Papyrus Brooklyn 47.218.48 + 47.218.85

Metadaten

Alternative Namen
Brooklyn Medical Papyrus Schlangen-Papyrus Traité d’ophiologie Trismegistos 58496
Aufbewahrungsort
Nordamerika » U.S.A. » (Städte A-Ch) » Brooklyn (NY) » The Brooklyn Museum

Inventarnummer: pBrooklyn 47.218.48 + 47.218.85

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde zwischen 1891 und 1896 von C. Wilbour angekauft, wobei die Hintergründe des Erwerbs unbekannt sind (O’Rourke 2015, 1). Aufgrund verschiedener Indizien, wie übereinstimmender orthographischer Besonderheiten, Verwendung teilweise gleicher, ansonsten bislang unbekannter Wörter oder teilweise identischer Handschrift, ist von einer gemeinsamen Herkunft der von C. Wilbour angekauften Papyri auszugehen. Im Jahre 1916 übergaben C. Wilbours Kinder neben seiner Sammlung an ägyptischen Objekten dessen ägyptologische Bibliothek sowie zahlreiche persönliche Dokumente an das Brooklyn Museum in New York. 1932 gründete C. Wilbours Sohn Victor den "Charles E. Wilbour Fund". Der Zweck dieser Stiftung war es, die ägyptische Sammlung des Museums beim Ankauf von Objekten finanziell zu unterstützen. Im Rahmen dessen übergab Miss Theodora Wilbour, die Tochter C. Wilbours, seine Papyri im Jahre 1947 ebenfalls an das Brooklyn Museum (Sauneron 1966–1967, 98; Sauneron 1968–1969, 109; Westendorf 1999, 51).

G. Posener inventarisierte den Papyrus 1952 unter der Inventarnummer pBrooklyn 47.218.48 und 85. Bis 1966 lagerte er im Papyrus-Magazin des Brooklyner Museums. S. Sauneron entrollte den Papyrus und montierte ihn in Glasrahmen (Guermeur 2012, 542; O’Rourke 2015, 1; Sauneron 1966–1967, 98, 100). Der Papyrus wird bis heute unter der genannten Kennung im Brooklyn Museum aufbewahrt, ist jedoch nicht Teil der Ausstellung.

Herkunft
(unbekannt)

Die exakten Fund- und Herkunftsumstände des zusammengehörigen Konvoluts der Brooklyner Papyri sind nicht bekannt bzw. nicht überliefert. S. Sauneron äußerte die Vermutung, dass sie aus einem Tempelarchiv stammen: "Although their place of origin is not yet known, we can now assume that most of these papyri came from the same source, undoubtedly a vase containing the scientific and religious archives of a temple or a sanatorium." (Sauneron 1968–1969, 109). Auf der Grundlage der internen textlichen Verweise auf Götter und Rituale, die mit Heliopolis und Memphis in Verbindung stehen, vermuten S. Sauneron und J.-C. Goyon eine lokale Zuordnung zum Tempelarchiv von Heliopolis (Sauneron 1970, VIII–IX; Goyon 1972, 13–16).

U. Verhoeven-van Elsbergen beobachtet bei ihrer paläographischen Untersuchung zum Papyrus Brooklyn 47.218.48 und 85, dass einige Zeichenformen, wie z.B. Gardiner T28, ausschließlich in der Region zwischen Abydos und Memphis belegt sind (Verhoeven-van Elsbergen 2001, 305), was den Herkunftsradius des Papyrus zumindest einschränkt und S. Saunerons Vermutung bekräftigt.

J. F. Quack äußert sich hinsichtlich einer Herkunft des Konvoluts der Brooklyner Papyri dagegen wie folgt: "Die angenommene Herkunft des Fundkomplexes aus Heliopolis stützt sich auf keinerlei positive Indizien, heliopolitanische Theologie in den religiösen Texten ist in der Spätzeit in ganz Ägypten verbreitet. Vor allem würden die Erhaltungsbedingungen in Heliopolis kaum den Fund derart vollständiger Rollen erlauben. Dagegen ist bekannt, daß Wilbour viel Material in Elephantine angekauft hat; gerade die medizinischen Texte würden auch gut zu den nachweislich in Elephantine gefundenen Papyri (heute in Berlin) passen." (Hoffmann – Quack 2007, 361, Anm. a). Zu den spätzeitlichen medizinischen Papyri, die auf der Insel Elephantine zutage gefördert wurden, siehe z.B. den Papyrus Rubensohn (Westendorf 1974, 247, 254).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 26. Dynastie

G. Burkard konstatiert, dass die Brooklyner Papyri aus einem Zeitraum um 1080–400 v. Chr. stammen, wobei die Mehrzahl in das 8.–7. Jh. v. Chr. zu datieren sei (Burkard 1980, 98). Über die Elephantine-Papyri sagt er aus, dass sie in der Hauptsache aus dem 9.–6. Jh. v. Chr. stammen (Burkard 1980, 96, 98). U. Verhoeven-van Elsbergen listet einige Papyri des Brooklyner Konvoluts auf, deren Datierung auf paläographischen Vergleichen beruht. Sie decken einen Zeitraum von der 22. Dynastie bis zum Anfang der Ptolemäerzeit ab (9.–4. Jh. v. Chr.) (Verhoeven-van Elsbergen 2001, 19).

S. Sauneron datierte den Papyrus 47.218.48 und 85 zunächst in die Zeit um das Ende der 30. Dynastie und an den Anfang der Ptolemäerzeit. Auf der Grundlage einer paläographischen Untersuchung von 50 Einzelzeichen bemerkte er die größtmögliche paläographische Nähe zum pBremner-Rhind sowie dem pBerlin 3008. Die von U. Verhoeven-van Elsbergen durchgeführten paläographischen Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift führten zu einer Neudatierung des Papyrus in die 2. Hälfte der 26. Dynastie (Leitz 1996, 382; Verhoeven-van Elsbergen 2001, 306). U. Verhoeven-van Elsbergens Arbeit konnte aufzeigen, dass die Mehrzahl der Einzelzeichen und Hieratogramme aus der Zeit der letzten Hälfte der 26. Dynastie stammen und demgegenüber lediglich vier Zeichenformen aus ptolemäischer Zeit sind (Verhoeven-van Elsbergen 2001, 305–306).

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

Der Papyrus lässt sich in zwei Abschnitte untergliedern:

Der erste ist das sogenannte "Schlangenbuch", innerägyptologisch gelegentlich auch unter dem französischen Namen "Traité d’ophiologie" zitiert. Die Eigenbezeichnung ist dmḏ.t ḥfꜣ.w wp.t dm.wt, etwa: "Schlangen-Handbuch und Bisswunden-Katalog" (Zeile 2,16). Dieser Text bietet eine in insgesamt 38 Kapitel (davon die ersten 13 nur in winzigen Fragmenten erhalten) unterteilte systematische Beschreibung verschiedener ägyptischer Schlangenarten unter Berücksichtigung von Namen, Aussehen, Größe, Farbe, besonderen Merkmalen, Lebensgewohnheiten, Fortbewegungsart, Aussehen der Bisswunden und Giftwirkung. Darüber hinaus werden Angaben zur Gefährlichkeit und der Giftwirkung des Tieres sowie Prognosen zu Behandlungsdauer und -verlauf gemacht. Interessant ist zudem, dass jede Schlange einer Gottheit zugeordnet wird. Einige Schlangen werden mit bis zu drei verschiedenen Namen betitelt (vgl. § 80), was man so interpretieren könnte, dass den "zoologischen" Namen auch mythologische und vielleicht alltagssprachliche zur Seite gestellt wurden (Sauneron 1989, 147, Anm. 1; Fischer-Elfert 1991, 230).

Für Untersuchungen der emischen, altägyptischen Taxonomie hervorhebenswert ist der Umstand, dass das letzte Kapitel keiner Schlange, sondern dem Chamäleon gewidmet ist (jüngste Untersuchung: Evans 2023 mit weiteren Argumenten für eine – gelegentlich angezweifelte – Identifizierung des Tieres mit dem Chamäleon). Die Zahl der Kapitel, und damit der Umfang des verlorenen Teils, ergibt sich aus ihrer expliziten numerischen Nennung am Ende des kleinen Handbuchs.

Das sich anschließende Sammelwerk ist eigentlich umfangreicher, aber in der Wahrnehmung des Textes weniger präsent. Es bietet ein "Handbuch zur Herstellung von Heilmitteln, (um) das Gift jeder männlichen Schlange, jeder weiblichen Schlange, jedes Skorpions, aller Spinnentiere (und) jedes (sonstigen) Gewürms zu extrahieren mit Hilfe des Magiers der (Göttin) Selket, und (um) jedes Gewürm zu vertreiben (sowie) ihren Mund zu versiegeln." (Zeile 2,17). Erhalten sind noch 60 Einzelrezepte und -sprüche (nach Saunerons Einteilung), die sich oft noch weiter unterteilen lassen. Wo ihr Anwendungsbereich konkret genannt wird, betrifft er nur Schlangenbisse und zeigt dadurch seinen thematischen Bezug zum ersten Teil des Papyrus; hieran zeigt sich die Komplementarität von scheinbar biologischen und medizinischen Texten des Alten Ägypten. Die in der Textüberschrift ebenfalls genannten Skorpione, Spinnentiere und das sonstige "Gewürm" erfahren im weiteren Verlauf des Textes keine weitere Erwähnung. Entweder folgten sie erst im heute verlorenen Teil des Papyrus, oder der Schreiber hat die Überschrift mechanisch aus einer thematisch breiteren Vorlage übernommen, sich selbst aber beim Kopieren auf Rezepte gegen Schlangen beschränkt. Als Symptome von Schlangenbissen werden Schmerzen, Schwellungen, Blutungen, Fieber, Schwächeanfälle sowie Zittern und Krämpfe genannt. Dabei werden sowohl medizinische Behandlungsmethoden als auch magische Praktiken als Heilungsmaßnahmen durchgeführt.

Der formale Aufbau des Papyrus spricht dafür, dass es sich beim ersten Textteil um Auszüge aus ehemaligen Lehrtexten (šsꜣ.w) handelt, während der zweite Abschnitt an die Therapieteile dieser Lehrtexte erinnert (Westendorf 1999, 51–52). Die Struktur der Rezepte entspricht ganz derjenigen älterer medizinischer Texte mit Überschrift (oft ein knappes k.t: "ein anderes"), gefolgt von einer meist mit Mengenangaben versehenen Drogenliste (darin wie in den älteren medizinischen Texte Hohlmaße verwendend und keine Gewichtsangaben) sowie kurzen Verarbeitungs- und Applikationsanweisungen. Direkte Parallelen zu älteren medizinischen Texten lassen sich nicht erkennen, was aber daran liegt, dass diese aus unbekannten Gründen den Bereich der Schlangenbisse generell aussparen.

Die magischen Sprüche enthalten, wie für diese Texte üblich, kurze Historiolae sowie Rezitationsanweisungen.

Ursprünglicher Verwendungskontext

S. Sauneron vermutet, dass der Papyrus einst Bestandteil eines großes Tempelarchivs gewesen ist (Sauneron 1968–1969, 109). Als potenziellen Benutzer dieses Nachschlagewerkes nennt H.-W. Fischer-Elfert den ḫrp-Srq.t: "Skorpionmeister(er)", zu dessen Aufgabengebiet wohl auch das Behandeln und Heilen von Schlangenbissen gehört (Fischer-Elfert 1991, 230).

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Es handelt sich um zwei zusammengehörige, aber getrennt verkaufte Papyrusfragmente (Westendorf 1999, 51). Das obere Fragment (pBrooklyn 47.218.48) ist 1,47 m lang und 27 cm hoch. Der dazugehörige untere Teil (pBrooklyn 47.218.85) misst 1,75 m in der Länge und 27 cm in der Höhe. Der Längenunterschied von 28 cm ergibt sich aus der Tatsache, dass der Anfang des oberen Fragments nicht erhalten ist. Insgesamt besteht der Text aus 12 Blättern, wobei der Abstand zwischen den jeweiligen Blattklebungen rund 16 cm beträgt. Eine Textseite besteht aus zwei geklebten Papyrusblättern von 32,5 cm Länge. Eine Seite weist 25–29 Textzeilen auf. Die Rückseite des Papyrus ist unbeschriftet.

Schrift
Hieratisch

Die Leserichtung verläuft von rechts nach links. Der Haupttext ist in schwarzer Tinte verfasst. Im ersten Textteil sind die Kapitelanfänge, und damit die Namen der jeweils besprochenen Schlangen, rot geschrieben. Im zweiten Teil entspricht die Verteilung der Rubra anderen medizinischen und magischen Texten: Rot geschrieben sind Überschriften, Mengenangaben und die Einleitungen der Rezitationsanweisungen.

Paläographisch liegt ein geübtes Späthieratisch vor (s. Fischer-Elfert 1991, 229); auch orthographisch lassen sich Merkmale späterer Sprach- bzw. in diesem Falle Schriftphasen feststellen, namentlich bspw. die Schreibung von (n)ḥḥ: "Million, unendlich" durch den doppelten Elefantenzahn. Die Schreibung von srf: "Wärme" in der Formel m srf n ḏbꜥ: "„hand-/lauwarm" teilt dieser Papyrus mit dem ebenfalls saitenzeitlichen pRubensohn (vgl. den Kommentar zu § 46b).

Eher eine Idiosynkrasie des Schreibers stellt dagegen vielleicht die Vervielfachung des Dja-Maßes durch Doppelsetzung und in einem Fall (§ 46j) sogar Dreifachsetzung des einfachen Dja (𓂆) dar, statt das Zeichen für das jeweils gemeinte Vielfache des Dja-Maßes zu wählen. Eine Verdopplung lässt sich zwar zwei Mal auch in älteren medizinischen Texten finden (s. von Deines – Grapow – Westendorf 1973, 2), doch ist das Zeichen in diesen Fällen nebeneinandergestellt, während der Schreiber des Brooklyner Textes es übereinander setzt. – Zur Graphie der Gruppe ḥfꜣ.w nb.t ḥfꜣ.t nb s. auch den Kommentar zur Sprachstufe.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Soweit sich grammatische Eigenheiten erkennen lassen, lässt sich  der Text als eher mittelägyptisch beschreiben: Die an wenigen Stellen vorkommenden Ordinalzahlen werden auf ältere Weise (2.nw, etc.) gebildet und nicht auf jüngere Weise (mḥ-2, etc.). Im zweiten Teil ist eine der auffälligsten Abweichungen vom Formular der älteren Texte die Verwendung von ḥnꜥ zur Fortsetzung von Verben; doch auch in diesem Fall ist die Syntax eher mittelägyptisch. Pseudoverbale Konstruktionen mit pronominalem Subjekt werden mittelägyptisch gebildet (m=k wj ḥr sḏm) statt neuägyptisch (ptr tw=j ḥr sḏm), s. § 80b. Nur höchstens vier Fälle periphrastischer Verbalformen jri̯=f sḏm lassen sich feststellen (in jedem Textteil zwei) – wobei zwei davon bei znf: "bluten" (§§ 31 und 36) und eines bei kꜣp: "räuchern" (§ 64b) auftreten, bei denen auch jri̯ als Vollverb mit folgendem substantivischen direkten Objekt vorliegen könnte. Zweimal findet sich die versteinerte Partikel mk anstelle eines produktiven m=k, erkennbar daran, dass an dieser Stelle (§ 79b) Isis angesprochen wird, was bei noch produktiver Form ein m=ṯ erfordern würde.

Bei den vielen indirekten Genitiven ist i.d.R. schwer bis unmöglich zu entscheiden, ob die noch produktive mittelägyptische Form oder die nicht mehr kongruierende spätere Form vorliegt. In den meisten Fällen steht ein einfaches n, was bei einem maskulinen Nomen regens natürlich das eine wie das andere sein kann. Bei femininen und pluralischen Bezugswörtern kommt ebenfalls oft das einfache n vor, gelegentlich aber auch eine kongruierende Form. Es bedürfte näherer Detailuntersuchungen, um die Frage zu klären, ob das ein rein graphisches Phänomen ist, oder ob sich an dieser Varianz vielleicht sogar verschiedene Quellen mit verschiedenen Sprachschichten ablesen ließen. Das Relativpronomen n.tj steht in den wenigen Bezeugungen im Text stets hinter maskulinen Bezugswörtern, so dass sich nicht ablesen lässt, ob es eine noch veränderliche Form ist oder nicht. Bei dem Quantifikator nb scheint die Setzung oder Weglassung der t-Endung eine rein graphische Erscheinung zu sein, deutlich erkennbar an der häufigen Formulierung ḥfꜣ.w nb.t ḥfꜣ.t nb, wo die Schreibung geradezu konträr zur grammatisch korrekten Form steht und das t an erster Stelle als reiner Raumfüller dient, während es im zweiten Fall umgekehrt aus Platzgründen weggelassen wurde.

Von diesem allgemeinen Eindruck abgesehen, lassen sich nur sehr wenige neuägyptische Einschläge konstatieren: Verwendung des Objektspronomen tw=k in 2,21 und die neuägyptische Imperativbildung mj-n in § 80b (gleichzeitig ebenda mittelägyptische Satzkonstruktionen, s. vorigen Absatz!).

Ebenfalls in § 80b findet sich einmalig die Konstruktion wn NP ḥr sḏm. Diese wirkt zunächst wie ein neuägyptisches Präsens I mit Präteritalkonverter, ist aber wohl die auch in spätmittelägyptischen und sog. ptolemäischen Texten belegte, eher narrative Konstruktion mit einem "valeur ponctuelle" (s. Vernus 1982, 87–88, ferner Junker 1906, 118, § 156 und Engsheden 2003, 205–251, 254–256, wobei Letzterer auch auf Edel 1955 und 64, § 931, also altägyptische Konstruktionen, verweist). Auch die fehlende Differenzierung in der Schreibung der Negation n(n) dürfte ein Einschlag dieser späten mittelägyptischen Sprachphasen sein.

Bearbeitungsgeschichte

S. Sauneron studierte den Papyrus zwischen Oktober und November des Jahres 1966 und erneut im September 1968 (Sauneron 1968–1969, 110). Bis zu seinem Tod im Jahre 1976 durch einen Autounfall arbeitete er an der Edition des Textes, die allerdings erst postum veröffentlicht wurde (Sauneron 1989). Zu diesem Zweck war sein Manuskript von S. Cauville und D. Devauchelle gegengelesen und von Saunerons Frau abgetippt worden. G. Posener hat die hieroglyphische Transliteration überprüft und minimal modifiziert, und J. Yoyotte sowie B. Midant-Reynes haben einige bibliographische Referenzen geprüft. J.-P. Corteggiani hat ferner zunächst die durchgängige hieroglyphische Transkription für die Tafeln angefertigt; aber nachdem kurz vor Fertigstellung die von Sauneron bereits vorbereiteten Tafeln gefunden wurden, wurde entschieden, diese zu übernehmen und Poseners Änderungen darin einzuarbeiten. Am Ende hat Corteggiani die Publikation erneut geprüft, bevor sie beim IFAO in Druck ging. Der frühe Tod Saunerons und diese komplexe Redaktionsgeschichte des Manuskripts sind bei der Beurteilung von gelegentlichen Uneinheitlichkeiten in Transkription und Übersetzung sowie einer des Umfangs der Kommentierung zu berücksichtigen.

Die in ihrer Ausführlichkeit und Umfang bislang einmalige lexikonhafte Beschreibung verschiedener Schlangenarten (plus des Chamäleons) hat dazu geführt, dass der erste Teil des Papyrus im Zentrum aller ausführlicheren Studien zu Schlangen im Alten Ägypten steht, angefangen nicht zuletzt bei Sauneron 1989 selbst, über Leitz 1996 und 1997 und Brix 2010 bis hin zu jüngeren Einzelstudien wie dem schon erwähnten Aufsatz Evans‘ 2023.

Die komplexe Editionsgeschichte findet quasi ihre Fortsetzung in der Aufbereitung des Textes für den Thesaurus Linguae Aegyptiae und damit auch für die vorliegende Science-Website: K. Stegbauer fertigte im Jahr 2005 eine Transkription und Basisübersetzung an, die aus verschiedenen technischen Gründen nicht bis zur Publikationsreife fortgeführt werden konnte. Zwischen 2012 und 2014 hat F. Feder begonnen, diese Daten zu überarbeiten und zu aktualisieren, hat sie namentlich mit Kommentaren versehen (in der folgenden Übersetzung explizit mit „(FF)“ gekennzeichnet), nachlemmatisiert und bis etwa § 68 die Übersetzung nachbearbeitet. Erneut mussten die Arbeiten daran aus arbeitsorganisatorischen Gründen unterbrochen werden. Von Oktober 2022 bis März 2023 hat L. Popko die Daten soweit fertiggestellt, dass sie auf den beiden Publikationsplattformen veröffentlicht werden konnten (Nachträge zu F. Feders Kommentaren sowie gänzlich neue Kommentare). Dabei wurden Stil und Wortwahl der teilweise bearbeiteten Übersetzung nur dann abgewandelt, wenn es die Vereinheitlichung des Manuskripts nötig machte und wenn neu hinzugekommene lexikographische oder grammatische Untersuchungen die ursprüngliche Bearbeitung ausschlossen. Kommentare wurden nur dort hinzugefügt, wo es für das abweichende Textverständnis nötig erschien; eine ausführliche Kommentierung sowie Zusammenfassung des Forschungsstandes speziell zu den Schlangenbezeichnungen und der Taxonomie konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden.

Editionen

- Bardinet 1995: T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique. Traduction intégrale et commentaire, Penser la médecine (Paris 1995), 523–546.

- Sauneron 1989: S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum Nos 47.218.48 et 85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989).

- Stegbauer 2010: K. Stegbauer, Das Brooklyner Schlangenbuch, in: B. Janowski – D. Schwemer (Hrsg.), Texte zur Heilkunde, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Neue Folge 5 (Gütersloh 2010), 274–298.

- Westendorf 1999: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 51–53, 251–275.

Literatur zu den Metadaten

- Brix 2010: N. P. Brix, Étude de la faune ophidienne de l’Égypte ancienne (Paris 2010).

- Burkhard 1980: G. Burkard, Bibliotheken im alten Ägypten, Überlegungen zur Methodik ihres Nachweises und Übersicht zum Stand der Forschung, in: Bibliothek. Forschung und Praxis 4,2, 1980, 79–115, hier: 96, 98.

- von Deines – Grapow – Westendorf 1973: H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Ergänzungen. Drogenquanten, Sachgruppen, Nachträge, Bibliographie, Generalregister, Grundriss der Medizin der alten Ägypter 9 (Berlin 1973).

- Edel 1955 und 1964: E. Edel, Altägyptische Grammatik, Analecta Orientalia 34 und 39, 2 Bände (Roma 1955 und 1964).

- Engsheden 2003: Å. Engsheden, La reconstitution du verbe en égyptien de tradition 400-30 avant J.-C, Uppsala Studies in Egyptology 3 (Uppsala 2003).

- Evans 2023: L. Evans, The Brooklyn Snake Papyrus: Why the Enigmatic kꜣrꜣ could be a Chameleon, in: Anthropozoologica 58 (1), 2023, 1–8.

- Fischer-Elfert 1991: H.-W. Fischer-Elfert, [Review:] S. Sauneron, Un traité egyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum Nos 47.218.48 et 85, Bibliothèque Générale 11 (Le Caire 1989), in: Enchoria. Zeitschrift für Demotistik und Koptologie 18, 1991, 229–234.

- Goyon 1972: J.-C. Goyon, Confirmation du pouvoir royal au nouvel an [Brooklyn Museum Papyrus 47.218.50], Bibliothèque d'Étude 52 (Le Caire 1972), 13–16.

- Guermeur 2012: I. Guermeur, À propos d’un passage du papyrus médico-magique de Brooklyn 47.218.2 (X+III,9 – X+IV,2), in: C.-M. Zivie-Coche – I. Geurmeur (Hrsg.), "Parcourir l’éternité". Hommages à Jean Yoyotte I, Bibliothèque de l'École des Hautes Études, Sciences Religieuses 156 (Turnhout 2012), 541–556, hier: 542.

- Hoffmann – Quack 2007: F. Hoffmann – J. F. Quack, Anthologie der demotischen Literatur, Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie 4 (Münster 2007), 361, Anm. a.

- Junker 1906: H. Junker, Grammatik der Denderatexte (Leipzig 1906).

- Leitz 1996: C. Leitz, Die Schlangensprüche in den Pyramidentexten, in: Orientalia 65, 1996, 381–427, hier: 381–382.

- Leitz 1997: C. Leitz, Die Schlangennamen in den ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse 6 (Stuttgart 1997).

- O'Rourke 2015: P. F. O’Rourke, A Royal Book of Protection of the Saite Period. pBrooklyn 47.218.49, Yale Egyptological Studies 9 (Yale 2015), 1–2.

- Sauneron 1966–1967: S. Sauneron, Some Newly Unrolled Hieratic Papyri in the Wilbour Collection of The Brooklyn Museum, in: The Brooklyn Museum Annual 8, 1966–1967, 98–102, hier: 98, 100, 102.

- Sauneron 1968–1969: S. Sauneron, The Wilbour Papyri in Brooklyn. A Progress Report, in: The Brooklyn Museum Annual 10, 1968–1969, 109–112.

- Sauneron 1970: S. Sauneron, Le papyrus magique illustré de Brooklyn. Brooklyn Museum 47.218.156, Wilbour Monographs 3 (Brooklyn 1970), VIII–IX.

- Verhoeven-van Elsbergen 2001: U. Verhoeven-van Elsbergen, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 19, 304–307.

- Vernus 1982: P. Vernus, Deux particularités de l’égyptien de tradition: nty ı͗w + présent 1; wnn.f ḥr sḏm narratif, in: Anon. (Hrsg.), L’Égyptologie en 1979: Axes prioritaires de recherches. Vol. 1, Colloques internationaux du Centre national de la recherche scientifique (Paris 1982), 81–89

- Westendorf 1974: W. Westendorf, Papyrus Berlin 10456. Ein Fragment des wiederentdeckten medizinischen Papyrus Rubensohn, in: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung (Ost-Berlin) (Hrsg.), Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Berliner Ägyptischen Museums, Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung 8 (Berlin 1974), 247–254, hier: 247, 254.

- Westendorf 1999: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 51–53.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko; Dr. Katharina Stegbauer; Dr. Frank Feder
Autoren (Metadaten)
Dr. Lutz Popko
Mitwirkende (Metadaten)
Billy Böhm, M.A.

Übersetzung und Kommentar

Teil 1: Schlangenhandbuch mit einem Bisswundeninventar (§ 1–38)

§ 1–13

[1,1] [---] [---] [---] 

§ 14

[Was die ...-Schlange angeht]: [1,15] Ihre Farbe [ist] wie [...].
Wenn sie jemanden beißt, wird er müde, (und) die Bisswunde ist geschwollen und eiternd/nässend(?)1.
[Man kann (sich) vor ihr bis zum] 14. [Tag] (danach) mit Heilmitteln [retten].2
Sie gehört zu der Ichet-utet-Schlange der Ka-nai-Schlangen.
Wendet man für ihn die Heilkunst an, [wird er leben].

§ 15

[Was] die „große Apophisschlange“ [angeht]: Sie ist ganz rot(braun)3 und ihr Bauch ist hell. 4 Zähne sind in ihrem Mund.
Beißt sie jemanden, stirbt er sofort.

§ 16

Was die Gani-Schlange (Schwarze Wüstenkobra) angeht: Sie ist gänzlich schwarz. [---] (wie) von Tinte. [Ihr] Bauch ist [...]. [Ihr Gesicht] ist klein. Ihre Schnauze ist breit.
Beißt sie jemanden, stirbt er sofort. Ihr Zahn(abdruck) ist wie der Biss der Apophis-Schlange.
Sie ist eine Manifestation von Sobek.
Man kann sie überhaupt nicht beschwören.

§ 17

Was die Icher-Schlange (Speikobra) angeht: Sie ist dunkel. [Sie ist wie] der Baum des Gottes4. Ihre Länge ist [---].
Sie kommt auf einen Menschen zu, (sobald) sie ihn erblickt. Wenn sie jemanden beißt, stirbt er sofort. 
Sie ist eine Manifestation von Re.
Ist sie (aber) schwach bis zur Erschöpfung, so kann man sich bis zum 3. Tag vor ihr retten. Ihr Gift ist für den Zauber (empfänglich).
Sie ist (dann) eine Manifestation von Cheribaqef.

§ 18

Was das Männchen der Asiatenschlange (Sandotter) angeht: Es hat 〈die Färbung〉 wie eine Wachtel. Sein Kopf ist groß, sein Hals ist kurz (und) sein Schwanz ist wie der Schwanz einer Maus.
Der Abdruck5 seines Bisses ist wie eine kleine, trockene Weintraube. Man kann sich vor ihm retten, [1,20] (wenn) 3 Tage darüber vergangen sind. Seine (des Gebissenen) srf-Entzündung (dauert) 9 Tage. Sei (aber) nicht nachlässig seinetwegen!
Es ist eine Manifestation von Sobek; Variante: Neith.
Das Weibchen: Seine Länge ist 1 Elle und 1 Handbreite.

§ 19

Was den „Bösartigen“ (Sandrasselotter) angeht: 〈Es ist〉 eine Schlange (und) sie ist klein wie eine Eidechse / ein Gecko. 
Der Abdruck ihres Bisses ist stark geschwollen. Er (der Gebissene) stirbt sehr schnell. Man halte sich gänzlich fern von ihr!

1 Sauneron 1989, 7 sieht in pꜥpꜥ dasselbe Wort wie die Erscheinung pꜥpꜥ.yt von Eb 857a und er ergänzt: „des ulcérations [apparaisent]“. Für das dafür notwendige Verb ist aber der Platz in der Lücke zu klein. Daher wird hier vorgeschlagen, pꜥpꜥ stattdessen als Verb aufzufassen. Mit diesem Konsonantenbestand kennt Wb zwei Verben: „gebären, geboren werden“ (Wb 1, 504.3–5) sowie „leuchten“ (Wb 1, 504.6–7). Von beiden hat das erstere die weitaus größere Wahrscheinlichkeit und läge insofern auch gar nicht so weit von Saunerons Idee entfernt, als Westendorf 1999, 700, Anm. 258 die Erscheinung pꜥpꜥ.yt von diesem Verb oder dessen Simplex (?) pꜥ: „speien“ ableiten möchte. Die Bedeutung des Verbs im vorliegenden Kontext müsste noch eruiert werden. Wenn man es von einer Bedeutung „gebären >> hervorbringen“ ableitet, liegt eine „nässende" (die dann u.U. auch „leuchten“, d.h. „glänzen“ könnte) oder „eiternde“ Bisswunde nahe. Der bislang älteste Beleg für das Verb, aus dem Nauri-Dekret Sethos’ I., ist intransitiv, wenn auch weiterhin progressiv: „Die Küh(e) sind dabei zu gebären“. Setzt man im Schlangenpapyrus eine ähnliche intransitive Bedeutung an, könnte man an eine „eiternde“ oder „nässende“ Wunde denken.

2 Ergänzung weitestgehend nach Sauneron 1989, 7.

3 (FF) Leitz 1997, 54 übersetzt dšr mit „braun“. Zum Farbenspektrum von dšr vgl. Stegbauer 2010, 281, Anm. 195.

4 ḫt n nṯr meint aufgrund des Kontextes zweifellos eine konkrete Pflanzenbezeichnung. Sauneron 1989, 12, Anm. 3 kennt keinen solchen Namen. Leitz 1997, 59 und E. Mahlich, Zu einigen Schlangenbezeichnungen in Pap. Brooklyn 47.218.48 und 85, in: Göttinger Miszellen 263, 2021, 109–119, hier: 110, Anm. 8 denken aufgrund des weiter unten folgenden Vergleichs mit Cheribakef an den Moringabaum. Dagegen hat J. F. Quack, Zur Frage der botanischen Natur des bꜣq-Baumes und des von ihm gewonnenen Öls mit einem Anhang: pBM 10085 „2-3“ rekto. Ein schnippischer Dialog zwischen Mann und Frau?, in: R. Landgráfová – J. Mynářová (Hrsgg.), Rich and Great: Studies in Honour of Anthony J. Spalinger on the Occasion of his 70th Feast of Thot (Prague 2016), 275–290 gezeigt, dass der bꜣq-Baum wohl, entgegen einer lang verbreiteten Ansicht, nicht der Moringabaum, sondern der Olivenbaum ist. Dementsprechend wären Leitz’ und Mahlichs Vorschlag zu modifizieren.
Als erste Alternative weist Sauneron, a.a.O. auf § 25, Z. 2,1 hin, wo in einem parallelen Vergleich ḫt n zšn erwähnt wird, eine Übersetzung als „Holz vom Lotos“ aber keinen Sinn ergibt, weil der Lotos keine verholzten Teile besitzt. Im Kommentar zu dieser Stelle (S. 21, Anm. 2) erwägt er daher einen lautlichen Zusammenfall von ḫt und ḫꜣ.w (vielleicht ein Blatt(?), s. den Kommentar in https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/113100, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 05.04.2023)). Diese Option schließt er aber hier aus, weil eine Schlange kaum mit einem Blatt verglichen worden wäre.
Als zweite Alternative verweist er auf eine Stelle in Edfu (Wb 3, 341.2, vgl. P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 753), wo ḫt den Halm des Getreides bezeichnen kann. Diese zweite Alternative setzt er für 2,1 an und übersetzt ḫt mit „tige“. Eine solche Lösung ist auch hier denkbar; und unter dieser Prämisse wäre an die seltene nṯr-Pflanze von DrogWb, 318–139 zu denken, deren Identität allerdings derzeit noch unbekannt ist.

5 Am Wort klebt ein unförmiger kleiner roter Klecks. Ähnliche, regelmäßigere rote Punkte finden sich in Zeile 1,24 und 1,25.

§ 20

Was die Sedeb-Schlange (Sandrennnatter) angeht: Sie ist ganz genauso rot(braun) wie die Sechtef-Schlange des Seth. Ihr Gesicht ist klein, ihr Hals ist kurz (und) ihre beiden Augen sind gelblich (wörtl.: wie Auripigment).
Der von ihr 〈Ge〉bissene ist müde (und) sein Gesicht ist unter Schweiß. Ihre Bisswunde ist klein, geschwollen, (wobei) Wasser austritt. Du wirst ihn retten.
Das bedeutet, sie gehört zu den „Kindern der Ermatteten“.

§ 21

Was die Nebed-Schlange (Würfelnatter) angeht: Ihre Länge ist ein (und) eine halbe Elle. Ihre Seite (und) ihr Rücken sind grün, ihr Bauch ist hell. Sie ist (so) groß wie das Männchen der Asiatenschlange (Sandotter).
Man stirbt nicht durch sie.
Sie ist eine Manifestation von Hathor.
Jeder Ort, an dem sie und die Sechtef-Schlange des Horus sind, ergrünt. Man kann sich vor ihr retten. Man muss sie nicht beschwören.

§ 22

Was die Tiam-Viper1 angeht: Sie ist wie das Junge einer hellen Henpe-Schlange. Klein ist sie (und) kurz, ihre Farbe ist wie (bei) der rr-Schlange.
Die srf-Enzündung (dauert) 7 Tage, (aber) er wird leben.
Sie ist eine Manifestation von Geb.

§ 23

Was die Henpe-Schlange (europäische Katzennatter) betrifft: Sie ist ganz hell wie ein heller Gecko. Ihr Hals ist kurz (und) ihre Augen sind grimmig. Ihr Biss ist klein wie die vier Zähne einer Katze. Ihr Schwanz ist dick.
Die srf-Entzündung (dauert) 9 Tage. Versuche bei ihr2 die Heilkunst! Lass nicht zu, (dass) sich [1,25] der von ihr Gebissene übergibt! Wenn er sich übergibt, stirbt er. Wende aber Massage an, (bis) 3 Tage darüber vergangen sind.
Sie ist eine Manifestation von Selket.

§ 24 

Was die rote Henpe-Schlange (israelische Katzennatter) angeht: Sie ist (ebenso) ganz weiß. Eine rot(braune) Färbung ist (aber) überall („vielfach“) auf ihrem Rücken. 〈Ihr〉 Gesicht ist hoch, der Hals3 kurz (und) der Schwanz dick. Sie kann nicht sehen (oder: Sie ist nicht zu sehen) (und) nicht hören (oder: (und) sie ist nicht zu hören).4
Drei Zahn(abdrücke) (oder: Die Zahnabdrücke) sind in ihrer Bisswunde (sichtbar). Man kann sich vor ihr retten. Wenn der von ihr Gebissene müde wird, schlage für ihn mit den Zimbeln! Wenn er nicht zu Boden fällt (ohnmächtig wird), dann wird er leben.5 Seine srf-Entzündung (dauert) 9 Tage.
Sie ging aus dem Phallus des Seth hervor.
Man kann sich [vor] ihr retten [2,1] und bei ihr die Heilkunst versuchen. . . . sein / ihr.
Ihre Länge ist ein (und) eine halbe Elle.

§ 25

Was die Neki-Schlange (Europäische Eidechsennatter) angeht: Sie ist wie ein Lotusstängel. Ihre Länge ist 4 (und) eine halbe Elle.
Der von ihr Gebissene ist müde (und) er verkrampft sich (?)6 von seinem Kopf bis zu seinen Fußsohlen. Seine srf-Entzündung (dauert) 7 Tage oder 11 Tage, (aber) er wird leben.
Sie eine Manifestation von Re.

§ 26

Was die Viper angeht: [Eine Färbung (wie)] von Lotus [ist] auf ihrer Stirn.
Jedes seiner (des Gebissenen) Glieder pulsiert. Seine srf-Entzündung (dauert) 7 Tage, (aber) er wird leben.
Sie ist eine Manifestation von Horus.

§ 27 

Was die zischende Viper (Arabische Sandrasselotter) angeht: Es gibt 3 Färbungen auf ihrem Hals, von echtem Lapislazuli (und) grüner Farbe. Ihre Seiten sind schmal. [Bewegt sie sich wind]7end vor dir, ist das jedoch nicht wie die Bewegung irgendeiner männlichen (oder) irgendeiner weiblichen Schlange (sonst). Hat sie irgend〈etwas〉 (oder) irgendjemanden wahrgenommen, ist ihr Geräusch für ihn laut (und) deutlich zu hören.8
Nimm dich in Acht vor ihr! Du darfst ihr nicht trauen! [Man] kann sich vor ihr durch Zauber (und) durch Heilmittel retten. Die Stelle ihres Bisses ist geschwollen, (und) [Blut kommt] aus ihr [heraus]. Groß ist das Übel / die Erhebung (?)9 seines Körperteils an der Stelle ihres Bisses. Beschwört man sie, wird er leben, (denn) sie kann durch Zauber beschworen werden.
Sie eine Manifestation von Horus.

§ 28

Was die „Viper mit den beiden Hörnern“ (Hornviper) angeht: Ihre Farbe ist wie (die) einer Wachtel. Die beiden Hörner [2,5] sind [auf] ihrem Scheitel. [Ihr] Kopf ist breit, ihr [Hals kurz] (und) der Schwanz dick.
Die Stelle ihres Bisses ist ausgedehnt. Das Gesicht des von ihr Gebissenen ist angeschwollen. Ihr Biss ist klein (und) der von ihr Gebissene ist müde, außer ... (?). Die srf-Entzündung (dauert) 9 Tage, (aber) er wird leben.
Sie ist eine Manifestation von Horus.
〈Man〉 kann ihr Gift entfernen durch häufiges Erbrechen-Lassen und durch Beschwörung [---] ihn/sein [---].

§ 29

Was die kleine Viper angeht: Ihre Farbe ist wie (die) einer Wachtel. Es gibt (aber) kein Gehörn auf ihrem Kopf.
Jeder Körperteil des von ihr Gebissenen zittert. Du wirst ihn (aber) retten.
Sie ist eine Manifestation von Horus.

1 fy-tjꜥm: Sauneron 1989, 152–153 mit Anm. 8 vermutet in dem Namensbestandteil tj eine Schreibung von tꜣ-n.t: „die von“, koptisch ⲧⲁ- (und demotisch ta). In ꜥm vermutet er ferner das Wort ꜥꜣm: „Asiat“ und interpretiert den zweiten Bestandteil der Schlangenbezeichnung daher als „celle-des-gens d’Asie“. Es liegt ihm zufolge eine feminine Tierbezeichnung vor, deren maskulines Gegenstück die kꜣ-n-ꜥm-Schlange aus § 18 sei. Beide Schlangen identifiziert er vorschlagsweise als Persische Trughornviper (Vipera persica fieldi bzw. Pseudocerastes persicus). Seiner Interpretation zur Wortbildung wird im Wesentlichen gefolgt. Bezüglich der Identifizierung sieht jedoch Leitz 1997, 103–115 größere Ähnlichkeiten mit der Sandotter (Vipera ammodytes), während E. Mahlich, Zu einigen Schlangenbezeichnungen in Pap. Brooklyn 47.218.48 und 85, in: Göttinger Miszellen 263, 2021, 109–119, hier: 110–112 zu Saunerons Vorschlägen zurückkehrt und Pseudocerastes fieldi vorschlägt (Synonym zu Saunerons Vorschlägen, s. http://reptile-database.reptarium.cz/species?genus=Pseudocerastes&species=persicus, Zugriff 07.03.2023). Dagegen trennt Brix 2010, Bd. 2, 516–527, 562–572 beide Schlangenbezeichnungen und vermutet in der fy-tjꜥm die Avicennaviper (Cerastes vipera) und nur in kꜣ-n-ꜥm die Persische Trughornviper. Bei Letzterer hält sie es sogar für denkbar, dass der Namensbestandteil ꜥm sich gar nicht auf den „Asiaten“ bezieht (den sie a.a.O. gar nicht diskutiert), sondern vielleicht auf die Ortsbezeichnung ꜥmw, oder dass nꜥm ein Fremdwort sein könnte.
Tatsächlich sind bezüglich Saunerons Erklärung des Namens Zweifel angebracht. Der syntaktische Kopf des Kompositums fy und damit auch der Name der Schlangenart fy-tjꜥm ist in jedem Falle maskulin. Dies erkennt auch Sauneron an, es widerspricht aber seiner Idee, der Schlangenname meine den weiblichen Vertreter – angezeigt durch das anschließende tj- = tꜣ-n.t – einer Schlangenart. Das heißt, es ist zwar nicht auszuschließen, dass – vielleicht nur rein zufällig – die Ägypter eine Schlangenart mit auffälligem Geschlechtsdimorphismus für zwei verschiedene Arten gehalten und ihnen verschiedene Namen gegeben haben könnten, so dass fy-tjꜥm natürlich auch nur ein Geschlecht (wie auch ein bestimmtes Lebensstadium o.a.) einer Schlangenart bezeichnen könnte. Aber es mutet merkwürdig an, dass sie einerseits den weiblichen Vertreter einer Art eben als konkret weibliche Variante – tꜣ-n.t-ꜥ(ꜣ)m – erkannt haben sollten, ihr am Ende aber doch einen Namen im generischen, d.h. beide Geschlechter umfassenden, Maskulinum (fy-...) gegeben haben sollten. 
Möchte man den Namen der fy-tjꜥm-Schlange erklären, so wäre unter Umständen auch die jꜥm-Pflanze aus den medizinischen Texten zu berücksichtigen, vgl. W. Westendorf, Schlange und Schlangenkraut, in: M. Minas-Nerpel et al. (Hrsg.), Aspekte spätägyptischer Kultur: Festschrift für Erich Winter zum 65. Geburtstag (Mainz am Rhein 1994), 265–267, der einen Zusammenhang im Benennungsmotiv zwischen der qꜣdj-Schlange und der qꜣd.t-Pflanze für möglich hält. Wie in Letzterem Fall bliebe auch in Ersterem das Tertium comparationis, wie bspw. ein gemeinsamer Lebensraum o.ä., noch ungeklärt.

2 Ergänzung nach Sauneron 1989. Vor der Gruppe n=s: "bei ihr“ steht auf Zeilenhöhe ein kleiner roter Punkt – kleiner und niedriger in der Zeile als der Punkt in der folgenden Zeile in § 24 bei nḥb.t: „kurz“ („... der Hals kurz“), aber ebenso unerklärlich.

3 Inmitten des Wortes steht ein sekundär eingefügter roter Punkt, der von Form, Größe und Position an die Verspunkte älterer Texte erinnert, was aber an dieser Stelle keinen Sinn ergibt.

4 Sauneron 1989, 20 und Bardinet 1995, 525 übersetzen nach der ersten Variante; Leitz 1997, 44 und Stegbauer 2010, 282 nach der zweiten.

5 (FF) Zu einem anderen Vorschlag vgl. W. Westendorf, Zur Doppelfunktion des jr der Hervorhebung, in: Göttinger Miszellen 151, 1996, 109–111, der den 1. Teil des Papyrus als Zusammenfassung von Glossen aus Lehrtexten sieht.

6 (FF) Zu tjḥs: „verkrampfen“ vgl. Sauneron 1989, 175. 

7 Ergänzungsvorschlag von Sauneron 1989, 23–24 mit Anm. 3 auf Basis der Statue prophylactique aus der Zeit Ramses’ III.

8 Mit der lauten und deutlich zu hörenden Stimme der Schlange ist nach Leitz 1997, 93 das Rasseln der Flankenschuppen gemeint.

9 Was mit ḏꜣ.t ꜥ.t=f gemeint ist, ist unsicher. Sauneron 1989, 24 übersetzt mit: „l’alteration  de son membre“. In der zugehörigen Anm. 8 auf S. 25 verweist er auf das Verb ḏꜣ im Sinne von „Krankheit bedrängt jmd.“, Wb 5, 515.1 sowie auf ḏꜣ, das einen krankhaften Zustand der Augen benennt (MedWb 2, 993; vgl. dazu https://sae.saw-leipzig.de/de/dokumente/papyrus-edwin-smith [20.09.2022], Anm. 8 zu Fall 19 des pEdwin Smith). Bezüglich Letzteren zitiert er eine Anmerkung von Breasted (J. H. Breasted, The Edwin Smith Surgical Papyrus. Published in Facsimile and Hieroglyphic Transliteration with Translation and Commentary in two Volumes. I. Hieroglyphic Transliteration, Translation and Commentary, Oriental Institute Publications 3–4, 2 Bände (Chicago 1930), Bd. 1: 282), der darin auch auf einen nur unvollständig erhaltenen, aber von Erman zu ḏꜣyw ergänzten Begriff in Mutter und Kind (pBerlin P 3027, Zeile 4,8; dazu A. Erman, Zaubersprüche für Mutter und Kind. Aus dem Papyrus 3027 des Berliner Museums, Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1901 (Berlin 1901), 17, Anm. 7 und N. Yamazaki, Zaubersprüche für Mutter und Kind: Papyrus Berlin 3027, Achet 2 (Berlin 2003), 19–20) bespricht; diesen identifiziert E. Dévaud, Étymologies coptes, in: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l’archéologie égyptiennes et assyriennes 39, 1921, 155–177, hier: 3941 mit koptisch ϫⲟ, was er mit „‚bosse‘ ou ‚bossue‘“ übersetzt (vgl. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 2008 (Repr. 1965–1977)), 412: „Buckliger“). Yamazaki schreibt zur Stelle in Mutter und Kind (a.a.O., 22, Anm. oo): „Man erwartet etwa ‚das Buckligsein‘.“ Dazu dann Sauneron, a.a.O.: „Le sens ici serait donc soit son membre est courbé, contracté, jusqu’à l’orifice de sa blessure, soit, plutôt, son membre (entier) est malade, affecté, jusqu’à l’orifice de sa blessure.“
Bardinet 1995, 526 übersetzt den Satz kommentarlos mit: „(...) importante est la partie abîmée de son membre jusqu’à l’orifice de la blessure.“ Leitz 1997, 91 bleibt noch unspezifischer: „Groß ist die ḏꜣt-Krankheitserscheinung ihres Gliedes bis zum Rand ihres Bisses hin.“ Auf S. 94 schreibt er zur Stelle, dass die Erscheinung unbekannt sei, erwähnt aber „als lokales Symptom (...) neben Schwellungen und Blutung in einigen Fällen (...) auch Nekrosen (...).“ Stegbauer 2010, 283 übersetzt: „Groß ist das Übel seines Körperteils bis zum Rand ihrer Bißwunde.“, geht also wohl von dem Lemma ḏꜣ.ywt: „Widersetzlichkeit, Übertretung, Unheil, Böses“ (Wb 5, 518.3–18) aus.

§ 30

Was die Viper1 angeht: Sie ist wie Ibhati-Stein (grüner Porphyr).
Der [von ihr] Gebissene ist angeschwollen. [...] ist es. Du wirst ihn (aber) retten.
Sie ist eine Manifestation von Horus.

§ 31

Was die männliche Viper (Jans Pfeilnatter) angeht: Sie ist ganz genauso wie die rote Henpe-Schlange.2
Ihre Bisswunde ist angeschwollen. (Aber) sie blutet (gewöhnlich) nicht. (Und) der von ihr [Ge]bissene wird (gewöhnlich) nicht müde. Du wirst ihn retten, (wenn) du (zuvor) bei ihm den Schnitt [mit] dem Messer (des Arztes) gemacht hast.
Sie ist eine Manifestation von Seth, Variante: Geb.

§ 32 

Was die sich aufrichtende Schlange (Moilanatter) angeht: 〈Sie〉 ist 〈wie〉 die Farbe des Sandes.
Wenn sie jemanden beißt, leidet er an jener Seite, an der die Bisswunde nicht ist. Er leidet nicht an seiner Seite mit der Bisswunde. Das ist eine [Krankheit], die ich behandeln werde. Bereite du für ihn jede Sache3, [bestehend aus] häufigem [Erbrechen-Lassen] und einer Messerbehandlung, nachdem er sich übergeben hat.
Sie ist eine Manifestation von Seth.
Der von ihr Gebissene stirbt nicht.

§ 33

Was die Zischende Schlange (Persische Trughornviper) angeht: Das ist eine Viper, sie ist wie die Farbe einer kleinen Wachtel. Siehst du sie [2,10] [vor dir], bewegt sie sich durch (seitliches) Wegtreiben fort. Man hört [ein lautes Geräusch] wie das Blasen eines Goldschmieds.
Man kann sich vor ihr 〈bis zum〉 7. Tag retten. Der von ihr Gebissene hat ein Zucken in seinen beiden Augen, das auf seine Augenbrauen übergeht. Speichel („Wasser“) läuft aus seinem Mund.
Lauf weg (und) tritt gar nicht (erst) [an] sie heran!4
Sie ist eine Manifestation von Horus.

§ 34

Was die [...]-Schlange angeht: Sie ist ganz hell (und) ihr Hals ist kurz.
Der von ihr Gebissene stirbt nicht. Jedes seiner Glieder zuckt. Du wirst ihn retten.
Sie ist eine Manifestation von Seth.

§ 35 

Was die Ro-Bedjed betrifft: 〈Es ist〉 eine schwarze Schlange wie die „Kind[er der Ermatteten]“. Drei Zahn(abdrücke) sind in [ihrer] Bisswunde.
[Sie ist eine Manifestation von ...5].

§ 36 

Was die Sedeb-Schlange angeht, auf die man auf den Feldern tritt: Es ist eine kurze Schlange. Ihr Bauch ist wie Gold von ihrer Kehle 〈bis〉 zu ihrem Hinterteil. Die Färbung auf [ihrem Rücken(?) ...]. [... an] jedem Ort.
Es entsteht (wörtl.: gibt) keine Krankheit durch sie. Ihr Biss schwillt nicht an. Sie blutet (gewöhnlich auch) nicht außer beim Verkrampfen.
[Sie] ist eine Manifestation [von ...].

§ 37 

[Was die ...-Schlange angeht: Es ist eine] schwarze [Schlange]. [Ihr] Bauch ist hell6 (und) die Färbung erstreckt sich [auf] ihrem Rücken bis zu ihrem Schwanz wie (bei) der 〈Se〉deb-Schlange.
Der von ihr Gebissene stirbt (zwar) nicht, [2,15] aber jeder seiner Körperteile leidet. Du wirst ihn retten.
Sie ist eine Manifestation von Hathor.
Es entsteht (gibt) (aber) keine ernsthafte (schmerzhafte) Krankheit durch sie.

§ 38

Was das Ka-ro (Chamäleon?) angeht: Es ist gänzlich grün, (aber) sein Bauch ist weiß. Es hat zwei Beinpaare.7 Drei Kämme (?)8 sind auf seiner Rückseite (?): 2 (zeigen) zu seinem Vorderteil, das andere zu seinem Hinterteil. Wenn es sich auf etwas festhält, nimmt es dessen Färbung an.
Man kann sich vor ihm bis zum 7. Tag retten.
Es ist eine Manifestation von Anubis.
Man kann es beschwören durch seine Besänftigung.
Schlangenhandbuch mit einem Bisswundeninventar: 38 Kapitel.

1 (FF) Da die Viper an sich schon § 26 behandelt wurde, hatte der Schreiber die Spezifikation der Vipernart übergangen oder vergessen.

2
 (FF) Vgl. § 24.

3 Sauneron 1989, 29 interpretiert dies als Imperativ mit ethischem Dativ: „Exécute sur lui“ (gefolgt von Leitz 1997, 37: „Mach für ihn“ und Stegbauer 2010, 284: „Mache für ihn“). Bardinet 1995, 526 übersetzt: „Tu lui prépareras!“, hat also die Stelle ebenso verstanden und nur etwas freier übersetzt, oder er hat sie emendiert, um zu einer futurischen Form zu kommen.

4 (FF) Andere Interpretation bei Sauneron 1989, 31 (Anm. 10–11).

5 (FF) Die Spuren des Götternamens lassen sich nicht eindeutig lesen; Chons, wie von Sauneron vermutet, ist eher unwahrscheinlich.

6 (FF) Vgl. § 36.

7 (FF) Wörtlich: Zwei Beinpaare sind unter ihm.

8 S. Sauneron, Une description égyptienne du caméléon, in: Revue d’Égyptologie 24, 1972, 160–164, hier: 162 vermutet in dem Wort eine Schreibung für tj.t. Als Bedeutung gibt Sauneron „division“ an, was am wahrscheinlichsten zu Wb 5, 238.6–7 (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/169760 und https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/170070, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 04.09.2023)) führt. Außerdem kennt Wb 5, 238.8 (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/169770, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 04.09.2023)) noch einen ptolemäerzeitlichen Text mit einem Lemma tj.t als Maßeinheit, wobei Wb hier eine Schreibung für ḏnj.t (d.h. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/179820, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 04.09.2023)?) vermutet. Dieser Fehler – wenn es denn einer ist – dürfte sich lautlich und graphisch begründen lassen: Lautlich, weil sowohl tj.t wie auch ḏnj.t im Koptischen ⲧⲟⲉ u.ä. lauten, s. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 2008 (Repr. 1965–1977)), 219–220. Und graphisch, weil die hieratische Form des tj.t-Zeichens und des ḏnj.t-Zeichens sich v.a. in der Spätzeit durchaus ähneln können.
Auch in Sauneron 1989, 35 übersetzt Sauneron das Wort mit „division“; der Index auf S. 241 zeigt jedoch, dass er (oder einer der späteren Bearbeiter seines Textes?) das Wort nicht mehr als tj.t, sondern als dny.t aufgefasst hat, d.h. Wb 5, 465.9–466.2 (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/179800, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 04.09.2023). Dies passt dann auch eher zu der Schreibung des Wortes. Auch Leitz 1997, 144 liest dnj.t.
W. R. J. Golding, The Brooklyn Papyrus (47.218.48 and 47.218.85) and its snakebite treatments (Pretoria 2020), 137, 138–139, Anm. 3 möchte das fragliche Wort schließlich pḫꜣ transliterieren, fällt aber in der Übersetzung dennoch auf „division“ zurück.
Wenn das Wort dnj.t, wie Sauneron annimmt, tatsächlich auf die Rücken- und Kopfkämme des Chamäleons verweist, wäre zu überlegen, ob man nicht auch an dnj.t: „Damm“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/179780, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 04.09.2023)) statt an das in einer Beschreibung relativ unspezifische Wort dnj.t: „Teil“ denken könnte.

Teil 2: Handbuch gegen Gifte von Schlangen, Skorpionen, Spinnentieren u.a. (§ 39–100)

§ 391

Beginn des Handbuches der Herstellung von Heilmitteln, (um) das Gift jeder männlichen Schlange, jeder weiblichen Schlange, jedes Skorpions, aller Spinnentiere (und) jedes (sonstigen) Gewürms zu extrahieren mit Hilfe des Magiers der Selket, und (um) jedes Gewürm zu vertreiben (sowie) ihren Mund zu versiegeln.

§ 40

Heilmittel, die für den von irgendeiner gefährlichen Schlange Gebissenen am ersten Tag zubereitet werden:
Wird er sterben? (Oder) wird er leben? (Um) zu erfahren, was mit ihm geschieht:
Schlangenkraut2, ḏꜣjs-Pflanze, Wasser.
Werde zerstoßen; werde durchgeseiht. Werde vom Gebissenen getrunken.
Wenn es in seinem Leib verbleibt, wird er leben. Wenn er sich davon übergibt, wird er sterben.

§ 41

Ein sehr gutes Heilmittel, das zubereitet wird für jeden, der an einer Bisswunde leidet.
Zwiebel/Knoblauch3.
Werde zerrieben (und) in Bier glattgerührt. Werde einen Tag lang 〈getrunken〉 (und) ausgespien.
Darüber als Zauberspruch zu sprechen:4
„Mund 〈gegen〉 Mund, Zahn gegen Zahn! Re ist es, der das Gift zerbricht, während der Spruch des Gottes gegen dein Maul (gerichtet) ist! (oder: Mund 〈gegen〉 Mund, Zahn gegen Zahn am Tage, da das Gift des Feindes zerbrochen(?) (wird).5 Der Spruch des Gottes ist gegen die Wirkung deines Mundes (gerichtet).) Sein Wort wird [2,20] dein Gift an seinem Herkunftsort niederwerfen!
Du sollst herabfließen, Gift! Los, komm heraus auf die Erde, (denn) ich habe einen Zahn in meinen Besitz gebracht, um dich zu beseitigen!
Dieser Zahn des großen Gottes wurde herbeigebracht6, der auf die Erde geworfen (worden) war, nachdem er (d.h. der Gott) sich verjüngt hatte, der auf der Erde heranwuchs (und) (selbst) in der Wüste gedieh, um dich7 niederzuwerfen, um dein Maul niederzuwerfen, um dein Gebiss niederzuwerfen!
Sei gegrüßt, Zwiebel/Knoblauch!
Sei gegrüßt, Zahn Gottes!
Sei gegrüßt, erster/vorderster Zahn (= Milchzahn? Schneidezahn?) des Osiris!
Sei gegrüßt, ‚Einziger‘, ‚Schutz aller Götter‘, in diesem deinem Namen der Zwiebel / des Knoblauchs! Mögest du in den Leib des NN, Kind der NN, eintreten! Wirf jegliches in ihm befindliche Gift nieder in diesem deinem Namen der Zwiebel/Knoblauch! Du sollst den Widersacher des Re töten!8 Du sollst den Widersacher des Horus, den Widersacher des Seth (und) den Widersacher der Großen Neunheit töten! Dadurch tötest du (auch) ihre Feinde!
Du sollst mir ihren Kopf zerquetschen in diesem deinem Namen der Zwiebel / des Knoblauchs!
Du sollst deinen Mund gegen ihren Mund öffnen in diesem deinem Namen des ‚Mundöffners‘!
Du sollst von ihnen fressen in diesem deinem Namen des [‚Fressers‘]!
Du sollst ihren Leib zerreiben in diesem deinem Namen des ‚Mahlzahns‘!
O weißes Horusauge, das aus der Erde hervorgegangen ist, dessen Name ‚Das die Rechit-Leute für Horus schlägt‘ ist, es schützt Horus vor den Gefolgsleuten des Seth!9 Du sollst das Gift zerstören, [2,25]10 Mächtiges (Horusauge), das im Ib-Herzen ist, das im Hati-Herzen ist, das in der Milz ist, das in der Leber ist, das 〈in〉 der Lunge ist, das in der Kehle ist, das im Kopf ist, das im Hinterteil ist, (oder) das in irgendeinem (anderen) Körperteil von NN, Kind der NN, ist! Die Hitze deines Gluthauchs (sei) gegen es, um es zu töten! Es soll an deinem Biss sterben!“
(§ 42a) Was die Zwiebel / den Knoblauch angeht: Sie sei zur Verfügung (wörtl.: „in der Hand“) des Magiers der Selket an jedem Ort, an dem er sich befinden wird. Sie (d.h. die Zwiebel) ist es, die wahrhaftig das Gift jeder männlichen Schlange (und) jeder weiblichen Schlange (ab)tötet. Wenn sie in Wasser zerrieben wird (und wenn) jemand sich damit salbt, [3,1] wird ihn keine Schlange beißen.
(§ 42b) Wenn sie in Bier zerrieben wird (und) das ganze Haus am Tag des Neujahrsfestes (damit) besprengt 〈wird〉, kann keine männliche Schlange (und) keine weibliche Schlange zu irgendeiner Zeit in es eindringen.
(§ 42c) Diese Schriftrolle war in der Zeit des Königs von Ober- und Unterägypten Nefer-ka-Re11, selig, entdeckt worden.

§ 43

(§ 43a) Ein weiteres Heilmittel, das bei einem von irgendeiner Schlange Gebissenen angewendet wird.
Pavianshaar (Dill): 1/8 (Dja), Kreuzkümmel: 1/8 (Dja), sꜣ-wr (Harz?): 1/64 (Dja), Honig: 1/8 (Dja), süßes Bier: 1/32 (Oipe = 2 Dja).
Werde durchgeseiht. Werde getrunken vom Gebissenen.
(§ 43b) Über ihm als Zauber zu sprechen:
„Thot kommt, ausgestattet mit seiner Zauberkraft, versehen mit seinen wirkungsmächtigen Sprüchen, um das Gift zu beschwören.12 Es (d.h. das Gift) soll keine Macht haben über irgendeinen Körperteil des NN, Kind der NN, so wie 〈du〉 die Rebellen beschworen hast, als sie gegen Re selbst rebellierten!
Du sollst es zurückhalten von jedem Körperteil des NN, Kind der NN, so wie du die beiden Länder im Zaum gehalten hast für Re!
Maat soll dafür als Gegenleistung an deine Brust kommen!13
Du sollst (auch künftig) gegen es (das Gift) auftreten, verehrungswürdiger Gott, Sohn der zauberreichen Göttin!
Du sollst den NN, Kind der NN, besprechen, so wie du dein eigenes Leiden besprochen hast an diesem Tag des Bespeiens deiner Schulter!14
Du sollst es (das Gift) zur Erde fallen lassen aus jedem Körperteil des NN, Sohn der NN, so wie du diese Rebellion/Rebellin niedergeworfen hast15, [3,5] die sich gegen Osiris erhoben hatte!
Lass das Gift aus der Öffnung der Bisswunde (wieder) herausfallen! Siehe, ich habe die von ihm (d.h. Thot) selbst (stammende) Gottessubstanz16 geholt, um dich17 herausfallen zu lassen, um dich zu beseitigen, um das Gift jeder männlichen Schlange (und) jeder weiblichen Schlange zu vertreiben, das in irgendeinem Körperteil des NN, Kind der NN, ist! Los, komm auf die Erde heraus! Ich bin Thot, der ‚Älteste‘, der ‚Sohn des Re‘!“18
(§ 43c) Ein anderes (Heilmittel):
Wurzel des „Schlangenholzes“, herbeigeholt aus der östlichen Wüste:
Werde zerrieben, in Wein oder süßem Bier glattgerührt (und) vom Gebissenen getrunken; ferner zerreiben (und) glattrühren seiner Zweige/Stängel in bꜣq-Öl; die Glieder des Gebissenen werden damit gesalbt. Sehr wirksam!
(Das ist das) Stimulieren des Herzens (und) Öffnen der Kehle!19 [Es] kann ebenso angewendet werden, [um] die nsy.t-Krankheit20 [zu beseitigen].

§ 44

(§ 44a) Ein anderes Heilmittel zum Entfernen des Giftes jeder männlichen Schlange (und) jeder weiblichen Schlange, das zum Anwender der Heilkunst21 gebracht wurde als etwas, das der Magier der Selket angewendet hat.
Er lege ihm einen Verband mit Wüstensand an, (wobei) er vier Tage lang feucht (wörtl.: „mit Wasser“) angelegt wird.
(§ 44b) (Dann) soll er es vier Tage lang mit den Blättern des Rizinus wiederholen.
(§ 44c) Er lege ihm vier Tage lang einen Verband mit dem Huf einer Eselin an, der in bꜣq-Öl vollständig ausgeglüht wurde.

§ 45

(§ 45a) Brechmittel bei einem Biss der Eidechsennatter, gleichfalls irgendeiner (anderen) Schlange:
Zwiebel/Knoblauch: 1/8 (Dja), Bier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja), unterägyptisches Salz: 1/64 (Dja).
Werde durchgeseiht. Werde vier Tage lang getrunken (und) ausgespien.
(§ 45b) Ein anderes (Heilmittel):
tḥwꜣ-Pflanze.
Werde zerrieben (und) in süßem Bier glattgerührt. Werde vier Tage lang getrunken (und) ausgespien.
(§ 45c) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch: 1/8 (Dja), unterägyptisches Salz: 1/64 (Dja), Pflanzenschleim oder Bier: [3,10] 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde einen Tag lang getrunken (und) ausgespien. Es kann bei jeder weiblichen Schlange angewendet werden.
(§ 45d) Ein anderes Heilmittel, das er (der Magier der Selket) angewendet hat:
Gerstenkeime: 1 (Dosis), Gerste: 1 (Dosis), Emmer: [1 (Dosis)], Rizinus[samen]: 1 (Dosis), Erbsensamen: 1 (Dosis), unterägyptisches Salz: 1 (Dosis), Pflanzenschleim.
Die Bisswunde werde vier Tage lang damit handwarm (wörtl.: „in Wärme des Fingers“) verbunden. Das dient („ist“) (zur) Vertreibung einer Schwellung.
(§ 45e) Ein anderes (Heilmittel):
tḥwꜣ-Pflanzensamen, fermentierter fqꜣ-Kuchen.
Die Bisswunde werde über 7 Tage damit verbunden und häufig beräuchert.

§ 46

(§ 46a) Heilmittel zur Entfernung des Giftes jeglicher sḫtf-Schlange:
„Mäuseschwanz“: 1/32 (Dja), tjꜣ-Pflanze: 1/64 (Dja), Zwiebel/Knoblauch: 1/16 (Dja), Pulver (der Früchte?) vom jm-Baum: 1/32 (Dja), ṯꜣrrḥs-Pflanze: 1/32 (Dja), Galle einer roten Ziege: 1/32 (Dja), mn-Substanz: 1/32 (Dja), qb.w-Pflanze: [1/4 (Dja)].
[Werde zerrieben] (und) in 1/32+1/64 (Oipe = 3 Dja) Wein oder Bier [glattgerührt]; werde durchgeseiht. Werde vier Tage lang getrunken.
(§ 46b) Ein anderes (Heilmittel):
Weidenblätter: 1/4 (Dja), Zwiebel/Knoblauch: 1/8 (Dja), unterägyptisches Salz: 1/64 (Dja), süßes Bier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde durchgeseiht. Werde vier Tage lang getrunken (und) ausgespien. Sehr wirksam!
(§ 46c) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch, „[Schlangen]holz“.
Werde gekaut (und) an die Nase [des Gebissenen] gehaucht.
(§ 46d) Ein anderes (Heilmittel):
Unterägyptisches Salz, Lein (Flachs), frisches bꜣq-Öl, Zwiebel/Knoblauch.
Ein Docht 〈werde〉(?) damit durchtränkt; an [den Hals des Gebissenen] legen, [bis] alles, was darin ist, [herauskommt].
(§ 46e) Ein anderes (Heilmittel):
(Getreide-)Keime: 1/32 (Dja), Samen der Wilden Minze (?): 1/8 (Dja), mn-Substanz: 1/32 (Dja), Ziegengalle: 1/32 (Dja), Weidenholzkohle - Variante: Glut/Asche(?)22 –: 1/64 (Dja).
Werde zerrieben (und) glattgerührt; werde zu einem Teig verarbeitet. Werde (wieder) zerrieben (und) in [1/32+1/64 (Oipe =3 Dja)] Wein [3,15] oder Bier glattgerührt. Werde durchgeseiht. Werde vom Gebissenen getrunken.
(§ 46f) Ein anderes (Heilmittel):
„Mäuseschwanz“: 1/8 (Dja).
Werde zerrieben (und) in 2/64 (Oipe = 2 Dja) Wein glattgerührt. Werde vom Gebissenen getrunken. Sehr wirksam, millionenfach (bewährt)!
(§ 46g) Ein anderes (Heilmittel):
〈...〉kraut(?)23: 1/3[2] (Dja), [Nat]ron: 1/64 (Dja), Ziegengalle: 1/32 (Dja), [ksb.t-Baum]holz: [1/32 (Dja)].
[Werde zerrieben (und) in] 1/32 (Oipe = 2 Dja) Bier oder Wasser [glattgerührt]. Werde vom Gebissenen getrunken. 〈Er〉 wird sofort gesund.
(§ 46h) Ein anderes (Heilmittel):
Akazienblätter, Zwiebel/Knoblauch, Honig.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde an die Öffnung seiner Bisswunde gelegt.
(§ 46i) Ein anderes (Heilmittel):
Kot eines schwarzen Stieres24, Maischeextrakt.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde an sie (d.h die Wunde) gelegt.
(§ 46j) Ein anderes (Heilmittel):
„Mäuseschwanz“: 1/8 (Dja), qb.w-Samen: 1/32 (Dja).
Werde zerrieben (und) in 1/64+1/64+1/64 (Oipe = 3 Dja) Wein glattgerührt. Werde getrunken.
(§ 46k) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch: 1/4 (Dja), bdd-Pflanze: 1/4 (Dja).
Werde zerrieben (und) glattgerührt; werde durchgeseiht. Werde davon vom Gebissenen getrunken.

§ 47

(§ 47a) Heilmittel, die bei einem von einer Eidechsennatter Gebissenen angewendet werden:
Zwiebel/Knoblauch.
Werde zerrieben (und) in Wasser glattgerührt. Werde zwei Tage lang getrunken (und) ausgespien.
(§ 47b) Ein anderes (Heilmittel):
Getrocknete Damhirschleber.
Werde zerrieben (und) in Wein glattgerührt. Werde einen Tag lang getrunken.
Es kann ebenso angewendet werden, um den Biss der qꜣdj-Schlange25 zu beseitigen.
(§ 47c) Ein anderes (Heilmittel):
„Mäuseschwanz“: 1/4 (Dja), Kot eines roten Stieres: 1/16 (Dja), Galle eines roten Stieres: 1/32 (Dja).
Werde zerrieben (und) in 1/32+1/64 (Oipe = 3 Dja) Wein glattgerührt. Werde einen Tag lang getrunken.
(§ 47d) Ein anderes (Heilmittel):
„Lebenenthaltende“: 1/16 (Dja), ꜥfꜣ.y-Pflanze: 1/16 (Dja), „Mäuseschwanz“: 1/8 (Dja).
Werde zerrieben (und) in 1/32+1/64 (Oipe = 3 Dja) Wein glattgerührt. Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 47e) Ein anderes (Heilmittel):
Stierfett, frische Dickmilch.
Die Bisswunde werde damit sieben Tage lang verbunden.
(§ 47f) Ein anderes (Heilmittel):
Blätter der jbs-Pflanze, Honig.
(Die Bisswunde) werde damit verbunden.
(§ 47g) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch, Ocker, nḥḥ-Öl, [3,20] Weihrauch, Wachs.
Der Gebissene werde damit gesalbt und beräuchert.

§48

(§ 48a) Was bei einem Biss einer sdb-Schlange (Sandrennnatter) oder der „Kindern-der-Ermatteten“-Schlangen angewendet wird:
Getrocknete 〈Damhirsch〉leber.
Werde getrunken (und) ausgespien.26
(§ 48b) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch, Maischeextrakt.
Werde zerrieben (und) glattgerührt.27 Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 48c) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch, Bodensatz von pwr-Wein (?), Alaun, Salz, sꜥm-Pflanze.
Werde zerrieben und glattgerührt. Die Bisswunde werde damit verbunden.
Sehr wirksam!

§ 49

(49a) Was bei einem Biss einer jqšr-Schlange angewendet wird:
Roter Ocker, Alaun, Honig.
Die Bisswunde werde damit handwarm (wörtl.: „in Wärme des Fingers“) verbunden.
(§ 49b) Ein anderes (Heilmittel):
tjꜥm-Pflanze (oder: sꜥm-Pflanze)28, süßes Bier.
Werde getrunken (und) ausgespien.

1 (FF) Vgl. A. Klasens, A Magical Statue Base (Socle Behague) in the Museum of Antiquities at Leiden, Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 33 (Leiden 1952), 98 (Spell V). 

2 (FF) Nach dem Determinativ sollte es sich bei qꜣdy um ein Tier handeln (vgl. Eb 339); eine Verwechslung mit qꜣd.t: „Schlangenkraut“ ist in diesem Kontext aber naheliegend.

3 (FF) Es ist sehr wahrscheinlich, dass hier nicht die Zwiebel, sondern Knoblauch gemeint ist (so auch J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The intellectual heritage of Egypt: studies presented to László Kákosy by friends and colleagues on the occasion of his 60th birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier: 476–480). ḥḏ.w wird bisher meist mit der Zwiebel gleichgesetzt, aber das ist wohl zu hinterfragen; vgl. T. Bardinet, Dents et mâchoires dans les représentations religieuses et la pratique médicale de l'Égypte ancienne, Studia Pohl: series maior 15 (Roma 1990), 120–135; C. Graindorge, L’oignon, la magie et les dieux, in: S. Aufrère (Hrsg.), Encyclopédie religieuse de l'univers végétal croyances phytoreligieuses de l'Égypte ancienne I, Orientalia Monspeliensia 10 (Montpellier 1999), 317333; S. Aufrère, Les parures végétales du magicien d’après les papyrus magiques grecs et égyptiens. Les palmes, l’olivier, l’ail, l’oignon et le storax, in: S. Aufrère (Hrsg.), Encyclopédie religieuse de l'univers végétal croyances phytoreligieuses de l'Égypte ancienne II, Orientalia Monspeliensia 11 (Montpellier 2001), 385397, hier: 391393.

4 (FF) Vgl. für das Folgende: J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The intellectual heritage of Egypt: studies presented to László Kákosy by friends and colleagues on the occasion of his 60th birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier: 476–480; pChester Beatty VII (pBM 10687), rto. 7,5–7

5 Für diese Passage gibt es einige (Teil-)Parallelen:
(1) pTurin CGT 54051 (= pTurin Cat. 1993), vso. 4,4–5 (20. Dynastie):
(2) pChester Beatty VII, rto. 7,5–6 (20. Dynastie):
(3) Stele BM EA 190 + Ny Carlsberg AEIN 974, Zeile 33 (Spätzeit oder Ptolemäerzeit):
(Die Parallelen (2) und (3) werden explizit genannt von Sauneron 1989, 58, Anm. 4; die Parallele (1) vielleicht implizit angedeutet durch seine Formulierung in Anm. 5, wo er von neureichszeitlichen Parallelen – im Plural – spricht.)
Folgende Übersetzungen sind angeboten worden:
Für die Passage im Brooklyner Papyrus:
– Sauneron 1989, 57: „une bouche (vaut contre une autre) bouche, une dent contre (d’autres) dents! C’est Rê qui veille contre le venin puisque la bouche du dieu est à la place de ta bouche“.
– Bardinet 1995, 528: „Bouche (contre) bouche, dent (au sing. = gousse d’ail) contre dents (= celles du serpent). C’est Rê qui garde le venin lorsque la bouche du dieu est à l’endroit de ta bouche“.
– Stegbauer 2010, 285: „"Ein Spruch gegen ein Maul, ein Zahn gegen Zähne. Re ist es, der sein Gift bewacht, dem Gottesspruch gegen deine Maulstellung entsprechend!“
– K. Stegbauer/F. Feder, TLA: „Mund 〈gegen〉 Mund, Zahn gegen Zahn! Re ist es, der das Gift zerbricht, während der Spruch des Gottes gegen dein Maul (gerichtet) ist!“
Für Parallele (1):
– A. H. Gardiner, DZA 20.560.420 = 20.560.430: „Zahn! Zahn! Re schützt sich gegen das Gift (wenn Re spricht seinen Namen (den Namen des Giftes))“.
– A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 169, §§ 341–342: „Dente, dente! Ra custodisce il veleno (dopo che Ra ha pronunciato il suo nome ...)“.
– L. Popko, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBkCSDL1ugo79k5WtZiGZ0l1Z5A, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 03.04.2023): „Zahn ⟨gegen⟩ Zahn, während Re das Gift bewachte, als Re seinen (d.h. des Giftes) Namen {schärfte} ⟨nannte⟩ (...)“.
Für Parallele (2):
– A. H. Gardiner, DZA 20.560.510: „Mund gegen Mund[.] Zahn gegen Zahn[.] Re, hüte dich vor dem Gift des Skorpions, den ich aus Ton gemacht habe (...)“.
– A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. Bd. 1. Text (London 1935), 60: „A mouth against a mouth. A tooth against a tooth. Rēꜥ, beware of the poison of the scorpion I have made of clay (...)“.
– J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts. Translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 79: „A mouth against a mouth, a tooth against a tooth! Rēꜥ guards 〈the〉 poison of the scorpion (wḥꜥ.t), which I have made of clay (...)“.
– K. Stegbauer, TLA: „Ein Spruch steht gegen ein Maul, ein Zahn gegen einen Zahn, Re ist der Wächter des Giftes! Der Skorpion, den ich aus Ton geformt habe, (…)“.
Für Parallele (3):
DZA 20.560.330 + 20.560.340: „Mund gegen Mund, Zahn gegen Zahn, an jenem Tage, wo das Gift des Feindes ‚geschlachtet wird‘ (?)[.] [D]er Mund des Gottes an die Stelle deines Mundes (...)“.
– J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The Intellectual Heritage of Egypt. Studies Presented to László Kákosy by Friends and Colleagues on the Occasion of his 60th Birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier: 478: „Mund gegen Mund, Zahn gegen Zahn, an jenem Tag, an dem das Gift des Feindes getötet wird! Der Mund des Gottes sei gegen die Tätigkeit deines Zahns (...)“.
– P. Dils, TLA: „Mund gegen Mund, Zahn gegen (Gift)-Zahn (an) jenem Tag des Tötens des Giftes des Feindes. Der Mund/Spruch des Gottes ist gegen die Aktivität/Wirkung/Äußerung deines Mundes; (...)“.
Die Parallele (1) erweist sich übersetzungstechnisch als unproblematischste; im TLA wurde lediglich der Anfang nach Parallele (2) emendiert. Auch Parallele (3) erweist sich syntaktisch als einfach.
Bei Parallele (2) liegen die Unterschiede in den Bearbeitungen in der syntaktischen Deutung des zꜣu̯: „behüten“ und in der des Anschlusses von tꜣ wḥꜥ.t: „Skorpion“: Gardiner fasst zꜣu̯ imperativisch auf; Borghouts (und ihm folgend Stegbauer) dagegen, wohl inspiriert von (1), indikativisch. Den mit tꜣ wḥꜥ.t: „Skorpion“ beginnenden Satz schließen wiederum Gardiner und Borghouts genitivisch an mtw.t: „Gift“ an, wohingegen Stegbauer damit einen neuen Satz beginnt und darin ein vorangestelltes Objekt des weiter hinten folgenden rḏi̯.n=j: „legen“ vermutet: „Der Skorpion (...), ich lege (ihn) (...)“. Als Argument für Stegbauers Analyse könnte man den Verspunkt hinter mtw.t: „Gift“ geltend machen; vgl. aber immerhin N. Tacke, Verspunkte als Gliederungsmittel in ramessidischen Handschriften, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 22 (Heidelberg 2001), 164 für Verspunkte innerhalb von indirekten Genitiven – das n müsste man dann ergänzen. Für Gardiners und Borghouts’ Lösung würde wiederum der fehlende Artikel von mtw.t: „Gift“ sprechen, den man trotz der partiellen Zerstörung der Stelle wegen Platzmangels wohl nicht ergänzen können wird. Schließt man tꜣ wḥꜥ.t: „Skorpion“ genitivisch an mtw.t: „Gift“ an, würde dieser Genitiv die durch den Wegfall des Artikels vor mtw.t: „Gift“ fehlende Determinierung auffangen.
An der Stelle im Brooklyner Papyrus wiederum wird die Passage um den Schutz des Re von allen Bearbeitern als jn-Konstruktion („Re ist es, der ...“) übersetzt. Auf diese Weise lässt sich die Stelle gut der Parallele (1) sowie – vorausgesetzt, man folgt Borghouts’/Stegbauers Interpretation – auch der Parallele (2) zur Seite stellen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass dies nur möglich ist, indem jn von seiner tatsächlichen Stelle vor den Gottesnamen verschoben wird. Außerdem übergehen die Bearbeiter den Umstand, dass ḫft: „während“ eigentlich nur mit folgender Verbalform als Konjunktion dienen kann. Daher sollten auch andere Emendationen in Betracht gezogen werden: Der Papyrus teilt mit der Parallele (3) den anschließenden Satz. Es ist nicht auszuschließen, dass auch die Passage davor Ähnlichkeiten aufweist. Sollte man die Zeichen 𓇳 vielleicht gar nicht Rꜥw: „Re“, sondern ebenfalls hrw: „Tag“ lesen können? Vgl. die Schreibung von hrw: „Tag“ in der Zeile darüber sowie die Schreibungen des Gottesnamens, die im vorliegenden Papyrus eigentlich 𓇳𓅆 lauten (wobei im Hieratischen der Unterschied zugegebenermaßen relativ gering ist)? Unter dieser Voraussetzung könnte man vielleicht – unter Vorsicht – eine Entwicklung des Spruches von pChester Beatty VII (hier Parallele (2)) über den Brooklyner Text (bzw. dessen Vorlage) hin zu der London-Kopenhagener Stele (hier (3)) postulieren: In der Zeit zwischen Parallele (2) und der Vorlage von pBrooklyn wird Rꜥw: „Re“ zu hrw: „Tag“ umgedeutet und tꜣ wḥꜥ.t: „Skorpion“ zum ḫft.j: „Feind“ verallgemeinert; im Brooklyner Papyrus wird die Stelle lediglich fehlerhaft aufgeschrieben. Und in der Zeit zwischen der Vorlage von pBrooklyn zu Parallele (3) wird hrw: „Tag“ um den Artikel pfj: „jener“ erweitert, und der Verfasser der Stele hat das ihm dann vielleicht ambivalent erscheinende zꜣu̯: „Wächter“ durch smꜣ: „Töten“ ersetzt.
Die Bedeutung von zꜣu̯ verdient noch eine Zusatzbemerkung: In fast allen Bearbeitungen sowohl von pBrooklyn als auch deren Parallelen wird es als Beleg für das Verb „bewachen, hüten“, Wb 3, 416.12–417.21, aufgefasst. Stegbauer/Feder schlagen dagegen in der zu Anfang der 2000er (von Stegbauer) für den TLA eingegebenen und 2012/14 (von Feder) überarbeiteten Fassung des Brooklyner Papyrus die Bedeutung „zerbrechen“ vor, d.h. das Verb zꜣw, Wb 3, 419.4–11. Die letztere Bedeutung würde tatsächlich im Brooklyner Papyrus gut passen und den Satz inhaltlich noch näher an die London-Kopenhagener Stele rücken; zudem könnte das auch im Turiner Papyrus zu einem sinnvollen Satz führen.

6 Das Verb fehlt in der Teilparallele BM EA 190 (+ Ny Carlsberg ÆIN 974), Zeile 36: Der Satz ist dort ein Nominalsatz: „Es ist jener Zahn des großen Gottes“, s. J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The Intellectual Heritage of Egypt. Studies Presented to László Kákosy by Friends and Colleagues on the Occasion of his 60th Birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier: Taf. 30.

7 Im vorigen Satz wird ein feminines Bezugswort angesprochen, sicherlich das zuvor genannte „Gift“ (mtw.t). Im hiesigen Satz wechselt der Schreiber zum maskulinen Suffixpronomen und spricht wohl eher den Verursacher des Giftes an – syntaktisch gesehen also entweder den zuvor und wenig später genannten „Feind“ (ḫft.j) oder die hier ungenannte, aber im vorigen Rezept genannte „Schlange“ (ḥfꜣ.w).

8 (FF) Anders in den Parallelen, vgl. J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The Intellectual Heritage of Egypt. Studies Presented to László Kákosy by Friends and Colleagues on the Occasion of his 60th Birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier: 479. 

9 S. zu diesem Satz J. F. Quack, Zwiebel und Keule, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 24, 1997, 231–239 (Hinweis F. Feder), der aufzeigt, dass in diesem Satz eine Parallele zum Mundöffnungsritual, Spruch 57B vorliegt. Sauneron 1989, 58 übersetzt ab „dessen Name“: „C’est assurément son nom qui protégera Horus des suivants de Seth.“

10 Im Zeilenzwischenraum zwischen 2,24 und 2,25 ist ein unförmiger rotbrauner Fleck unbekannter Bedeutung. Vergleichbare Flecke, teilweise gleichförmiger, finden sich auch in Zeile 1,20, 1,24 und 1,25.

11 Nfr-kꜣ-Rꜥw: Sauneron 1989, 60–61 identifiziert diesen König mit Pepi II. (übernommen von Westendorf 1999, 252). Die zunächst denkbare Alternative Ramses IX. schließt er aus, weil sich auch Passagen anderer medizinischer Texte auf sehr frühe Verfasser berufen: allen voran Eb 856a = Bln 163a, die sich in die Zeit des Chasti/Kenkenes/Usaphais (zur Lesung des Namens s. die Diskussion bei Popko, Papyrus Ebers mit weiterer Literatur) datieren, und der London Medical Papyrus, L 60 (neu) / 25 (alt), mit einen Spruch vorgeblich aus der Zeit des Cheops – wobei genau genommen darin, ebenso wie hier in § 42b, davon die Rede ist, dass die betreffenden Schriften in den angegebenen Regierungszeiten „gefunden“ wurden und damit theoretisch sogar noch älter sein müssen. Wie eine Vereinfachung dieser Findeformel liest sich dann eine Notiz bei Manetho, der dem König Athothis (wie Usaphais ein Vertreter der 1. Dynastie) die Abfassung von Anatomiebüchern zuschreibt (W. G. Waddell, Manetho, Loeb Classical Library 350 (London, Cambridge, MA 1964 (repr. 1940)), 30–31 [Eusebius] = 32–33 [armen.] = 36–37 [Africanus]). Hierher gehört schließlich noch pOxyrhynchus XI 1381 vso. (B. P. Grenfell – A. S. Hunt (Hrsg.), The Oxyrhynchus Papyri. Vol. XI, Egypt Exploration Fund. Graeco-Roman Branch 72 (London 1915), 221–234, A. Jördens, Griechische Texte aus Ägypten, in: B. Janowski – D. Schwemer (Hrsg.), Texte zur Heilkunde, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Neue Folge 5 (Gütersloh 2010), 317–350, hier 318–321), worin ein Buch mit Wundertaten des Imhotep-Asklepios erwähnt wird, das wohl (die Stellen sind etwas zerstört) unter dem König Mykerinos verfasst worden war. Und im Papyrus Berlin 3049 aus der 3. Zwischenzeit findet sich schließlich die Kopie eines (vielleicht aus dem Ende der 20. Dynastie stammenden oder dann redigierten) Dekrets Thutmosis’ III., in dem ein „magisches Buch (nh.t) aus der [Zeit der] (?) Vorfahren“, erwähnt wird, das sich dieser König in einem medizinischen Kontext zunutze macht, vgl. zum Text P. Vernus, Un décret de Thoutmosis III relatif à la santé publique (P.Berlin 3049, vo 18-19), in: Orientalia 48 (2), 1979, 176–184 und S. A. Gülden, Die hieratischen Texte des P. Berlin 3049, Kleine ägyptische Texte 13 (Wiesbaden 2001), 82–87.
Im weiteren Sinne kann man hierzu wohl auch noch das Rezept Eb 468 stellen, das behauptet, für Schesch, die Gemahlin des Königs Teti, angefertigt worden zu sein, sowie Eb 419, das angeblich für den heliopolitanischen Hohepriester Chui angefertigt wurde, der wohl mit dem Priester Chuienher aus der 6. Dynastie zu identifizieren ist. Obwohl in den letzten beiden Fällen nicht explizit gesagt wird, dass sie zu dieser Zeit auch verschriftlicht wurden, wird man das implizit annehmen dürfen. All diese Altersnachweise haben den Zweck, den Texten einen hohen Wirkungsgrad zu bescheinigen. Vergleichbare Nachweise gibt es auch aus religiösen Texten. 
[Etwas anders motiviert sind sicherlich die Rezepte L 32 (neu) / 44 (alt), L 39 (neu) / 51 (alt) und L 49 (neu) / 61+14 (alt) des London Medical Papyrus, die sich als wirksam zur Zeit Amenophis’ III. bezeichnen (nicht: zu dieser Zeit gefunden!). Da der Papyrus paläographisch gesehen wohl aus der späten 18. Dynastie stammt und damit nur kurze Zeit nach der Regierungszeit dieses Königs verfasst wurde, kann dessen Namensnennung kaum als Altersnachweis dienen – der in diesem Falle auch nachweisbar falsch wäre, da speziell L 39 fast identisch ist mit Eb 487 und L 49 fast identisch mit Eb 491, und pEbers vor der Zeit Amenophis’ III. verfasst wurde. In diesem Fall wird wohl eher die Autorität des Königs das ausschlaggebende Motiv für die Nennung sein, die in den zuvor genannten Nachweisen natürlich ebenfalls mitschwingt – die Autorität speziell dieses Königs in medizinischen Belangen ist vielleicht nicht zu trennen vom Einzug von Amenophis, Sohn des Hapu, in Heilkulte sowie die Rolle der beiden in der von Manetho überlieferten Osarsiph-Legende.]
Die genannten Rezepte bzw. Sprüche datieren die Abfassung medizinischer Texte also in die 1. Dynastie (Eb, Bln; vgl. Manetho) bzw. 4 Dynastie (L, pOxy XI 1381). Implizit ist noch die 6. Dynastie hinzuzustellen (Eb). Gerade Letzteres unterstützt Saunerons Identifizierung des Neferkare mit Pepi II. Diesem war ohnehin insofern auch ein literarisches Nachleben beschert, als er eine Rolle in einer bruchstückhaften, auf zwei Schreibtafeln und einem Papyrus erhaltenen Erzählung innehat (nicht umsonst als Erzählung von Neferkare und Sasenet bezeichnet). Gerade die Papyrusversion stammt aus der 25. Dynastie und ist damit zeitlich vielleicht nicht allzu weit vom Brooklyner Papyrus entfernt.
Gleichzeitig sollte man angesichts des sehr hohen Alters, das die Papyri Ebers und Berlin P 3038 sowie Manetho medizinischem Schriftgut zuschreiben, die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass auch der Verfasser des Brooklyner Papyrus bzw. von dessen Vorlage einen noch älteren König als Pepi II. vor Augen hatte. So führt die Königsliste von Abydos einen König Neferkare auf Position 19 an, zwischen Sedjes (3. Dynastie) und Snofru (4. Dynastie). Dessen Identität ist zwar nicht völlig sicher (vgl. C. Theis, Zu den an der Pyramide Lepsius XIII gefundenen Namen. Die Frage nach Nfr-kꜣ und Bꜣ-kꜣ, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 43, 2014, 423–438), aber offenbar hat ein König dieses Namens, egal, ob real oder fiktiv, Eingang in zumindest einen Strang des historischen Bewusstseins der Ägypter gefunden. Von seiner Position her ist dieser frühere Neferkare ein Eigenname und kein Thronname (wie derjenige des Brooklyner Papyrus), den es als eigenständigen Namen zu dieser frühen Zeit noch nicht gab. Zu Beginn der 6. Dynastie, nach Teti, wechselt der Verfasser der Königsliste jedoch vom Eigen- zum Thronnamen und führt daher auch Pepi II. auf Position 38 nicht mit seinem Eigennamen Pepi, sondern mit seinem Thronnamen Neferkare auf – d.h. sowohl auf Position 19 als auch auf Position 38 steht ein Neferkare, und einem Autor medizinischer Texte mag vielleicht nicht bewusst gewesen sein, dass in dem ersten Fall ein Eigenname, im zweiten ein Thronname gemeint ist. Der Umstand, dass der Neferkare von § 42a des Brooklyner Schlangenpapyrus als nzw-bjt bezeichnet wird, spricht also nicht gegen die Option, dass damit derselbe König gemeint ist wie in der Abydos-Liste, Position 19.
Ein zweiter, ebenso ephemerer, aber nicht völlig auszuschließender Kandidat könnte Manethos Nephercheres sein, von diesem in die 2. Dynastie platziert. Dieser Name dürfte ebenfalls einem Nfr-kꜣ-Rꜥw entsprechen. Diesen möchte J. von Beckerath, Handbuch der ägyptischen Königsnamen, Münchner Ägyptologische Studien 49, 2 (Mainz 1999), 44 mit dem Neferkare der Königsliste von Saqqara gleichsetzen und eben (weil Djoser vorangehend, statt ihm folgend?) in die 2. Dynastie setzen. Sein Vorschlag, ihn zusätzlich noch mit dem König Nfr-kꜣ der Turiner Königsliste (pTurin Cat. 1874), vso. 2,24 (sic, gemeint ist Zeile 25, und die Kolumne wird heute als dritte gezählt, daher heute: 3,25) gleichzusetzen, ist insofern problematisch, als dessen Lesung nicht ganz gesichert ist: A. H. Gardiner, The Royal Canon of Turin (Oxford 1959), Taf. 1 transliteriert in 2,25 Ꜥꜣ-kꜣ und betont S. 16, Anm. a zu II 25, dass eine Lesung des ersten Zeichens als nfr unmöglich sei (bestätigt anhand des Fotos der Turiner Papyrusdatenbank). Dennoch scheint K. Ryholt, The Turin King-List, in: Ägypten und Levante 14, 2004, 135–155, hier 148 anzudeuten, dass er dies für einen Fehler für Nfr-kꜣ(-Rꜥw) hält.
Last but not least sei trotz Saunerons Ablehnung einer Gleichsetzung mit Ramses IX. und trotz der oben vorgebrachten Argument für eine Gleichsetzung mit einem frühen König darauf verwiesen, dass P. Vernus, Un décret de Thoutmosis III relatif à la santé publique (P.Berlin 3049, vo 18-19), in: Orientalia 48 (2), 1979, 176–184, hier: 183 Ähnlichkeiten im Formular des oben erwähnten angeblichen Dekrets Thutmosis’ III. und Dekreten Ramses’ IX. und XI. feststellt. Das heißt, Vernus vermutet, dass es sich um ein in spätramessidischer Zeit zu Propagandazwecken umgearbeitetes Dekret handeln könnte – etwas zugespitzt könnte man daher spekulieren, dass tatsächlich zur Zeit Ramses’ IX. eine Suche nach (unter anderem) Texten medizinischen Inhalts stattgefunden haben könnte. Eine kritische Haltung in medizinischen Fragen am Hof Ramses’ IX. zeigt sich auch an Dokument B der Papyrusrolle Kairo ESP (W. Helck, Eine Briefsammlung aus der Verwaltung des Amuntempels, in: Journal of the American Research Center in Egypt 6, 1967, 146–151, hier 137; K. A. Kitchen, Ramesside Inscriptions, Historical and Biographical. Vol. VI, Monumenta Hannah Sheen dedicata 3 (Oxford 1983), 518.6–519.10), in dem von Seiten des Hofes eine Lieferung zuvor erbetenen zweifach guten Bleiglanzes wegen schlechter Qualität reklamiert und als Ersatz vierfach guter Bleiglanz gefordert wird (Hinweis H.-W. Fischer-Elfert). Hervorhebenswert in diesem Brief ist zudem die Erwähnung eines sonst bislang nicht belegten: „Büro der Ärzte Pharaos LHG (in) der Residenz“ (Zeile 27, K. A. Kitchen, Ramesside Inscriptions, Historical and Biographical. Vol. VI, Monumenta Hannah Sheen dedicata 3 (Oxford 1983), 518.16).

12 (FF) Zu diesem Abschnitt vgl. J.F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot (pBrooklyn 47.218.48+85 3,1–6), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 1996, 305–333.

13 (FF) „Die die Brust des Thot schmückt“ ist ein geläufiges Epitheton der Maat, nachweislich in griechisch-römischer Zeit; vgl. C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. VI. ẖ–s, Orientalia Lovaniensia Analecta 115 (Leuven 2002), 597.

14 (FF) Möglicherweise wird hier auf Tb 102 angespielt. Vgl. aber auch J. F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot (pBrooklyn 47.218.48+85 3,1-6), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 1996, 305–333, hier: 325–330. 

15 Sauneron 1989, 62 übersetzt unkommentiert: „(...) cet ennemi, qui se rebellait (...)“. Das erfordert eigentlich eine Korrektur, wird aber dennoch auch von Bardinet 1995, 529 übernommen. Dagegen übersetzt Westendorf 1999, 253: „(...) jene Aufrührer, die sich (...) auflehnten“. Vermutlich hat er an das Kollektivum sbj.t: „Rebellen“ (Wb 4, 88.8) gedacht. Dessen Numerus ist unsicher und unter den ohnehin sehr wenigen Belegen gibt es keinen, der eine sichere Aussage erlaubt. Als Kollektivum könnte man zumindest annehmen, dass es in diesem prinzipiell mittelägyptischen Text tatsächlich syntaktisch singularisch konstruiert werden kann, vgl. A. H. Gardiner, Egyptian Grammar. Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, 3rd, rev. edition (Oxford 1957 (Repr. 2001)), § 77.3. Die aus dem frühen Mittleren Reich stammende Stele des Montuhotep, Kairo CG 20539, Z. I.b.10–11 konstruiert das Wort (sofern es tatsächlich dieses ist) jedoch pluralisch, indem es mit dem pluralischen Pronomen =sn darauf verweist (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd4NNrX15g0TsoUI6kKK3Png-01, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 28.10.2022)). Die Einleitung der Nastasen-Stele (Ende 4. Jh. v.Chr.) (s. H. Schäfer, Urkunden der älteren Äthiopenkönige, Urkunden des Ägyptischen Altertums III (Leipzig 1908), 140.12) bestätigt scheinbar eine Auffassung von sbj.t als grammatischem Singular. Jedoch ist sie nur unter großen Einschränkungen heranziehbar, denn der Text ist im napatanischen Dialekt gehalten, so dass die Übertragbarkeit der Beobachtungen auf andere ägyptische Sprachgebiete nicht sicher ist. C. Peust, Das Napatanische. Ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends. Texte, Glossar, Grammatik, Monographien zur Ägyptischen Sprache 3 (Göttingen 1999), 239, § 23.1.4 stellt die Hypothese auf, dass die Pronomina der t-Reihe in diesem Dialekt auch Plurale kennzeichnen kann, und zu den möglichen Belegen hierfür nennt er auch die Nastasen-Stele. 
J. F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot (pBrooklyn 47.218.48+85 3,1–6), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 1996, 305–333, hier: 331–332 lehnt Saunerons Übersetzung explizit ab und vermutet, dass tatsächlich eine weibliche Rebellin gegen Osiris genannt wird. Spuren entsprechender Mythenstränge findet er:
(1) in einem der Zaubersprüche für Mutter und Kind, pBerlin P. 3027, 2,6–8 (Spruch D), in dem eine Dämonin namens Jššj als Tochter des Osiris erscheint und offenbar über ihn lästert; sie wird in diesem Spruch ferner als Asiatin und Nubierin bezeichnet.
(2) Plutarch, De Iside 356b–c und 366c erwähnt, dass eine äthiopische Königin namens Ἀσώ Seth bei der Verschwörung gegen Osiris geholfen habe (http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=urn:cts:greekLit:tlg0007.tlg089.perseus-grc1:356b und http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=urn:cts:greekLit:tlg0007.tlg089.perseus-grc1:366c, = De Iside 13 und 39, http://data.perseus.org/citations/urn:cts:greekLit:tlg0007.tlg089.perseus-eng2:13 und http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=urn:cts:greekLit:tlg0007.tlg089.perseus-eng2:39).
Quacks Interpretation folgt offenbar Stegbauer 2010, 274-298: „(...) die Rebellin (...), die (...) rebellierte (...)“.

16 (FF) Der Ritualist wendet sich jetzt direkt an das Gift, das er austreiben möchte.

17 (j)ḫ.t-nṯr jm=f: Zur Bedeutung von jḫ.t-nṯr als Körperteil eines Gottes s. J. F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot (pBrooklyn 47.218.48+85 3,1–6), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 23, 1996, 305–333, hier: 310–311 mit Literatur und Beispielen. Ihm zufolge ist die Präpositionalverbindung jm=f partitiv zu verstehen: Sie bezeichnet die Gottessubstanz als von „ihm“, d.h. dem zu Eingang des Spruches genannten Thot, stammend. Mit der von Thot stammenden Substanz sei das in der Rezeptur genannte Pavianshaar gemeint; diese Pflanzenbezeichnung habe daher seinen Namen konkret vom Pavian als dem heiligen Tier des Thot.

18 (FF) Vgl. Metternichstele, Zeile 245.

19 (FF) Zur Wichtigkeit der Stimulierung des Herzens und des Freimachens der Atmung bei Bissen bestimmter Schlangenarten vgl. Sauneron 1989, 64 Anm. (3) und (4).

20 (FF) Möglicherweise handelt es sich um Epilepsie, vgl. Sauneron 1989, 64 Anm. (5). (Nachtrag LP) Zu einer rezenteren vorsichtigen Deutung als Tuberkulose vgl. dagegen H.-W. Fischer-Elfert – F. Hoffmann, Die magischen Texte von Papyrus Nr. 1826 der Nationalbibliothek Griechenlands, Ägyptologische Abhandlungen 77 (Wiesbaden 2020), 119–124.

21 Meint vermutlich den Verfasser der vorliegenden Schrift. Vgl. dazu sowie zur lautlichen Gestalt die Bemerkungen bei Sauneron 1989, 65, Anm. 1 und Fischer-Elfert 1991, 229–234, hier: 233.

22 Sauneron 1989, 70, 229 liest die variante Droge : „bois à brûler“, übernommen von Bardinet 1995, 531. Im Grunde dieselbe Übersetzung, jedoch mit abweichender Lesung, schlägt Stegbauer 2010, 288 mit Anm. 244 vor; sie verweist dafür auf die Verwendung eines gleichnamigen Stoffes zur Herstellung einer Statue der Selket in pBM EA 9997, rto. 6,17. Einen anderen Vorschlag bietet Westendorf 1999, 255 mit Anm. 351, der (mit Fragezeichen) an „verbrannte Dinge“ denkt. Dies erscheint jedoch merkwürdig unspezifisch für eine Drogenbezeichnung – wie im Übrigen auch Saunerons Vorschlag.
Zunächst einmal lässt sich die fragliche Zeichengruppe schlicht als „Feuer, Flamme“ lesen. Dieses in einer Drogenliste als Variante zu „Holzkohle von Weide“ vorzufinden, ergibt jedoch wenig Sinn. Zwar ist Feuer als Hilfsmittel zur Erzeugung einer Reaktion bei der Herstellung medizinischer oder magischer Mittel gut bezeugt, es ist aber selbst keine eigentliche Materia medica oder magica, die sogar abgemessen werden könnte. An der vorliegenden Stelle fragt man sich zudem, wozu genau es die Alternative ist: für die Weide oder für die Holzkohle. Falls für Letzteres, könnte man spekulieren, ob „Feuer, Flamme“ hier nicht doch eine stoffliche Qualität bekommt und etwa im Sinne von „Glut“ (oder – sozusagen noch einen verbrennungstechnischen Schritt weitergehend – „Asche“) zu verstehen ist.

23 Von der fraglichen Zeichengruppe ist nur noch die obere Hälfte erhalten. Sauneron 1989, 71 hat an eine Deutung als wḥꜥ.t: „Skorpion“ gedacht und: „herbe-à-scorpion (?)“ übersetzt, wofür er in der zugehörigen Anmerkung auf W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), 31 + 77, 3–5 = pTurin CGT 540751 / pTurin Cat. 1993, rto 5,4 verweist (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ZNI6ALRZGJHG7PZVUSYSSCVLCQ). Allerdings merkt er ebd. an, dass die Spuren eher an rn=f: „sein Name“ erinnern – „ce qui n’a guère de sens“. Dennoch hat Bardinet 1995, 531 seinen Übersetzungsvorschlag übernommen: „plante ‚herbe-à-scorpion‘ (?)“. Stegbauer 2010 bietet gewissermaßen eine Kombination von Saunerons Übersetzungsvorschlag und seiner Rekonstruktion des Hieratischen an: „〈...〉, das (auch) 〈Skorpion-〉Kraut heißt“; sie geht also von einer teilweise korrupten Passage  aus. Dies ist jedoch nicht möglich, denn sobald man die fragliche hieratische Gruppe als rn=f: „sein Name“ liest, entfällt die Option, sie (scil.: gleichzeitig) als wḥꜥ.t: „Skorpion“ zu lesen und damit konkret Skorpionkraut zu ergänzen. Dennoch nennt auch Westendorf 1999, 256, Anm. 352 diese Option und vermutet, dass „‚Schlangenkraut‘ (?)“ ausgefallen sein könnte. "Schlangenkraut“ ist in seinem Handbuch die Übersetzung für die qꜣd.t-Pflanze, und man könnte annehmen, dass ihn das Rezept Eb 294 auf diese Idee brachte, das mit: „Eine Pflanze - snwt.t ist ihr Name“ beginnt und diese Pflanze mit der qꜣd.t-Pflanze vergleicht.

24 Lesung nach Sauneron 1989, 71–72 (mit Verweis auf Zeile 4,2), gefolgt von Bardinet 1995, 532 und Stegbauer 2010, 288. Westendorf 1999, 256 sieht im vermutlichen km: „schwarz“ eine Abkürzung für qmꜣ: „falb“ (diese Bedeutung für qmꜣ mit guten Argumenten abgelehnt von A. I. Blöbaum, Der falbe Esel – eine Chimäre? in: A. I. Blöbaum – M. Eaton-Krauss – A. Wüthrich (Hrsg.), Pérégrinations avec Erhart Graefe: Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, Ägypten und Altes Testament 87 (Münster 2018), 83–101).

25 Eine nur in § 47b genannte Schlangenbezeichnung, gegen deren Gift getrocknete und in Wein zerriebene Damhirschleber verschrieben wird (konkret lautet die Anweisung nur : „(Werde) ebenso (verfahren)“, womit auf das vorherige Teilrezept verwiesen wird; dieses Teilrezept wiederum gilt als „anderes“ Heilmittel gegen das Gift einer nkj.w-Schlange, bei der es sich laut Sauneron 1989, 21, 154–155, 164 um die Speikobra, Naja nigricollis, handelt und laut Leitz 1997, 37–40 um die Europäische Eidechsennatter, Malpolon monspessulanus).
Die Klassifizierung von qꜣdj mit der aufgerichteten Kobra macht deutlich, dass es sich bei diesem Tier um eine Schlange handelt und nicht etwa um das qꜣd.yt-Insekt, das in § 40 vorkommt und anders geschrieben wird (Sauneron, a.a.O., 55). Auf S. 162 schlägt Sauneron mit Zurückhaltung vor, diese Schlangenbezeichnung eventuell mit der Bezeichnung k.t(j) (Wb 5, 115.15) zusammenzubringen, die einmal, nämlich in den Hymnen auf das Diadem des Königs, pMoskau 314, Zeile 4,2, vorkommt und vielleicht die Uräusschlange bezeichnen könnte. Diese Bezeichnung ist jedoch wohl ein Ghostword. Schon A. Erman, Hymnen an das Diadem der Pharaonen. Aus einem Papyrus der Sammlung Golenischeff, Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1911 (Berlin 1911), 25, 31 plädiert für eine andere Lesung und „(...) möchte (...) in rkḥt ‚brennende‘ verbessern“. Diesem Vorschlag schließt sich C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. IV. nbt–h, Orientalia Lovaniensia Analecta 113 (Leuven 2002), 729b–c an, wo pMoskau 314 den Beleg 3 für die Rkḥt: „Die Brennende“ bildet. M. Bommas, Das ägyptische Investiturritual, British Archaeological Reports - International Series 2562 (Oxford 2013), 14 transkribiert rk.t, aber ohne sichtbare Emendation. Seine Interpretation des Wortes bleibt unklar: Er übersetzt ebd. schlicht mit „Schlange“; auf S. 18 scheint er einen Kommentar geplant, ihn aber bis auf das einleitende Stichwort nicht ausgeführt zu haben.
Leitz 1997) bespricht die qꜣdj-Schlange nicht, sondern listet sie nur auf S. 147 unter denen auf, die nicht identifizierbar sind.

26 (FF) Das übliche „zerreiben und (in einer Flüssigkeit) glattrühren“ ist hier wohl ausgefallen oder als selbstverständlich ausgelassen.

27 (FF) Die Flüssigkeit, in der sonst die Masse angerührt wird, ist hier und in § 48c ausgelassen oder als selbstverständlich wegelassen.

28 Sauneron 1989, 79, Anm. 2 zu § 51e hält die Drogenbezeichnung von § 49b und 51e für eine undeutlich geschriebene Variante der sꜥm-Pflanze. Ihm folgen Bardinet 1995, 533, 534 (mit Fragezeichen) und Stegbauer  2010, 289, 290 (ohne Fragezeichen). Dagegen vermutet Westendorf 1999, 258–259 mit Anm. 355 in beiden Rezepten eine Schreibung für die tjꜥm-Pflanze.

§ 50

(§ 50a) Was bei einem Biss einer sḫf-Schlange (oder) einem Biss einer mꜥdy-Schlange angewendet wird:
Zwiebeln/Knoblauch, tḥwꜣ-Pflanze, fermentierter Pflanzenschleim1.
Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 50b) Ein anderes (Heilmittel):
nḥḥ-Öl, Weihrauch, bdd-Pflanze.
〈Die Bisswunde〉 werde damit gesalbt.

§ 51

(§ 51a) Was bei einem Biss einer weiblichen asiatischen Viper (Sandotterweibchen) angewendet wird:
Unterägyptisches Salz, nḥḥ-Öl.
Die Bisswunde werde damit2 gesalbt.
(§ 51b) Wenn sie (die Bisswunde) tief ist, dann sollst du ihm (d.h. dem Gebissenen) anfertigen: geteilter(?)3 Weihrauch, Wachs, Laich (?) des šnꜥ-Fisches, wšb-Mineral, Alaun, unterägyptisches Salz.
〈Die Bisswunde〉 (werde) damit verbunden.
(§ 51c) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch, Alaun, lange Kupferspäne;
Werde zerrieben (und) in Saft („Wasser“) der bdd-Pflanze glattgerührt; ftt-Pflanzenfaser, mit mn-Harz erhitzt (als Kompresse).
〈Die Bisswunde〉 werde damit verbunden.
(§ 51d) Ein anderes (Heilmittel):
„Mäuseschwanz“-Wurzel.
Werde zerrieben (und) in Wasser glattgerührt. Werde vom Gebissenen getrunken.
(§ 51e) Ein anderes (Heilmittel):
ꜥꜥm-Pflanze: 1/8 (Dja), tjꜥm-Pflanze (oder: sꜥm-Pflanze): 1/8 (Dja), fermentierter Pflanzenschleim: 4 Hin (= 6,4 Dja).
Werde getrunken (und) ausgespien.

§ 52

Was für einen von einer sdb-Schlange (Sandrennnatter) Gebissenen (oder: Was bei einem Biss einer sdb-Schlange)4 angewendet wird:
Unterägyptisches Salz, nḥḥ-Öl.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. 〈Die Bisswunde〉 werde damit verbunden.

§ 53 

[3,25] Was bei einem Biss einer -bḏꜣḏꜣ-Schlange angewendet wird:
Natron, nḥḥ-Öl.
〈Die Bisswunde〉 werde damit verbunden.

§ 54

(§ 54a) Was bei einem Biss einer ḥby-Schlange angewendet wird:
Wilde Minze (?): 1/8 (Dja).
Werde [zerrieben] (und) in 1/64+1/64 (Oipe = 2 Dja) Wasser glattgerührt.
Werde vom Gebissenen getrunken.
(§ 54b) Ein anderes (Heilmittel):
šms-Pflanze.
Werde zerrieben (und) in frischem bꜣq-Öl glattgerührt. Werde vom Gebissenen gegessen.
(§ 54c) Ein anderes (Heilmittel):
[4,1]5 twn-Pflanze.
Werde zerrieben (und) in Honig glattgerührt. Ebenso (verfahren wie oben).
(§ 54d) Ein anderes (Heilmittel):
qbw-Samen: 1/4 (Dja), Kot eines roten Stieres: 1/16 (Dja), „Mäuseschwanz“: 1/8 (Dja), Damhirschherz: 1/16 (Dja), Kot einer Meeräsche: 1/128 (Dja).
Werde zerrieben, glattgerührt (und) zu trockenem pꜣjs-Granulat verarbeitet; werde (wieder) zerrieben (und) in 1/64+1/64 (Oipe = 2 Dja) Wein glattgerührt. Werde vom Gebissenen getrunken.
Sehr wirksam, millionenfach (bewährt)!
(§ 54e) Ein anderes (Heilmittel):
qb.w-Pflanze, Kot eines schwarzen Stieres.
Werde zerrieben (und) in Wasser glattgerührt. Werde vom Gebissenen getrunken.
(§ 54f) Ein anderes (Heilmittel):
„Mäuseschwanz", Zwiebel/Knoblauch, Kot eines „Kahlen von Heliopolis“ (Priester)6.
Werde zerrieben, glattgerührt (und) gedörrt, bis es („sie“) trocken ist; werde (wieder) zerrieben, in Wasser glattgerührt (und) durchgeseiht. Werde getrunken.
(§54 g) Ein anderes (Heilmittel):
„Mäuseschwanz“-Wurzel.
Werde zerrieben (und) in Wasser glattgerührt. Werde vom Gebissenen getrunken.
(§ 54h) Ein anderes (Heilmittel):
„Lebenenthaltende“: 1/8 (Dja), Honig: 1/16 (Dja), süßes Bier 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde vom Gebissenen getrunken.

§ 55

Heilmittel, die bei einem Gebissenen angewendet werden, wenn das Gift seinen Kopf erfasst hat:
Maische, „männlicher“ Pflanzenschleim7, „männlicher“ Ton8.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Sein Kopf werde damit gesalbt.

§ 56

(§ 56a) Ein anderes Heilmittel zum Beseitigen des Bisses irgendeiner Schlange:
tḥwꜣ-Pflanze.
Werde zerrieben (und) in Pflanzenschleim glattgerührt. (Die Bisswunde) werde damit verbunden.
Sehr wirksam!
(§ 56b) Ein anderes (Heilmittel):
Früchte (Nüsse, Samen) (oder: Rinde)9 des bꜣq-Baums.
Werde zerrieben (und) in pꜣwr-Wein (?) glattgerührt. (Die Bisswunde) werde damit verbunden.

§ 57

Was bei einem Biss einer kꜣnꜥy-Schlange angewendet wird:
Zwiebel/Knoblauch: 1/8 (Dja), süßes Bier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde getrunken (und) zwei Tage lang ausgespien.

§ 58

Ein anderes (Heilmittel) für den Biss einer [4,5] jeden gefährlichen Schlange:
ḫsy.t-Pflanze, wšb-Mineral, reines Natron, Fett einer roten Ziege, Mehl von Johannisbrotbaumschoten10.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. (Die Bisswunde) werde vier Tage lang damit verbunden.

§ 59

Heilmittel, 〈das〉 beim Speien irgendeiner Schlange 〈angewendet wird〉:
Kreuzkümmel: 1 (Dosis), fqꜣ-Kuchen: 1 (Dosis), twn-Pflanze: 1 (Dosis), Mehl von der šꜣšꜣ-Pflanze (Baldrian?): 1 (Dosis), Zwiebel/Knoblauch: 1 (Dosis), unterägyptisches Salz: 1 (Dosis), Honig: 1 (Dosis).
Werde zerrieben (und) in süßem Bier zu einer Masse glattgerührt. Werde getrunken (und) vier Tage lang ausgespien.

1 Vgl. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 368.

2
 Über dem Wort befindet sich ein kleiner roter Fleck.

3 snṯr pḫꜣ: (FF) Erscheint auch im pEbers, in Eb 210, in sehr ähnlicher Schreibung. Da pḫꜣ auch dort nicht mit einem Determinativ versehen ist, das auf die Lesung „Körnerfrucht“ deuten könnte, ist das Verb vorzuziehen. Möglicherweise ist fein gehackter Weihrauch gemeint?

4 Feder schlägt in seiner TLA-Bearbeitung vor, aufgrund zahlreicher Parallelen der vorliegenden Rezepteinleitung (scil.: im vorliegenden Papyrus) ẖr.j dm.wt: „Gebissener“ zu pzḥ n: „Biss von“ zu emendieren. Jedoch kennen auch ältere medizinische Texte, namentlich der Papyrus Ebers, bei dieser Art der Einleitung sowohl den Anschluss des Kranken als auch den der Krankheit (s. H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ–r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 84), wobei dort sogar Beispiele mit dem Anschluss des Kranken überwiegen und man überlegen könnte, ob die wenigen Belege für den Anschluss der Krankheit Fehler sind.

5 (FF) Das Foto von Kolumne 4 ist bei Sauneron 1989, 4 Haut seitenverkehrt abgedruckt.

6 Zum fk.ty-Priester s. P. Derchain, Le Papyrus Salt 825 (B.M. 10051), rituel pour la conservation de la vie en Égypte, Académie royale de Belgique. Classe des Lettres et des Sciences Morales et Politiques. Mémoires. Collection in-8°, Deuxième série 58 (Bruxelles 1965), 73–75 (mit älterer Literatur) sowie die kurzen Bemerkungen bei P. Vernus, Inscriptions de la Troisième Période Intermédiaire (III), in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 76, 1976, 1–15, hier: 9, Kommentar (f). Dass in diesem Rezept explizit Kot eines fk.ty-Priesters von Heliopolis zur Anwendung kommen soll, ist bemerkenswert, da in den ägyptischen Materia medica nur sehr wenige menschliche Produkte verwendet werden, und auch diese dann nicht derart spezifisch sind. Kot von Menschen kommt nur drei oder vier Mal vor (vgl. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 358). Viel häufiger wird Kot von Tieren gebraucht, was die Frage aufwirft, ob mit dem „fk.ty-Priester von Heliopolis“ vielleicht eher eine ungewöhnliche Tierbezeichnung vorliegen könnte. Gegen eine solche Interpretation spricht jedoch, dass es keine vergleichbaren Tiernamenbildungen gibt.

7 ḥzꜣ ṯꜣ.y: Die Schreibung von ḥzꜣ 𓅭𓏌 sieht zunächst aus wie ptolemäische Schreibungen von mrḥ.t: „Fett; Salböl“, vgl. P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 444. Auch Sauneron 1989, 76, Anm. 3 zu § 50a suggeriert zunächst, dass die entsprechende Droge in § 55 als mrḥ.t zu lesen ist. Denn in seiner Besprechung der Drogenbezeichnung 𓄑𓅭𓏌 von § 50a, die aufgrund der Verbindung mit ꜥwꜣ.y: „fermentiert" eindeutig als ḥzꜣ: „Pflanzenschleim“ identifiziert werden kann, schreibt er, dass diese zu unterscheiden wäre von der Droge in § 55, „qu’on lit habituellement mrḥt“. Allerdings geht er in seiner Übersetzung von § 55 doch davon aus, dass auch die dort stehende Drogenbezeichnung ḥzꜣ: „Pflanzenschleim“ zu lesen ist. Das kann auch dadurch untermauert werden, dass eine Droge ḥzꜣ ṯꜣ.y: „„männlicher“ Pflanzenschleim“ aus anderen medizinischen Texten bekannt ist, eine Droge mrḥ.t ṯꜣ.y: „„männliches“ Fett/Salböl“ dagegen nicht. Auch Bardinet 1995, 535, Westendorf 199), 260 und Stegbauer 2010, 290 gehen ganz selbstverständlich von einer Lesung ḥzꜣ ṯꜣ.y aus.
8 (FF) Zu den Geschlechtszuweisungen an tote Materie vgl. Sauneron 1989, 82 (Anm. (2)).

9 qq: Diese Droge wird seit Sauneron 1989, 83 kommentarlos als „Nüsse des Moringa-Baumes“ verstanden. In pSallier I recto, 8,8 werden qq.w als Teil der mꜣmꜣ: „Dumpalme“ beschrieben; von dieser Stelle leitet sich der Bedeutungsansatz „(Dumpalmen-)Nuss“ ab, vgl. I. Wallert, Die Palmen im Alten Ägypten. Eine Untersuchung ihrer praktischen, symbolischen und religiösen Bedeutung, Münchner Ägyptologische Studien 1 (Berlin 1962), 52–53. Ob die Bedeutung des Wortes allgemein genug ist, um auch die Früchte anderer Bäume, hier konkret des bꜣq-Baumes, zu bezeichnen, bliebe weiter zu beobachten. Für diesen Baum ist ferner zu beachten, dass er in der älteren Ägyptologie für den Olivenbaum gehalten wurde (vgl. H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Bd. II (Leipzig 1868), 426), dass sich aber im 20. Jh. die Bedeutung Moringabaum, d.h. der Lieferant für das Behen-Öl, durchsetzte; zur Literatur s. J. F. Quack, Zur Frage der botanischen Natur des bꜣq-Baumes und des von ihm gewonnenen Öls mit einem Anhang: pBM 10085 „2–3“ rekto. Ein schnippischer Dialog zwischen Mann und Frau? in: R. Landgráfová – J. Mynářová (Hrsg.), Rich and Great. Studies in Honour of Anthony J. Spalinger on the Occasion of his 70th Feast of Thot (Prague 2016), 275–290, hier 275, Anm. 1. In diesem Beitrag führt Quack Argumente an, um zur älteren Übersetzung als Olivenbaum zurückzukehren. Konkret in der vorliegenden Stelle des Schlangenpapyrus muss der qq geschriebene Pflanzenteil auch vom Olivenbaum stammen können. Auf S. 277 seines Aufsatzes hält Quack die bisherige „Deutung [von qq, L. P.] wohl ebenso mit Olivenkernen wie den Samen des Moringa-Baumes [für] vereinbar“, fragt aber dessen ungeachtet, ob alternativ dazu an der vorliegenden Stelle auch an das koptische ⲕⲟⲩⲕⲉ: „Rinde“ (demotischer Vorläufer: qwqj.t/qq.t) gedacht werden könnte. Dies ist als Alternative nicht von der Hand zu weisen, weil das fragliche Wort im Schlangenpapyrus mit dem Baum klassifiziert ist, wohingegen alle bisherigen Belege für qq: „Nuss (?)“ mit dem Mineralienkorn geschrieben sind. Der Baum ist zwar nicht gerade der nächstliegende Klassifikator für die „Rinde“, aber die auffällige Abweichung in der Klassifikation lässt doch Zweifel aufkommen, ob wirklich das Wort für „Nuss (?)“ vorliegt.

10 Nach S. Aufrère, Études de lexicologie et d’histoire naturelle I–III, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 83, 1983, 1–31, hier: 28f. handelt es sich um die Früchte (Schoten) des Johannisbrotbaums und nicht der Koloquinte. 

§ 60

Heilmittel zur Beseitigung von Mhnt (?)1 (und) ebenso zur Beseitigung des Bisses irgendeiner Schlange:
dbw-Substanz: 1 (Dosis), Rosinen: 1 (Dosis), Hämatit: 1 (Dosis), trockener Weihrauch: 1 (Dosis), vier Jahre altes Brot2: 1 (Dosis), Gerstenschleim: 1 (Dosis), Honig: 1 (Dosis).
Werde zerrieben, glattgerührt (und) sich gut setzen (gelassen); alle Substanzen (Heilmittel) werden mit Weihrauch vermengt. (Die Bisswunde) werde damit verbunden.

§ 61

(§ 61a) Ein anderes Heilmittel für den Biss irgendeiner Schlange:
Trockene Weinrispen (oder: trockene Traubenkerne)3, Natron, pḫ.t-ꜥꜣ.t-Pflanze.
Werde zerrieben (und) mit Weihrauch glattgerührt. (Die Bisswunde) werde vier Tage lang damit verbunden.
(§ 61b) Ein anderes (Heilmittel):
Trockenes Myrrhenharz, dbw-Substanz, Laudanum, frischer Weihrauch, Natron vom Wadi Natrun, unterägyptisches 〈Salz〉, Alaun.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. (Die Bisswunde) werde damit verbunden.

§ 62

(§ 62a) Ein Verband, der ihm am Tag seines Bisses angelegt wird:
Rizinus.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. (Die Bisswunde) werde damit einen Tag verbunden.
(§ 62b) Ein anderes (Heilmittel), am zweiten Tag:
Dickmilch, Wachs, unterägyptisches Salz.
Werde handwarm (wörtl.: „in Wärme des Fingers“) erhitzt. (Die Bisswunde) werde damit verbunden.
(§62c) Ein anderes Heilmittel, am dritten Tag:
Wachs, (n)ḥḥ-Öl, sft-Öl, Dickmilch, ꜣby-Flüssigkeit (?), frischer Weihrauch, frisches Stierfett.
Werde zerreiben (und) zu einer Masse glattgerührt. (Die Bisswunde) werde [4,10] sechs Tage lang damit verbunden.

§ 63

(§ 63a) Wenn dieser Biss tief ist (und) Blut aus irgendeinem seiner Glieder austritt, (dann) sollst du bei ihm als Heilmittel anwenden:
Weidenblätter, Johannisbrotbaumschoten, Honig.
Werde mit kühlem Wasser gemischt. (Die Bisswunde) werde damit vier Tage lang verbunden.
(§ 63b) Ein anderes (Heilmittel):
Mehl von Johannisbrotbaumschoten4.
Werde zerrieben (und) in Honig (und) Schlämme von „männlichem“ Ton glattgerührt. (Die Bisswunde) werde damit vier Tage lang verbunden.

§ 64

(§ 64a) Heilmittel für einen Gebissenen, wenn der Biss Fleisch aufwirft:
Stierfett, frischer Weihrauch.
(Die Bisswunde) werde damit verbunden.
(§ 64b) Ein pulverisiertes Heilmittel, das (auch) dafür angewendet wird:
sꜣ-wr-(Harz?), erhitztes Kupfer, wšb-Mineral, Mehl (der Früchte?) vom jm-Baum, Mehl von Johannisbrotbaumschoten, Natron, Brot vom Stech-Wacholder5, trockenes Myrrhenharz.
Werde darauf (d.h. auf die Wunde) gelegt, und er (werde) häufig beräucher(t) bis zu jenem siebenten Tag.

§ 65

(§ 65a) Heilmittel gegen die große Viper:
„Abbild-des-Horus“-Pflanze: 1 (Dosis), unterägyptisches Salz: 1 (Dosis), Bier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 65b) Ein anderes (Heilmittel):
„Abbild-des-Seth“-Pflanze: 1 (Dosis), Zwiebel/Knoblauch: 1 (Dosis), Weide(nblatt): 1 (Dosis), Bier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 65c) Ein anderes (Heilmittel):
Kraut 〈der〉 Platterbse (?), „Gulban“ ist ja ihr Name in der Sprache der Asiaten, die überall wächst.
Werde zerrieben (und) in Wein oder Bier glattgerührt. Werde vom Gebissenen getrunken.
〈Es〉 tötet das Gift wahrhaftig. Es kann (auch) [bei] jeder (anderen) Schlange angewendet werden.

§ 66

(§ 66a) Ein anderes (Heilmittel) zum Entfernen des Schweißes irgendeines Gebissenen:
Eine Pflanze, 〈deren Name ___ ist,〉 die in der Umgebung von Hibis wächst, deren Blätter wie (diejenigen einer) Sykomore sind, deren [B]lüte[n] wie (diejenige einer) kleinen gw-Pflanze (?)6 sind, deren dšr.t7 [___] ist, deren Spitzen/Triebe (?)8 [4,15] wie šdd-Teile9 von bꜣ.t-Büschen sind (und) deren Duft angenehm/lieblich/süß ist.)
Es werde mit Pelikankot, qrqr-Teilen auf der Sykomore (und) Rosinen zerrieben; werde zerrieben (und) glattgerührt. (Die Bisswunde) werde damit verbunden.
(§ 66b) Ein anderes (Heilmittel):
Frischer Weihrauch, unterägyptisches Salz, mrḥ.t-Fett, Honig.
Werde zerrieben (und) zu einer Masse glattgerührt. Der Patient werde damit gesalbt.

§ 67

Ein anderes Heilmittel für den Gebissenen, wenn sein Auge sich mit dem Gift vereint hat:
Asphalt, Gurke, snw-Pflanze.
Werde zerrieben (und) in Wasser glattgerührt; werde durch einen Topf gegeben; werde durchgeseiht. Werde vom Gebissenen getrunken zur Zeit des sich Vereinigens seiner Augen (scil.: mit dem Gift).
〈Er wird〉 sogleich 〈genesen〉.

§ 68

Ein anderes, besseres Heilmittel für alle Vipern und alle Schlangen:
Zwiebel/Knoblauch: 1/32 (Dja), Bernstein (šꜣkr)10: 1/32 (Dja), Wein: 1/64 (Oipe = 1 Dja).
Werde durchgeseiht. Werde getrunken.
Sehr wirksam, millionenfach (bewährt)! Es ist erprobt11.

§ 69

Heilmittel für das Öffnen des Halses des Gebissenen:
Ziegenmilch: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde mit 1/4 (Dja) Honig erwärmt. Werde handwarm (wörtl.: „in Wärme der Finger“) getrunken, so dass er (d.h. der Patient) sich übergibt.

1 Ein unbekanntes Krankheitsphänomen; der Schreibung zufolge ist es ein Fremdwort. Sauneron 1989, 84–85 vergleicht es mit hebräisch מָהֲלָתּ: „maladie, infirmité“. Aufgrund der Klassifizierung mit dem Mineralienkorn sowie des Kontextes vermutet er eine „altération de la peau“, schreibt aber zurückhaltend: „le mot m-h-n-t n’étant pour le moment pas exactement traduit.“ Das Wort ist weder bei J. E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), noch in den zugehörigen Rezensionen vermerkt.

2
 Es stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit einer solchen Produktqualifizierung: Wie kommt man an vier Jahre altes Brot? Und wie unterscheidet man es bspw. von nur drei Jahre altem Brot, das also noch ein Jahr liegen muss? Diese Problematik macht es wahrscheinlich, dass die Angabe nicht wörtlich zu verstehen ist.

3
 Zur Alternativübersetzung „Traubenkern“ s. Westendorf 1999, 261, Anm. 361 mit Verweis auf W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1939), 54b und, Westendorf folgend, A. Lüchtrath, Das Kyphirezept, in: D. Kurth (Hrsg.), Edfu: Bericht über drei Surveys. Materialien und Studien, Die Inschriften des Tempels von Edfu: Begleitheft 5 (Wiesbaden 1999), 97–145, hier: 135–136.

4 (FF) Vgl. § 58.

5 tʾ m jprš: Sauneron 1989, 89, Anm. 2 verweist auf die prš-Droge von H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 203, für die ebd. die Vorschläge „Rötel“, „Mennige“, „red earth“, „red lead“ erwähnt werden. Weil sich Sauneron kein : „Brot“ dieser Substanzen vorstellen kann, schlägt er einen Fehler für tꜣ: „Land“ vor und für die ganze Verbindung „terre (?) mêlée de minium“. Bardinet 1995, 537 übersetzt trotz Saunerons Zweifeln mit „pain (?) de minium“. Stegbauer 2010, 291 scheint das problematisch erscheinende tʾ m ganz zu tilgen, denn sie übersetzt nur „Rötel“.
In Edfu wird prš jedoch einmal als pr.t wꜥn: „Beeren vom Stech-Wacholder“ bezeichnet, und A. Lüchtrath, Das Kyphirezept, in: D. Kurth (Hrsg.), Edfu: Bericht über drei Surveys. Materialien und Studien, Die Inschriften des Tempels von Edfu: Begleitheft 5 (Wiesbaden 1999), 97–145, hier: 126 vermutet daher in prš ein „Fruchtmus aus zerstampften Wacholderbeeren“ (zum Verhältnis zum prš älterer Texte s. auch hier: L. Popko: prš-Droge), was auch im Schlangenpapyrus sehr gut passen würde. Ebenso übersetzt auch Westendorf 1999, 262: „Brot von Wacholderbeeren“.

6 gꜣy: Sauneron 1989, 91–92 ergänzt die Zeichenreste zu qꜣy und vermutet darin eine Graphie für qꜣꜣ, eine Art Frucht, oder die gj.w-Pflanze, mit Präferenz zu Ersterem: „ses fleurs sont comme des boules petites et rouges“. Dieser Präferenz folgen auch Bardinet 1995, 537 und Westendorf 1999, 263 und 508. Dagegen vergleicht Stegbauer 2010, 292 mit Anm. 259 dieses Wort mit dem qrqr in der im Aufbau vergleichbaren Pflanzenbeschreibung von § 90, wo die Früchte der dort beschriebenen Pflanze mit einer qrqr-Pflanze (d.h. mit deren Früchten) verglichen werden. (Dieses qrj vergleicht wiederum Sauneron, a.a.O., 121, Anm. 4 mit dem qrqr von § 66a.)
Hier wird dagegen die von Sauneron eher abgelehnte Verknüpfung von qꜣy mit der g(j).w-Pflanze vorgeschlagen. Denn erstens wird auch im vorigen Teilsatz ein Pflanzenzteil mit (dem Teil) einer Pflanze verglichen (nämlich die gꜣb.t-Blätter mit der Sykomore); und zweitens scheint qꜣꜣ eine Art Frucht zu bezeichnen, was als Vergleichsobjekt zu ḥrr.t, allgemein als „Blüte“ aufgefasst, weniger passt. (Es sei hier auch auf pd’Orbiney 8,4 verwiesen, wo die ḥrr.t einer ꜥš-Konifere, erwähnt wird; und da Koniferen keine Blütenstände haben, scheint dort die Bedeutung „Baumspitze“ o.ä. passender.)

7 Wohl ein weiterer Bestandteil der beschriebenen Pflanze, also etwas, was syntaktisch parallel zu gꜣb.wt=f: „ihre Blätter“ und ḥrr.t=f: „ihre Blüten“ stünde. Zwar gibt es mehrere dšr genannte pflanzliche Produkte o.ä., allerdings ist die vorliegende Stelle zu zerstört, um sie mit irgendeinem dieser Wörter sicher verbinden zu können – und umgekehrt trägt sie nicht zur Klärung der Bedeutung dieser Wörter bei.

8 kfꜣ: Eher so zu lesen (so auch Westendorf 1999, 263) als pḥ (so der Vorschlag von Sauneron 1989, 92, Anm. 5).

9 Ein unbekannter Pflanzenbestandteil, mit dem allgemeinen Pflanzenklassifikator 𓆰 geschrieben. Sauneron 1989,91–92 mit Anm. 6 vermutet einen Schreibfehler für die jšd.t-Früchte. Dies wird weitgehend akzeptiert, s. Bardinet 1995, 537; Stegbauer 2010, 292; R. Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Philippika 21 (Wiesbaden 2008), 10.
Dagegen kann Westendorf 1999, 263, 508 diesem Vorschlag deswegen nicht folgen, weil er kfꜣ.w, W. R. Dawson, Studies in the Egyptian Medical Texts–III, in: Journal of Egyptian Archaeology 20, 1934, 41–46, hier: 45 folgend, als Bezeichnung für „Wurzeln“ versteht. Daher übersetzt er dieses Wort nicht, sondern schreibt nur: „šdd-Teile“.
Contra Dawson scheint kfꜣ.w aber doch oberirdische Pflanzenbestandteile zu bezeichnen, s. die oben verlinkte Diskussion. Obwohl damit Westendorfs Grund, anders zu übersetzen als die anderen Bearbeiter, hinfällig ist, bietet sich in § 66a ein Vergleich mit jšd.t-Früchten ebenso wenig an wie weiter oben der Vergleich von Blüten mit qꜣꜣ-Früchten. Aus diesem Grund ist eher anzunehmen, dass šdd ein bislang unbekannter Pflanzenteil ist. Ob er vielleicht trotz anderer Schreibung mit demotisch šte.t zusammenzubringen ist, das auf dem demotischen Ostrakon Medinet Habu 4038, Z. A.21–22 belegt ist und das R. A. Parker, A Late Demotic Gardening Agreement. Medinet Habu Ostracon 4038, in: Journal of Egyptian Archaeology 26, 1941, 84–113, hier: 94 als „palm fibre“ = koptisch ϣⲏⲧⲉ übersetzt?
Erwähnenswert ist ferner, dass dieses demotische Wort auf dem Ostrakon in der Verbindung šte.t n byṱt vorkommt; das Nomen rectum möchte Parker, a.a.O. mit koptisch ⲃⲏⲧ: „Palmenblatt; Palmenzweig“ zusammenbringen (zu den beiden koptischen Wörtern s. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 28, 329) und interpretiert es als weiteren Beleg für demotisch bꜥj. Nun kommen im demotischen pBerlin 8351 aus dem 1. Jh. n. Chr. die nb bꜥꜣ.w vor, die J. F. Quack, Geographie als Struktur in Literatur und Religion, in: A. Schlüter – K. Schlüter – F. Adrom (Hrsg.), Altägyptische Weltsichten. Akten des Symposiums zur historischen Topographie und Toponymie Altägyptens vom 12.–14. Mai in München, Ägypten und Altes Testament 68 (Wiesbaden 2008), 131–157, hier: 135 als „Herren der Palmrippen(?)“ übersetzt, d.h. mit bꜥj verbindet; aber in der zugehörigen Anm. 22 hält er alternativ auch eine Verbindung mit bꜣ.t: „Busch“ für möglich, „für das im pHarkness I, 18. 19. 20 ja auch die Schreibung bꜥ.t belegt ist“. Mischschreibungen bꜥꜣ.t für den „Busch“ sind zudem im Mythos vom Sonnenauge belegt, s. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd8J27qoe5E8CschFgNkWfvY oder https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBdWbaimcsNk9hlKcEl4kEelk. Daher fragt sich, ob nicht auch das byṱt von oMedinet Habu 4038 hierhin gehört oder umgekehrt das bꜣ aus dem Schlangenpapyrus ein Beleg für die bꜥj-Palmrippe wäre, was die dortige Stelle šte.t n byṱt und die hiesige Stelle šdd.w n bꜣ.w noch weiter einander annähern würde.

10 (FF) Die Identifikation von šꜣkr geht auf F. Daumas, Quelques notes sur l’ambre jaune dans l’ancienne Égypte, in: Chronique d’Égypte 46 (91), 1971, 50–58 zurück, vgl. Sauneron 1989, 95. 

11 (FF) rsj: „Beobachten“ hier im Sinne von „erproben“, vgl. Sauneron 1989, 95, 198.

§ 70

Heilmittel für das Weibchen der Viper:
qb.w-Pflanze: 1/4 (Dja).
Werde gemischt mit 1/4 (Dja) Honig und 1/8 (Dja) Blut eines kleinen Ziegenböckchens. Man soll es lebendig herbringen, ohne dass es getötet wird. (Außerdem) zwei Hin (= 3,2 Dja) Bier.
Werde getrunken (und) ausgespien. Man soll dieses Böcklein zu seiner Mutter lassen.
Sehr wirksam, millionenfach (bewährt)! Es wird (auch) für jede (andere) Schlange hergestellt.

§ 71

(§ 71a) Heilmittel für den Durst des von irgendeiner Schlange Gebissenen:
Schilfrohr: 1/8 (Dja), Weintrauben: 1/8 (Dja), mjmj-Körnerfrucht: 1/4 (Dja), Baldrian (?): 1/4 (Dja), Erdmandeln1: 1/8 (Dja), bdd-Pflanze: 1/8 (Dja), Wasser: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde nachts dem Tau ausgesetzt; werde durchgeseiht. 〈Werde getrunken〉 vier Tage lang.
(§ 71b) Ein anderes (Heilmittel), das für ihn (d.h. den Gebissenen?) angefertigt wird:
„Männlicher“ Ton.
Werde handwarm (wörtl.: „in Wärme [4,20] des Fingers“) erwärmt. (Die betroffene Stelle) werde damit durchdrungen (?).
(§ 71c) Ein Verband, der für ihn (d.h. den Patienten?) danach hergestellt wird:
Roter Ocker, Alaun, Honig.
Werde erwärmt. Werde handwarm (wörtl.: „in Wärme des Fingers“) verbunden.

§ 72

(§ 72a) Ein anderes (Heilmittel) für das Beseitigen einer Schwellung:
Seine Bisswunde werde am ersten Tag mittels eines Messers wirklich stark (oder: häufig) gequetscht. (Es werde) ihm 1/8 (Dja) Salz oder Natron (ge)geben. Der Biss werde damit verbunden.
(§ 72b) Ein anderes (Heilmittel):
Sahne, unterägyptisches Salz, mn-Substanz.
Werde erhitzt. Werde damit verbunden, und (werde) veranlass(t), dass 〈er〉 eine Rinderlunge: 1/16 (Dja) isst2, die in unterägyptisches Salz gelegt ist. Werde vom Gebissenen gegessen, und (werde) veranlass(t), dass er trinkt: Honig: 1/8 (Dja), fermentierter Pflanzenschleim: 1/8 (Dja), pꜣ-wr-Getränk: 1/16 (Dja), süßes Bier: 1/64+1/64 (Oipe = 2 Dja) vier Tage lang mit/nach (?) der Lunge an dem Tag, an dem er gebissen wurde3.
(§ 72c) Wenn es sich ablöst4 nach 2 Tagen, sollst du ihm frisches Wasser geben und ihn mit Sesamöl (?)5 einreiben; (es werde) ihm Alaun (ge)geben.
(§ 72d) Ein anderes (Heilmittel):
Mehl vom jmꜣ-Baum, Rizinusblätter.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde damit verbunden, und er (werde) wirklich häufig beräucher(t).

§ 73

Brechmittel, das man macht für den von der Windschlange Gebissenen:
Zwiebel/Knoblauch: 1 (Dosis), unterägyptisches Salz: 1 (Dosis), sꜥm-Kraut: 1 (Dosis).
Werde zerrieben (und) glattgerührt in süßem Bier: 1 (Dosis) oder Pflanzenschleim. Werde getrunken (und) ausgespien.

§ 74

(§ 74a) Ein anderes Heilmittel für jede Viper:
jwšš-Teig vom „männlichen“ Ton.
Die Bisswunde werde damit/davon durchzogen.
(§ 74b) Ein anderes (Heilmittel):
Roter Ocker, Honig.
Werde damit verbunden.

§ 75

(§ 75a) Heilmittel für die Hornviper:
Kreuzkümmel: 1/64 (Dja), Baldrian: 1/16 (Dja), Saat 〈...〉: 1/32 (Dja), Zwiebel/Knoblauch: 1/4 (Dja), unterägyptisches Salz: 1/64 (Dja), Honig: 1/8 (Dja), [4,25] Süßbier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde zerrieben (und) glattgerührt; werde durch ein Tuch gegeben. Werde wiederholt 〈getrunken〉 (und) ausgespien. 
(§ 75b) Ein anderes (Heilmittel):
ṯꜣtj-Pflanze: 1/32 (Dja), frisches sꜥm-Kraut: 1/16 (Dja), qbw-Pflanze aus dem Garten: 1/64+1/64 (Oipe = 2 Dja), ṯꜣmṯꜣm-Pflanze6: 1/32 (Dja), Zwiebel/Knoblauch: 1/16 (Dja), ḫṯn-Gemüse: 1/16 (Dja), unterägyptisches Salz: 1/64 (Dja), Herz der Weide: 1/16 (Dja), Honig: 1/4 (Dja), fermentierter Pflanzenschleim: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde vom Gebissenen getrunken (und) ausgespien vier Tage lang.

§ 76

Heilmittel für das Beseitigen einer Ohnmacht des Gebissenen:
jwšš-Teig aus Emmermehl, Johannisbrotfrucht, Fett, ḏꜣjs-Samen, [5,1] unterägyptisches Salz, Honig.
Werde zu einer einzigen Sache bereitet. Werde damit verbunden.

§ 77

(§ 77a) Heilmittel für den Biss einer kleinen Schlange (ḥfꜣ.w šr.t):
ꜥꜥꜣm-Pflanze aus der Wüste: 1/8 (Dja), süßes Bier: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde durchgeseiht. Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 77b) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch: 1/8 (Dja), Wasser: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 77c) Ein anderes (Heilmittel):
bdd-Pflanze, Zwiebel/Knoblauch, Honig.
Werde [damit] gesalbt.

§ 78

(§ 78a) [Heilmittel] für den Biss der [...]7 ḥnp.t-Schlange:
Schildkrötenleder.
Werde gekocht; werde zerrieben (und) glattgerührt mit einer pꜣqj.t-Scherbe eines neuen Hin-Topfes, Nilpferdfett und sft-Öl; werde zerrieben (und) zu einer einzigen Sache glattgerührt. Werde damit verbunden.
Sehr wirksam, millionenfach (bewährt)! Das ist die (Heil)kunst dafür.
(§ 78b) Was ihm zubereitet wird, wenn 3 Tage vorbeigegangen sind an ihm:
Konyza (?): 1/16 (Dja), Wein: 1/8 (Dja).
Werde vom Gebissenen getrunken.
Es ist [eine Stärkung]8 des Gebissenen, nachdem er müde ist.

§ 79

(§ 79a) Ein anderes Heilmittel, das ihm zubereitet wird, um das Blut zurückzuhalten:
(Eine Quantität) „Fliegendreck“ (d.h. Propolis), und dazu ihre (d.h. der Quantität) Hälfte in Form von rotem Ocker.9
Werde zerrieben (und) zu einer einzigen Sache glattgerührt. Werde damit verbunden.
Sehr wirksam!
(§ 79b) Was darüber (oder: für ihn) zu rezitieren ist:
(Horus:) „Komme doch zu mir, 〈meine〉 Mutter! Siehe, ich war zusammen mit Seth, und schwierig ist [...] nach Buto an der Seite des Sees, als gerichtet wurde vor den Göttern und als sie kämpften vor Hermopolis Parva. Sie sagten zu mir: ‚Die Götterneunheit ist es, die dich (zum König) erhoben hat durch (Einschreiten) deines Vaters (Osiris). Die Zaubersprüche (kommen) zu dir durch 〈deine〉 Mutter. Wird dein Spruch geworfen, wird sein Spruch geworfen. (Oder: Sprichst du, spricht er.)‘ Die bṯt-Schlange [hat] mich [gebissen], wobei 〈ich〉 (sie) nicht erblickt habe, [5,5] ein Ding hat mich gestochen, wobei ich nicht erblickt hätte10, (was) ein Angriff (ist) durch einen, der gegen mich gezaubert hat! Siehe, jetzt bin ich ermüdet!“
(Isis:) „Zu dir komme [ich], mein Sohn, (du) vollkommener Horus! Ich bin deine Mutter Isis! Ich bin dein Schutz! Deine Stimme, die i[m Himmel] ist, soll gehört werden, Zum Haus des Benben-Steins [reichte] sie. Selket reiche dir ihre Hand. Ihre Zauberformeln sind deine Amulette. Dich zu verletzen (heißt) ihn zu verletzen.11 〈Dich〉 anzugreifen (heißt) ihn anzugreifen. Dich zu schädigen (heißt) ihn zu schädigen. Dein Schutz [...]. Du bist der, der das große Urwasser erschaffen hat! Das Gift soll nicht in dir herumwandern, Es kann keinen Weg finden, {zu}〈auf〉 dem es gehen kann.12
Zieh dich zurück, weiche zurück! Das Gift, das die bṯt-Schlange in dich injiziert hat, (es kommt) gar nicht gegen dich! Das in dich Injizierte ist das, was dem, der gegen dich gehandelt hat, injiziert wird! Es gibt keinen, der [die Befehle]13 ignorieren kann, die der große Gott gemacht hat.“
(§ 79c) Worte, zu sprechen über einem Bild des Ptah, der Isis und der Selket, die auf ein neues Papyrusblatt gezeichnet sind.
Werde an den Hals des von der ḥnp.t-Schlange Gebissenen gegeben. Es wird bei jeder (Art) Schlange angefertigt.

1 Sauneron 1989, 96, 229 liest den Drogennamen spr.tj bzw. seinem Index zufolge spr.t und übersetzt mit „carob“ (übernommen von Stegbauer 2010, 292: „Johannisbrot“. Damit bezieht er (bzw. einer der späteren Redakteure von Saunerons Text) sich zweifellos auf das Lemma sp(r)t: „carob beans“ von L.H. Lesko – B. Switalski Lesko, A Dictionary of Late Egyptian. Vol. III (Providence 1987), 39. Leskos einzige Referenz ist jedoch „LEM 5,14,4“, d.h. Zeile 14,4 des fünften „Late Egyptian Miscellanies“-Textes, pAnastasi IV = A. H. Gardiner, Late-Egyptian Miscellanies, Bibliotheca Aegyptiaca 7 (Bruxelles 1937), 50,9; R. A. Caminos, Late-Egyptian Miscellanies, Brown Egyptological Studies 1 (London 1954), 199. Leskos Übersetzung wiederum wird auf Caminos zurückgehen, der a.a.O. tatsächlich mit „carob beans“ übersetzt, die Anastasi-Stelle jedoch wꜥḥ liest und nicht spr.t (s. den Kommentar, S. 206; Lesung übernommen von P. Dils im TLA: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBdypD2MR4mUVYrrU708ZgQYs). Für die Bedeutung verweist Caminos auf V. Loret, Recherches sur plusieurs plantes connues des anciens Égyptiens (suite), in: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l’archéologie égyptiennes et assyriennes 15, 1893, 105–130, hier: 122–124, wo dieser wꜥḥ tatsächlich mit Johannisbrot identifiziert. Inzwischen wird dieses Substantiv jedoch mit „Erdmandel“ übersetzt, s. dazu https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/44830. S. dazu den Schreibungszettel von wꜥḥ, DZA 22.235.480 und konkret zu pAnastasi IV DZA 22.235.550 sowie in Wb 4, 105.1 bei der Körnerfrucht spr. Die beiden einzigen Wb-Belege für die Körnerfrucht spr, pHarris I, 38b,1 und 54b,11, interpretiert dann P. Grandet, Le Papyrus Harris I (BM 9999), Bibliothèque d’étude 109 (Le Caire 1994), Bd. 1, 275, 298 sowie Bd. 2, 151, Anm. 601 „très prob[ablement]“ ebenfalls als wꜥḥ: „amande de terre“.
Ptolemäische Texte kennen ebenfalls eine sprw geschriebene Pflanzen(teil)bezeichnung. Schon P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 828 vermutet einen Zusammenhang dieses Wortes mit dem Produkt des pHarris.
Auch das scheinbare spr.tj des Brooklyner Schlangenpapyrus dürfte eine Weiterentwicklung sein. Als rein graphische Variante interpretieren es auch Bardinet 1995, 538 („rhizome de souchet gomestible“) und Westendorf 1999, 264 („Erdmandeln (wꜥḥ)“).
W. R. J. Golding, The Brooklyn Papyrus (47.218.48 and 47.218.85) and its Snakebite Treatments (PhD-Thesis Pretoria 2020) (zuletzt geprüft: 23.03.2023) 340, 343 mit Note 7 bleibt bei der Übersetzung „carob pods“, aber unter der (falschen, die hieroglyphische Transliteration missdeutenden) Prämisse, dass jrtj zu lesen sei. Bei einer solchen Transkription könnte man tatsächlich an Johannisbrot denken, s. den Lemma-Kommentar zu ḏꜣr.t im TLA, letzter Absatz. Allerdings schließt das hieratische Original eine solche Lesung aus.

2 So der Vorschlag von Westendorf 1999, 265 mit Anm. 371 (unter Verweis auf die Schreibungen in § 54b und 85d). Dagegen lesen Sauneron 1989, 98, Bardinet 1995, 538 und Stegbauer 2010, 293 jm.j: „das Innere“ (einer Rinderlunge) – vielleicht, weil im folgenden Satz noch einmal die Anweisung folgt, etwas zu essen.

3 Die Phrase wird verschieden aufgefasst:
– Sauneron 1989, 98 („en plus du poumon du jour où il a été mordu“) und Stegbauer 2010, 293 („nach (der Verabreichung) des Lungen(gerichts) an dem Tag, an dem er gebissen wurde“) deuten die Passage so, dass der Patient direkt am ersten Tag die Rinderlunge zu sich nehmen soll und anschließend über vier Tage die übrige Rezeptur – wobei in beiden Fällen ambivalent bleibt, ob an eine fünftägige Behandlung (am ersten Tag Lunge, an den darauffolgenden die nachfolgend genannte Rezeptur) oder eine viertägige Behandlung (am ersten Tag Lunge, am selben Tag sowie den darauf folgenden drei die nachfolgend genannte Rezeptur) zu denken ist.
– Bardinet 1995, 538 übersetzt: „(Ce cera bu) ... avec le poumon du jour (= préparé le jour) où il a été mordu“. Hier wird also die Lunge am Tag des Bisses zubereitet und zusammen mit den nachfolgend genannten Ingredienzien über vier Tage hinweg eingenommen.
– Die Übersetzung von Westendorf 1999, 265 („werde gegessen ... und veranlassen, daß er trinke: ..., zusammen mit dieser Lunge am Tage, da er gebissen wurde“) ist nicht ganz eindeutig, scheint aber der oben genannten viertägigen Behandlung zu entsprechen.

4 (FF) Sauneron 1989, 98 bezieht dies auf die Schwellung der Wunde: „Si le blessé désenfle...“.

5 (FF) jꜣy=k ist nicht übersetzbar. Sauneron nimmt eine Verschreibung für jꜣ.t kꜣ: „Stierrücken“ an.

(Nachtrag LP) Ob die Wortfolge mit dem ꜥḏ-jkw des pBoulaq 18 zusammengebracht werden kann, bei dem es sich vielleicht um Sesamöl handelt? Zu diesem Produkt s. die kurzen Bemerkungen mit Literatur bei B. Koura, Die „7-Heiligen Öle“ und andere Öl- und Fettnamen. Eine lexikographische Untersuchung zu den Bezeichnungen von Ölen, Fetten und Salben bei den alten Ägyptern von der Frühzeit bis zum Anfang der Ptolemäerzeit (von 3000 v.Chr. – ca. 305 v.Chr.), Aegyptiaca Monasteriensia 2 (Aachen 1999), 208. 

6 (FF) Sauneron 1989, 101 schlägt Sesam vor.

7 Hinter dem Schlangenklassifikator scheint sich an der Bruchkante des Papyrus noch der Rest eines weiteren Zeichens zu befinden, so dass im Zeilenumbruch ein Attribut zu der ḥnp.t-Schlange gestanden haben wird (einzig notiert von Westendorf 1999, 266, Anm. 375.

8 (FF) Sinngemäße Ergänzung der Lücke nach Sauneron 1989, 104.

9 (FF) Gemeint ist wohl, dass das Verhältnis von Fliegendreck zu rotem Ocker 2:1 beträgt. Vgl. Sauneron 1989, 104.

10 mꜣꜣ m: Zu dieser Kollokation vgl. die kurze Bemerkung bei J. F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348 (Leiden 1971), 111, Anm. 227.

11 Dieser und die folgenden drei (oder vier) Sätze lesen sich so, als könnte hier der Gebissene angeredet sein: Diesen zu verletzen (etc.) ist gleichbedeutend damit, Horus zu verletzen (etc.), was dann natürlich zur Folge hat, dass der Schutz durch Isis und Selket ebenfalls von Horus auf den Gebissenen übertragen werden. Die daran anschließenden Sätze sind ambivalent und könnten sich sowohl an Horus wie an den Gebissenen richten, wobei die Identifizierung des Angeredeten mit dem Schöpfer des Urwassers im Zeilenwechsel von 5,6 auf 5,7 doch etwas mehr für Horus spricht.

12 Vgl. vielleicht die fast identische Phrase: „Es (gemeint ist das zuvor genannte stw.t-Sekret) kann keinen Weg des Herauskommens finden.“ in Eb 296 (fast identisch mit Eb 102), s. H. Grapow, Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert, Grundriß der Medizin der alten Ägypter V (Berlin 1958), 188 = Sätze https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd9NXMk1RIkhhmVO1uyBBlK0 und https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBYBiXggGtNxWUcFiBWuWJR4Tlk.
Zur Emendation der Präposition s. Westendorf 1999, 267, Anm. 377.

13 (FF) Ergänzung nach Sauneron 1989, 105.

§ 80

(§ 80a) Was bereitet wird bei dem Biss der roten ḥnp.t-Schlange:
Natron [...], [pꜣ]wr-Getränk.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde damit verbunden, und er (werde) beräucher(t).
(§ 80b) Was deswegen zu rezitieren ist: „Komm, bṯṯ-Schlange, die (du) keine Ohren ha(s)t, die (du) gegen ihn (d.h. den Gebissenen) herausgekommen (b)ist aus deinem (wörtl.: ihrem) Loch, deren Wächter1 in Pe und Dep ist, der den Ausfluss des Anubis (scil.: als Nahrung) erbittet:2 Er veranlasste, dass er/es gegessen wurde (wörtl.: Er gab ihn/es3, indem er/es gegessen wurde); [---]“
Da sprach Horus wegen des / für den von ihr Gebissenen: „Siehe, ich lasse das, was in deinem Maul ist, umkehren! Wenn du mich schädigst, 〈bin ich〉 hinter dir (her)! Was den Biss angeht, (so) entferne ich ihn. Das bedeutet, dass ich das Gift nach draußen getrieben habe. Was den Biss des Horus angeht, (so) ist dessen Beschwörung mächtig! Gift, [verlasse] den NN, Kind der NN, wie du zugebissen hast, ohne ihn zu kennen! (Er ist) Osiris, seine Feinde sind gefallen!“
Sage auch: Was eine bṯṯ-Schlange ohne Ohren angeht, „es ist eine ḥnp.t-Schlange“, sagt man zu ihr, (oder) "Kind der msbdš-Schlange" (oder) jqšr-Schlange. [Meine] Mutter Selket hat ihr die Ohren weggenommen. (und) sie verschoss ihr Maul gemäß der Worte (?): „Mögest du blind sein, (o) bṯt-Schlange, (o) ḥnp.t-Schlange, deren Spruch nicht gehört wird! Was ich veranlasst habe(?), ist, dass ihr Gift auf den Erdboden herauskommt. Es soll nicht in irgendeinem [Glied] des NN, geboren von NN, umherziehen. Es soll sich nicht in irgendeinem seiner Glieder ausbreiten. Es soll [nicht] in seinem Fleisch töten.“
(§ 80c) Worte, zu sprechen über diesem Heilmittel.
Massiere die Glieder, an denen die Bisswunde ist (? oder: an denen die Bisswunde nicht ist)4, mit deinen beiden Armen, und beräuchere ihn.

§ 81

Was für den Biss der männlichen Schlange (ḥfꜣ.w ṯꜣ.j) gemacht wird:
Seine Bisswunde werde mit dem Messer sehr häufig eingeschnitten. Dann verbinde [damit:] rotes Natron, Schaum (?) vom pꜣ-wr-Getränk, unterägyptisches Salz, Blut der jꜥrꜥ.t-Schlange, Weihrauch, pḫꜣ. Werde zu [einer einzigen] Sache gemischt.
Werde damit verbunden, und er (werde) beräucher(t).

§ 82

(§ 82a) Was er für den Biss der ꜥrꜥ-Schlange macht:
Zwiebel/Knoblauch: 1/8 (Dja), Wasser: 1/16+1/64 (Oipe = 5 Dja).
Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 82b) Ein anderes (Heilmittel):
wtn (?)5 von (?) [...].
[Werde an] die Öffnung seines Bisses gegeben, [5,15] damit er sofort gesund wird, und er (werde) beräuchert.
(§ 82c) Ein anderes (Heilmittel):
twn-Pflanze: 1/8 (Dja), Honig: 1/16 (Dja).
Werde vom Gebissenen gegessen.

§ 83

Die Heilmittel für das Beseitigen eines jeglichen Schmerzes des Gebissenen;
Heilmittel für das Entfernen der Müdigkeit des Gebissenen:
Erhitzte mjmj-Körnerfrucht, Bodensatz des Wäschers.
Werde zerrieben (und) zu einer einzigen Sache glattgerührt. Der Gebissene werde damit gesalbt.

§ 84

Heilmittel für das Ausspeien des von irgendetwas Gebissenen:
Regenwasser.
Werde mit Honig und unterägyptischem Salz gefiltert. Werde vom Gebissenen getrunken und vier Mal zur Erde ausgespien.

§ 85

(§ 85a) Heilmittel für das Entfernen des „Verborgenen“6 eines von einer Schlange oder auch irgendwelchen Vipern Gebissenen:
ꜥpnn.t-Tier, das aufgeschnitten wird so wie das, was mit einem Nilbarsch gemacht wird.
Die Bisswunde werde damit verbunden, und jede seiner Seiten (werde) sehr gut verbunden. Es werde die Salbe des Wäschers auf seine obere Hälfte/Seite gegeben, bis er (der Giftzahn) herauskommt, nachdem er untersucht wurde mit Hilfe von Kopfhaaren7.
(§ 85b) Ein anderes (Heilmittel):
Bestes des (?)8 Weihrauchs.
Werde an die Öffnung diese „Verborgenen" gegeben, bis es herauskommt. 
(§ 85c) Dann sollst du ihm den Ausspruch des Skorpionbeschwörers (mit dem Incipit) „Ich kenne sie“ ausführen.
Brechmittel, das diesbezüglich bereitet wird:9
jꜥy.t-Bestandteil10 des Bieres und Datteln.
Werde getrunken (und) ausgespien.
(§ 85d) Ein anderes (Heilmittel) für das Entfernen des „Verborgenen“ aus der Bisswunde:
Zunge des Ichneumons11, seine Zähne, Gerstenschleim, Geweih des Damhirsches, fermentierter Pflanzenschleim.
Werde vom Gebissenen gegessen, so dass er gesund wird.

§ 86

Heilmittel für das Beseitigen des Zitterns des Gebissenen:
jwšš-Teig aus Gerste, Johannisbrot, ꜥfy-Klee, ḏꜣjs-Kraut, unterägyptisches Salz.
[5,20] Werde zerrieben (und) zu einer einzigen Sache glattgerührt. Der Gebissene werde damit verbunden.

§ 87

(§ 87a) Heilmittel für den Biss einer Schlange, wenn er eng ist:
Akazienblätter, jm-Baumblätter, Christdornblätter, jbzꜣ-Kraut.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde damit bestreut (?).
(§ 87b) Ein anderes (Heilmittel):
Trockener Eselskot, Gummi, Ocker, trockener Weihrauch, šfšf.t-Pflanze (?), Scherbe eines neuen Hin-Topfes, Johannisbrot.
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde damit bestreut.

§ 88

(§ 88a) Heilmittel für das Zurückhalten des Blutes eines Schlangenbisses:
mn-Substanz: 1 (Dosis), trockene Myrrhe: 1 (Dosis), Straußenei: 1 (Dosis), frisches bꜣq-Öl.
(§ 88b) Ein anderes (Heilmittel):
Roter Ocker: 〈1 (Dosis)〉, Kot: 1 (Dosis), ꜥfy-Klee: 1 (Dosis).
Werde zerrieben (und) glattgerührt. Werde damit verbunden.

§ 89

Ein anderes Heilmittel für den Biss irgendeiner Schlange:
Fermentierter Pflanzenschleim, Schildkrötenkot.
Die Bisswunde werde damit verbunden.

1 Während sich das fast direkt vorangehende r=f: „gegen ihn“ aufgrund des Zusammenhangs eher auf den Gebissenen bezieht, ist das Bezugswort des Suffixpronomens hinter zꜣw: „Wächter“ wohl wieder die bṯ.w-Schlange. Wer mit den Wächtern gemeint ist, ist unklar. 

2 (FF) Übersetzung nicht ganz klar. Sauneron übersetzt: „Allons, betjet qui n’a pas d’oreilles, et qui est sorti de son trou, pour jouer le rôle du gardien, dans Pé et Dep, de ce qui est necessaire aux humeurs d’Anubis...“

3 (FF) Kann sich auch auf die Bṯt-Schlange beziehen: „Sie gab ihn in ...“. Die Stelle ist inhaltlich unklar.

4 Unklare Textpassage. Sauneron 1989, 110 hält das für eine Komplementärbehandlung der nicht betroffenen Körperteile, während die betroffenen zuvor, nämlich in § 80a, bereits behandelt wurden. Seiner Interpretation folgen Bardinet 1995, 541 und Stegbauer 2010, 295; auch in der hier vorliegenden TLA-Bearbeitung favorisieren Stegbauer und Feder diese Verbesserung.
Dagegen übersetzt Westendorf 1999, 268: „(...) die Körperstellen des (Mannes), an denen die Bißwunde sich befindet (...)“. 
Alle diese Lösungen sind problematisch. Saunerons Lösung (a) erfordert zu viele Emendationen; seine Lösung (b) impliziert eine ungewöhnliche Behandlungsanweisung, da in den medizinischen Texten üblicherweise nur betroffene Körperstellen behandelt werden. Westendorfs Annahme kommt ohne jegliche Emendation aus, mutet aber kompliziert an, da für dieselbe Aussage eigentlich eine simplere Wendung ausreicht.

5 (FF) Was wtn m bedeutet, ist weder mir noch Sauneron klar.

6 Sauneron 1989, 114 nimmt an, dass es sich bei dem „Verborgenen“ um den Giftstachel oder Zahn der Schlange handelt, der als abgebrochen in der Wunde steckengeblieben vorgestellt wird. 

7 Sauneron 1989, 115–116, Anm. 5 gibt zwei mögliche Erklärungen an, wie dieser Teilsatz zu verstehen ist:
– Ein etwas steiferes Haar soll wie eine Wundsonde verwendet werden, um herauszufinden, ob sich tatsächlich ein abgebrochener Giftzahn in der Bisswunde befindet, die u.U. zu klein ist, um dies ohne Hilfsmittel festzustellen.
– Einer seiner oberägyptischen Arbeiter habe ihm von einer zeitgenössischen Behandlungsmethode von Skorpionstichen erzählt, bei der ein steckengebliebener Stachel herausgeholt wird, indem ein Pferdehaar mit beiden Händen ergriffen und damit in Höhe des Stiches über die Haut gestrichen würde, bis das Haar den Stachel fasst. Falls in § 85a, so Sauneron weiter, eine vergleichbare Praxis angesprochen sei, könnte mit dem „Kopf“ vielleicht gar nicht der Herkunftsort des Haares, sondern der „Kopf“ des abgebrochenen Giftzahns gemeint sein.
In seiner Übersetzung entscheidet sich Sauneron für die erste Option, wodurch der Nebensatz gegenüber der zuvor genannten Behandlung in die Vergangenheit gesetzt wird. Die Platzierung des Nebensatzes in die Behandlungsanweisung spräche dagegen eher für die zweite Option.

8 ḫnt.j(t) n snṯr: In älteren Texten steht stets ḫnt.jt m snṯr: „Bestes vom Weihrauch“. Davon ausgehend, ist wohl anzunehmen, dass auch hier schlicht das n: „des" eine Graphie für m: „vom" ist. Das ist im vorliegenden Text zwar selten, scheint aber in § 80b und 99a auch vorzukommen.

9 Übersetzung mit Westendorf 1999, 270.

10 j{w}ꜥ(y,t): (FF) Sauneron 1989, 116 faßt jw ꜥ als Schreibung für r ꜥ auf und übersetzt die Stelle: „Expulser ce que produit l’orifice (de la plaie) dans un pot (?) de bière et de dattes.“ Inhaltlich halte ich dies für bedenklich. Zu jꜥy.t als Droge vgl. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), S. 13 und bes. die Schreibung in Eb 271.

11 Aufgrund des Tierfell-Klassifikators wohl eher dieses Wort als ꜥ(ꜣ)ḏ.w: „Meeräsche“ (so die bisherigen Übersetzungen). Zu dem ꜥḏ-Tier s. den kurzen Kommentar von P. Dils im TLA.

§ 90

(§ 90a) Heilmittel für das Gesund-Machen des von irgendeiner Schlange Gebissenen:
Das jṯrwt-Kraut1, das in Hibis wächst, dessen Blätter wie Dornen sind, dessen Spitze wie (die von) Klee ist, die Knospen ihrer Blüten wie Lotos, dessen Früchte/Samen wie (diejenigen) der qr-Pflanze (und) das, was im Inneren seiner Früchte/Samen ist, wie die Früchte der tḫw-Pflanze, dick und rot.
Folglich wird es fein zermahlen mit süßem Bier. Werde vom Gebissenen getrunken.
Sogleich wird er gesund werden!
(§ 90b) Über ihm als Zauber zu sprechen: „Das jṯrwt-Kraut ist dieses (Heilmittel?) hier, das an der Seite des Osiris gedeiht durch Ausflüsse, die herausgekommen sind aus denen, die sich in ihrer Unterwelt befinden, (und) das das Gift des ‚Roten‘2 tötet. Seth möge fallen. Der (Sonnen)kater, (er) möge (ihn) zerbrechen. (???)3 [5,25]  ‚Öl des Osiris‘, ‚Gerste dieses Chnum‘, ‚lebendes Fleisch‘ ist der Name des jṯrwt-Krautes.“
Es wurde getestet.
(§ 90c) Ein anderes (Heilmittel):
Katerblut, Ichneumonblut, Milanblut, jꜥrꜥ.t-Schlangenblut, 〈Blut〉 des "Nekropolenkrokodils" (d.h. des Warans?), aufgeschnitten und getrocknet, (sowie) sꜣkr-Mineral.4 Werde zerrieben (und) glattgerührt.
Werde damit verbunden.

§ 91

(§ 91a) Heilmittel, die man macht für den von irgendeiner Schlange Gebissenen, wenn man keinen Beschwörer findet:
(n)ḥḥ-Öl: 1/64 (Oipe = 1 Dja).
Werde vom Gebissenen getrunken.
Das Gift wird sich ihm nicht nähern.
(§ 91b) Ein anderes (Heilmittel):
Blut vom roten Stier: 1/64 (Dja = 1 Oipe).
Werde vom Gebissenen getrunken.
(§ 91c) Ein anderes (Heilmittel):
Damhirschblut: 1/64 (Oipe = 1 Dja).
Werde getrunken.

§ 92

Heilmittel für den von einer Schlange Gebissenen, wenn er anfängt zu fallen und schlaff zu werden, sich (dabei) aus seinem Hinterteil ergießend:
Wird über sein Leiden befunden, (wobei sein) Kopf 〈sich〉 nicht kennt und blind ist und (sein) Oberarm warm ist (oder: (wobei sein) Kopf nicht ... kann und/sondern warm ist)5, dann sollst du ihm zubereiten: [6,1] zꜣ-wr-Mineral: 1 (Dosis), psḏ-Schoten (?): 1 (Dosis), tḥwꜣ-Pflanzensamen: 1 (Dosis), jbw-Samen: 1 (Dosis).
Werde [aufs Feuer (?)] gegeben6, (und) [der Patient] werde [damit] beräuchert.

§ 93

(§ 93a) Heilmittel für das Waschen des Gesichtes eines von einer Schlange Gebissenen:
Saft aus dem „Scheitelpunkt“ (oder: der Öffnung?) der [tḥwꜣ-Pflanze(???)], süßes Bier [...].
Sehr wirksam!
(§ 93b) Ein anderes (Heilmittel):
Saft vom ꜥfy-Klee, Honig.
Sehr gut, getestet!

§ 94

Heilmittel für das Beseitigen der Ohnmacht des Gebissenen:
[jwšš-Teig aus] Gerstenmehl, Johannisbrot, Stierfett, ḏꜣjs-Samen, unterägyptischem Salz, Honig.
Werde zerrieben (und) glattgerührt in [...]. [6,5] Der Patient [werde] ganz [eingesalbt]7.

§ 95

(§ 95a) Eine Salbe, etwas, das gemacht wird für einen an einem schmerzenden Biss Leidenden:
Geierfuß, Gottes(?)schweiß8.
Werde gesalbt [...].
(§ 95b) Ein anderes (Heilmittel):
jbw-Samen, bꜣq-Öl.
Werde damit verbunden.
Sehr wirksam!
(§ 95c) Ein anderes (Heilmittel):
Zwiebel/Knoblauch, bdd-Kraut.
Werde damit gesalbt, und [...] handwarm (wörtl.: „in Wärme des Fingers“) auf seinen Scheitel.

§ 96

(§ 96a) Heilmittel für einen Patienten, der ohnmächtig ist:
ꜣhm-Kraut: 1 (Dosis), frischer Weihrauch: 1 (Dosis), Wein [...].
Werde vom Gebissenen, der ohnmächtig ist, getrunken, und sogleich wird er (wieder) reden.
(§ 96b) Ein anderes (Heilmittel):
Rosinen: 1 (Dosis), Akazienblätter: 1 (Dosis), Ocker: 1 (Dosis), [...].
[...] sogleich wird er (wieder) sprechen.
Wenn es für einen von irgendetwas Gebissenen zubereitet wird, der ohnmächtig ist, wird er sogleich sprechen. (wörtl.: Wird es für einen unter irgendeinem Biss (Leidenden) zubereitet, der ohnmächtig ist? Er wird sogleich sprechen.)9

§ 97

(§ 97a) Die Räucherungen [...] [6,10] alle [...].
Komm, Große, beruhige mir Horus, vertreibe du die Schwäche, die in ihm ist!
Worte, zu sprechen über [...].
Der Patient werde damit [beräuchert].
(§ 97b) Ein anderes (Heilmittel):
Abgeriebenes (?) vom Mühlstein.
Werde auf das Feuer gegeben. Der Patient werde damit beräuchert.
Worte zu sprechen [darüber als Zauber:] „[...] diese (?) [...] des Horus, der aus den Bergen10 gekommen ist! Der Gluthauch in der Flamme (und umgekehrt) ist gegen einen Toten und eine Tote [...]. [ ... der in den Weste]n [eingetreten ist] und aus dem Osten herausgekommen ist. Das Abgetrennte ist gegen ihn! Der Abscheu ist gegen ihn!“
(§ 97c) Dann sollst du veranlassen, dass der Gebissene sitzt auf [...] auf dem Feuer. Dieses werde gegeben [...].
Ein anderes (Heilmittel):
[...] zerbrechen [...] [6,15] gegen die „Angelegenheit“ (?) seiner Zähne auf [---].

§ 98

(§ 98a) [Worte zu sprechen über ...] ⸢beräuchern⸣ [...] damit, um seinen Schweiß zu entfernen.
(§ 98b) ⸢Ein anderer Spruch:⸣
„Oh, [...], Große, Heilige, Herrin der Götter, sprich [...] der in seiner Kapelle ⸢Be⸣findliche!
Wer ist es, der zu ihr / gegen sie (?) spricht, nachdem sie die Beiden Länder deswegen (?) mit diesem kleinen Tuch bestraft hat (???) (oder: (...), nachdem sie sich deswegen/diesbezüglich mit diesem kleinen Tuch genähert hat)?“11
(§ 98c) ⸢Worte,⸣ zu sprechen ⸢über⸣ [...] Myrrhe.
Werde gegeben auf das Feuer. Der Patient werde damit beräuchert, während er begossen wird mit ms[tꜣ]-Wasser [...], [so dass] er gesund wird.

§ 99

(§ 99a) Ein anderer Spruch:
Eine klagende Stimme ist in der Barke des Re wegen dieser Tiefverhüllten (?)12 im Himmel, die groß ist in [...] [6.20] Sie hat [...] in ihrem Moment in/bei/mit dir!
Werde auf ein dichtes Feuer13 gegeben.
Worte zu sprechen über Nahrungsmitteln (?, wörtl.: Nahrung des Essens?) (oder: über einer Binde des ...(?))14 und (?) Brot [...].
Der Patient werde damit beräuchert, so dass er gesund wird.
(§ 99b) Ein anderer Spruch:
Räucherung, deretwegen die Götter kommen!
Siehe, man kommt zu ihrem (d.h. dem dem Räuchermittel zugeordneten) Biss [...] die Götter in Bewegung setzen. Es (d.h. das Räuchermittel) hat das Gift einer jeden männlichen Schlange und einer jeden weiblichen Schlange beseitigt, 〈es entfernte〉 (?) es aus dem Leib von NN, den [NN] geboren hat [---] Es (d.h. das Räuchermittel) legt Feuer, das aus Hierakonpolis gekommen ist, gegen das Feuer, das aus deinem Maul gekommen ist.
Worte zu sprechen über ... (?) [...] den Patienten.
Werde auf das Feuer gegeben. Er werde damit beräuchert.
(§ 99c) Ein anderer Spruch:
„Oh, Schilfrohr, das aus Min herausgekommen ist, [...] ⸢komme heraus⸣ (?) [...]. [6,25] Komm für mich heraus, da es den Horus (fast) getötet hat! Er ist ja schon ausgetrocknet und in ihrer (d.h. der Schlange?) Hand. (???) Veranlasse, dass du das [Gift] ⸢tötest⸣! [...]; [das Gi]ft, das im Himmel umherwandert, befalle den Verdauungstrakt15 des Osiris-Feindes / das den Verdauungstrakt des Osiris-„Feindes“16 befallen hat. Mögest du jeden Gott geben ... [---]“
[Worte zu sprechen] über ẖnk-Stoffen (?) und ḥbs-Stoffen.
Werde auf eine Töpferscheibe und frisches Schilfrohr gelegt. Werde besprengt [...] Der Patient werde damit beräuchert, so dass er gesund wird.

§ 100

Ein anderes, sehr gutes Räuchermittel:
Trockene Datteln: 1 (Dosis), Natron: 1 (Dosis), [---], [---]-Droge: 1 (Dosis), nbḥ-Pflanzen des Hügellandes: 1 (Dosis), Johannisbrot: 1 (Dosis), Lampendocht(?)17: 1 (Dosis), viele18 Töpferscheiben19.
Werde [auf das Feuer] gegeben. [Der Patient werde damit beräuchert ...]

1 (FF) Sauneron 1989, 120 hält die jṯrwt-Pflanze für eine Wüstenpflanze namens Capparis decidua

2 (FF) Sauneron 1989, 121: „le venin de l’Abominable“.

(Nachtrag LP) Sauneron, a.a.O. liest das Wort bw.t: „Abscheu“, hält aber alternativ auch eine Lesung dšr: „Roter“, als Bezeichnung des Seth, für denkbar. Beide Alternativen finden sich auch bei Bardinet, während sich Westendorf und Stegbauer auf Letzteres festlegen.
Während Sauneron, Bardinet und Stegbauer das Verb als Imperativ auffassen, übersetzt Westendorf  indikativisch. Daher stellt er smꜣ: „töten“ parallel zu rd: „wachsen“: „(...), die (...) gewachsen ist (...) (und) die (...) tötet“.

3 Nicht ganz klare Aussage. Mit dem Kater ist der Beschützer des Sonnengottes gegen Apophis gemeint, s. bereits Sauneron 1989, 121, Anm. 2. Satzsyntaktisch ist die Stelle jedoch problematisch, da sie Emendationen erfordert.

4 (FF) Vgl. Sauneron 1989, 122, Anm. 3 u. 4.

5 Zur Stelle vgl. den Kommentar von Sauneron 1989, 124–125, Kommentare (3) und (4). Das Verb ḫm ist seiner Schreibung zufolge das Verb „nicht kennen, nicht wissen“, wobei Sauneron auch das Verb ḫmi̯: „zerstören, umstürzen, angreifen“ in die Diskussion einbringt. Er verweist auf die Verwendung von ḫm in Bezug auf Arme und Beine im medizinischen Papyrus Edwin Smith, Fall 31 und 33, wo von einem Kontrollverlust über diese Extremitäten die Rede ist. Diesen drückt er in der vorliegenden Stelle durch die Übersetzung „la tête est inconsciente“ aus. Im Unterschied zur vorliegenden Passage ist im pEdwin Smith allerdings der Patient das grammatische Subjekt von ḫm, und die Körperteile sind grammatisches Objekt: „er kennt seine Arme und Beine nicht“, nicht etwa *„seine Arme und Beine kennen sich nicht“ o.ä.
Aus diesem Grund sind auch Alternativen zu diskutieren, v.a. diejenige, dass ḫm hier als Hilfsverb für „etw. nicht können“ mit anschließendem Infinitiv Verwendung findet. Die Diskussion wird dadurch verkompliziert, dass auch das Anschließende unsicher ist. Sauneron interpretiert die Zeichengruppe šp als Verb „blind sein“, das an dieser Stelle ohne Klassifikatoren geschrieben ist. Den daran anschließenden Arm versteht er als logographische Schreibung für rmn: „Oberarm, Schulter“ und die anschließende Feuerpfanne als logographische Schreibung für šmm bzw. sšmm: „l’épaule (?) est chaude“, wobei er selbst zugibt: „La dernière partie n’est pas très satisfainte“. Daher hatte er selbst überlegt, ob der Oberarm vielleicht gar kein Logogramm ist, sondern der Klassifikator des ansonsten klassifikatorlosen šp, kann hier aber nur š(z)p: „Handfläche, Handbreite“ vorschlagen, die in diesem Kontext keinen Sinn ergibt. Auch unter der Voraussetzung, dass šp kein Substantiv ist, sondern ein von ḫm: „nicht können" abhängiges Verb, lässt sich keines finden, dass einen sinnvollen Zusammenhang liefert – allenfalls vielleicht špi̯ mit den Grundbedeutungen „erheben, aufrichten, tragen" (demzufolge vielleicht „(sein) Kopf vermag sich nicht anzuheben“); aber dieses Verb ist viel zu selten belegt, um sichergehen zu können, dass es tatsächlich auf diese Weise verwendet werden kann. Dennoch sollte die Option, dass hier ein bislang unbekanntes Verb vorliegt, nicht ausgeschlossen werden.

6 Sauneron 1989, 124 ergänzt die Zeichenreste zu: „Appliquer sur tous ses membres.“ Dem folgen Bardinet und Stegbauer. Dagegen findet Westendorf 1999, 272, Anm. 399 diese Ergänzung „weder paläographisch noch sachlich berechtigt“. Er schlägt stattdessen eine Ergänzung zu: „werde an [das Feuer ?] gegeben“ vor, wofür er auf § 97b verweist.

7 Sauneron 1989, 126 ergänzt das Ende von Zeile 6,5 zu: „Tu (en) feras un pansement“. Dem folgt Bardinet. Dagegen hält Westendorf 1999, 273 mit Anm. 401, sicherlich zurecht, eine Bandagierung des ganzen Körpers „nur bei Mumien für angebracht“, und ergänzt daher gs: „salben“.

8 Sauneron 1989, 127 und ihm folgend die späteren Bearbeiter lesen an dieser Stelle jfd.t: „Schweiß“. Vermutlich ist aber kein echter Schweiß gemeint, sondern es wird vielmehr eine metaphorische Bezeichnung für ein anderes Produkt vorliegen. Im Balsamierungsritual sind „Schweiß“ verschiedener Götter, und konkreter „Schweiß der Götter“ sakramentale Ausdeutungen von Salbmitteln, wie bspw. ꜥnt.w:„Myrrhe“, s. bspw. S. Töpfer, Das Balsamierungsritual. Eine (Neu-)Edition der Textkomposition Balsamierungsritual (pBoulaq 3, pLouvre 5158, pDurham 1983.11 + pSt. Petersburg 18128), Studien zur spätägyptischen Religion 13 (Wiesbaden 2015), 86, Anm. ax und 87, Anm. a. Ähnliches liegt auch im vorliegenden Papyrus nahe; und es ist sogar zu überlegen, ob man fd.t nṯr: „Gottesschweiß“ lesen kann.
In jedem Falle setzt der Kontext eines medizinischen Rezeptes voraus, dass ein ganz konkretes Produkt gemeint ist und nicht nur eine allgemeine Bezeichnung für Salbmittel (oder etwas ganz anderes). Über dessen Identität kann freilich nur spekuliert werden. Immerhin sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass laut Zeile x+6,7 des Balsamierungsrituals ꜥnḫ-jm.j-Körner und ihr Produzent, die snw-p.t-Pflanze, d.h. der Mönchspfeffer, aus dem „Schweiß der Götter“ entstehen (s. Töpfer, a.a.O., 122 und den Kommentar bei T. Bardinet, Osiris et le gattilier, in: Égypte Nilotique et Méditerranéenne 6, 2013, 33–78, hier: 54–55) – wobei die Passage grammatisch parallel konstruiert ist, so dass man Letzteres fast als Apposition zu Ersterem verstehen könnte: „Dein Gesicht wird leben durch ꜥnḫ-jm.j-Samen und/der snw-p.t-Pflanze, durch den Schweiß der Götter.“ (vgl. die Übersetzung bei Töpfer). Ob hiermit dasselbe gemeint ist wie mit dem „Wasser der ꜥnḫ-jm.j-Pflanze“, das in Tb 156 als Materia magica genannt ist?

9 Eine ungewöhnliche Konstruktion, die von allen Bearbeitern konditional übersetzt, aber nicht weiter kommentiert wird. Zur möglichen Auffassung von Fragesätzen als Konditionalsätzen in älterer Zeit s. Edel1955 und 1964, § 1038, J. P. Allen, Middle Egyptian. An Introduction to the Language and Culture of Hieroglyphs, Eighth printing (Cambridge, New York 2004), § 26.24 und D. P. Silverman, Interrogative Constructions with JN and JN-JW in Old and Middle Egyptian, Bibliotheca Aegyptia 1 (Malibu 1980), 105–108.

10 Laut H.-W. Fischer-Elfert (persönl. Mitteilung) bezieht sich ḏw.w: „Berge“ oft auf die thebanische Nekropole, was die anschließend als Verursacher erwähnten Untoten erklären würde.

11 (FF) Der Sinn erschließt sich mir nicht besonders gut.
(Nachtrag LP) H.-W. Fischer-Elfert (persönl. Mitteilung) fragt sich, ob ein Zusammenhang mit der „eingehüllten (...) Frau“ bestehen könnte (P. Vernus, Omina calendériques et comptabilité d’offrandes sur une tablette hiératique de la XVIIIe dynastie, in: Revue d’égyptologie 33, 1981, 89–124, spez. 91), deren Passieren und Grüßen einer Person im Monat Thot ein gutes Jahr verheißt.

12 ꜥfn(.t) twy wr.t: Unklare Aussage. Bei ꜥfn.t denkt Sauneron 1989, 131 an die „coiffure“. Aber vielleicht liegt auch nur ein substantiviertes Partizip zum Verb „verhüllen“ vor. Zu wr nicht als „groß“ (so Sauneron und andere), sondern als Ausdruck der Intensivierung vgl. W. Schenkel, Die Farben aus Sicht der Alten Ägypter, in: P. Dils – L. Popko (Hrsg.), Zwischen Philologie und Lexikographie des Ägyptisch-Koptischen. Akten der Leipziger Abschlusstagung des Akademienprojekts „Altägyptisches Wörterbuch", Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse 84 (3) (Leipzig, Stuttgart 2016), 166–167.

13 Die Verbindung von sḏ.t: „Feuer" mit wmt: „dicht“ ist unerwartet. Ob man diese Stelle inhaltlich mit der nicht ganz klaren Verarbeitungsanweisung(?) am Ende des Rezeptes Eb 637 verbinden kann (üblicherweise als "Wenn die Gefäße heiß sind ...“ verstanden, s. aber den dortigen Kommentar 1)?

14 ḥꜣy.t: Ein unklares Wort, das in der Interpretation nicht ganz sicher scheint. Das Wort ist unbekannt; Westendorf 1999, 275 erwägt darin das seltene Wort ḥꜣ.t: „Nahrung“. Wenn Stegbauer 2010, 297–298 es mit „Krankheit“ übersetzt, hat sie entweder an ḥꜣy.t: „Übel“ gedacht oder das Wort zu ḫꜣ.(y)t: „Krankheit“ verlesen. Diese Übersetzung führt jedoch zu einer unidiomatischen Formulierung, da Zaubersprüche gewöhnlich über magischen Utensilien gesprochen werden sollen. Könnte vielleicht auch das – zugegebenermaßen nicht minder seltene – Wort ḥꜣy.t: „Binde“ vorliegen?

15 Zu rʾ-jb als Verdauungstrakt s. J. Russel, et al., An Investigation of the Pharmacological Applications Used for the Ancient Egyptian Systemic Model ‘ra-ib’ Compared with Modern Traditional Chinese Medicine, in: Journal of Ethnopharmacology 265, 2021, 113115.1–113115.10.

16 Sauneron 1989, 133 versteht hꜣi̯: „herabsteigen; fallen; zu Fall kommen“ imperativisch: „Toi qui te déplaces vers le ciel, tombe sur le cœur de l’ennemi d’Osiris!“ Angesichts der Zerstörungen und der dadurch bedingten Verständnisprobleme der Stelle kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, dass bei ḫft.j: „Feind“ der euphemistische (oder antiphrastische) Gebrauch vorliegt, den G. Posener, Sur l’emploi euphémique de ḫftj(w) „ennemi(s)“, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 96, 1969, 30–35 festgestellt hat. In dem Fall würde „der Feind des Osiris“ eigentlich „Osiris“ selbst meinen, und dann könnte hꜣi̯ kaum ein Imperativ sein, weil dadurch der Sprecher dem „Gift“ den Befehl geben würde, Osiris zu befallen. Viel eher wäre hꜣi̯ dann ein Partizip parallel zu pẖr: „umhergehen; umwenden; zirkulieren; umgeben; durchziehen“.

17 Höchstwahrscheinlich ist ein echter Kerzendocht o.ä. gemeint, der als Ingredienz eines Räuchermittels nicht überraschend ist, wenn auch als Materia medica bislang einmalig. Alternativ könnte man noch überlegen, ob ein Tarnname bzw. Synonym für eine andere Droge gemeint ist, bspw. die mꜣt.t-n.t-sw.t-Pflanze, die im magischen Papyrus Budapest 51.1961 + Turin CGT 54058, Zeile 2,9 dazu dient, die Fackel des Re anzuzünden, oder die – je nach syntaktischer Analyse – selbst die Fackel ist, die für Re leuchtet. Die Identifizierung der mꜣt.t-n.t-sw.t-Pflanze ist noch nicht völlig sicher, vgl. u.a. den kurzen Kommentar 10 in SIAE. Bezüglich der Option, dass damit schlicht mꜣ.t n.t swt, der „Halm der sw.t-Binse“ gemeint ist, könnte eine real gefundene tkꜣ-Fackel aus dem spätzeitlichen Grab des Anchmahor (Fundnummer K07/238) von Bedeutung sein, die aus Stoffstreifen besteht, die um einen länglichen Kern, vielleicht ein „Binsenrohr“ mit ähnlichem Querschnitt wie ein Rohrkolben, s. A. von Lieven, Bibliothek und Wandrelief. Von der Komplementarität verschiedener Quellengattungen, in: I. Hafemann, et al. (Hrsg.), Spuren der altägyptischen Gesellschaft. Festschrift für Stephan J. Seidlmayer, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde, Beihefte 14 (Berlin, Boston 2022), 331–348, hier: 336–337 mit Abb. 1 (Literaturhinweis H.-W. Fischer-Elfert).

18 ꜥšꜣ: H.-W. Fischer-Elfert (persönl. Mitteilung) überlegt, ob das Adjektiv an dieser Stelle nicht eher „gewöhnliche“ als „viele“ bedeutet (s. Wb 1, 228.21), um auszudrücken, dass eben ganz einfache Töpferscheiben gemeint seien und keine in irgendeiner Weise besonderen, speziellen. Dies ist eine denkbare Alternative, jedoch scheint doch die Bedeutung „viele“ näherzuliegen, da man wohl eher vermuten sollte, dass umgekehrt eher eine spezifische Art Töpferscheibe durch ein Attribut gekennzeichnet werden würde statt die unspezifische Art. Die Quantifizierung durch ꜥšꜣ fände sein Gegenstück in den Rezepten Eb 38 und Eb 212, spez. im Ersteren, worin die einzelnen Drogennamen nur mit dem Einerstrich quantifiziert sind und für Malachit die Mengenangabe nhj: „eine Winzigkeit“ angegeben ist.

19 Nḥp genannte Objekte werden in den drei Räuchermitteln Bln 46, 60 und 75 des medizinischen pBerlin P 3038 genannt sowie im Räuchermittel § 99c des Schlangenpapyrus. Vor allem die Verwendung von dezidiert sieben dieser Objekte in Bln 46 und Bln 60 erinnert stark an die „7 Steine“, die im Räucherrezept Eb 325 zur Anwendung kommen, s. bereits W. Wreszinski, Der grosse medizinische Papyrus des Berliner Museums (Pap. Berlin 3038). In Facsimile und Umschrift mit Übersetzung, Kommentar und Glossar, Die Medizin der alten Ägypter 1 (Leipzig 1909), 58–59. Wenn er das Wort mit „Platte" übersetzt, scheint er aber auch schon an die nḥp.t: „Töpferscheibe“ gedacht haben. Zwar trennt Wb 2 noch zwischen den Lemmata nḥp.t: „Töpferscheibe“ (Wb 2, 294.9–12) und nḥp: „Steine o.ä., die man erhitzt, um Räucherwerk darauf in Rauch zu verwandeln“ (Wb 2, 965.9). Doch auch H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 474 hält beide Wörter für identisch, und dementsprechend wird das Wort meist übersetzt.
Weitere Bestätigung, dass die nḥp-Objekte dieser Rezepte zunächst eine Art Räuchersteine sind, findet sich im Athener magischen Papyrus, der in Zeile x+10,2–3 auf eine „Schrift zu den 7 Räuchersteinen“ verweist und daraus in x+10,6–11,11 zitiert: Dort werden die „Namen der Steine“ hymnisch angerufen, erst jeder einzeln und am Ende in der Summe. Abschließend erfolgt die Anleitung, dass dieser Hymnus über „7 Räucher-nḥp“ rezitiert werden solle. Zu dieser Passage s. H.-W. Fischer-Elfert – F. Hoffmann, Die magischen Texte von Papyrus Nr. 1826 der Nationalbibliothek Griechenlands, Ägyptologische Abhandlungen 77 (Wiesbaden 2020), 163+171, Anm. 768 und 182–193, die das Wort mit „Töpferscheibe“ übersetzen.
Nicht nur die Erklärung als „Steine (zum) Erhitzen“, sondern auch die Frage der praktischen Umsetzbarkeit lässt die Frage aufkommen, ob in diesem Fall tatsächlich (scil.: echte) Töpferscheiben gemeint sind. Was genau ist mit nḥp.t überhaupt gemeint? Das ganze Gerät? Oder nur ein Teil? (Einer) der älteste(n) Beleg(e), aus den Admonitions, vergleicht das sich Umwenden des Landes mit der Aktion der nḥp. Das fokussiert zunächst auf die Drehscheibe, muss aber den Rest des Geräts, nach dem Prinzip pars pro toto, nicht ausschließen. Die Klassifizierungen v.a. der Ptolemäerzeit scheinen auch das gesamte Gerät anzudeuten. Nur wie muss man sich den Einsatz und die Anordnung von sieben (Bln 46, 60 und Athener mag. Papyrus) oder gar zwölf (Bln 75) bis „viele“ (§ 99c des Schlangenpapyrus) Töpferscheiben vorstellen? Die von C. Powell, The Nature and Use of Ancient Egyptian Potter’s Wheels, in: A. Bomann, et al. (Hrsg.), Amarna Reports VI, Occasional Publications 10 (London 1995), 309–335, hier: 309–316 zusammengestellten Objekte wiegen trotz ihrer relativ geringen Größe schon mehrere Kilogramm: Die Töpferscheibe BM EA 55316, bei der sogar noch die eigentliche Drehscheibe erhalten ist, wiegt insgesamt 18,9 kg. Ist der Einsatz von sieben oder sogar zwölf Objekten dieser Dimensionen für ein Räuchermittel praktikabel? Und wenn ja, wie sind sie angeordnet? Liegen sie nebeneinander wie eine Art Deckel auf dem Feuer? Sind sie tlw. übereinandergeschichtet und würden echte Töpferscheiben dann überhaupt genügend Hitze aufnehmen können, um diese wiederum an die eigentlich zu räuchernden Ingredienzien übertragen zu können?
Aus diesem Grund ist es denkbar, dass Wb mit der nur ungefähren Umschreibung der Objekte als „Steine (...)“ vielleicht schon die bessere Übersetzung gegeben hatte. Könnte es sich bei dem nḥp der medizinischen und magischen Texte schlicht um kleinere Steine gehandelt haben, von denen man eine magisch wirksame Anzahl erhitzte, um mit ihnen wiederum dann die Räuchermittel zu produzieren? Falls man hier an abgeflachte, annähernd scheibenförmige Steine denken darf – auf denen sich sicherlich gut auch zusätzlich benötigte Gefäße balancieren ließen –, könnte man ihren Namen vielleicht dennoch als „Töpferscheiben“ deuten, nämlich in dem Sinne, dass die Ägypter ihnen die Natur eben einer „Töpferscheibe“ zusprachen, um über Wortmagie zusätzlich die Schöpfungskraft dieses Utensils zu aktivieren.
Zusätzlich zum bereits Gesagten muss hier zudem das Wort nḥp.t in der Phrase wbꜣ nḥp.t berücksichtigt werden, das in Wb 2, 294.13 einen eigenen Eintrag bekommen hat. Es handelt sich dabei um eine mit dem Sonnenaufgang verbundene Handlung des Sonnengottes, so dass Wb bei diesem nḥp.t an ein Wort für „Mistkugel ?“ (scil. des Skarabäus) dachte. Das dieser Hypothese zugrundeliegende Bild ist das des Aufbrechens der Mistkugel und Herauskriechens des neuen Skarabäus, was mit der Geburt des Sonnengottes gleichgesetzt werden könnte. Eine Bedeutung „Mistkugel“ wäre nun auf den ersten Blick auch in den Räuchermitteln nicht ganz unpassend und würde an die auffallende Häufung von ḥs: „Kot“ als Ingredienz von Räuchermitteln erinnern (notiert etwa von J. F. Quack, Methoden und Möglichkeiten der Erforschung der Medizin im Alten Ägypten, in: Medizinhistorisches Journal 38 (1), 2002, 3–15, hier: 9, der darin einen Tarnnamen für Aromastoffe vermutet). Allerdings ist der Bedeutung „Mistkugel“ für nḥp.t mehrfach widersprochen worden. So weist J. Assmann, Der König als Sonnenpriester. Ein kosmographischer Begleittext zur kultischen Sonnenhymnik in thebanischen Tempeln und Gräbern, Abhandlungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo, Ägyptologische Reihe 7 (Glückstadt 1970), 23, Anm. 2 darauf hin, dass das biologische Vorbild des aus der Mistkugel kriechenden Skarabäus eigentlich erfordern würde, dass sie Abbild der Unterwelt und nicht ein solches der Sonne sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf E. Hornung, Das Amduat. Die Schrift des verborgenen Raumes. Teil 1 und 2, Ägyptologische Abhandlungen 7 (Wiesbaden 1963), Bd. 2, 105, wonach das Oval des Sokar und formähnliche ovale Mistkugeln in Skarabäusdarstellungen sowie die Scheiben in solchen Darstellungen, in denen der Skarabäus aus ihnen hervorkommt, statt sie zu schieben, eigentlich nur die Unterwelt meinen können, so dass die Kugel des Skarabäus „nicht immer als Sonnenscheibe interpretiert werden“ könne. Aufgrund dessen erwägt Assmann, a.a.O., dass nḥp.t in der Phrase wbꜣ nḥp.t die „Mistkugel-Unterwelt“ sei, und zitiert die parallele Formulierung wbꜣ dwꜣ.t: „die Unterwelt öffnen“.
Im weiteren Verlauf der Diskussion verweist Assmann auf S. 24–25 auf eine Darstellung im Buch von der Nacht, in der ein Skarabäus über Töpferscheibe über tm-Schlitten abgebildet sei, was er als Illustration des Vorgangs wbꜣ nḥp.t liest, aber die Töpferscheibe dabei nur „in einem phonogrammatischen Sinne“ verstehen möchte, d.h. in diesem Bild würde das Wort nḥp.t der Phrase wbꜣ nḥp.t durch die Töpferscheibe illustriert, ohne aber auch „Töpferscheibe“ zu heißen. Dennoch sucht er eine lexikalische Verbindung zwischen beiden Wörtern und schlägt vor, nḥp.t als den Tonklumpen auf der Töpferscheibe zu interpretieren, mit Verweis auf M. Alliot, Le culte d’Horus à Edfou au temps des Ptolémées, Bibliothèque d’étude 20 (1) (Le Caire 1949), 122, Anm. 2, der darin „la sphère modelée (nḥp) sur le tour à potier“ sieht. Trotz dieser längeren Wortbesprechung möchte er sich aber nicht auf eine konkrete Wortbedeutung festlegen, sondern lässt es unübersetzt.
Assmanns Deutungsvorschlag folgt bspw. E. Hornung, Zwei ramessidische Königsgräber. Ramses IV. und Ramses VII., Theben 11 (Mainz 1990), 92, Text E: „Tonklumpen“. Dagegen lehnt ihn P. F. Dorman, Creation on the Potter’s Wheel at the Eastern Horizon of Heaven, in: J. A. Larson – E. Teeter (Hrsg.), Gold of Praise. Studies on Ancient Egypt in Honor of Edward F. Wente, Studies in Ancient Oriental Civilization 58 (Chicago 1999), 83–99, spez. 84, ab, u.a. weil es außerhalb der Phrase wbꜣ nḥp.t keinen Beleg dafür gebe, dass nḥp.t sowohl die Töpferscheibe als auch das darauf Getöpferte bezeichne. Er folgt vielmehr einem Vorschlag von Sauneron (in S. Sauneron, Les fêtes religieuses d’Esna aux derniers siècles du paganisme, Esna 5 (Le Caire 1962), 88 und dazu 92, Anm. x – darauf verweist bereits Assmann) und denkt bei wbꜣ an eine übertragene Bedeutung „release, loose, activate“ (Sauneron: „mettre en œuvre“). Auf S. 88–89 schlägt er dann „to spin the potter’s wheel“ als idiomatische Übersetzung von wbꜣ nḥp.t vor, womit metaphorisch die Empfängnis des Sonnengottes, „or at least the enlivening of the fetus within the celestial womb“ ausgedrückt worden sei.
Auch C. Manassa, The Late Egyptian Underworld. Sarcophagi and Related Texts from the Nectanebid Period. Part 1. Sarcophagi and Texts. Part 2. Plates, Ägypten und Altes Testament 72 (Wiesbaden 2007), Bd. 1, 177–178 lehnt Wbs/Assmanns Deutung von nḥp.t als Mistkugel ab und vermutet, wie Dorman, hierin das ägyptische Wort für die „Töpferscheibe“. Die Phrase wbꜣ nḥp.t hält sie für die Weiterentwicklung eines Idioms, das ursprünglich auch noch Lehm beinhaltet habe, und verweist auf Sargtext-Spruch 882, in dem das Öffnen der Sonnenscheibe mit dem Zerbrechen von nḥp.w verglichen würde (wobei Syntax und Kotext weniger eindeutig sind, als ihre Übersetzung suggeriert). Auch Formulierungen wie ḫꜥi̯ ḥr nḥp.t: „auf der nḥp.t erscheinen“ würden gegen eine Übersetzung des Wortes mit „Mistkugel“ sprechen.
Dagegen betont J. F. Quack, Rez.: Peter F. Dorman: Faces in Clay. Technique, Imagery, and Allusion in a Corpus of Ceramic Sculpture from Ancient Egypt. Mainz: von Zabern 2002 (Münchner Ägyptologische Studien 52), in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 155, 2005, 610–611, hier: 611, die Grundbedeutung von wbꜣ als „öffnen“, weswegen er Dormans idiomatische Übersetzung ablehnt; und da zudem in den von Dorman diskutierten Unterweltsbüchern eher biologische als technische Bilder vorkommen, schlägt er vor, nḥp.t als „Fruchtblase“ zu verstehen, was „umso angemessener wirkt, als ja nach Esna 320, 21 das nḥp-Objekt vom Schöpfergott in den Körper der Frauen überführt wird“. Von Lieven (A. von Lieven, The Carlsberg Papyri 8. Grundriss des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch, CNI Publications 31 (Copenhagen 2007), 133) übernimmt diesen Vorschlag als passend auch für das nḥp.t im Nutbuch, wohingegen D. Klotz, A New Edition of the „Book of Nut“, in: Bibliotheca Orientalis 68 (5–6), 2011, 476–491, hier: 485 ihn für „pure conjecture“ und unbelegt hält und zu einer metaphorischen Bedeutung von „die Töpferscheibe öffnen“ = „mit dem Schöpfungsakt beginnen“ zurückkehrt. Die von Quack, in ZDMG angekündigte ausführlichere Studie zu nḥp.t als Fruchtblase ist nicht mehr zustande gekommen (E-Mail Quack vom 20.02.2023).
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich das nḥp-Utensil der magischen und medizinischen Texte unter Umständen mit dem nḥp.t-Objekt der Phrase wbꜣ nḥp.t zusammenbringen ließe, falls diese tatsächlich einen Tonklumpen o.ä. bezeichnen würde – dafür könnte u.U. auch die Klassifizierung von nḥp mit dem Siegel sprechen –, nicht jedoch, wenn damit die Fruchtblase gemeint ist.