Oracular Amuletic Decree P2 (Papyrus Paris Louvre E 8083)
Übersetzung und Kommentar
Oracular Amuletic Decree P2 (Papyrus Paris Louvre E 8083)
Recto
[rto 1] [Gesprochen haben Amun-Re, Mut (?)]1 (und) Chons in Theben, Neferhotep, die großen Götter: Ich werde Nestairetrau, unsere Dienerin,2 beschützen, die Tochter von Hori, deren Mutter Tabaketnetmut ist.
Ich werde sie gesund erhalten. Ich werde ihre [rto 5] Träume gut3 machen (wörtl.: zu etwas Gutem machen). Ich werde die anderen (Träume), die ein anderer für sie sehen wird, gut machen (wörtl.: zu etwas Gutem machen).
Ich werde sie vor srf.t-Hautentzündung (und) der rmn.t-Hautkrankheit bewahren. Ich werde sie 〈vor〉 jeder5 Krankheit, vor Anklage/Verleumdung (?), vor Verbrechen, vor Scheitern/Untergehen (wörtl. Schiffbrüchig-Sein)/Trägheit6 (und) vor einem Angreifer bewahren.
[rto 10] Ich werde sie vor einem Krokodil, vor einer Schlange (und) vor Skorpionen bewahren. Ich werde sie vor jedem Maul, das beißt, bewahren. Ich werde sie 〈vor〉 jeder Krankheit, vor Anklage/Verleumdung (?), vor Verbrechen (und) vor Scheitern/Untergehen (wörtl. Schiffbrüchig-Sein)/Trägheit bewahren.7 Ich werde sie vor jeder Anklage/Verleumdung (?) (und) vor jedem [rto 15] Verbrechen bewahren.8
Ich werde sie vor Messerdämonen und Wanderdämonen bewahren. Ich werde sie vor dem Gott des (Buches) „Das was im Jahr ist“ bewahren. Ich werde sie vor der Meerkatze der Sanktuar-Kontrolle bewahren (wörtl.: die Kontrolle des Sanktuars). Ich werde sie 〈vor〉 den Büchern vom Jahresbeginn ⸢bewahren⸣. Ich werde ⸢sie vor⸣ den Büchern vom Jahresende bewahren. [rto 20] Ich werde s[ie] ⸢vor⸣ [denen (?)]9 bewahren, ⸢die⸣ einen Menschen widersetzlich schnappen. Ich werde sie vor denen bewahren, die Menschen 〈als〉 Beute (?) schnappen.
Ich werde sie 〈vor〉 Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Blindheit (und) vor dem Wirken des Udjat-Auges bewahren zu jeder Zeit {seines} 〈ihres〉 Lebens.
[rto 25] Ich werde sie 〈vor〉 der bꜣ.w-Macht von Amun, Mut (und) Chons bewahren (und von) jedem Gott (und) jeder Göttin, die bꜣ.w-Macht entfalten (wörtl. machen) (und zwar) zu jeder Zeit ihres Lebens. Ich werde sie vor den Göttern des südlichen Ackerlands retten, bei10 denen {er} 〈sie〉 ist. Ich werde sie (die Götter) beruhigen [rto 30] für sie. Ich werde sie (die Götter) anweisen, für sie jede Angelegenheit restlos/uneingeschränkt gut zu machen (wörtl. 〈zu〉 etwas Gutem zu machen, ohne dass es bei ihnen (noch) einen (negativen) Rest gibt).11
Ich werde ihr Haus wohlbehalten sein lassen, ihre Menschen, ihre Kühe, ihre Ziegen, [rto 35] und all ihre Habe12 auf der Erde, um zu verhindern, dass jeder Gott (und) jede Göttin des südlichen Ackerlands [oder?] [die] Götter des nördlichen Ackerlands sie angreifen. [...].
1 Textverlust: Es ist nicht ganz klar, ob vor der ersten teilzerstörten Zeile noch mehr Text verloren ist, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 81. Die Versprechen sind in der ersten Person Singular formuliert, so dass eigentlich nur ein Gott in der Vorstellung zu erwarten wäre, doch müssen hier mehrere Götter genannt sein, da sie gut lesbar als nꜣ nṯr.w ꜥꜣ.w zusammengefasst werden. Später im Text sind Mut und Chons als Götter genannt. Insofern wären auch hier nur diese beiden Götter zu erwarten. Die Spuren zu Beginn der Zeile sind leider nicht klar, doch man kann einigermaßen gut zwei Götterklassifikatoren (G7) erkennen. Abstand und Anordnung sprechen sehr für eine Ergänzung von Amun-Re, zumal Namen von Göttinnen mit der Schlange klassifiziert werden. Der im Anschluss zur Verfügung stehende Platz für die Nennung der Göttin Mut könnte ausreichen, um noch ein Epitheton zu nennen, doch da keinerlei Spuren erhalten sind, kann dies nicht mit Sicherheit geklärt werden.
2 [tꜣy]=⸢n⸣ bꜣkj: Die erkennbaren Spuren lassen keine andere Ergänzung zu. Anders als zu Beginn des Satzes wird also hier die Göttergruppe berücksichtigt.
3 nfr ist hier fehlerhaft mit dem Falken auf der Standarte (G7) klassifiziert.
4 Dieses Versprechen wird in einer kürzeren Variante ohne das letzte Element in Zeile rto 12–13 nochmals wiederholt. Darüber hinaus werden die Elemente ḫnw und btꜣ.w ein drittes Mal in einem Versprechen in Zeile rto 14–15 zusammengefasst.
5 nb: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. XXXA) transkribiert das Fleischstück (F51) mit dem Hinweis, dass hier nb gelesen werden sollte. Ein Vergleich aller Schreibungen von F51 und dem Korb V30 in diesem Text rechtfertigt meiner Meinung nach die Lesung V30.
6 bg(ꜣ)/bꜣgi̯: Anders als Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 81 [19]), der an dieser Stelle an bꜣgi̯ „müde sein“ (Wb 1, 431.2–11) denkt und dementsprechend mit „sloth“ (Trägheit) übersetzt, würde ich hier eher das Wort bgꜣ „schiffbrüchig sein“ (Lesko, Dictionary I, 165) in einer übertragenen Bedeutung in den Blick nehmen. Meiner Meinung nach passt „Scheitern“ oder „Untergehen“ inhaltlich besser in den Kontext als „Trägheit“. Zudem ist das Wort in beiden Belegen in diesem Text (P2, rto 9 und rto 13) mit dem schlagenden Arm (D45) und dem Bein mit Messer (D) klassifiziert, was ebenfalls besser zu bgꜣ passen würde. Eine vergleichbare Verwendung des Begriffs in übertragener Bedeutung im Sinne von „Scheitern“ findet sich beispielsweise im Brooklyner Weisheitstext (pBrooklyn 47.218.135), 5.9. Da die Schreibungen beider Wörter allerdings nicht gut voneinander abzugrenzen sind, wurden beide Möglichkeiten aufgenommen.
7 Dieses Versprechen wurde bereits in Zeile rto 8–9 in einer um ein Element erweiterten Variante aufgeführt. Darüber hinaus werden die Elemente ḫnw und btꜣ.w ein drittes Mal in einem Versprechen in Zeile rto 14–15 zusammengefasst.
8 Diese beiden Elemente wurden bereits zwei Mal in umfangreicheren Versprechen in Zeile rto 8–9 und rto 12–13 erwähnt.
9 [⸮nꜣ?]: Ergänzung nach dem folgenden Satz, der ein vergleichbares Versprechen überliefert. Die inhaltliche Parallele in pTurin Cat. 1983 (T1), rto 84–85 schreibt nꜣ nṯr.w, doch ist der zur Verfügung stehende Platz in vorliegenden Papyrus für diese Ergänzung nicht groß genug, vgl. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 82 [18].
10 m-ḏi̯: An dieser Stelle ist m-ḏi̯ „bei, mit, fort von“ (Wb 2, 176.14-177.19) anstelle von m-ḏr.t „in/aus der Hand von, durch“ (Wb 5, 583.2-8) geschrieben.
11 Vgl. pTurin Cat. 1983 (T1), rto 35–36.
12 sꜣ.wj Der Begriff sꜣ.wj, eine jüngere Schreibung des unabhängigen Personalpronomens der dritten Person Singular Maskulinum zur Bezeichnung von bestätigtem Besitz (Gardiner, in: ZÄS 50, 1912, 114–17; Harari, in: Serapis 6, 1980, 59) ist hier in ungewöhnlicher Weise substantivisch im Sinne von „Besitz, Habe“ (Lesko, Dictionary III, 8) gebraucht, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 82 [30].
Verso
[...] [vso 1] [...]. Ich werde Acht geben über ihren Hausrat.
〈Es haben〉 Mut (und) Chons, die großen Götter, 〈gesprochen〉:
Ich werde Nestairetrau, die Tochter von Hori, beschützen [vso 5] in jeder Gegend der Reise, die sie machen wird, (und) 〈an jedem Platz, an dem〉 sie sein wird.1 ⸢Ich werde⸣ sie ⸢beschützen⸣ auf einem Schiff. Ich werde sie beschützen auf dem Uferdamm. Ich werde sie beschützen 〈auf〉2 Gespannen, auf die sie steigen wird.
Ich [vso 10] werde sie bewahren 〈vor〉 Kopfschmerz/Kopfleid. Ich werde sie bewahren 〈vor〉 Migräne (wörtl. Halbe Schläfe). Ich werde 〈sie〉 bewahren 〈vor〉 Leid/Schmerz der Zunge.3 Ich werde sie bewahren 〈vor〉 Augenschmerz/Augenleiden. Ich werde ihr Herz, ihre Lungen(flügel), ihre Leber, ihre Nieren [vso 15] (und) ihren gesamten Rumpf/ihre gesamte Bauchhöhle gesund erhalten.
(In göttlicher Weise) haben Mut (und) Chons, die großen Götter, gesprochen:
Was das Versprechen (wörtl. das gute Wort/die gute Rede) angeht, das vergessen wurde, auf diesen Orakel(papyrus) zu schreiben: ich werde veranlassen, dass es offengelegt (?)4 wird. Was die Angelegenheit angeht, die nicht [vso 20] erledigt wurde: Ich werde sie täglich fernhalten. Täglich!
1 {jw=st jri̯=w} 〈m〉 〈s.t〉 〈nb.t〉 〈n.tj〉 st jm=w: Der Schreiber hat jw=st (r) jri̯=w nach dem Zeilenumbruch wiederholt. Da es im Kontext keinen Sinn ergibt, handelt es sich sicherlich um eine Dittographie durch den Zeilenumbruch. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 83 [6]) schlägt vor zu m s.t nb.t n.tj zu emendieren, s. Parallelen in: pNew York MMA 10.53 (NY), 58–59 und pKairo CG 58035 (C1), 82–83.
2 〈m〉: Emendation der Präposition nach einer Parallele im pTurin Cat. 1985 (T3), rto 39–41: jw=n (r) šdi̯=f {r} 〈n〉 pꜣ ꜥḏ(t) pꜣ jmw n nꜣ ḥtrj 〈r〉 ꜥ.w nb n mꜥšj n.tj jw=f (r) jri̯=w „Wir werden ihn beschützen {vor} 〈am〉 Uferdamm (und auf einem) Schiff, im Gespann (und) 〈vor〉 jeder Einwirkung bei einer Reise, die er unternehmen sollte.“
3 ns{t}: Die Schreibung von ns „Zunge“ (Wb 2, 320.8–17) ist ungewöhnlich. Der Schreiber ist offenbar durch den Zeilenumbruch etwas durcheinandergekommen. Er hat am Ende der Zeile st angefügt, als würde es sich um ein Suffixpronomen handeln. Zu Beginn der nächsten Zeile schreibt er noch qs (T19-Z1-F51-Ff100). Inhaltlich ist die Erwähnung von „Knochen“ bzw. „Skelett“ an dieser Stelle völlig unpassend, so dass angenommen werden muss, dass er hier möglicherweise etwas falsch verstanden hat, oder aber ns ungewöhnlich klassifiziert hat.
4 wpi̯.t=st: Das Wort ist als erstes in der Zeile nicht komplett erhalten. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 83 [49]) ist sich der Lesung nicht sicher, doch ist es schwierig, eine andere Lesung mit den Spuren zu verbinden. Inhaltlich ist das Verb wpi̯ „trennen; richterlich trennen; öffnen; entscheiden“ (Wb 1, 298.7–301.12) schwer in den Satz zu integrieren.
