Oracular Amuletic Decree P2 (Papyrus Paris Louvre E 8083)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
TM 56852; OAD P2
Aufbewahrungsort
Europa » Frankreich » (Städte M-P) » Paris » Musée du Louvre

Inventarnummer: E 8083

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde am 10.03.1887 von Adolphe Cattaui (vgl. Bierbrier 2019, 93) an den Louvre verkauft. Aktuell ist er in die Dauerausstellung des Louvre integriert (Sully, Saal 317: Les dieux et la magie, Vitrine 2).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960, xiii) geht von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den im Text genannten Göttern festmacht. Die Götter, die das Orakel geben, sind nicht komplett erhalten. Es handelt sich vermutlich um Amun-Re, Mut sowie Chons in Theben, Neferhotep, so dass eine Verortung nach Theben gesichert ist.

Der Name der Besitzerin, Nestairetrau, ist eher ungewöhnlich. Zwei weitere Personen mit diesem Namen sind belegt (Janes 2020, 108), die beide in der thebanischen Region zu verorten sind (Janes 2020, 106–107; Niwiński 1988, 107 [21].

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1960, 175, n. 5; Ead., 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten miteingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Die orakelgebenden Götter bzw. der orakelgebenden Gott (Die Versprechen sind in der ersten Person Singular formuliert, aber in der Vorstellung der Götter sind mit Mut und Chons in Theben, Neferhotep, mindestens zwei genannt, vermutlich ist zu Beginn des Textes auch Amun-Re genannt) verspricht der Besitzerin des Amuletts, Nestairetrau, Tochter von Hori und Tabeketnetmut, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau/Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet wird. Im Text L1 (pBM EA 10083) ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der Text L1 niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Text ist nicht vollständig erhalten. Zu Beginn des Textes auf dem Recto fehlt ein geringer Teil, vielleicht ein bis zwei Zeilen, weitere drei Zeilen weisen Schäden auf. Auch am Ende des Recto, und damit auch zu Beginn des Verso, ist etwas Text verloren. Edwards (1960a, 81) vermutet, dass es sich auch hier um nur wenige Zeilen handeln dürfte. Der erhaltene Teil ist 46 cm lang und 8,2 cm breit.

Der Text beginnt wie die meisten anderen Oracular Amuletic Decrees auf der Seite des Papyrusstreifens, auf dem die vertikalen Fasern oben liegen. Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen (Recto, transversa carta). Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück, auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem recht gut lesbaren, deutlich kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (HPBM 4), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus Louvre E 8083. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle P2 aufgenommen (1960, Bd. 1, 81–84, Bd. 2, pl. XXX–XXXI). Der Text ist darüber hinaus in verschiedenen Katalogen (Deveria 1872, 178 [VIII, 9]; André-Leicknam/Ziegler 1982, 301 [256]; Bellion 1987, 221; Étienne 2000, 54–55 [139]; Gombert-Meurice/Payraudeau 2018, 190 [99]) erwähnt, abgebildet und/oder vorgestellt worden.

Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 81–84.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 30–31.

Literatur zu den Metadaten

- Adderly 2015: N. J. Adderly, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- André-Leicknam/Ziegler 1982: B. André-Leicknam, Chr. Ziegler, Christiane (Hrsg.). Naissance de l’écriture: cunéiformes et hiéroglyphes. Galeries nationales du Grand Palais. Paris 1982.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014) (https://escholarship.org/uc/item/4rw1m0cz, 24.10.2019).

- Bellion 1987: M. Bellion. Égypte ancienne: catalogue des manuscrits hiéroglyphiques et hiératiques et des dessins, sur papyrus, cuir ou tissu, publies ou signalés. Paris 1987.

- Bourriau - Ray 1975: J. D. Bourriau - J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61, 1975, 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Bierbrier 2012: M. L. Bierbrier, Who was Who in Egyptology, 4. Auflage (London 2012), 553.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939), xvii–xx.

- Deveria 1872: T. Deveria. Catalogue des manuscrits égyptiens au Musée égyptien du Louvre. Paris 1872.

- Étienne 2000: M. Étienne. Heka: Magie et envoûtement dans l’Égypte ancienne. cat. exp. Musée du Louvre. Paris 2000.

- Gombert-Meurice/Payraudeau 2018: F. Gombert-Meurice/F. Payraudeau, (Hrsg.). Servir les dieux d‘Egypte: Divines Adoratrices, Chanteuses et Prêtres d’Amon à Thèbes. Musée de Grenoble, Paris 2018.

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46, 2017, 55–100.

- Guentch-Ogloueff 1940: M. Guentch-Ogloueff, Noms propres imprécatoires, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 40, 1940, 117–133.

- Jacquet-Gordon 1960: H. H. Jacquet-Gordon, The Inscription on the Philadelphia-Cairo Statue of Osorkon II, in: JEA 46, 1960, 12–23.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20, 1963, 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étudte 81 (Caire 1979), 167–183, Taf. 27–29.

- Janes 2020: G. Janes. The Amasis Collection. Cheshire 2020.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9, 1987, 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118, 2018, 233–239.

- Lenormant 1857: F. Lenormant, Catalogue d’une collection d’antiquités Égyptiennes (Paris 1857).

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman - R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Niwiński 1988: A. Niwiński. 21st Dynasty Coffins from Thebes: Chronological and Typological Studies. Theben 5, (Mainz 1988).

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll.

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99, 2013, 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree P2 (Papyrus Paris Louvre E 8083)

Recto

[rto 1] [Gesprochen haben Amun-Re, Mut (?)]1 (und) Chons in Theben, Neferhotep, die großen Götter: Ich werde Nestairetrau, unsere Dienerin,2 beschützen, die Tochter von Hori, deren Mutter Tabaketnetmut ist.

Ich werde sie gesund erhalten. Ich werde ihre [rto 5] Träume gut3 machen (wörtl.: zu etwas Gutem machen). Ich werde die anderen (Träume), die ein anderer für sie sehen wird, gut machen (wörtl.: zu etwas Gutem machen).

Ich werde sie vor srf.t-Hautentzündung (und) der rmn.t-Hautkrankheit bewahren. Ich werde sie 〈vor〉 jeder5 Krankheit, vor Anklage/Verleumdung (?), vor Verbrechen, vor Scheitern/Untergehen (wörtl. Schiffbrüchig-Sein)/Trägheit6 (und) vor einem Angreifer bewahren.

[rto 10] Ich werde sie vor einem Krokodil, vor einer Schlange (und) vor Skorpionen bewahren. Ich werde sie vor jedem Maul, das beißt, bewahren. Ich werde sie 〈vor〉 jeder Krankheit, vor Anklage/Verleumdung (?), vor Verbrechen (und) vor Scheitern/Untergehen (wörtl. Schiffbrüchig-Sein)/Trägheit bewahren.7 Ich werde sie vor jeder Anklage/Verleumdung (?) (und) vor jedem [rto 15] Verbrechen bewahren.8

Ich werde sie vor Messerdämonen und Wanderdämonen bewahren. Ich werde sie vor dem Gott des (Buches) „Das was im Jahr ist“ bewahren. Ich werde sie vor der Meerkatze der Sanktuar-Kontrolle bewahren (wörtl.: die Kontrolle des Sanktuars). Ich werde sie 〈vor〉 den Büchern vom Jahresbeginn ⸢bewahren⸣. Ich werde ⸢sie vor⸣ den Büchern vom Jahresende bewahren. [rto 20] Ich werde s[ie] ⸢vor⸣ [denen (?)]9 bewahren, ⸢die⸣ einen Menschen widersetzlich schnappen. Ich werde sie vor denen bewahren, die Menschen 〈als〉 Beute (?) schnappen.

Ich werde sie 〈vor〉 Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Blindheit (und) vor dem Wirken des Udjat-Auges bewahren zu jeder Zeit {seines} 〈ihres〉 Lebens.

[rto 25] Ich werde sie 〈vor〉 der bꜣ.w-Macht von Amun, Mut (und) Chons bewahren (und von) jedem Gott (und) jeder Göttin, die bꜣ.w-Macht entfalten (wörtl. machen) (und zwar) zu jeder Zeit ihres Lebens. Ich werde sie vor den Göttern des südlichen Ackerlands retten, bei10 denen {er} 〈sie〉 ist. Ich werde sie (die Götter) beruhigen [rto 30] für sie. Ich werde sie (die Götter) anweisen, für sie jede Angelegenheit restlos/uneingeschränkt gut zu machen (wörtl. 〈zu〉 etwas Gutem zu machen, ohne dass es bei ihnen (noch) einen (negativen) Rest gibt).11

Ich werde ihr Haus wohlbehalten sein lassen, ihre Menschen, ihre Kühe, ihre Ziegen, [rto 35] und all ihre Habe12 auf der Erde, um zu verhindern, dass jeder Gott (und) jede Göttin des südlichen Ackerlands [oder?] [die] Götter des nördlichen Ackerlands sie angreifen. [...].

1 Textverlust: Es ist nicht ganz klar, ob vor der ersten teilzerstörten Zeile noch mehr Text verloren ist, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 81. Die Versprechen sind in der ersten Person Singular formuliert, so dass eigentlich nur ein Gott in der Vorstellung zu erwarten wäre, doch müssen hier mehrere Götter genannt sein, da sie gut lesbar als nꜣ nṯr.w ꜥꜣ.w zusammengefasst werden. Später im Text sind Mut und Chons als Götter genannt. Insofern wären auch hier nur diese beiden Götter zu erwarten. Die Spuren zu Beginn der Zeile sind leider nicht klar, doch man kann einigermaßen gut zwei Götterklassifikatoren (G7) erkennen. Abstand und Anordnung sprechen sehr für eine Ergänzung von Amun-Re, zumal Namen von Göttinnen mit der Schlange klassifiziert werden. Der im Anschluss zur Verfügung stehende Platz für die Nennung der Göttin Mut könnte ausreichen, um noch ein Epitheton zu nennen, doch da keinerlei Spuren erhalten sind, kann dies nicht mit Sicherheit geklärt werden.

2 [tꜣy]=⸢n⸣ bꜣkj: Die erkennbaren Spuren lassen keine andere Ergänzung zu. Anders als zu Beginn des Satzes wird also hier die Göttergruppe berücksichtigt.

3 nfr ist hier fehlerhaft mit dem Falken auf der Standarte (G7) klassifiziert.

4 Dieses Versprechen wird in einer kürzeren Variante ohne das letzte Element in Zeile rto 12–13 nochmals wiederholt. Darüber hinaus werden die Elemente ḫnw und btꜣ.w ein drittes Mal in einem Versprechen in Zeile rto 14–15 zusammengefasst.

5 nb: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. XXXA) transkribiert das Fleischstück (F51) mit dem Hinweis, dass hier nb gelesen werden sollte. Ein Vergleich aller Schreibungen von F51 und dem Korb V30 in diesem Text rechtfertigt meiner Meinung nach die Lesung V30.

6 bg(ꜣ)/bꜣgi̯: Anders als Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 81 [19]), der an dieser Stelle an bꜣgi̯ „müde sein“ (Wb 1, 431.2–11) denkt und dementsprechend mit „sloth“ (Trägheit) übersetzt, würde ich hier eher das Wort bgꜣ „schiffbrüchig sein“ (Lesko, Dictionary I, 165) in einer übertragenen Bedeutung in den Blick nehmen. Meiner Meinung nach passt „Scheitern“ oder „Untergehen“ inhaltlich besser in den Kontext als „Trägheit“. Zudem ist das Wort in beiden Belegen in diesem Text (P2, rto 9 und rto 13) mit dem schlagenden Arm (D45) und dem Bein mit Messer (D) klassifiziert, was ebenfalls besser zu bgꜣ passen würde. Eine vergleichbare Verwendung des Begriffs in übertragener Bedeutung im Sinne von „Scheitern“ findet sich beispielsweise im Brooklyner Weisheitstext (pBrooklyn 47.218.135), 5.9. Da die Schreibungen beider Wörter allerdings nicht gut voneinander abzugrenzen sind, wurden beide Möglichkeiten aufgenommen.

7 Dieses Versprechen wurde bereits in Zeile rto 8–9 in einer um ein Element erweiterten Variante aufgeführt. Darüber hinaus werden die Elemente ḫnw und btꜣ.w ein drittes Mal in einem Versprechen in Zeile rto 14–15 zusammengefasst.

8 Diese beiden Elemente wurden bereits zwei Mal in umfangreicheren Versprechen in Zeile rto 8–9 und rto 12–13 erwähnt.

9 [⸮nꜣ?]: Ergänzung nach dem folgenden Satz, der ein vergleichbares Versprechen überliefert. Die inhaltliche Parallele in pTurin Cat. 1983 (T1), rto 84–85 schreibt nꜣ nṯr.w, doch ist der zur Verfügung stehende Platz in vorliegenden Papyrus für diese Ergänzung nicht groß genug, vgl. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 82 [18].

10 m-ḏi̯: An dieser Stelle ist m-ḏi̯ „bei, mit, fort von“ (Wb 2, 176.14-177.19) anstelle von m-ḏr.t „in/aus der Hand von, durch“ (Wb 5, 583.2-8) geschrieben.

11 Vgl. pTurin Cat. 1983 (T1), rto 35–36.

12 sꜣ.wj Der Begriff sꜣ.wj, eine jüngere Schreibung des unabhängigen Personalpronomens der dritten Person Singular Maskulinum zur Bezeichnung von bestätigtem Besitz (Gardiner, in: ZÄS 50, 1912, 114–17; Harari, in: Serapis 6, 1980, 59) ist hier in ungewöhnlicher Weise substantivisch im Sinne von „Besitz, Habe“ (Lesko, Dictionary III, 8) gebraucht, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 82 [30].

Verso

[...] [vso 1] [...]. Ich werde Acht geben über ihren Hausrat.

〈Es haben〉 Mut (und) Chons, die großen Götter, 〈gesprochen〉:

Ich werde Nestairetrau, die Tochter von Hori, beschützen [vso 5] in jeder Gegend der Reise, die sie machen wird, (und) 〈an jedem Platz, an dem〉 sie sein wird.1 ⸢Ich werde⸣ sie ⸢beschützen⸣ auf einem Schiff. Ich werde sie beschützen auf dem Uferdamm. Ich werde sie beschützen 〈auf〉2 Gespannen, auf die sie steigen wird.

Ich [vso 10] werde sie bewahren 〈vor〉 Kopfschmerz/Kopfleid. Ich werde sie bewahren 〈vor〉 Migräne (wörtl. Halbe Schläfe). Ich werde 〈sie〉 bewahren 〈vor〉 Leid/Schmerz der Zunge.3 Ich werde sie bewahren 〈vor〉 Augenschmerz/Augenleiden. Ich werde ihr Herz, ihre Lungen(flügel), ihre Leber, ihre Nieren [vso 15] (und) ihren gesamten Rumpf/ihre gesamte Bauchhöhle gesund erhalten.

(In göttlicher Weise) haben Mut (und) Chons, die großen Götter, gesprochen:

Was das Versprechen (wörtl. das gute Wort/die gute Rede) angeht, das vergessen wurde, auf diesen Orakel(papyrus) zu schreiben: ich werde veranlassen, dass es offengelegt (?)4 wird. Was die Angelegenheit angeht, die nicht [vso 20] erledigt wurde: Ich werde sie täglich fernhalten. Täglich!

1 {jw=st jri̯=w} 〈m〉 〈s.t〉 〈nb.t〉 〈n.tj〉 st jm=w: Der Schreiber hat jw=st (r) jri̯=w nach dem Zeilenumbruch wiederholt. Da es im Kontext keinen Sinn ergibt, handelt es sich sicherlich um eine Dittographie durch den Zeilenumbruch. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 83 [6]) schlägt vor zu m s.t nb.t n.tj zu emendieren, s. Parallelen in: pNew York MMA 10.53 (NY), 58–59 und pKairo CG 58035 (C1), 82–83.

2 〈m〉: Emendation der Präposition nach einer Parallele im pTurin Cat. 1985 (T3), rto 39–41: jw=n (r) šdi̯=f {r} 〈n〉 pꜣ ꜥḏ(t) pꜣ jmw n nꜣ ḥtrj 〈r〉 ꜥ.w nb n mꜥšj n.tj jw=f (r) jri̯=w „Wir werden ihn beschützen {vor} 〈am〉 Uferdamm (und auf einem) Schiff, im Gespann (und) 〈vor〉 jeder Einwirkung bei einer Reise, die er unternehmen sollte.“

3 ns{t}: Die Schreibung von ns „Zunge“ (Wb 2, 320.8–17) ist ungewöhnlich. Der Schreiber ist offenbar durch den Zeilenumbruch etwas durcheinandergekommen. Er hat am Ende der Zeile st angefügt, als würde es sich um ein Suffixpronomen handeln. Zu Beginn der nächsten Zeile schreibt er noch qs (T19-Z1-F51-Ff100). Inhaltlich ist die Erwähnung von „Knochen“ bzw. „Skelett“ an dieser Stelle völlig unpassend, so dass angenommen werden muss, dass er hier möglicherweise etwas falsch verstanden hat, oder aber ns ungewöhnlich klassifiziert hat.

4 wpi̯.t=st: Das Wort ist als erstes in der Zeile nicht komplett erhalten. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 83 [49]) ist sich der Lesung nicht sicher, doch ist es schwierig, eine andere Lesung mit den Spuren zu verbinden. Inhaltlich ist das Verb wpi̯ „trennen; richterlich trennen; öffnen; entscheiden“ (Wb 1, 298.7–301.12) schwer in den Satz zu integrieren.