Morstadt – A. Riedel (Hrsg.), Das Mittelmeer und der Tod. Mediterrane Mobilität und Sepulkralkultur, Mittelmeerstudien 13 (Paderborn 2016), 385–433 (ohne Referenz auf pTurin CGT 54050).
Da diese Gruppe von Todesarten mit Gemetzel und Tod durch Waffen beginnt, könnte man die – zugegebenermaßen sehr spekulative – Hypothese aufstellen, dass hier Todesarten im Krieg gemeint sind: der Tod in der offenen Schlacht inklusive dem Zweikampf, der Tod durch nicht ordnungsgemäße oder gänzlich ausbleibende Bestattung, nämlich fernab von Ägypten (vgl. die Furcht des Sinuhe), der Tod bei der Erstürmung einer Stadtmauer und der Tod bei einer Seeschlacht oder im Sturm.

17 m(w)t n jri̯.w m šw(.t): Unbekannte Todesart. Borghouts vermutet hierin den Namen eines Dämons: „death of a being that acts as a shadow“ (J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5 und 100, Anm. 13). A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 107 übersetzt infinitivisch: „come morte di fare nell’ombra“. Die Lesung des Substantivs war anfangs unklar: W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 153 lesen χnm, d.h. ẖnm, und übersetzen mit „bâtir“, dachten also vielleicht an eine Ableitung von ẖnm: „(ein Bauwerk) bilden, schaffen“ (Wb 3, 382.3). Das ist jedoch unwahrscheinlich: Für die hieratische Form des ẖnm-Kruges in diesem Text s. Zeile Vso. 4,5, und auch der Klassifikator würde gegen diese Übersetzung sprechen. F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68, hier 64 mit Anm. 6 schlug zweifelnd vor, das erste Zeichen als Straußenfeder zu lesen, und kam somit zu šw: „Sonnenlicht“. Bezüglich der Interpretation des Satzes wies er darauf hin, dass der ägyptische Tagewählkalender davor warnt, sich am 20. Phamenoth, d.h. im 3. Monat der Peret-Jahreszeit, Tag 20, dem Sonnenlicht auszusetzen. Doch auch hier spricht das Hieratische dagegen, vgl. die Schreibung von šw.t in der – für Pleyte/Rossi (und damit auch Chabas?) – noch unlesbaren Zeile Vso. 2,2. Die Lesung ist wohl relativ sicher der Sonnenschirm, Gardiner Sign-List S35, wenn auch ohne den Ast(?) über dem Stiel, mit dem das Zeichen im Hieratischen des Neuen Reiches geschrieben ist (vgl. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III. bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), Nr. 406). Die Schreibung von šw.t ohne t ist ebenfalls ungewöhnlich; der Beleg auf dem Schreibungszettel DZA 29.985.250 ist sicher die vorliegende Stelle. Entscheidet man sich für die Lesung šw.t: „Schatten“, wie es seit Gardiner, DZA 50.144.080 eher getan wird (W.R. Dawson, Notes on Egyptian Magic, in: Aegyptus 11, 1930, 23–28, hier 23 setzt dagegen nur drei Punkte), ist ferner zu klären, welche Bedeutung die Präposition m hat. Gardiner und Roccati interpretieren sie lokal („im“), Borghouts dagegen identifizierend („as“). Die Kollokationen von jri̯ m sind zu vielfältig, um die Möglichkeiten einzugrenzen. Die Ägypter kühlten sich zwar eher „wegen eines Schattes“ (n šw.t) als „im Schatten“ (m šw.t), vgl. die Bemerkungen auf DZA 29.985.280; aber es gibt auch ein paar seltene Belege für m šw.t, Wb 4, 432.9, so dass diese Möglichkeit nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist. Vor dem Hintergrund der Vermutung, dass davor verschiedene Todesarten auf Feldzügen genannt sein könnten, sei die Spekulation erlaubt, ob man die Präposition auch direktiv/ablativ verstehen könnte: „aus dem Schatten heraus agieren“, was an den klischeebehafteten „asiatischen“ Feind erinnert, der den Kampftag nicht ankündigt (Lehre für Merikare, § 94) und sich im Gebüsch(?) versteckt (pSallier I, Rto. 7,5) – allerdings ist diese Metapher wohl zu modern gedacht. (Vor demselben Hintergrund wäre es auch verführerisch, gar nicht jri̯ m šw(.t), sondern d{w}m⟨.w⟩: „Messer, Schwert“ zu lesen: „Tod durch das Messer/Schwert“, s. zum Hieratischen Vso. 3,8. Nur wird der Tod durch „Schneiden“ eben dort schon genannt, und man wüsste auch nicht, wie man die Zeichen danach auflösen sollte, die dann nicht mehr šw(.t) sein könnten, sondern Klassifikatoren sein müssten.)
Bei weiteren inhaltlichen Auswertungen des Textes könnte man auch überlegen, ob sich ein sinnvoller semantischer oder stilistischer Bogen vom m(w)t n ꜥq n Rꜥ in Vso. 2,9 zum hiesigen m(w)t n jri̯ m šw(.t) schlagen lässt. Als letzte Möglichkeit, mit der man dem Schreiber allerdings einen Fehler attestieren müsste, könnte man von einer Verschreibung des Sonnenschirms aus einer Straußenfeder ausgehen, womit man in gewisser Weise zu Chabas’ Idee zurückkehren würde.

den Tod (durch Erkrankung?) seiner Körperflanken, auf den Tod (durch Erkrankung?) der Lunge und den Tod (durch Erkrankung?) der Milz, auf den Tod (durch Erkrankung?) der Leber und den Tod (durch Erkrankung?) des Rückgrats, auf den Tod (durch Erkrankung?) der Eckzähne,18 auf den Tod (durch Erkrankung?) der Schneidezähne,18 auf den Tod (durch Erkrankung?) der Kehle, auf den Tod durch irgendeine (übernatürliche) Einwirkung, auf den Tod durch irgendeinen (schädlichen) Lufthauch,19 auf den Tod (durch Erkrankung?) des ḥꜣ.tj-Herzens, auf den Tod (durch Erkrankung?) des jb-Herzens, auf den Tod (durch Erkrankung?) des Rektums,

18 m m(w)t (n) nḏḥ.wt m m(w)t n jbḥ.w: J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5 übersetzt nḏḥ.wt mit „vertebrae“, was ziemlich unwahrscheinlich ist. Ob er Pleyte/Rossis Faksimile als ṯs.t gelesen hat? Andererseits hatte er Zugang zu den Turiner Papyri, hätte also auch das Original prüfen können. Die Bedeutung „Zähne“ ist für nḏḥ.t gut gesichert, vgl. T. Bardinet, Dents et mâchoires dans les représentations religieuses et la pratique médicale de l’Égypte ancienne, Studia Pohl. Series Maior 15 (Roma 1990), 27–48 (mit weiterer Literatur). V.a. bei Elephanten treten sie auf, wo es sich um die Stoßzähne handelt, aber auch andere Tiere und selbst Menschen können neben den jbḥ-Zähnen auch nḥḏ.t/nḏḥ.t-Zähne haben. Das Verhältnis der Bezeichnungen zueinander ist nicht völlig sicher, aber Bardinet sieht in nḥḏ.t den „dent offensive des animaux“ (S. 47). Wenn dieser Begriff auf den Menschen übertragen würde, dann oft aufgrund einer „assimilation magique à l’animal“ oder schlicht zur stilistischen Variation (S. 48). Bezüglich der Todesarten des pTurin CGT 54050 denkt Bardinet, dass nicht der Tod durch „maladies dentaire“ gemeint sei, sondern der Tod „que l’on risque par l’action des différents types de dents“ (S. 35). Das ist aber eher weniger wahrscheinlich, zum einen, weil die Zähne hier zwischen anderen Körperteilen genannt werden, bei denen eine ebensolche Interpretation unmöglich ist, und zum zweiten, weil die verschiedenen Bisswunden, an denen man sterben kann, wenig später kommen und als m(w)t n pzḥ n NP: „Tod durch Bisse von ...“ bezeichnet werden.

19 m(w)t n ṯꜣw: J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5 und 100, Anm. 14 vermutet mit Verweis auf pEdwin Smith, 18, 1–11 in ṯꜣw einen Dämon. Man denke aber auch an den „Hauch des Todes“ oder den schädigenden „Hauch“ des Wab-Priesters und des Vorlesepriesters des pEbers, s. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 965. Interessant ist, dass diese Todesart zusammen mit der vorigen Todesart „durch übernatürliche Einwirkung“ in die Gruppe der Körperteile gerutscht ist.

auf den Tod durch Bäume20, auf den Tod durch kꜣkꜣ-Pflanzen (d.h. Buschwerk?), auf den Tod durch irgendwelches Schilfrohr, auf den Tod durch irgendwelche Pflanzen21,

20 nh.t: Zu nh.t nicht als „Sykomore“, sondern in erweiterter Bedeutung als „Baum“ s. rezent T. Pommerening, Bäume, Sträucher und Früchte in altägyptischen Listen – eine Betrachtung zur Kategorisierung und Ordnung, in: S. Deicher – E. Maroko (Hrsg.), Die Liste. Ordnungen von Dingen und Menschen in Ägypten, Ancient Egyptian Design, Contemporary Design History and Anthropology of Design 1 (Berlin 2015), 125–166, hier 129.

21 smw hat ein sehr breites Bedeutungsspektrum. Hier wird es wohl am ehesten nichtverholzte Pflanzen meinen und damit die Gruppe an Todesarten durch verschiedene Gewächse abrunden.

auf den Tod durch [Vso. 3,5] einen Mann, der sich zu einer Frau gemacht hat, und umgekehrt, auf den Tod durch Menschenbisse,22 auf den Tod durch Bisse irgendeines Raubtieres23,

22 m(w)t n psḥ n r(m)ṯ: Rezepte gegen Menschenbisse finden sich in Eb 432–435 = H 21–23.

23 mꜣj.w nb wird wie in Vso. 2,10 sicher wieder Raubtiere allgemein bezeichnen (so Chabas, Gardiner, Dawson) und nicht konkret Löwen (so Pleyte/Rossi, Borghouts und Roccati).

auf den Tod durch eine Scherbe,24 auf den Tod durch (d.h. im?) Nilschlamm(?)25,

24 m(w)t n pꜣq.t: Der Tod durch eine Scherbe deutet nach R.K. Ritner, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practice, Studies in Ancient Oriental Civilization 54, 4th edition (Chicago 2008), 151–152 auf die Verwendung von Flüchen auf Ostraka hin. Daneben sollte man aber auch nicht außer Acht lassen, dass in einer Zeit ohne Schutzimpfungen und mit geringeren Kenntnissen zur Wunddesinfektion auch aus heutiger Sicht harmlose Verletzungen, wie etwa Schnittwunden im Haushalt, potenziell schwerwiegende Folgen haben können. Und angesichts der ca. 20.000 Ostraka, die allein das IFAO aus Deir el-Medineh verzeichnet, dem vermutlichen Fundort auch des pTurin CGT 54050, hat es in dieser Siedlung genügend Scherben und vermutlich auch die eine oder andere Schnittwunde bei deren Beschriftung (quasi das Äquivalent des modernen Schnitts an der Papierkante) gegeben.

25 qḥ: Es gibt zwei hier infrage kommende Wörter: (1) Zum einen das Wort qꜣḥ, Wb 5, 12.9–12. Dieses ist mit Gardiner O39 klassifiziert, das primär wohl ein Steinquader ist, aber nicht zwangsläufig nur Steinen zugeordnet ist, sondern davon abgeleitet auch anderen Konstruktionselementen [< weil meist aus Stein]; Ziegeln und ähnlichen quaderförmigen oder rechteckigen Objekten [< weil steinblockförmig] oder dem Wortfeld [schwer] [< charakteristisch für Steinblöcke], s. E.-S. Lincke & F. Kammerzell, Egyptian Classifiers at the Interface of Lexical Semantics and Pragmatics, in: J. Winand – S. Polis – E. Grossman (Hrsg.), Lexical Semantics in Ancient Egyptian, LingAeg StudMon 9 (Hamburg 2012), 55–112, hier 77–79. Mitunter ist dieses qꜣḥ auch mit dem Kanalzeichen Gardiner N23 klassifiziert, das bei Wörtern für kultiviertes Land und Gewässer steht (s. unter Gardiner, Sign-list N23 und N36). Dieses Wort bezeichnet den Nilschlamm oder anderen Schlamm, der als Mörtel verwendet werden kann. In den medizinischen Texten wird es mit dem „Wasserholer“ verbunden, und der Bauherr Ineni legt am Anfang der 18. Dynastie „Äcker“ (ꜣḥ.wt) voller qꜣḥ an, womit er Gräber bestreicht. Laut einem Text in el-Berscheh soll die Aussaat das qꜣḥ zur rechten Zeit erreichen, s. J.R. Harris, Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichungen 54 (Berlin 1961), 205–206. Außerdem können daraus laut pBM EA 10735 frame 13 (15+16 A), Kopfzeile 6, tbꜣ-Gegenstände (Krüge?) hergestellt werden (s. im TLA). Nach Tb 150 dürfte dieses qꜣḥ in gewissen Zuständen auch fest genug sein, um es zu einem wp.t, einem „Gipfel“, stapeln zu können. D. Topmann emendiert zudem das ꜣḥ in PT 666, Pyr. 1492 zu qꜣḥ; dies hätte zur Folge, dass qꜣḥ in anderen Zuständen wiederum flüssig genug ist, um „gegossen“ (wdḥ) zu werden. Allerdings ist diese Emendation unsicher; es liegt dort vielleicht eher das Wort ꜣḥ.t: „(Acker-)Erde“ vor. (2) Neben diesem qꜣḥ gibt es noch das Wort qḥ, Wb 5, 67.1, das syllabisch mit den Gruppen qꜣ und ḥꜣ geschrieben und ebenfalls mit Gardiner O39 klassifiziert wurde. Es kommt in erster Linie im Nekropolentagebuch pTurin Cat. 1888 vor. Dort erscheint es als Baumaterial, das im Kontext mit Gipsarbeitern genannt wird, weswegen es möglicherweise eine Gipsart bezeichnet (s. J.R. Harris, Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichungen 54 (Berlin 1961), 90). Auch der Vergleich der Zähne einer Frau mit qḥ in der Stele Louvre C100 würde für ein weißes Material, wie Gips es ist, sprechen. Andererseits vermerkt Harris richtig, dass es in pTurin Cat. 1888 geschnitten (šꜥd) wird und damit „something more solid“ sein müsse. Die Todesart in pTurin CGT 54050 ist nun wie Nr. (2) geschrieben, aber allem Anschein nach wie Nr. (1) mit N23 klassifiziert. Wb hat nun die vorliegende Stelle Nr. (1) zugeordnet (als DZA 30.316.650) und auch A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 denkt an „fango“. J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), sieht darin stattdessen Nr. (2) und übersetzt: „death of a hewn stone“. Gardiner (DZA 50.144.090) macht keinen Übersetzungsvorschlag. Da zwei Zeilen später der Tod durch Steine (jnr) separat genannt wird, könnte man sich fragen, ob nicht tatsachlich hier eher der Nilschlamm gemeint ist.

auf den Tod durch das mḥꜣ-Phänomen26, auf den Tod durch irgendeine Krankheit, auf den Tod durch Eintauchen,27

26 mḥꜣ ist genauso geschrieben wie das einmal im medizinischen pChester Beatty VIII, Vso. 1,5 vorkommende Phänomen, das sich „in/an den Körperteilen [eines Mannes]“ befindet und u.a. mit Rinderkot behandelt wird – leider ist das Rezept zu stark zerstört, um weitere Einzelheiten zu erkennen. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 386 vermutet eine m-Bildung zum ḥꜣ.w-Phänomen (H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 883) oder zum wḥꜣ-Phänomen (H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 203–205), und erwägt einen Zusammenhang mit nḥꜣ: „uneben“. Das wḥꜣ-Phänomen tritt „im/am Bauch/Körper“ (m ẖ.t, m ḥꜥ.w) oder „in/an allen Körperteilen“ (m ꜥ.t nb.t) auf und wird dann innerlich behandelt; in Fällen ohne ẖ.t wird es äußerlich durch einreiben (gs) behandelt. Die Krankheit wird meist dr: „beseitigt“, in Eb 92 šdi̯: „herausgeholt“ und in Eb 91 und 92 smꜣ: „getötet“, kann also personifiziert gedacht sein. Mehrere Rezepte des pEbers erwähnen wḥꜣ und die wḫd.w-Krankheitsauslöser(?) zusammen, und Rezept Eb 103 ist für das smꜣ wḫd.w m ẖ.t smꜣ mny.t n.t wḥꜣ m ẖ.t gedacht, d.h. für das Töten der wḫd.w-Krankeitsauslöser und der Wurzel des wḥꜣ-Phänomens – H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 205 hält es für möglich, dass hier das Letztere in Apposition zu Ersterem steht und damit wḫd.w als „Wurzel“ des wḥꜣ-Phänomens aufgefasst wurde. Wohl die äußere Behandlungsanweisung wie auch der vermutete Zusammenhang mit nḥꜣ führt MedWb zu der Annahme, dass damit ein Hautausschlag o.ä. gemeint sein könnte. Borghouts übersetzt dagegen fragend mit „swelling“, bringt es also vielleicht mit mḥ zusammen.

27 m(w)t n hrp.w: Gardiner, Dawson und Roccati vermuten hier Tod durch Ertrinken, Borghouts übersetzt unspezifischer mit „death of going under“ (ebenso schon Pleyte/Rossi: „mort du plonger“; noch allgemeiner Chabas: „mort par le bain“). Der Tod im Wasser – sei es durch Kentern oder durch Ertrinken –, wurde schon einmal in x+2,1 genannt. Da die Todesart durch hrp.w hier auf zwei Krankheitserscheinungen folgt, könnte man fragen, ob nicht auch mit hrp.w eher eine Krankheitserscheinung als ein allgemeines Untergehen gemeint ist. Vgl. hierzu hrp in der Beschreibung von Krankheitsphänomenen, H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 572; und pꜣ n.tj hrp.w: „der untergetaucht ist“ ist in pLeiden I 343+345 ein typischer Beiname des Sāmānu- und ꜥḫ.w-Dämons, s. S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015), 136.

auf den Tod durch Vogelknochen, auf den Tod durch irgendwelche Fischgräten, auf den Tod durch Hast, auf den Tod durch bꜣq.t28 und den Tod seiner Beine, auf den Tod seiner Arme, auf den Tod durch irgendeine Schlägerei, auf den Tod durch irgendein Schneiden/Erstochen-Werden, auf den Tod durch irgendeinen Stein(wurf) (?), auf den Tod durch Hin-/Herunterfallen, auf den Tod durch einen Stock(hieb), auf den Tod durch Mangel an ihm (???),29

28 bꜣq.t ist unbekannt und ein Hapax. Es ist mit dem Rinderkopf und -hals Gardiner, Sign-list F10 klassifiziert, weswegen Borghouts zurückhaltend an „throat“ denkt. Es ist wohl mit dem ebenso klassifizierten bq.w zwei Zeilen später zu verbinden, aber sicher nicht dasselbe Wort, weil in dieser Liste keine Todesart zweimal vorkommt. Das dortige Wort bq.w steht unter Todesarten durch zu wenig oder zu viel Nahrungsaufnahme, und in dieser Reihe würde die Völlerei fehlen. Ob man bei bq.w daran denken könnte? Aber das ist zugegebenermaßen rein geraten und würde die Bedeutung von bꜣq.t nicht klären. F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68, hier 66, mit Anm. 7 vermutete in bꜣq.t eine Schreibung für bꜣgi̯: „müde sein, schwach sein“ und übersetzt mit „immobilité“. Dies sei das Gegenstück zur vorangegangenen Todesart. Prinzipiell ein guter Ansatz, scheitert er daran, dass bꜣgi̯ nie mit q geschrieben und nie mit F10 klassifiziert ist. (Wobei er zu Letzterem auf S. 67, Anm. 2 zu bq.w schreibt: „Le déterminatif [F10], remplaçant le signe du mal, est une particularité spéciale à notre manuscrit.“)

29 m m(w)t n gꜣ.w=f: Unklare Todesart. Gardiner erwägt eine Relativform von gꜣu̯: „... von dem[,] was er entbehrt (?)“. Borghouts scheint an das Nomen gꜣ.w oder einen infinitivischen, d.h. nominalen Gebrauch von gꜣu̯ in der Bedeutung „jmd. Not leiden lassen“ (Wb 5, 152.5) gedacht zu haben: „his oppression“. Roccati hatte vermutlich die Grundbedeutung von gꜣ.w im Sinn: „sua mancanza“ (ähnlich schon Pleyte/Rossi: „son privation“, Chabas: „son dénûment“ und Dawson: „privation“). Interessant ist die Hinzufügung des Suffixpronomens, die in der Liste der Todesarten sonst nur bei Körperteilen vorkommt. Hier erinnert es dagegen an die Phrasen m gꜣ.w=f: „wenn es fehlt, wenn man es nötig hat“ (Wb 5, 152.11–12) und n gꜣ.w n NP: „aus Mangel an ...“ (Wb 5, 152.13). Ob man diese Todesart zusammen mit der vorigen Todesart m m(w)t n ḫt als einander ergänzendes Paar lesen kann: „Tod durch (zu viele) Stockhiebe und Tod durch zu wenige“? Dass die Ägypter Schläge nicht als per se schädlich empfanden, sondern in einem gewissen Ausmaß sogar als nützlich, zeigt sich im Bild des (ramessidischen) Schreiberschülers mit dem „Ohr auf seinem Rücken“, der nur hört, wenn er geschlagen wird (pAnastasi III, Rto. 3,13). Und im demotischen Weisheitstext des pInsinger, Zeile 9,6–11 wird gesagt, dass Thot den Stock auf die Erde geworfen habe, um den Dummkopf zu erziehen, und dass Stock und Schamgefühl einen vor dem sḫr-Dämon schützen (Hinweis B. Böhm). Unter dieser Prämisse wäre der Tod n gꜣ.w=f quasi ein Tod durch Dummheit.

auf den Tod durch Durst/Ersticken (?)30, den Tod durch bq.w31, den Tod durch Verhungern, auf den Tod [Vso. 3,10] durch Verdursten, auf den Tod durch Sauferei,32 auf den Tod durch Auf-dem-Kopf-Stehen,33

30 {ꜥ}⟨n⟩ḏꜣ: Emendationsvorschlag von Gardiner, DZA 50.144.100, der dementsprechend auch die Übersetzung „Dürst (?)“ [sic] vorschlägt. J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5 scheint sich weitgehend von dem Klassifikator, dem Rinderkopf und -hals Gardiner F10, hat leiten lassen, unterlässt aber eine Emendation: „palate (? ꜥḏꜣ)“. Damit kehrt er kurz zu den Todesarten der Körperteile zurück. Interessanterweise folgt D. Meeks, Année lexicographique. Tome 1. 1977 (Paris 1980), 78.0838 (Lesung ꜥḏꜣ) Borghouts’ Vorschlag: „‚le palais (de la bouche)‘ (?)“, schreibt aber dann: „Lire peut-être nḏꜣ.” A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 bietet keinen Übersetzungsvorschlag und emendiert auch nicht, sondern schreibt nur „morte di ꜥdꜣy“. Das Wort nḏꜣ scheint zunächst den Durst zu meinen; in dem Wunsch ṯꜣw r fnḏ=j tm=j nḏꜣ (u.ä.): „Luft an meine Nase, damit ich nicht ...“ (DZA 25.655.940 und DZA 25.655.950) aber auch ein Ersticken zu bezeichnen. Die Todesart von pTurin CGT 54050 wurde vom Wb-Team am Ende ebenfalls dieser zweiten Bedeutung zugeordnet (als DZA 25.655.960), und da der Tod durch Durst (jbj) in der folgenden Zeile genannt wird, muss das Wort hier tatsächlich mindestens eine andere Nuance des Verdurstens ausdrücken.

31 bq.w: Mit Rinderkopf und -hals Gardiner, Sign-list F10 klassifiziert und vielleicht zu verbinden mit dem bꜣq.t zwei Zeilen darüber (s. auch den zugehörigen Kommentar), wenn auch sicher nicht damit identisch. Bq.w steht unter Todesarten durch zu wenig oder zu viel Nahrungsaufnahme, und in dieser Reihe würde die Völlerei fehlen. Aber das ist zugegebenermaßen rein geraten. F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68, hier 67, mit Anm. 7 liest ꜣq.w: „trahison“ und vergleicht mit einem koptischen Wort ⲁϫⲱ, was „perditio“ heiße, d.h. ⲁⲕⲟ: „Verderben“ < ꜣqy.t. Das Faksimile von W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 2, Taf. 121 sieht tatsächlich wie ein hohes, schmales aus, das aktuelle Foto zeigt aber deutlich ein b, und selbst W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 154 lesen ein b.

32 m(w)t n tḫ.w: So schon W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 154, gefolgt von Gardiner und Roccati. Borghouts liest dagegen „death of breast-feading (šdi)“, was weniger zu den Zeichenresten passt.

33 m(w)t n sḫd: Das Stehen auf dem Kopf ist ein unerwünschter Zustand im Jenseits; ihm liegt wohl ursprünglich die Vorstellung zugrunde, mit den Füßen an der Unterseite der flach vorgestellten Erde zu laufen. Der Wunsch, nicht auf dem Kopf zu stehen und zu gehen, ist oft verbunden mit dem Wunsch, keinen Kot zu essen, weil sich durch die Umkehrung von oben und unten auch der Verdauungsprozess umkehrt, vgl. J. Zandee, Death as an Enemy According to Ancient Egyptian Conceptions, Studies in the History of Religions 5 (Leiden 1960), 8–9 und 73–78 und E. Hornung, Altägyptische Höllenvorstellungen, Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 59 (3) (Berlin 1968), 13 und 15 (dazu, dass das Kot-Essen nicht in jedem Falle als Folge des Umgekehrt-Seins verstanden wurde, s. die kurze Bemerkung von D. Mueller, An Early Egyptian Guide to the Hereafter, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 99–125, hier 120). Es mag diese Assoziation sein, die zur Aufnahme von sḫd an dieser Stelle geführt hat; man könnte dann die vom Tod durch nḏꜣ bis zum Tod durch sḫd laufende Gruppe als Todesarten durch falsche Ernährung zusammenfassen.

auf den Tod durch Freudenmädchen34 und den Tod durch einen (Un)fall (???) während der Schwangerschaft,35 Tod durch Müdigkeit, auf den Tod durch Gehen ⟨zu⟩ seinem Ka (d.h. sterben), auf (überhaupt) jeden Tod, der geschieht durch (???) das, was in Menschen und Göttern (vorgeht) (???), [Vso. 4,1] (in?) einem, der seine Gestalten verbirgt, und einer, die ihre Gestalten verbirgt, (in) allem, was in NN, den NN geboren hat, eindringt.36

34 ḫnm.t: Gardiner (DZA 50.144.100) und J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5 denken an das „Freudenmädchen“, die Prostituierte, wobei Borghouts alternativ (S. 100, Anm. 16) auch das homographe Wort für „Amme“ für möglich hält (Pleyte/Rossi und Chabas folgend). So dann auch Fischer-Elfert. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171 emendiert dagegen zu ḫnm: „riechen, einatmen“, wenn er „come morte di odorato“ übersetzt.

35 hꜣi̯.y m jwr: Todesart unsicher. Fischer-Elfert übersetzt: „Hinfallen während der Schwangerschaft“ und erwägt eine Früh- oder Fehlgeburt. Gardiner, DZA 50.144.040 denkt an eine Fehlgeburt (trotz seiner etwas fehlleitenden Übersetzung „Missgeburt“; vgl. die Einordnung dieses Belegs unter der Reiterkarte für „abortiren“, DZA 20.476.710). So auch J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5 und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171. Der einzige andere Beleg für die Kollokation hꜣi̯ jwr stammt aus dem sogenannten Elephantineskandal, pTurin Cat. 1887, Vso. 3,1: sḫꜣ.w r pꜣ ḏi̯.t j:jri̯=f hꜣi̯.y jwr n NN: „Memorandum bezüglich dessen, dass er veranlasste, dass die Schwangerschaft der NN abbrach (o.ä.)“. In den medizinischen Papyri kommt diese Kollokation nicht vor, s. J. Guiter, Contraception en Égypte ancienne, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 101, 2001, 221–236, hier 222. Angeführt werden kann hier nur das rḏi̯.t hꜣi̯ n.t(j).t nb.t m ẖ.t n.t s.t: „abgehen lassen von allem, was im Bauch der Frau ist“ (Rezept Eb 798; unklar ist allerdings, ob es sich um einen Schwangerschaftsabbruch oder die Einleitung der Geburt handelt, s. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 506, Anm. 7); und das Neugeborene ist hꜣꜣ m kꜣ.t n.t mw.t=f: „abgestiegen aus der Gebärmutter(?) seiner Mutter“ (Ram IV C 16). Die Stelle aus dem Elephantineskandal zeigt, dass mit hꜣi̯ jwr jedenfalls nicht einfach nur die Einleitung der Geburt gemeint sein kann; allerdings ist die Stelle nicht eindeutig genug, um zu entscheiden, ob ein fehlgeschlagener Schwangerschaftsabbruch gemeint ist oder ob die genannte Schwangere misshandelt o.ä. wurde und es dadurch zu einer Fehlgeburt kam. Dieselbe Unklarheit liegt auch in pTurin CGT 54050 vor, wo zudem die Präposition m die wörtliche Übersetzung der Phrase erschwert. Guiter übersetzt ebd. mit „s’en aller de l’état de grossesse“.

36 m m(w)t nb ḫpr n n.tj m r(m)ṯ.w nṯr.w snj jr.w=f snj jr.w=st ꜥq nb r mn msi̯.n mn.t: Die Bedeutung und Übersetzung sind unsicher. W. Pleyte & F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Bd. 1, 154 übersetzen: „(...) avec la mort toute occasionnent celle-là les êtres, les hommes, les dieux. Passe la forme de lui, passe la forme d’elle, entre tout tel, fils d’une telle, (...)”. F. Chabas, Sur un papyrus de formules magiques du Musée de Turin, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 19 (1), 1875, 57–68, hier: „[S. 67] De toute espèce de mort qui arrive ou est causée par les hommes et les dieux. [S. 60] Disparais, opérateur funeste! Disparais, opératrice funeste! qui que tu sois, qui as pénétré un tel fils d’une telle!“ Gardiner (DZA 50.144.100): „(durch) irgendeinen Tod[,] von welchem das Gleiche von seinen Formen oder das Gleiche von ihren Formen dem geschieht, der Mann oder Gott ist, und irgendein Tod[,] das [sic] zu NN eintritt“. J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 5: „any death which comes about by men and gods: a male person who has made his shape irrecognizable, a female person who made her shape irrecognizable, anything that penetrates NN born of NN.“ A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 171: „como ogni morte che possa accadere a coloro che sono uomini o dei, nel simile delle sue forme maschili o femminili, qualunque entri dal Tale, figlio della Tale“. Das heißt, Pleyte/Rossi und Chabas trennen noch in zwei Sätze auf und beginnen mit snj jr.w=f einen neuen Satz, mit dem sie die anschließende Götterbedrohung einleiten. Das snj übersetzen Pleyte/Rossi indikativisch/präsentisch: „passe la forme de lui ...“ und Chabas imperativisch „disparais, opérateur funeste“ (< zni̯: „vorbeigehen“). Gardiner und Roccati scheinen an eine partizipiale Ableitung von zni̯: „herankommen an, ähnlich sein“ zu denken: „das Gleiche“ bzw. „nel simile“ (vgl. auch m sn.t: „in der Art von“ und sn.tj: „Abbild“). Im Wb abgelegt wurde die Stelle aber dann zusammen mit anderen Belegen für die Kollokation sn jr.w unter einem eigenen Lemma sn: „unkenntlich machen“ (Wb 3, 457.12–13). S. dazu auch den kurzen Kommentar von K. Sethe, Übersetzung und Kommentar zu den altägyptischen Pyramidentexten. Bd. 3. Spruch 326–435 (§§ 534–787) (Glückstadt, Hamburg 1937), 211 (zu PT 374, Pyr. § 689b) und P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 853. Parallel zu Pyr. § 689b liegt vielleicht auch in pTurin CGT 54050 eine Partizipialkonstruktion vor, die als Apposition zum Vorangegangenen dient. So jedenfalls auch Borghouts: „who has made (...) irrecognizable“. Auch Roccati fasst alles ab snj als Apposition auf. Insgesamt ist Chabas’ imperativische Lösung nicht möglich, weil dann jr.w ein Vokativ sein müsste und sich die Suffixpronomina der 3. Person schwer erklären ließen. Gardiners Lösung ist ebenfalls unsicher: Er übersetzt ḫpr als Relativform, interpretiert aber snj jr.w=f snj jr.w=st ... als Subjekt („das Gleiche ... geschieht“), was aus n n.tj m r(m)ṯ.w nṯr.w ein irregulär vorangestelltes nominales indirektes Objekt macht. Zudem fehlt das resumptive Element, und – auch wenn das sicher das schwächste Gegenargument ist – ḫpr n: „jmd. geschieht etw.“ scheint eher positive Ereignisse zu bezeichnen, Wb 3, 262.16.

Wenn sich das Beseitigt-Werden eines Feindes, Jenes’ (oder: einer Feindin)37, eines (Un-)Toten, einer (Un-)Toten, usw. verzögert, dann soll der „Feind des Himmels“ (d.h. der Himmel selbst) sich aufreißen, dann soll der „Feind der Erde“ (d.h. die Erde selbst)38 sich umkehren, und Apophis soll sich der Barke der Millionen bemächtigen, dem im Schrein soll kein Wasser gegeben werden, der von Abydos (d.h. Osiris) soll nicht begraben werden, der von Busiris soll nicht verborgen werden, für den von Heliopolis sollen keine Kulthandlungen durchgeführt werden, in ihren Tempeln soll nicht geopfert werden, und die Rechyt-Leute sollen [Vso. 4,5] ⟨auf⟩ all ihren Festen aller Götter nicht opfern (d.h. sie sollen auf keinem Fest opfern), weil sich ein (Un-)Toter, eine (Un-)Tote, ein Feind, eine Feindin, ein Widersacher39, eine Widersacherin, usw. in diesem Fleisch des NN, den NN geboren hat, festgesetzt hat, in diesem seinen Körper, in diesen seinen Körperteilen, usw.

37 pfj, gelegentlich auch pf.tj geschrieben, steht oft in den Anrufungen magischer Texte nach dem maskulinen ḫft.j an der Position des femininen Pendants ḫft.t und damit an derselben Stelle, an der auch in den anschließenden Personengruppen immer das weibliche Pendant erscheint. J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, (= Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970) (Leiden 1971), 54–55, Anm. 50 vermutet darin nur eine besondere Form des Demonstrativpronomens pf: „jener“ „in its well-known ominous meaning“, d.h. als Umschreibung des Seth. Dementsprechend übersetzt er es auf S. 16 auch mit „fiend“. Die Endung .tj, die es manchmal bekommt, sei vermutlich nur eine Analogiebildung zum voranstehenden ḫft.j. A.H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 125, Anm. 2 (wo er neben dem besprochenen pChester Beatty XV sowie auf pLeiden I 348 auch auf die hiesige Stelle verweist), bemerkt, dass das pfj in diesen Fällen „strangely substituted for the feminine ḫftt“ sei. Dennoch übersetzt er ḫft.j pfj mit „yonder enemy“, als würde er es als reguläre Verbindung aus Nomen + Pronomen auffassen. Teilweise unter expliziter Berufung auf diese Fußnote von Gardiner (etwa Y. Koenig, Les effrois de Keniherkhepeshef (Papyrus Deir el-Médineh 40), in: Revue d’égyptologie 33, 1981, 29–37, hier 30, Anm. b), teilweise ohne, wird diese pfj auch oft übersetzt, als stünde tatsächlich ḫft.t da. So auch A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), der diese Stellen kommentarlos mit „avversaria“ übersetzt.

38 ḫft.j (n) p.t und ḫft.j (n) tꜣ: Die Übersetzung als Euphemismen für p.t und tꜣ folgt H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375, 2. Auflage (Stuttgart 2018), 106. Vgl. zu dieser Art des Euphemismus G. Posener, Sur l’emploi euphémique de ḫftj(w) „ennemi(s)“, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 96 (1), 1969, 30–35.

39 ḏꜣy: Zur Möglichkeit, dass sich mit dieser Bezeichnung ein „Buckliger“ gemeint ist, die man als Unheilbringer fürchtete, s. H.-W. Fischer-Elfert, Anfang eines iry.w-Traktats des wti-Umwicklers inclusive einer post-mortalen Thanatologie, in: Chronique d’Égypte 88 (175), 2013, 15–34, hier 21.

Wenn er aber beseitigt und aus allen Körperteilen von NN, den NN geboren hat, entfernt wird, dann soll der Himmel auf seinen Stützen andauern, diese Erde soll andauern, indem sie steht, dem im Sarg soll Wasser geopfert werden, der von Abydos soll begraben werden, der von Busiris soll verborgen werden, für den von Heliopolis sollen Kulthandlungen vollzogen werden, in ihren Tempeln soll geopfert werden, die Rechyt-Leute sollen ⟨auf⟩ all ihren Festen aller Götter opfern, weil(?) der (Un-)Tote, die (Un-)Tote, der Feind, die Feindin, der Widersacher, die Widersacherin, usw. zutage (wörtl.: auf den Boden) kommt aus allen Körperteilen [Vso. 4,10] des NN, den NN geboren hat. Dieser Spruch werde gesprochen über (einem Gemisch aus) Krokodilskot, Löwenkot, Hundekot, Menschenkot, Schweinekot,40 Schafskot41, Ziegenkot42, Eselskot, Öl/Fett(???) einer Schlange,43 Fett vom ...-Tier44 und Haaren vom Schwanz eines jungen Esels45.

40 ḥs r(m)ṯ ḥs šꜣj: So im Text, entsprechend übersetzt von A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172: „escremento umano, escremento di porco“. Menschenkot wird auch im Rezept Eb 541 verwendet, s. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 325. Wenn J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 6 mit „faeces of a sow, faces of a boar“ übersetzt, hat er wohl trotz des eindeutigen Klassifikators rr statt r(m)ṯ gelesen oder angenommen, dass r(m)ṯ eine Verschreibung für rr ist, wie es W.R. Dawson, Three Anatomical Terms, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 62, 1927, 20–23, hier 21–22 für den Fall der wdd n r(m)ṯ von Eb 392 annimmt.

41 ḥs sry: Anders als Roccatis hieroglyphische Umschrift (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 32) angibt, steht das Tierfell – zusammen mit von Roccati gänzlich ausgelassenen Pluralstrichen – erst am Beginn von Zeile 11. Damit müssen die Zeichenreste im Bruch am Ende von Zeile 10, nach den Einkonsonantenzeichen z und r, zu etwas anderem gehören. Das erste Zeichen könnte ein Schilfblatt sein, mit dem das Wort häufiger geschrieben ist. Ob man das zur häufigen Schreibung srjw ergänzen kann, ist jedoch unsicher, denn das hintere Zeichen steht zu weit oben, um die w-Schleife zu sein. Unabhängig von der genauen Ergänzung der Lücke wird sr an dieser Stelle sicher eher die generische Bedeutung „Schaf“ als die spezifische Bedeutung „Widder“ besitzen.

42 ḥs ꜥw.t-nḏs.t: So sicher. Der von Roccati ausgelassene Hirtenstab ist auf dem aktuellen Turiner Foto noch schwach zu erkennen und es ist auch genügend Platz dafür zwischen ḥs und Roccatis wt. Das Zeichen nach wt ist contra Roccati kein retrogrades Messer(?), sondern das Geißlein Gardiner E8 = Möller Nr. 138. Die Lesung ꜥ.wt passt zudem zu dem folgenden nḏs.t, und nach Schafskot ist Ziegenkot recht naheliegend. In Magica Taurinensia, 172 hatte Roccati noch keine Übersetzung angeboten. In A. Roccati, Worldwide Magic in Ramesside Egypt, in: B. J. J. Haring – O. E. Kaper – R. van Walsem (Hrsg.), The Workman’s Progress. Studies in the Village of Deir el-Medina and Other Documents from Western Thebes in Honour of Rob Demarée, EU 28 (Leiden, Leuven 2014), 205–210, hier 208 übersetzt er an dieser Stelle „small goat (?)“, hat also bereits Ähnliches vermutet. S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015), 212, Anm. 836 liest dann auch ꜥw.t nḏz.t gänzlich ohne Fragezeichen. Borghouts’ Vermutung „faeces of a ḥḏr-animal, faeces of a goose“ (J.F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 6) ist dementsprechend zu korrigieren. Unklar ist, an welche Gänsebezeichnung er dachte, die er anstelle von nḏs.t gelesen haben muss; und das für seine Übersetzung notwendige ḥs vor seiner „goose“ steht nicht da.
Taxonomisch betrachtet ist ꜥw.t-nḏs.t, wörtl.: „kleines/geringes Kleinvieh“, eine Unterkategorie von ꜥw.t in der spezifischeren Bedeutung „Kleinvieh“. Die Nebeneinanderstellung von ꜥw.t nḏs.t und ꜥw.t ḥḏ.t v.a. in Beutelisten zeigt, dass es eine spezifische Tierbezeichnung sein muss. Vor allem basierend auf den Annalen Thutmosis’ III. und der Unterscheidung der Schwanzform beim Klassifikator vermutet Sethe in Ersterem die „Ziege“ und in Letzerem das „Schaf“, dessen Bezeichnung ꜥw.t ḥḏ.t: „weißes Kleinvieh“ auf die Schafwolle anspielen dürfte. Interessanterweise wird in der nächsten Kolumne Fett der ꜥnḫ nḏs gebraucht. Auch ꜥnḫ bezeichnet die Ziege, genauer: den Ziegenbock, denn bei dieser Bezeichnung unterscheidet das Ägyptische zwischen dem maskulinen ꜥnḫ und dem femininen ꜥnḫ.t. Eine der beiden Bezeichnungen ist möglicherweise (die Stelle ist partiell zerstört) in Deschascheh im Grab des Schedu der Darstellung von Ziegen beigeschrieben, die Blätter von einem Baum fressen: Sowohl DZA 21.876.340 als auch N. Kanawati, et al., Deshasha. The Tombs of Inti, Shedu and Others, Australian Centre for Egyptology. Reports 5 (Sydney 1993), 50 und Taf. 46 vermuten hierin das feminine ꜥnḫ.t, aber auch wenn der Abstand zwischen Wortwurzel und Klassifikator für die Ergänzung eines t spricht, kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass das maskuline ꜥnḫ vorliegt. Ferner erscheinen ꜥnḫ.w auch in der Heiratsstele Ramses’ II., neben sj.w: „Schafböcken“ (DZA 21.876.820) und damit vergleichbar zur Nebeneinanderstellung von ꜥw.t nḏs.t und ꜥw.t ḥḏ.t in Beutelisten. In der Ramessidenzeit scheint sich die Bedeutung von ꜥnḫ zum generischen „Kleinvieh“ auszuweiten und das ältere ꜥw.t in dieser Bedeutung abzulösen, denn in pHarris I kommt ꜥw.t gar nicht und in ramessidischen Ostraka selten vor, J.J. Janssen, Commodity Prices from the Ramessid Period. An Economic Study of the Village of Necropolis Workmen at Thebes (Leiden 1975), 165. Im Gegensatz zu ꜥw.t-nḏs.t, wo das Adjektiv nḏs integraler Teil der Tierbezeichnung ist und diesen Terminus von anderen Arten von ꜥw.t: „Kleinvieh“ abgrenzt, bedeutet ꜥnḫ allein schon die „Ziege“. Wenn in Vso. 5,9 daher Fett einer ꜥnḫ nḏs gebraucht wird, fragt sich, ob tatsächlich eine „kleine Ziege“ gemeint ist, oder ob vielleicht eine Parallelbildung zu ꜥw.t-nḏs.t vorliegt, eine Präzisierung, dass an dieser Stelle nach wie vor die „Ziege“ gemeint ist und nicht die allgemeinere Bedeutung „Kleinvieh“.

43 __ḥ(.t) n.t ḥfꜣ.w: Zwischen (j)ꜥꜣ.t und ḥfꜣ.w hat Roccati ein Wort übersehen und eines falsch gelesen: Unter Infrarotfiltern sieht die Zeichengruppe vor ḥfꜣ.w nicht aus wie ḥs, sondern eher wie n über einem Zeichen, das ein t sein könnte. Damit läge hier die Genitivnisbe vor, und das Wort davor muss dann das Nomen regens sein (und kann daher kein Attribut zu (j)ꜥꜣ.t sein). Nicht zuletzt aufgrund der Zerstörung in der vorderen Hälfte des Wortes und des nicht klar identifizierbaren Klassifikators (eine elaborierte Buchrolle? die Schnur V6? das Gefäß ist sonst etwas anders geschrieben) ist es aber nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Das letzte Zeichen vor dem Klassifikator ist mit größter Wahrscheinlichkeit ein , was auf mrḥ(.t): „Fett/Öl“ hindeutet – zu mrḥ.t ḥfꜣ.w als Ingrediens in medizinischen Rezepten s. H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 336–337. Auch dass die nachfolgende Droge ein ꜥḏ: „Fett“ ist, würde dafür sprechen, dass hier mrḥ.t genannt ist. Allerdings passen die Zeichenreste des Wortanfanges weder dazu noch zu einem wrḥ.t, das in Zeile 5,9 im Kompositum für „Katzenfett“ statt des in medizinischen Texten üblichen mrḥ.t verwendet wird.

44 ꜥḏ ___: Das Tier, dessen Fett verwendet werden soll, gehört dem Tierfellklassifikator nach zur ägyptischen Tierkategorie [Hide and Tail] (nach Goldwassers Terminologie), die sich größtenteils, aber nicht vollständig, mit der modernen Kategorie des Säugetieres deckt. Die Lesung ist aber unklar. Es ist keinesfalls mit Roccati sw.t zu lesen, denn zwischen Roccatis s und wt ist noch Platz und sind Zeichenreste eines hohen, schmalen Zeichens erkennbar. Auch das von Roccati für ein s gehaltene Zeichen ist unsicher, denn es zeigt am unteren Ende einen waagerechten Querbalken, der nicht zu einem s passt. Es erinnert dadurch ein wenig an das sꜣ-Zeichen, Gardiner Aa18, wofür aber letztlich der Strich an der rechten Seite fehlt. Schließlich passt auch Roccatis t nicht ganz zu den originalen Zeichenresten, und die vermeintliche w-Schleife, wenn es überhaupt eine sein soll (sie sieht jedenfalls anders aus als seine anderen w-Schleifen), erinnert im Infrarotlicht ein wenig an Gardiner M2, was aber natürlich vor einem Tierfell keinen Sinn ergibt.

45 (j)ꜥꜣ.t qmꜣ.yt: Zur Bedeutung „junger Esel“ unter Widerlegung früherer Ansichten, die in dem Adjektiv eine Farbbezeichnung sehen, s. A.I. Blöbaum, Der falbe Esel – eine Chimäre?, in: A. I. Blöbaum – M. Eaton-Krauss – A. Wüthrich (Hrsg.), Pérégrinations avec Erhart Graefe: Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, ÄAT 87 (Münster 2018), 83–101 (unter Einschluss der hiesigen Passage).

[Vso. 5,1] (Dieses Gemisch) werde fein zermahlen; werde zu einer Masse gemacht; der (betroffene) Mann werde vier Mal damit beräuchert46.

46 Das heißt, die Masse wird verbrannt. Zur Idee, dass sich hinter den verschiedenen Kotbezeichnungen, die oft in Räuchermitteln auftreten, Tarnnamen für Harze verstecken könnten, s. J.F. Quack, Rez. zu: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, HdO I.36, Leiden 1999, in: Orientalistische Literaturzeitung 94 (4–5), 1999, 455–462, hier 460 und J.F. Quack, Methoden und Möglichkeiten der Erforschung der Medizin im Alten Ägypten, in: Medizinhistorisches Journal 38 (1), 2002, 3–15, hier 9.

Vso. 5,1–6,3: Begleitspruch zu einem Räuchermittel gegen jede Art Krankheit

Literatur:
- Foto, bereitgestellt vom Museo Egizio Torino, 2018
- A.H. Gardiner, DZA 50.144.13050.144.140
- A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 33–34, 172

Ein anderer (Begleit-)Spruch zum Räuchern, der jeden Feind und jede Feindin niederstreckt, jeden Widersacher und jede Widersacherin, jeden (Un-)Toten und jede (Un-)Tote, (all das,) was einem Mann passieren1 kann in der Nacht, am Tage und zu jedem Zeitpunkt, um einen Mann irgendwie krank zu machen (wörtl.: um gegen einen Mann irgendeine Krankheit zu tun):
O Feind, Jener (oder: Feindin), (Un-)Toter, (Un-)Tote, Widersacher, Widersacherin, usw., die in diesem Fleisch des NN sind, den NN geboren hat, in all diesen seinen Körperteilen, der ihn deswegen (?) befällt (?), um Schrecken in seinem Körper zu verbreiten, um an seinen Knochen zu nagen, um irgendeine Einwirkung in seinem Bauch zu verursachen, [Vso. 5,5] um irgendetwas übles und schlimmes gegen ihn zu unternehmen: Komm (heraus) und geh heraus auf die Erde! Die Götter mögen zu dir eilen, um die Abendbarke auszusenden und ⟨um⟩ die Morgenbarke fahren zu lassen. Die Götter sind wohlbehalten2 und die Bewohner der geheimen Stätten sind vereint hinter ihnen (d.h. den Göttern) gegen dich angetreten, um deine Ba-Seele zu fällen, um deinen Leichnam zu verbrennen, um das (von) dir (verursachte) Unreine zu beseitigen,3 um den (von) dir (verbreiteten) Schrecken abzuwehren, um deinen Leib aus diesem Fleisch des NN, den NN geboren hat, zu lösen, aus all diesen seinen Körperteilen in der Nacht, am Tage und zu jedem Augenblick.
Dieser Spruch werde 4 Mal am Morgen und 4 Mal am Abend ⟨über⟩(?)4 Talg eines kleinen (?) Ziegenbocks, zermahlen/verrührt5 ⟨in⟩(?)4 Schmalz6 [Vso. 5,10] einer Katze, gesprochen. Der Mann werde damit beräuchert mithilfe von Holzkohle eines ꜥr.w-Baumes, abgelöscht ⟨mit⟩ Urin eines männlichen Esels7. Du [Vso. 6,1] sollst dir(?)8 veranlassen, dass er (ein Gemisch aus) Galle (?)9: 1/8 (Dja), gngn.t-Pflanzen10: 1/8 (Dja), Honig: 1/8 (Dja), süßem Bier: 1/32 (Oipe = 2 Dja) trinkt über 4 Tage hinweg.
Und du sollst dir(?)11 alle Körperteile des Mannes mit Krokodilsschmalz, Löwentalg und Öl12 einer Schlange – in/mit Wachs gekocht – einreiben.
Der Mann werde damit viele Male eingerieben,13 so dass er sofort14 gesund wird.

1 swꜣi̯ ḥr meint eigentlich „vorbeigehen an etw.“ u.a. auch „vorbeigehen an etw. Schlechtem“. Hier ist dagegen gemeint, dass das Schlechte einen Menschen durchzieht, und das Partizip dürfte eine Zusammenfassung der zuvor einzeln genannten dämonischen Identitäten sein. Die Übersetzung versucht, die Nuance des Vorbeiziehens und des gleichzeitigen Eindringens widerzuspiegeln, muss dazu aber das Subjekt depersonalisieren.

2 wḏꜣ: Das Hieratische ist wohl eher so zu lesen als Gardiners und Roccatis wḫꜣ: „suchen“. Das erklärt dann auch die für wḫꜣ ungewöhnliche, aber für wḏꜣ ganz reguläre Klassifikation mit der Buchrolle, über die Gardiner ein verwundertes „so“ setzte.

3 dr ꜥb.w: Sicher so zu lesen. Diese Phrase ist einige Male in ptolemäischen Texten belegt (P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 144, DZA 31.435.630 mit den zugehörigen Belegzetteln), aber auch schon auf der großen Stele Ramses’ IV. aus Abydos (K.A. Kitchen, Ramesside Inscriptions, Historical and Biographical. Vol. VI (Oxford 1983), 24,11 und 15).

4 Die Hinzufügung der Präpositionen erfolgt nach A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172. Die erste (Roccatis „con“, ohne Klammern, als stünde sie da) ist nicht zwingend notwendig, aber kontextuell naheliegend: Magische Sprüche sollen den Anweisungen zufolge üblicherweise „über“ einer Sache gesprochen werden, die dadurch beschworen wird. Für die zweite (Roccatis „(con)“) liegt ḥr näher als m (so A.I. Blöbaum, Der falbe Esel – eine Chimäre?, in: A. I. Blöbaum – M. Eaton-Krauss – A. Wüthrich (Hrsg.), Pérégrinations avec Erhart Graefe: Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, ÄAT 87 (Münster 2018), 83–101, hier 86), vgl. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 494–495. Auch sie ist nicht zwangsläufig nötig, denn es könnten auch zwei Drogen vorliegen: „Talg eines kleinen (?) Ziegenbocks, zermahlen“ und „Fett einer Katze“.

5 nḏ bezeichnet gewöhnlich das Zermahlen einer Droge; in der Anweisung A nḏ ḥr B: „Droge A; werde zermahlen in/mit Droge B“ ist B oft eine flüssige Substanz (Wasser, Bier u.ä.), so dass man erwägen könnte, in diesen Fällen „verrühren in“ statt „zermahlen in/mit“ zu übersetzen – hinzu kommt die Unsicherheit, ob die Präposition ḥr in diesen Fällen lokal („in“) (s. Wb 2, 370.1–3, H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 617) oder koordinierend („mit“) (naheliegend, wenn B eine feste Substanz ist; vgl. ferner A.H. Gardiner, Egyptian Grammar Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, 3rd, rev. edition (Oxford 1957 (Repr. 2001)), § 166.8, ohne Anführung von nḏ, aber von psi̯: „kochen“, wo sich dieselbe Frage stellt) gemeint ist.
Wohl weil Droge B oft eine flüssige Droge ist, hat Roccati in der Übersetzung zwischen „grasso di capra piccola“ und „olio di gatto“ unterschieden, vgl. auch H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 119. Prinzipiell kann über den Aggregatzustand von ꜥḏ und mrḥ.t aber nichts ganz sicheres gesagt werden. H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 118–119 und 267–276 weist darauf hin, dass ꜥḏ in den medizinischen Rezepten immer nur von Tieren genannt ist und vielleicht eher festes Fett meint, abgesehen von ꜥḏ-ꜥš, dem Koniferenöl. Mrḥ.t wird dagegen oft von Pflanzen, aber auch von Tieren genannt. Während bei Pflanzen die Übersetzung „Öl“ naheliegt, ist bei tierischem mrḥ.t die Unterscheidung, ob es flüssig oder fest ist, nicht mit Sicherheit zu treffen: Dass es oft als Mittel genannt wird, in dem etwas gekocht oder zerrieben wird, spricht für Ersteres; dass es Rezepte mit mrḥ.t (manche als Einzeldroge) gibt, die „gegessen“ werden sollen, spricht für Letzteres.

6 wrḥ: Sic, die Ligatur aus Schwalbe und r ist deutlich zu erkennen. In den medizinischen Texten ist wrḥ.t zwar als Terminus für Salbmittel belegt, jedoch nicht als Drogenbezeichnung. Es muss sich hier um eine davon abgeleitete Bedeutung handeln oder noch eher um eine Variante zu mrḥ.t, so auch implizit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172, die auf dem Wechsel m:rḥ ~ w:rḥ beruht. Zu mrḥ.t-mjw: „Katzenfett“ vgl. H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 261, s.v. mrḥ.t D.II.f). Das von DZA 50.144.140 und A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 33 hinter wr gelesene t steht eigentlich darunter, wie in der Gruppe wr.t: „sehr“ (so auch der Übersetzungsvorschlag von Gardiner). Das Wortende und die Klassifikatoren können nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Die Zeichenreste passen nicht ganz zu dem Salbgefäß Gardiner W2, als das sie Roccati mit Fragezeichen transliteriert. Zu erwarten sind mindestens ein Gefäß mit Pluralstrichen, wozu die Zeichenreste aber auch nicht ganz passen.

7 (j)ꜥꜣ ṯꜣy: Unter dem Infrarotfilter eher so zu lesen als (j)ꜥꜣ qmꜣ (so A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 33), auch wenn mwy.t n.t (j)ꜥꜣ qmꜣ anderweitig belegt ist (s. H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 236). S. auch schon DZA 50.144.140 und vgl. die hiervon differierende Schreibung von (j)ꜥꜣ.t qmꜣ.yt in Vso. 4,11.

8 n=k: Derselbe inhaltlich unnötige Zusatz findet sich im folgenden Satz. Man wird wohl am ehesten einen ethischen Dativ darin erkennen können.

9 ꜣdd: Unter dem Infrarotfilter eher so zu lesen als ꜣꜥꜥ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 34). Der Klassifikator ähnelt dort eher dem „schlechten Paket“, Gardiner, Sign-list Aa2, oder sogar dem „schlechten Paket“ mit Flüssigkeit, Aa3, als dem Pflanzenklassifikator. Ob es ein Fehler für wdd: „Galle“ ist? Zum Wechsel ~ w s. W. Westendorf, Grammatik der medizinischen Texte, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VIII (Berlin 1962), § 22.3. Alternativ wäre auch ein etwas stark geschwungenes b denkbar. Jedoch passt der Klassifikator zu keiner der dann infrage kommenden Drogennamen, wie bdd-Pflanze, bd.t: „Natron“, bd.t: „Emmer“.

10 gngn.t: Eher so als Roccatis mnmn.t, das ein Hapax wäre. Zur Schreibung von gngn.t mit dem Rohstoffklassifikator Gardiner, Sign-list N33 vgl. H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 538 mit einem Beleg aus dem ramessidenzeitlichen pBerlin P 3038, Rezept Bln 136.
NB: Die zugehörige Mengenangabe scheint die nächste Droge, bj.t, eine Winzigkeit zu überschneiden, was dafür spricht, dass der Schreiber zwischen den Drogen einen Freiraum gelassen und die Mengenangaben nachträglich eingetragen hat. Interessanterweise finden sich bspw. im pEbers beide Verfahren: sowohl Fälle, in denen die Mengenangaben nachträglich eingetragen wurden, als auch Fälle, in denen der Schreiber die Mengen unmittelbar an die Drogen anschloss, also ständig zwischen roter und schwarzer Schreibbinse wechselte (was ein Grund sein mag, dass man in diesem Papyrus nur selten Dippings erkennen kann).

11 n=k: Derselbe inhaltlich unnötige Zusatz findet sich im vorigen Satz. Man wird wohl am ehesten einen ethischen Dativ darin erkennen können.

12 sgnn ist in den medizinischen Texten nicht als Drogenbezeichnung belegt. Schlangenfett/-öl ist dort mrḥ.t ḥfꜣ.w, H. Grapow & H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 336. Die Verwendung als spezifische Drogenbezeichnung erfolgt hier sicher nur der stilistischen Variation wegen. Daher wird man hier nicht zwangsläufig mit einer Unterscheidung der Konsistenz der drei genannten Fettarten rechnen können; die Übersetzung versucht lediglich, die lexikalische Variation zu übernehmen. Unklar ist, ob die ersten beiden Fettarten tatsächlich im direkten Genitiv gebildet sind, oder ob die Genitivnisbe nur an das jeweils folgende m assimiliert und nur deswegen nicht mitgeschrieben wurde.
13 Die Wiederholung der Anweisung, dass der Patient einzureiben ist, ist eigentlich unnötig, denn diese Anweisung steht bereits im vorigen Satz. Sie wird dem üblichen Formular medizinischer Rezepte anzulasten sein, das nach dem Muster #Überschrift – Drogenliste – Verarbeitungsanweisung – Applikationsanweisung# aufgebaut ist.

14 ḥr-ꜥ.wj: Die Übersetzung „sofort, sogleich“ ist durch zahlreiche Belege kontextuell relativ gesichert; die genaue Nuance dürfte u.a. darin begründet sein, dass es im Kanopos-Dekret griechischem εὐθέως entspricht (DZA 21.532.240). Zunächst scheint es ein Widerspruch zu sein, dass ein Mittel, dass zur „sofortigen“ Gesundung gedacht ist, „viele Male“ (ꜥšꜣ.t zp) angewendet werden muss. Allerdings gibt es etwa im pEbers auch mehrere Rezepte (Eb 200, 204, 206, 307, 321), in denen die sofortige Gesundung oder ein „Sofortmittel“ versprochen wird, die aber eine immerhin viertägige Anwendung erfordern, und das Rezept Eb 202 muss „sehr oft“ (ꜥšꜣ zp-2) getrunken werden, damit es zur sofortigen Gesundung kommt.

Vso. 6,3–8,11: Begleitspruch zu einem Räuchermittel

Literatur:
- Foto, bereitgestellt vom Museo Egizio Torino, 2018
- A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 34–36, 172–173
- A.H. Gardiner, DZA 50.144.15050.144.160 (nur Kol. 6 und die rechte Hälfte von 7)

Ein anderer (Begleit-)Spruch zum Räuchern:
O Feind, Jener (oder: Feindin), usw., der seine Form zum Nachteil von NN, den NN geboren hat, ändern will,1 um sich in seinem Körper zu verbergen: [Vso. 6,5] Komm (heraus) und geh zur Erde! Führe dir weg dein Gift, dein jwt.w-Verdauungsprodukt(?)2, deinen „Brei“(?)3, deine Trübsal(?)4, deine Benommenheit, dein Blut5, deinen Eiter, deine Fieberhitze, dein Frösteln6, deine Verwesung/-sflüssigkeit7, deinen Gestank8, deine Krankheitserscheinung9 und deine Sekrete!10 Entferne dir deine Ba-Seele, deinen Leichnam, (überhaupt) jede üble und schlimme Sache, die du gemacht hast und die in allen Körperteilen von NN sind, den NN geboren hat, oder ich verrate (?)11 [---] (?) die Erscheinungsform, die du verkündet hast (?), die du enthüllt hast (?), (in der?) du gekommen bist, die du (?) geschaut hast, die du (?) eingeatmet hast (oder: mit der du dich vereint hast) bezüglich (?) der Majestät des Osiris, so wie du deswegen herausgekommen bist, so wie du dazu gesagt hast:

1 jri̯.tj=fj ḫpr.w=f r: Wörtl.: „der seine Gestalt annehmen wird gegen“. Die hier verwendete, freiere und volitive Übersetzung „der seine Form zum Nachteil von ... ändern will“ folgt J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, (= Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970) (Leiden 1971), 101, Anm. 182 (dort versehentlich zitiert als „p. Turin 1993“ statt „p. Turin 1995“): „who intends to assume his forms at the disadvantage of“. Unsicher ist, ob die Pluralstriche von ḫpr.w einen grammatischen Plural kennzeichnen (so Borghouts), oder ob sie Teil der Klassifikation des Singulars sind (vgl. die Schreibungen in Wb 3, 265–266).

2 jwt.w: Im Totenbuch und den Unterweltsbüchern erscheint es in Epitheta von Dämonen und anderen göttlichen Entitäten, die jwt.w essen oder verschlucken. Nach J. Zandee, Death as an Enemy According to Ancient Egyptian Conceptions, Studies in the History of Religions 5 (Leiden 1960), 73–74 nimmt es Bezug auf die Vorstellung vom Essen von Exkrementen als Teil der verkehrten Welt. Es handelt sich also eher um einen negativ konnotierten Begriff; in den medizinischen Papyri ist er nicht belegt.

3 ḥzꜣ.w bezeichnet meist eine Art Brei, der aus quellenden Körnern hergestellt und als medizinisches Ingrediens verwendet wird. Die traditionelle Übersetzung als „Pflanzenschleim“ u.ä. ist potenziell fehlleitend, weil im Deutschen mit Pflanzenschleim auch von Pflanzen selbst produzierte, natürliche Schleimstoffe bezeichnet werden. Als Krankheitserscheinung wird es nur zweimal im veterinärmedizinischen Papyrus Kahun genannt (vgl. H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 632–633) und bezeichnet dort eine krankhafte Art von Ausscheidung. Auch in pTurin CGT 54050 dürfte es sich um eine Krankheitserscheinung stofflicher Natur handeln, also ebenfalls eine Ausscheidung oder eine andere Art von Ausfluss sein.

4 nqm.t: Wb hatte als Bedeutung für das Verb nqm (Wb 2, 344.4–5) ursprünglich „leiden, Schmerzen haben“ angesetzt (vgl. DZA 25.313.130), vielleicht weil es in den Pyramidentexten (diese Belege aber später als eigenes Lemma aufgenommen: Wb 2, 344.3) parallel zu mḥr: „krank“ steht. Da es ein Zustand des jb-Herzens sein kann, der ršrš, der Freude, entgegengesetzt wird, hat man sich aber dann für die Bedeutung „trauern, traurig sein“ entschieden, s. DZA 25.313.130 und Wb 2, 344.4–5. Unklar ist, welchen Einfluss auf diese Übersetzung Brugschs Vorschlag zum Verb nqb hatte, das laut Wb 2, 344.1 eine späte Schreibung von nqm ist. Dieses hatte H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Bd. III (Leipzig 1968), 813 mit hebräisch נָקַף (eigentlich: „zerschlagen, stoßen“, W. Gesenius, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, 14. Auflage (Leipzig 1905), 473), arabisch نقر („antippen“) zusammengebracht und mit „betrüben, mit Betrübnis schlagen, wehe thun“ übersetzt. (Brugsch selbst hatte allerdings zwischen nqb und nqm getrennt und Letzteres ebd., 813–814 wegen hebräisch נָקַם: „Rache nehmen“ mit „rächen“ übersetzt.) Die Wb-Übersetzung wird von A.H. Gardiner, A New Letter to the Dead, in: Journal of Egyptian Archaeology 16 1930, 19–22, hier 21 abgelehnt, der es wegen der Pyramidentextbelege als „almost synonymous“ mit mḥr: „krank sein“ versteht und auf S. 20 mit „to be afflicted“ übersetzt. Das Substantiv nqm.t in der mit pTurin CGT 54050 vergleichbaren Liste von pLeiden I 348, Rto. 6,7 übersetzt J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, (= Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970) (Leiden 1971), 21, Gardiner folgend, mit „affliction“. Daneben kann nqm auch parallel zu sḏr verwendet werden. Daher schlägt J. Černý, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh. Tome I. Nos I-XVII, Documents de fouilles de l’Institut français d’archéologie orientale 8 (Le Caire 1978), 6, Anm. (j) als Bedeutung vor: „être couché inconscient à la suite d’une maladie“ (Hinweis Fischer-Elfert). In den medizinischen Papyri ist diese Wortfamilie nach H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), nicht belegt. Borghouts, ebd., 100, Kommentar 179 schlägt allerdings vor, in pBerlin P 3038 Rto. 8,5 (Rezept Bln 94) nicht nq(ꜥ).wt: „Schneiden“ zu lesen, wie H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 485, sondern nqm.t.

5 snf: Dass das Blut hier unter negativ konnotierten Ausflüssen und anderen Krankheitserscheinungen genannt wird, liegt daran, dass die Ägypter menschlichem Blut v.a. bei Wunden begegneten und es ihnen daher als etwas potenziell Schlechtes erschien, H. Grapow, Anatomie und Physiologie, Grundriß der Medizin der alten Ägypter I (Berlin 1954), 76–77, H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 766, s.v. snf § 6.

6 ḥs.y ist eine Ableitung vom Verb ḥs: „frieren“ o.ä., das dem Klassifikator nach (dem Mast mit Segel) als hauptsächlich durch den Wind verursacht erscheint, s. etwa S. Schwarz, Schiffe und Schiffsteile als Klassifikatoren in der ägyptischen Hieroglyphenschrift (Magisterarbeit, Berlin 2005), (13.09.2018), 73. Auch der „Beredte Bauer“ (Version B1), pBerlin P 3023 + pAmherst I, 276/alt 245 zeigt, dass es ein Zustand ist, der durch Sturm verursacht wird. Insgesamt zeigt die Verwendungsweise (s. die Belege im TLA), dass hiermit generell keine Erfrischung (das wäre etwa sqb), sondern eine negativ empfundene Kälte gemeint ist.

7 ḥwꜣ: Sicher nicht „afflizione“ (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172), sondern der Verwesungsgestank oder konkreter die diesen Gestank verursachenden Flüssigkeiten.

8 ḫnm: In den medizinischen Papyri nur einmal im veterinärmedizinischen Papyrus Kahun belegt, H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 660.

9 ḫꜣ.wt ist der Schreibung, v.a. der Klassifizierung nach, das Wort ḫꜣ.yt: „Leiden, Krankheit“ (H. von Deines & W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Zweite Hälfte (h-), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.2 (Berlin 1962), 646–647) – etymologisch vielleicht „das zu Untersuchende, wörtl.: das Abzumessende“ (< ḥꜣi̯: „untersuchen, abmessen“)? Als Nomen kommt es fast ausschließlich im pEbers vor und hat dort eine eher allgemeine Bezeichnung eben im Sinne von „Leiden, Krankheit“ o.ä., s. auch H. Grapow, Kranker, Krankheiten und Arzt. Vom gesunden und kranken Ägypter, von den Krankheiten, vom Arzt und von der ärztlichen Tätigkeit, Grundriß der Medizin der alten Ägypter III (Berlin 1956), 23 und 25. In einigen Fällen kann es aber auch stoffliche Qualität besitzen: Es kann bspw. swmt: „dick sein“, mḏd: „Druck ausüben“ und šs: „sich ausbreiten“. S. Radestock, Prinzipien der ägyptischen Medizin. Medizinische Lehrtexte der Papyri Ebers und Smith. Eine wissenschaftstheoretische Annäherung, Wahrnehmungen und Spuren Altägyptens 4 (Würzburg 2015), 286 vermutet hierin einen Begriff für die Krankheitserscheinung, das Zeichen. Roccatis Übersetzung „odore“ ist allerdings unbegründet. Sollte er im Moment seiner Übersetzung ḥwꜣ und ḫꜣ.wt miteinander vertauscht haben, so dass er nicht ḥwꜣ ~ „afflizione“ und ḫꜣ.wt ~ „odore“ übersetzen wollte, sondern eigentlich ḥwꜣ ~ „odore“ und ḫꜣ.wt ~ „afflizione“?

10 Eine ähnliche Reihung von Dingen, die zusammen mit dem angerufenen Dämon aus dem Körper verschwinden sollen, findet sich im Spruch 13 des magischen pLeiden I 348. (S. bereits J.F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, (= Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 51, 1970) (Leiden 1971), 21, der versehentlich „p. Turin 1993“ statt „p. Turin 1995“ schreibt – der zwei Zeilen später erwähnte „another spell of the Turin text“ steht dagegen tatsächlich auf pTurin 1993). Auch dort findet sich in Zeile 6,8 das Paar mtw.t=k + jwt.w=k (gefolgt von nkn=k), und in Zeile 6,6–7 sind mtw.t=k und jwt.w=k nur von nkn=k voneinander getrennt.

11 Nach m-rʾ-pw lesen Gardiner, DZA 50.144.150 wie A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 34 die Zeichenreste als ḏd{.n}=j: „sonst spreche ich aus“ bzw. „oppure dirò“. Obwohl der vorliegende Satz wohl eine Götterbedrohung ist und ein Verb wie „aussprechen, verraten“ o.ä. passend und wahrscheinlich wäre, ist die Lesung ḏd.n=j aufgrund einiger Zerstörungen unsicher: (1) Die vermeintliche Gruppe ḏd ist schmaler als die sonstigen Schreibungen dieser Gruppe. In den anderen Fällen ist die Gruppe ḏd auf dem Verso etwa 2,5–3 cm breit. Hier würde dagegen 2,5 cm nach Beginn der Zeichengruppe schon wieder die nächste Zeichengruppe beginnen. Zwar gibt es an der unteren Schreiblinie der Zeile einige Tintenreste, die bis an die nächste Zeichengruppe heranreichen würden und damit der linke Teil von ḏd sein könnten, doch bliebe das am Original zu prüfen: Genau durch ḏd läuft eine Bruchkante, und die Zeilen darüber zeigen, dass die beiden Fragmente vertikal etwas gegeneinander verschoben werden müssen, nicht aber horizontal. Es müsste daher geprüft werden, wie sich die Zeichenreste links von der Bruchkante zum vermeintlichen ḏd rechts von der Bruchkante verhalten. (2) Das, was Gardiner und Roccati vielleicht als Abstrich des d interpretiert haben, sieht auf dem aktuellen Turiner Foto fast so aus, als wäre es neu angesetzt. Außerdem wirkt die Form fast wie ein f mit kurzem Schwanz. Auch hier müssten der genaue Tintenverlauf und die Frage, wo vielleicht nur Fasern abgeplatzt sind, am Original geprüft werden. (3) Zwischen n=j und sšm.w sind an der unteren Schreiblinie noch senkrechte Zeichenreste erhalten, die weder von Gardiner noch von Roccati vermerkt sind.
Da die Lesung der Zeichen nach ḏd und damit der genaue syntaktische Anschluss von sšm.w unklar ist, ist auch der syntaktische Anschluss der folgenden Verbformen unsicher. Die hier vorgeschlagene Lösung als Relativformen ist daher nur ein Vorschlag. Mindestens bei pri̯.n=k wäre dafür eigentlich ein resumptives Element nötig. Auch bei mꜣꜣ.n=k stellt sich die Frage, ob sšm.w wirklich ein sinnvolles Bezugswort ist, oder ob man auch hier ein resumptives Element benötigen würde. Bei ḫnm.n=k stellt sich die Frage, ob es im Sinne von Wb 3, 292.3 eigentlich für ẖnm.n=k steht und man mit „(die Erscheinungsform,) mit der du dich vereint (i.S.v. die du angenommen) hast“ übersetzen sollte.

„Er ist ein Mann des Feuers, der kein [Vso. 6,10] Glänzendes Auge hat. Es gibt (d.h. er hat) kein Fleisch. Auf einem ... (?)12 aus šꜣms-Pflanzen sitzt er. Auf den beiden Kleider-... (?)13 in einer Laube aus ꜥr.w-Bäumen schläft er. Das Udjat-Auge ist an seiner Seite. Das ist es, was [---]14 sieht. Und die Uräus-Schlange [Vso. 7,1] ist dort an seiner (anderen?) Seite. Sie (d.h. das Udjat-Auge und die Uräusschlange) sind es, die mit ihren Mündern reden werden. [---] diese (?)15 [---] von 4 Ellen an seiner Seite. Sie ist es, die die Majestät dieses Gottes beschützt. Ein Falke [---] jedermann vor ihm, während ein Kater von 1 Elle (Größe) an seiner Seite ist, dessen Gesicht das eines Menschen ist (und) [dessen] Hinterteil (oder: Rumpf?)16 [--- ist]. [---] die Köpfe der Frevler abschneiden gegenüber ihren Herren, während die 4 Großen [---] [___]-Leute zusammen mit [Vso. 7,5] ihnen als/unter Menschen. Ihre Gestalt ist aus den Träne(n) (des Sonnengottes) (entstanden).17 Sie reden [---]. Sie sterben bei Tage und sie leben in der Nacht, während die 4 (?)18 [---] Seine Linke hat ergriffen/ist gefüllt mit Männern und Frauen, ohne dass es Menschen wären (???).19 Nicht [---]20 Sie sollen sterben, ohne dass man einen davon kennen würde.
O Feind, Jener (oder: Feindin), (Un-)Toter, (Un-)Tote, Widersacher, [Widersacherin, usw., die in diesem Fleisch des NN sind, den NN geboren hat]21, in all diesen seinen Körperteilen: Du bist derjenige, der ihre Namen ausspricht,22 du bist [---]

12 ḫnd: Wohl nur aus dem Kontext erschlossen, übersetzt Gardiner mit „Matte (?)“, DZA 50.144.160. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172 schließt sich dem kommentarlos an: „stuoia“. Gardiner schlägt vor, die Zeichenreste des Klassifikators zu einem Hausgrundriss zu ergänzen, Roccati gibt keinen Ergänzungsvorschlag. Das aktuelle Turiner Foto lässt den Hausgrundriss möglich erscheinen; aber es sind zu wenige Zeichenreste erhalten, um andere Möglichkeiten auszuschließen. Ob man es, wenn man bei der Übersetzung „Matte“ bleiben wollte, dieses Lemma mit dem ḫnt-Teppich (???) des pVandier, Rto. 2,16 zusammenbringen könnte? Es gibt auch ein Wort ḫnd: „knüpfen, flechten, weben“, J. Černý, Coptic Etymological Dictionary (Cambridge 1976), 246, D. Meeks, Année lexicographique. Tome 1. 1977 (Paris 1980), 77.3134, L.H. Lesko & B. Switalski Lesko, A Dictionary of Late Egyptian. Vol. II (Providence 1984), 187. Und die šꜣms-Pflanzen, aus denen das Objekt hier gefertigt ist, sind zwar noch nicht identifiziert (s. den Kommentar), aber es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass sie verholzen konnten. Daher ist es vielleicht nicht unter dem Lemma ḫnd.w: „Thron; Sitz; Treppe; Podest“ (Wb 3, 314.4–15) einzuordnen, unter dem es – sicher mangels besserer Alternativen – vom Wb-Team einsortiert wurde (als DZA 27.982.860). Andererseits ist es wichtig zu notieren, dass an dieser Stelle von nicht regelkonformen Dingen die Rede ist, denn der auf dem ḫnd sitzende hat auch „kein Fleisch“. Dieser Umstand ist bei der Identifizierung von ḫnd zu berücksichtigen.

13 jp.tj ist mit dem Hausgrundriss und dem allgemeinen Pflanzenklassifikator geschrieben, der Graphie nach hier dualisch gebraucht, und wird mit „Kleidung“ oder „Stoff“ verbunden. Es ist nicht zu identifizieren. Gardiner, DZA 50.144.160, übersetzt jp.tj n.t ḥbs.w mit „Kleiderkasten“ – entweder rein aus dem Kontext geraten, oder unter Einfluss der jpw.t-Lokalität des pWestcar, die gelegentlich für eine Kiste gehalten wird (etwa G. Maspero, Les contes populaires de l’Égypte ancienne, 3 (Paris 1906), 31 mit Anm. 4; schon in früheren Auflagen [non vidi], angezweifelt von A. Erman, Die Märchen des Papyrus Westcar. I. Einleitung und Commentar, Mittheilungen aus den orientalischen Sammlungen / Königliche Museen zu Berlin 5 (Berlin 1890), 43; letztendlich auch angezweifelt von A.H. Gardiner, The Secret Chambers of the Sanctuary of Thoth, in: Journal of Egyptian Archaeology 11, 1925, 2–5 selbst. A.B. Lloyd, The Egyptian Labyrinth, in: Journal of Egyptian Archaeology 56, 1970, 81–100, hier 100, Anm. 1 fasst es als Bezeichnung für Tempelkrypten auf; E. Hornung, Die „Kammern“ des Thot-Heiligtumes, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 100 (1), 1973, 33–35 identifiziert es mit Verweis auf die Sargtexte und das Zweiwegebuch als transportable Schreine.
Der davor stehenden Präposition ḥr nach zu urteilen, ist das jp.tj von pTurin CGT 54050 trotz des Gebäudeklassifikators kein Raum oder Gebäude (so A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172: „camera vegetale“), weil dann wohl eher m oder m-ẖnw zu erwarten wäre. Eine Gleichsetzung mit dem jp.t: „Frauenhaus“ und auch mit der jpw.t-Lokalität des pWestcar, sofern man darin mit Gardiner oder Lloyd einen Gebäudeteil versteht, ist daher auszuschließen. Es gibt ein seltenes, jpd.w genanntes, Objekt, das mit dem Ast klassifiziert ist und vielleicht eine Bezeichnung für Ornamente oder verzierte Möbelstücke ist (Wb 1, 70.10): Im Grab des Rechmire wird ein Schrein mit jpd.w aus Elfenbein verziert (DZA 20.057.160), und jpd.w aus Elfenbein und verschiedenen Hölzern werden im Grab des Amenemhet genannt (DZA 20.057.180). Im pd’Orbiney sollen zwei Perseabäume gefällt werden, um daraus „schöne jpd.w“ anzufertigen (DZA 20.057.170). Ob das jp.tj damit zusammenhängt, also eigentlich jpt.j zu lesen ist? Wie beim ḫnd des vorigen Satzes ist bei der Identifizierung zu berücksichtigen, dass vermutlich ein anomales Schlafmöbel gemeint ist.

14 A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 34 transliteriert ntst ptrj=st: „Das ist es, was sehen wird.“, und aufgrund des folgenden ntsn mdwi̯=sn liegt eine solche parallele Konstruktion recht nahe. Jedoch ist unter dem Schilfblatt des folgenden jw noch ein schwarzer Strich zu erkennen, der nicht zu einem =st gehören kann. Ganz parallel zu ntsn mdwi̯=sn m rʾ=sn wäre ein ntst ptrj=st m jr.t=st; aber dazu reicht weder der Platz noch würde das das Problem des supralinearen Abstrichs lösen.

15 twy: Vgl. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 172: „questa“. Die Identifikation ist allerdings nicht über jeden Zweifel erhaben.

16 pḥ.wj: Wenn dp und pḥ.wj im engen Kontext genannt sind und der Kopf physisch vom Körper getrennt ist, etwa duch Abschneiden, bezeichnet pḥ.wj laut C. Leitz, Spruch 7 des magischen Papyrus Leiden I 348 (rto III, 5–8), in: Göttinger Miszellen 100, 1987, 47–55, hier 53–54, Komm. n, den „Teil des Körpers, der übrigbleibt, wenn der Kopf abgeschnitten ist“. Könnte pḥ.wj hier dieselbe Bedeutung haben?

17 Eine Anspielung auf die Erschaffung der Menschen (rmṯ) aus den Tränen (rm.yt) des Sonnengottes. Vgl. dazu mit älterer Literatur N. Gräßler, Konzepte des Auges im alten Ägypten, Studien zur Altägyptischen Kultur, Beihefte 20 (Hamburg 2017), 293–303.

18 jw 4 s[___]: Transkription mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 35. Auf dem aktuellen Turiner Foto sind nur noch geringe Zeichenreste zu erkennen.

19 Lesung mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 35. Auf dem Turiner Foto sind nur noch wenige Zeichenreste erkennbar: Das nn ist sicher. Auch r(m)ṯ.w ist relativ sicher. Der von Roccati als obere Linie des gelesene Zeichenrest dürfte allerdings eher die untere Linie des r sein, und die obere Linie des wird fast komplett in der kreuzförmigen Zerstörung gelegen haben, an deren oberer Abbruchkante möglicherweise noch zwei winzige schwarze Tintenreste davon erkennbar sind. Statt des einfachen Mannes über Pluralstrichen ist nach den Zeichenresten vielleicht Mann + Frau über Pluralstrichen zu lesen. Von Roccatis pw ist die w-Schleife relativ sicher; davor ist jedoch auffällig, dass am unteren Zeilenrand zwar die Reste dreier senkrechter Striche erkennbar sind, wie bei einem p zu erwarten ist, dass aber der Querstrich fehlt.
Die Frage ist, wie dieser Satz inhaltlich zu verstehen ist. Zur diskutablen Übersetzung des Begriffes rmṯ vgl. generell die Auseinandersetzung mit älterer Literatur durch G. Moers, Auch der Feind war nur ein Mensch. Kursorisches zu einer Teilansicht pharaonischer Selbst- und Fremdwahrnehmungsoperationen, in: H. Felber (Hrsg.), Feinde und Aufrührer. Konzepte von Gegnerschaft in ägyptischen Texten besonders des Mittleren Reiches, ASAW 78 (5) (Leipzig, Stuttgart 2005), 223–282. Nach seinen Ergebnissen könnte man behaupten, die im vorigen Satz genannten Männer und Frauen wären, da sie keine rmṯ.w seien, keine „Personen“ im gesellschaftlichen Sinne. Wollte man mit der traditionell ägyptologischen Interpretation operieren, die in rmṯ.w ein Synonym für „Ägypter“ als den einzig wahren Menschen sieht (was allerdings von Moers mit schlagkräftigen Argumenten entwertet wurde), könnte man unter den genannten Männern und Frauen Nichtägypter verstehen. Interessant könnte auch Moers’ Beobachtung sein (S. 244), dass im „Buch von der Nacht“, einem der ramessidenzeitlichen Unterweltsbücher, die rmṯ.w als Personengruppe neben mehreren als sbj.w: „Frevler“ bezeichneten Gruppen stehen. Sollten die im vorigen Satz genannten Männer und Frauen, da sie „keine rmṯ.w“ sind, also noch zu den sbj.w: „Frevlern“ drei Zeilen zuvor gehören? Insgesamt ist aber die Passage aufgrund der Zerstörungen und Unsicherheiten in der Lesung viel zu unsicher, als dass sich wirklich Aussagen darüber treffen ließen, was gemeint ist.

20 Lesung mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 35. Es sind nur noch geringste Zeichenreste erkennbar.

21 Ergänzung der Lücke weitestgehend nach A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 173. Er schlägt vor: „(...) che entri nella carne“, was einem ꜥq jwf entspricht. Für das stattdessen hier vorgeschlagene n.tj m jwf vgl. Vso. 5,3.

22 ⸢j⸣:ḏd rn.w=sn: Sic. Man erwartet vielleicht eher: j:ḏd.tw rn=f: „Du bist derjenige, dessen Namen man ausspricht“ als Teil einer Götter- resp. Dämonenbedrohung.

[Man mache --- am] [Vso. 7,10] Abend mit/und [--- (und) rich]te her (???)23 eine männliche Götterfigur und neun weibliche Götterfiguren24 [als Zeichnung (?) ---] der Mann mit [---] soll [---] tun [---] (???)25 [Vso. 8,1] [---] und zu trinken geben(?) [---] (Un-)Toter, (Un-)Tote, (männlicher) Geist, Feind, Widersacher [--- usw. ---]26
[---] sein [---] ??? der/den Himmel, sagend: „[---, Widersacher/Feind (o.ä.)]27, (Un-)Toter, (Un-)Tote, usw., sie sollen tun [---]! [Vso. 8,5] [---] zu dir / für dich (?)28 in ihm. Sie vernichten/beseitigen [---] [---] jede üble Rede [---]. [O ---], rette [ihn/mich]29! [---] öffnen (?) Horus Abydos [---]30 [---, (Un-)Toter], (Un-)Tote, Widersacher, Widersacherin, usw. [---]31 [Vso. 8,10] [---] [___]-Personen, die sich am Anfang/vorn befinden [---]32 [---].33

23 [smn]ḫ: Das hohe senkrechte Zeichen auf dem Fragment Cat. 2114/503, das A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 35 als m-Eule wiedergab, erinnert eher an ein ḫrp-Szepter, Möller-Nr. 450, oder den mnḫ-Meißel, Möller-Nr. 482, wenn auch mit spitzem und nicht eckigem oberen Abschluss. Ein wenig ähnelt es auch noch dem nḏ von Zeile Vso. 5 ,1, hat aber einen anderen oberen Abschluss und scheint rechts eher zwei als nur einen Abstrich zu haben. Eine Lesung als mnḫ-Meißel hätte den Vorteil, dass man den Zeichenrest davor an der Abbruchkante als und das Zeichen danach wie Roccati als Buchrolle lesen könnte. Allerdings kommen weder mnḫ noch smnḫ in Rezitations- oder Herstellungsanweisungen magischer Texte vor. Es ließe sich allenfalls auf den bislang auf zwei Belege (DZA 29.221.330, 29.221.340) beschränkten Gebrauch von smnḫ m zẖꜣ: „etw. in der Schrift trefflich herstellen o.ä.“ verweisen, und im demotischen pLouvre E 3452, 7.22 können immerhin Binden eines Begräbnisses smnḫ: „hergerichtet“ werden (s. im TLA). Bei nḏ, das durchaus aus Herstellungsanweisungen magischer Texte bekannt ist, könnte man die drei kleinen Zeichen als nw-Topf, w-Schleife und Buchrolle lesen, also ganz so wie bei dem nḏ von Vso. 5,1. Allerdings ist das Zeichen danach eindeutig eine stehende Mumie und nicht der für nḏ erforderliche schlagende Mann. Daher wird hier die Lesung smnḫ trotz der damit verbundenen Zweifel bevorzugt.
Die Lücke davor ist zwar vermutlich kleiner als bei der derzeitigen Montage der Papyri (s. den Kommentar auf dem Recto), aber dennoch zu lang, um allein smnḫ zu enthalten. Eine Ergänzung der noch verfügbaren Lücke kann aber nicht vorgeschlagen werden, weshalb auch offenbleiben muss, welche Nuance ḥnꜥ hier besitzt.

24 9 rpy.t: So nach dem aktuellen Turiner Foto unter DStretch-Falschfarbenfiltern: A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 35 las m mnḥ: „aus Wachs“. Roccatis m ist jedoch ziemlich sicher das Zahlzeichen 9, und was er als mn+n vor las, ist r+p vor j. Dahinter sind noch ein zweites Schilfblatt, t über Ei und Falke auf Standarte (sic; keine Schlange) zu erkennen; dieses Wort füllt die Zeile bis zur Abbruchkante.

25 Ergänzungen völlig unsicher. Unter dem mšr.w der vorigen Zeile reicht die Abbruchkante des Papyrus an den oberen Zeilenrand, wo noch zwei/drei winzige rote Tintenreste erhalten sind. Auf Fragment Cat. 2114/503 hat A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 35 nur ein Schilfblatt und fragend eine m-Eule mit einem runden Zeichen transliteriert. Unter DStretch-Falschfarbenfiltern zeigt das aktuelle Turiner Foto ein paar Zeichenreste mehr: So ist das erste erhaltene Wort ein Aktionsverb gewesen, denn der schlagende Mann, Gardiner A24, ist noch deutlich erkennbar. Die Zeichenreste davor können allerdings nicht mit Sicherheit interpretiert werden, so dass eine Eingrenzung, welches Verb vorliegt, kaum möglich ist. Das naheliegende dr: „beseitigen, vertreiben“ scheint kaum möglich. Die Zeichengruppe hinter A24 ist vielleicht das Wort s: „Mann“ mit z (O34), sitzendem Mann und Logogrammstrich. Roccatis vermeintliches Schilfblatt gehört, der relativen Position seiner Umschrift nach zu schließen, wohl zum vorderen Teil dieser Zeichengruppe. Die Interpretation ist nicht sicher, vgl. aber vielleicht das Wort s: „Mann“ in Vso. 2,5. Darauf folgt Roccatis m. Die anschließenden Reste können nicht identifiziert werden. Relativ gegen Ende des erhaltenen Fragments bilden drei Tintenkleckse möglicherweise den Milchkrug mit Tragenetz (mj), und eine senkrechte Spur dahinter ließe sich als Rest des notwendigen Schilfblatts interpretieren, doch ist das kaum mehr als ein vager erster Eindruck.

26 Für die erste Zeile schlug A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 36 und 173 ḥnꜥ (?) wꜣḏ-wr vor: „con (?) mare (?)“. Das ḥnꜥ ist relativ sicher. Von seinem vermeintlichen wꜣḏ ist dagegen hauptsächlich ein senkrechter Strich zu erkennen; zusammen mit einer kleinen senkrechten Spur in der oberen Zeilenhälfte links daneben dürfte es sich eher um ein s handeln. Zwischen wr+r und Wasserlinien befinden sich Zeichenreste – von Roccati ausgelassen –, die ein Schilfblatt sein könnten. Hinter den Wasserlinien sind noch ein sitzender Mann und eventuell Pluralstriche erkennbar. Damit erhält man das Wort swrj; zur Schreibung vgl. Vso. 6,1. Die beiden Zeichen zwischen ḥnꜥ und swrj ließen sich am ehesten als rḏi̯ lesen (vgl. auch dazu 6,1), wenn auch der Arm ungewöhnlich langgestreckt ist und noch hinter das r reicht. Oder sollte es sich dabei um eine ungewöhnliche Ligatur aus Arm und t handeln, so dass man rḏi̯.t lesen muss? Anders als in 6,1 fehlt allerdings der ethische Dativ (?) n=k, und man kann nicht zu rḏi̯.t swrj[=f]: „veranlassen, dass [er] trinkt“ ergänzen, denn zwischen den Pluralstrichen von swrj und der Abbruchkante des Papyrus ist noch ein Zeichenrest in der oberen Zeilenhälfte erhalten, nicht dagegen in der unteren Zeilenhälfte, wie es bei einem =f zu erwarten wäre.
Auch die zweite Zeile ist etwas anders zu lesen. Das aktuelle Turiner Foto lässt vor dem ꜣḫ-Geist zweimal den Feind-Klassifikator erkennen. Auch die beiden Ligaturen aus m-Eule und t sind relativ deutlich zu erkennen; im zweiten Fall kann zudem aufgrund des geringen Raumes zwischen den beiden Klassifikatoren fast nichts anderes stehen als diese Ligatur. Der ꜣḫ-Geist steht damit ohne sein weibliches Pendant im Text – der Klassifikator im Übrigen anders als auf dem Recto mit linkem senkrechten Strich geschrieben (s. die Diskussion in Zeile Rto. 2,3) –, ebenso wie der ḫft.j. An der linken Abbruchkante steht contra Roccati nicht jw=k, sondern die Zeichengruppe ḏꜣ+ und der Rest eines Schilfblattes, also ḏꜣy: „Widersacher“. Ob auch er ohne weibliches Pendant genannt war, ist unklar, sicher dürfte irgendwo in der Lücke das obligatorische ḥmw.t-rʾ: „usw.“ gestanden haben.
Erwähnenswert ist noch, dass an der rechten Abbruchkante zwischen den Zeilen 2 und 3 ein schwarzer Strich erhalten ist, der wie ein supralinearer Abstrich aussieht. Sollte das korrekt sein, müsste vor m(w)t m(w)t.t wenigstens ein schwarz geschriebenes Wort gestanden haben. Dies würde nach sich ziehen, dass (a) das Rubrum von Zeile 1 nicht dasselbe ist wie das von Zeile 2, dass (b) ein Gottesname gestanden hat, der innerhalb von Rubra gelegentlich schwarz geschrieben wurde (vgl. pars pro toto etwa im pEbers die Rezepte Eb 242, 243, und 856a) oder (c) dass aus irgendeinem anderen magischen Grund ein Wort oder Wortteil schwarz geschrieben war (so bspw. Gardiners Erklärung zur schwarzen Schlange in pd’Orbiney 1,8 in ḥḏ-tꜣ [A.H. Gardiner, Late-Egyptian Stories, Bibliotheca Aegyptiaca 1 (Bruxelles), 10.9, Anm. d zu Zeile 1,8 – allerdings in diesem konkreten Fall wenig überzeugend, da der Schreiber an anderen Stellen dieses Textes kein Problem hatte, ḥḏ-tꜣ komplett rot zu schreiben]).

27 Vor m(w)t ist noch die untere Hälfte eines Feindklassifikators erhalten, so dass davor ḫft.j, ḏꜣ.y o.ä. gestanden hat.

28 n=k: Lesung mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 36.

29 nḥm: Ob in der Lücke ein „ihn“ oder „mich“ gestanden hat – sofern es nicht in einem ganz anderen Kontext steht –, hängt u.a. davon ab, wo die wörtliche Rede endet, die in Zeile 8,3 beginnt.

30 Syntaktisches Verhältnis aufgrund der Zerstörungen unklar.

31 Lesung mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 36 und 173. An der linken Abbruchkante des Papyrus dürfte allerdings eher der Beginn von ḥmw.t-rʾ stehen als ein Schilfblatt.

32 Lesung mit A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 36 und 173. Er erwägt, zu w[jꜣ n Rꜥ] zu ergänzen: „[barca die Ra ?]“.

33 Die Verso-Kolumnen sind zwischen 10 und 11 Zeilen lang. Daher liegt auch hier mit der 11. Zeile vermutlich die letzte dieser Kolumne vor. Außerdem befindet sich auf der Vorderseite dieses Fragments der Beginn des Recto-Textes mit einem davorgesetzten Schutzstreifen. Die aktuelle Kolumne wird daher die letzte der Verso-Seite gewesen sein.