Oracular Amuletic Decree T3 (Papyrus Turin Cat. 1985)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
OAD T3
Aufbewahrungsort
Europa » Italien » (Städte Q-Z) » Turin » Museo Egizio
Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus war Teil der Sammlung Drovetti (Edwards 1960, 51), die der aus dem Piemont stammende Diplomat während seiner Zeit als Generalkonsul für Frankreich ab 1803 in Ägypten zusammengetragen hatte. Die Sammlung wurde nach Verhandlungen in den Jahren 1822–1824 im Januar 1824 im Auftrag des Großherzogs der Toskana (Ferdinand III.) und unter Bewilligung von König Carlo Felice (d.h. Carlo Felice Giuseppe Maria, 1821 bis 1831 König von Sardinien) für das Museo Egizio angekauft (zu den Erwerbsumständen s. Ministero della pubblica istruzione 1880, XII–XIII und Botti 1921, 131–132).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Leider wurde die Herkunft der Antiken von Drovetti nicht dokumentiert, doch konzentrierte sich sein Wirken in erster Linie auf den thebanischen Raum, so dass vor allem bei dem Papyrus-Konvolut der Drovetti-Sammlung eine Herkunft aus Theben nicht unwahrscheinlich ist.

Edwards (1960a, xiii) geht von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den im Text genannten Göttern festmacht. Die orakelgebenden Götter sind Mut, die Herrin von Ischeru, Chons von Theben-Neferhotep, Month-Re, der Herr von Theben, Maat, die Tochter des Re, Chnum und Amun, Chons, das Kind, Amaunet, die inmitten des Ipet-sut ist, sowie Chons-Amenemope. Die genannten Götter sind alle mit Theben eng verbunden und die genannten Kultstellen sind in Karnak zu lokalisieren.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960a, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Der Name der Mutter des Amulettbesitzers, Nestaatmut „Sie erscheint im Haus der Mut“ liefert ebenfalls einen Hinweis auf die Datierung, da der Bestandteil ꜥ.t „Kammer, kleines Haus (Wb 1, 160.1–13) erst ab der 3. Zwischenzeit in dieser Form in Namen belegt ist (Thirion 1994, 185). Dies passt zur paläographischen Einordnung der Texte.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Die orakelgebenden Mut, die Herrin von Ischeru, Chons von Theben, Neferhotep, Month-Re, der Herr von Theben, Maat, die Tochter des Re, Chnum und Amun, Chons, das Kind, Amaunet, die inmitten des Ipet-sut ist, sowie Chons-Amenemope, versprechen dem Besitzer des Amuletts, Meshor („Den Horus geboren hat“, Thirion 1995, 185; 1994), Sohn von Nestaatmut („Sie erscheint im Haus der Mut“ Thirion 1994, 185), und Penimen („Der von Amun“, Thirion 1991, 224) Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrunde liegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau – Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44).

Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960a, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß 2019, 26–36). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Papyrus ist in seiner vollständigen Länge erhalten, doch ist der Text zu Beginn (Z. 1–17) und ebenfalls im unteren Bereich (Z. 76–87) durch Insektenfraß stark beeinträchtigt.

Der Papyrusstreifen hat eine Länge von 107 cm und eine Breite von 5,5 cm. Die Bezeichnungen „Recto“ und „Verso“ werden von Edwards auf den Text bezogen, was bei diesem Text dazu führt, dass er das papyrologisch definierte Verso als „Recto“ bezeichnete. Der Text beginnt also auf dem Verso und wird auf dem Recto fortgesetzt und zwar, nachdem der Schreiber den Papyrusstreifen über die Längsseite gedreht hat, sodass der Textbeginn auf der Rückseite auf dem Textbeginn der Vorderseite zu liegen kommt. Im hier vorliegenden Text ist auf dem Recto nur die Schlussformel notiert. Zur Herstellung eines solchen Amulettpapyrus musste eine Papyrusrolle oder ein Teil einer Rolle der Länge nach in schmale Streifen geschnitten werden.

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem gut lesbaren, leicht kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 51; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Der Papyrus findet im Jahr 1882 im Generalkatalog des Museums Turin eine Erwähnung (Fabretti et. al. 1882, 259).

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a+b), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus Turin Cat. 1985. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle T3 aufgenommen (Edwards 1960a, 73–76; Edwards 1960b, Taf. 27–29). Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Fabretti et. al. 1882: A. Fabretti et. al. Regio Museo di Torino. Antichità egizie. Vol. 1: Catalogo generale dei musei di antichità e degli oggetti d’arte raccolti nelle gallerie e biblioteche del Regno 1.1. Torino 1882, 259.

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 73–76.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 27–29.

Literatur zu den Metadaten

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014) (24.10.2019).

 - Botti 1921: G. Botti, La collezione Drovetti e i papiri del R. Museo Egizio di Torino, in: Rendiconti della Reale Accademia dei Lincei, classe di scienze morali, storiche e filologiche: serie quinta 30 (11–12), 1921, 128–135, 143–149.

 - Bourriau - Ray 1975: J. D. Bourriau - J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61, 1975, 257–258.

 - Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46, 2017, 55–100.

 - Jacquet-Gordon 1960: H. J. Jacquet-Gordon, The Inscription on the Philadelphia-Cairo Statue of Osorkon II, in: JEA 46, 1960, 12–23.

 - Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20, 1963, 31–33.

 - Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l'Institut de Papyrologie et d'Égyptologie de Lille 9, 1987, 31–32.

 - Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l'Institut Français d'Archéologie Orientale 118, 2018, 233–239.

 - Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman - R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

 - Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 247–253.

 - Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt‘s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

 - Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

 - Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Thirion 1991: M. Thirion. Notes d’onomastique. Contribution à une révision du Ranke PN (sixième série), in: Revue d Égyptologie 42, 1991, 223–240.

- Thirion 1994: M. Thirion. Notes d’onomastique. Contribution à une révision du Ranke PN (Neuvième série), in: Revue d Égyptologie 45, 1994, 175–188. 

- Thirion 1995: M. Thirion. Notes d’onomastique. Contribution à une révision du Ranke PN (Dixième série), in: Revue d Égyptologie 46, 1995, 171–186.

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99, 2013, 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree T3 (pTurin Cat. 1985)

Recto und Verso

[rto 1] [(In göttlicher Weise) gesprochen hat Mu]t, die Große, die Herrin von Asche⸢ru⸣, [diese] große [Götti]n;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat [Chons in Theben, Neferhotep, dieser große] Gott, der Älteste, der zuerst entstandenen ist;
[(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Mon]th-[Re, der Herr von] ⸢Theben⸣;
[(und in göttlicher Weise) gesprochen haben Maat, die Tochter des Re] [rto 5], (sowie) Chnum (und) Amun1;
[(und in göttlicher Weise) gesprochen] hat Chons, das [Kind, der Große, der Älteste, der Erst(geboren)e des] Amun;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Amaunet, die Große, die Älteste, die 〈in〉mitten des ⸢Ipet-sut⸣ ist;2
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons-Amen[emope], (also) die großen Götter, die ⸢Ältesten⸣, die ⸢zuerst⸣ [entstanden sind]:3

Wir werden Meshor beschützen, [rto 10] [dessen Mutter] Nestaatmut ist, (und) den man Sohn des Penimen nennt, unseren Diener (und) unseren Zögling. Wir werden ihn gesund erhalten an seinem Fleisch (und) an seinem Skelett. Wir werden seinen Mund öffnen, um zu essen [und zu] [rto 15] [trink]en. Wir werden veranlassen, dass [er iss]t, [um zu leben]4Wir werden veranlassen, dass er trinkt, um ge[sund zu sein].5 [W]ir werden veranlassen, dass er vollständig gesättigt ist (wörtl. gesättigt ist (mit) jeder Sättigung) [an] einem ⸢schönen⸣ [Leb]en auf ⸢Erden⸣.

[W]ir werden seine Träume gut machen (wörtl. 〈zu〉 etwas Gutem machen) oder [rto 20] die (Träume), die ein anderer oder eine andere für {dich} 〈ihn〉 sieht, gut (machen) (wörtl. zu etwas Gutem machen).
Wir werden ihm ihre (der Träume) gute Absicht zusagen (wörtl.: machen) oder: bestätigen (wörtl. 〈tatsächlich〉 machen = zustimmen)6Wir werden für ihn ihre (der Träume) schlechte (wörtl. zweitrangige) (und) [...] Absicht aufheben/ablehnen.

1 Chnum (und) Amun (H̱nm(.w) Jmn): Edwards, HPBM 4, Bd. 2, 73 u. 76, liest hier Chnum-Amun, was als einer von zwei Belegen Eingang in das Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen gefunden hat (LGG VI, 28b). Tatsächlich sind beide Götternamen mit dem Falken auf der Standarte (G7) als solche klassifiziert, so dass kein Grund vorliegt, in dieser Auflistung verschiedener Götter nicht von den beiden Göttern Chnum und Amun auszugehen.

2 rto 1–6: Ergänzungen nach rto 102–109.

3 Ergänzung nach rto 110–112. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 73) liest „Khons-Amun [the greatest god] of the great gods, the eldest who were the first [to come-into-existence]“, doch ist nach der Parallele am Ende des Textes klar Chons-Amen(em)ope geschrieben, so dass man auch hier davon ausgehen sollte. Allerdings reicht der Platz am Ende der Zeile nur für die Schreibung des Götternamens und nicht mehr für pꜣj nṯr ꜥꜣ, für das der zur Verfügung stehende Platz insgesamt bereits sehr knapp gewesen wäre, vgl. hierzu die gut erhaltenen Schreibungen des Epithetons in den Zeilen rto 105, 106 u. 110 sowie die Länge der Phrase nꜣ nṯr.w ꜥꜣ in der folgenden Zeile. Hieraus ergibt sich, dass die zum Schluss genannten Götter nicht als Bestandteil eines Epithetons von Chons-Amenemope, sondern vielmehr als zusammenfassende Nennung aller zuvor genannten Götter zu betrachten sind, was in der deutschen Übersetzung schwer in den Satz zu integrieren ist.

4 [um zu leben] ([r ꜥnḫ]): Ergänzung nach pTurin Cat. 1985 (T2), rto 8–9.

5 Vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 9–10.

6 zusagen oder bestätigen (jri̯): Die Schreibung von jri̯ ist bemerkenswert, da es mit dem Elefantenzahn (F18) und dem Mann mit der Hand am Mund (A2) klassifiziert ist. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 73–74 [9]) verweist auf die Schreibung von „ja“ (jri̯ tjw: Wb 5, 242.5) und schlägt „affirm“ vor. In späteren hieratischen Texten ist dieser Ausdruck in der Schreibung mit F18-A2 belegt, so zum Beispiel im pLondon BM EA 10730 (L7), 54 und außerhalb der Oracular Amuletic Decrees in der Geschichte des Wenamun (Papyrus Moskau 120 rto 1,5 und 2,32; Schipper, Wenamun, 44 [18] u. 77 [225]; vgl. Lesko, Dictionary, 43). Die in diesem Text vorliegende Schreibung muss allerdings, wenn man von jri̯ tjw ausgeht, als sehr verkürzt bezeichnet werden. Die Gruppe F18-A2 steht darüber hinaus generell bei Verben, die eine Tätigkeit mit dem Mund ausdrücken, sei es konkret wie beispielsweise „beißen“ (pzḥ: Wb 1, 550.1–10; vgl. rto 85–88) oder „kauen“ (wšꜥ: Wb 1, 370.6–13) aber auch bezogen auf verbale Äußerungen aller Art (z.B. sbḥ „schreien“: Wb 4, 90.11–18). Insofern könnte es sein, dass der Schreiber durch die Klassifikation die Bedeutungsvielfalt des Verbs jri̯ im Sinne des spezifischen Kontextes einschränken bzw. anpassen wollte, vgl. hierzu Lincke, Prinzipien der Klassifizierung, 93–110. Dann wäre eine Übersetzung mit „bestätigen“ eigentlich etwas zu schwach, da eine Bedeutung wie „durch mündliche Aktivität machen“ im Sinne von „durch sprachliche Äußerung verwirklichen“, d.h. „zusagen/bestimmen“ besser passen würde. An welche Option der Schreiber tatsächlich gedacht hat, ist letztendlich nicht zu entscheiden und lässt sich auch durch andere Textzeugen nicht weiter eingrenzen.

[rto 25] Wir werden ihn schützen vor der srf-Hautkrankheit (und) der rmn.t-Krankheit, vor jeder Infektion, vor jedem šmm-Fieber (und) vor jeder Bitterkeit. Wir werden ihn schützen vor einem Kopfekzem, vor Hautflechte, vor einer bsbs-Schwellung (?) [rto 30] (und) vor einem schlimmen ḫnt-KatarrhWir werden [ihn schützen] vor (Krankheits-)Leid des Kopfes, vor Migräne (wörtl. Schläfenseite) (und) vor der ṯrrw-Krankheit der Nasenlöcher. Wir werden ihn bewahren vor (männlichem) ḫꜣj.w-Leiden, vor (weiblichem) ḫꜣ.t-Leiden (und) vor der šnb-KrankheitWir werden ihn bewahren [rto 35] vor Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Augenverletzungen (und) vor dem Wirken des Udjat-(Auges), während seiner (gesamten) Lebenszeit. 

Wir werden ihn bewahren vor dem Einstürzen eines Hauses (und) vor der Verwüstung (wörtl. Zerstampfen, Zerstören) eines Gewittersturms. Wir werden ihn beschützen {vor} 〈am〉 Uferdamm [rto 40] (und auf) dem Schiff, auf dem Wagen (und) 〈vor〉 jeder Einwirkung bei einer, die er unternehmen sollte. Wir werden für ihn Schutz (und) Protektion der Glieder gewähren 〈an〉 jedem Ort (und) jedem Sanktuar (?), zu dem er gehen sollte. Wir werden ihn retten [rto 45] aus der Hand der Götter des südlichen Ackerlandes (und) aus der Hand der Götter des nördlichen 〈Ackerlandes〉Wir werden ihn retten aus der Hand der Götter des Ackerlandes von Behedet (Edfu). Wir werden ihn retten 〈aus der Hand〉 des Falken von Nechen (Hierakonpolis) [rto 50] (und) dieser Nubierin (von) Necheb (Elkab). Wir werden ihn retten aus der Hand des Wildlöwen der Bastet, der vom Blut der Rechit-Leute lebtWir werden {sie} 〈ihn〉 retten aus der Hand der Meerkatze, [rto 55] die das 〈Haus〉 des Udjat-Auges kontrolliert, (und) des Pavians, der das 〈Haus〉 des Udjat-Auges kontrolliert. Wir werden ihn schützen vor dem Hieb (wörtl. Schlagen) eines Schwertes (und) vor dem Stoß (wörtl. Schlagen) einer Lanze/eines Speers.

Wir werden veranlassen, dass jeder Gott [rto 60] (und) jede Göttin, die er konsultieren sollte (wörtl. vor die er treten sollte), zu seinen Gunsten urteilt. Wir werden ihm das Recht7 geben 〈beim〉 Gericht der Götter (und) 〈bei〉 den Gerichten der Menschen. Wir werden jeden Mann (und) jede Frau töten, die schlecht [rto 65] über ihn vor einem Gott, vor Menschen (und) vor jeder Person jeglicher Art reden sollte. Wir werden jeden Gott, jede Göttin, jeden Menschen (und) jede Person jeglicher Art ruhig sein lassen für ihn.

Wir werden ihn schützen ⸢vor⸣ jeder bꜣ.w-Macht [rto 70] von Amun, Mut, Chons, Pre, Ptah, Jah, Thot, Osiris, Min, Isis von Koptos, der großen Götter des Himmels und der ⸢Erde⸣. Wir werden ihn schützen vor ihrer (der Götter) [rto 75] bꜣ.w-Macht (und) dem, was sie verabscheuen (wörtl. ihrem Abscheu/Tabu). Wir werden ihn schützen vor Mord (und) vor Massaker. Wir werden ihn schützen vor (Schadens-)Zauber eines Syrers, vor (Schadens-)Zauber [rto 80] eines Nubiers, vor (Schadens-)Zauber eines [Menschen] (aus) Ägypten, vor geschriebenem (Schadens-)Zauber, (und) vor rezitiertem (Schadens-)Zauber. Wir werden ihn schützen vor (Schadens-)Zauber eines Beduinen. Wir werden ihn schützen vor dem Biss [rto 85] eines Krokodils, vor dem Biss einer [Sch]lange, [vor] dem Stich eines Skorpio[ns], vor dem Biss eines Gifttiers (und) jedes Ungeziefers/Gewürms (sowie) vor jeder -Schlange, die beißt. Wir werden ihn beschützen. [rto 90] Wir werden (uns) für ihn einsetzen. Wir werden ihn bereichern (Schätze anhäufen). Wir werden ihn ausstatten. Wir werden ihn behüten. Wir werden ihn beschützen. Wir werden seinen ḏꜣḏꜣ-Kopf gesund erhalten. {Ich} 〈Wir〉 werden sein Auge gesund erhalten. [rto 95] Wir werden nicht zulassen, dass er gebracht wird (?) gegen? seine Zunge, seine Hand (und) {ihre} seine Schamgegend (?).8 Wir werden ihn ausstatten (mit) Vieh, Dienern, Gerste, Emmer, Gold, Silber, Kupfer, Kleidung, [rto 100] Rindern, Ziegen (und) mit allerlei von jeder Art, das die Menschen gut 〈befinden〉9.

(In göttlicher Weise) gesprochen hat Mut, die Große, die Herrin von Ascheru, diese 〈große〉 Göttin;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons in Theben, Neferhotep, [rto 105] dieser große Gott;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Month-Re, der Herr von Theben, dieser große Gott;
(und in göttlicher Weise) gesprochen haben Maat, die Tochter des Re, (sowie) Chnum (und) Amun;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons, das Kind, der Große, der Älteste, der Erst(geboren)e des Amun;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Amaunet, die Große, die Älteste, die 〈in〉mitten des Ipet-sut ist;
[rto 110] (und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons-Amen(em)ope, dieser große Gott, (also) die großen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind:

Wir werden alles machen, was auf diesem Orakel (geschrieben) ist, für Meshor, dessen Mutter Nesta(atmut) ist, (und) [rto 115] den man Scherinipenimen (Sohn des Penimen) nennt, und ferner das, was man vergessen hat, und ferner das, was man nicht aufgenommen (wörtl. gemacht) hat, und ferner, das, was rezitiert wurde, [vso 1] wobei man es nicht aufgenommen (wörtl. gemacht) hat: 〈Es〉 entspricht dem, was im ? täglich vorliegt. So haben wir, die [vso 4–5] großen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind, gesprochen.

7 das Recht (pꜣ mꜣꜥ): Edwards hat offenbar diese Stelle zu mꜣꜥ.t emendiert. Er übersetzt kommentarlos „declare right“ (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 75) und im Index findet man die Stelle unter mꜣꜥ.t (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 123). Er geht offenbar davon aus, dass die Tendenz, die feminine Endung nicht zu schreiben, hier den Schreiber veranlasst hat, den falschen Artikel zu schreiben. Doch könnte es für diese Formulierung auch eine andere Erklärung geben? Für ein Substantiv mꜣꜥ „Recht“ konnte ich – auch im juristischen Kontext – keine weiteren Anhaltspunkte finden. Möglicherweise handelt es sich aber um einen substantivierten Infinitiv. Im Demotischen kann das Verbum mꜣꜥ ganz konkret ein nach Aktenlage bzw. durch Prozess geklärtes „im Recht sein“ bzw. „Recht haben“ bedeuten, s. EDG 149; CDD M, 25; Lippert, Ein demotisches juristisches Lehrbuch, 63.

8 Dieses Versprechen ist schwierig zu verstehen und scheint irgendwie korrupt zu sein, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 75–76 [54–55]. Die Lesung von jni̯ sw ist recht deutlich, doch ist nicht zu verstehen, wer oder was zu oder gegen die aufgezählten Körperteile gebracht werden soll und wer diese Handlung vornimmt. Zudem ist mit dem letztgenannten Köperteil, das nach Edwards als k(n)s (Wb 5, 134.7–8; MedWb 907) zu identifizieren ist, deutlich, dass der Schreiber an dieser Stelle durcheinandergekommen sein muss. Die Schreibung ist seltsam für k(n)s und der Begriff bezeichnet zudem ausschließlich die weibliche Schamgegend. Dadurch erklären sich auch die doppelt gesetzten Suffixpronomen, da anzunehmen ist, dass der Schreiber automatisch das feminine Suffix geschrieben hat und dann, ohne den (Un-)Sinn weiter zu reflektieren, einfach das maskuline Suffix angefügt hat. Ungewöhnlich ist auch die Klassifikation durch die Haarlocke (D3), die eher an eine Schreibung von gs „trauern“ (Wb 5,191) denken lässt, was im vorliegenden Kontext allerdings ebenfalls unpassend wäre. Da es in den anderen Textzeugen kein vergleichbares Versprechen gibt, ist eine bessere Deutung nicht möglich.

9 das die Menschen gut 〈befinden〉 (n.tj rmṯ.pl (ḥr) 〈ḏd〉 nfr jm =w): Ergänzungsvorschlag nach Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 76 [58].