Oracular Amuletic Decree T3 (Papyrus Turin Cat. 1985)
Übersetzung und Kommentar
Oracular Amuletic Decree T3 (pTurin Cat. 1985)
Recto und Verso
[rto 1] [(In göttlicher Weise) gesprochen hat Mu]t, die Große, die Herrin von Asche⸢ru⸣, [diese] große [Götti]n;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat [Chons in Theben, Neferhotep, dieser große] Gott, der Älteste, der zuerst entstandenen ist;
[(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Mon]th-[Re, der Herr von] ⸢Theben⸣;
[(und in göttlicher Weise) gesprochen haben Maat, die Tochter des Re] [rto 5], (sowie) Chnum (und) Amun1;
[(und in göttlicher Weise) gesprochen] hat Chons, das [Kind, der Große, der Älteste, der Erst(geboren)e des] Amun;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Amaunet, die Große, die Älteste, die 〈in〉mitten des ⸢Ipet-sut⸣ ist;2
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons-Amen[emope], (also) die großen Götter, die ⸢Ältesten⸣, die ⸢zuerst⸣ [entstanden sind]:3
Wir werden Meshor beschützen, [rto 10] [dessen Mutter] Nestaatmut ist, (und) den man Sohn des Penimen nennt, unseren Diener (und) unseren Zögling. Wir werden ihn gesund erhalten an seinem Fleisch (und) an seinem Skelett. Wir werden seinen Mund öffnen, um zu essen [und zu] [rto 15] [trink]en. Wir werden veranlassen, dass [er iss]t, [um zu leben]4. Wir werden veranlassen, dass er trinkt, um ge[sund zu sein].5 [W]ir werden veranlassen, dass er vollständig gesättigt ist (wörtl. gesättigt ist (mit) jeder Sättigung) [an] einem ⸢schönen⸣ [Leb]en auf ⸢Erden⸣.
[W]ir werden seine Träume gut machen (wörtl. 〈zu〉 etwas Gutem machen) oder [rto 20] die (Träume), die ein anderer oder eine andere für {dich} 〈ihn〉 sieht, gut (machen) (wörtl. zu etwas Gutem machen).
Wir werden ihm ihre (der Träume) gute Absicht zusagen (wörtl.: machen) oder: bestätigen (wörtl. 〈tatsächlich〉 machen = zustimmen)6. Wir werden für ihn ihre (der Träume) schlechte (wörtl. zweitrangige) (und) [...] Absicht aufheben/ablehnen.
1 Chnum (und) Amun (H̱nm(.w) Jmn): Edwards, HPBM 4, Bd. 2, 73 u. 76, liest hier Chnum-Amun, was als einer von zwei Belegen Eingang in das Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen gefunden hat (LGG VI, 28b). Tatsächlich sind beide Götternamen mit dem Falken auf der Standarte (G7) als solche klassifiziert, so dass kein Grund vorliegt, in dieser Auflistung verschiedener Götter nicht von den beiden Göttern Chnum und Amun auszugehen.
2 rto 1–6: Ergänzungen nach rto 102–109.
3 Ergänzung nach rto 110–112. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 73) liest „Khons-Amun [the greatest god] of the great gods, the eldest who were the first [to come-into-existence]“, doch ist nach der Parallele am Ende des Textes klar Chons-Amen(em)ope geschrieben, so dass man auch hier davon ausgehen sollte. Allerdings reicht der Platz am Ende der Zeile nur für die Schreibung des Götternamens und nicht mehr für pꜣj nṯr ꜥꜣ, für das der zur Verfügung stehende Platz insgesamt bereits sehr knapp gewesen wäre, vgl. hierzu die gut erhaltenen Schreibungen des Epithetons in den Zeilen rto 105, 106 u. 110 sowie die Länge der Phrase nꜣ nṯr.w ꜥꜣ in der folgenden Zeile. Hieraus ergibt sich, dass die zum Schluss genannten Götter nicht als Bestandteil eines Epithetons von Chons-Amenemope, sondern vielmehr als zusammenfassende Nennung aller zuvor genannten Götter zu betrachten sind, was in der deutschen Übersetzung schwer in den Satz zu integrieren ist.
4 [um zu leben] ([r ꜥnḫ]): Ergänzung nach pTurin Cat. 1985 (T2), rto 8–9.
5 Vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 9–10.
6 zusagen oder bestätigen (jri̯): Die Schreibung von jri̯ ist bemerkenswert, da es mit dem Elefantenzahn (F18) und dem Mann mit der Hand am Mund (A2) klassifiziert ist. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 73–74 [9]) verweist auf die Schreibung von „ja“ (jri̯ tjw: Wb 5, 242.5) und schlägt „affirm“ vor. In späteren hieratischen Texten ist dieser Ausdruck in der Schreibung mit F18-A2 belegt, so zum Beispiel im pLondon BM EA 10730 (L7), 54 und außerhalb der Oracular Amuletic Decrees in der Geschichte des Wenamun (Papyrus Moskau 120 rto 1,5 und 2,32; Schipper, Wenamun, 44 [18] u. 77 [225]; vgl. Lesko, Dictionary, 43). Die in diesem Text vorliegende Schreibung muss allerdings, wenn man von jri̯ tjw ausgeht, als sehr verkürzt bezeichnet werden. Die Gruppe F18-A2 steht darüber hinaus generell bei Verben, die eine Tätigkeit mit dem Mund ausdrücken, sei es konkret wie beispielsweise „beißen“ (pzḥ: Wb 1, 550.1–10; vgl. rto 85–88) oder „kauen“ (wšꜥ: Wb 1, 370.6–13) aber auch bezogen auf verbale Äußerungen aller Art (z.B. sbḥ „schreien“: Wb 4, 90.11–18). Insofern könnte es sein, dass der Schreiber durch die Klassifikation die Bedeutungsvielfalt des Verbs jri̯ im Sinne des spezifischen Kontextes einschränken bzw. anpassen wollte, vgl. hierzu Lincke, Prinzipien der Klassifizierung, 93–110. Dann wäre eine Übersetzung mit „bestätigen“ eigentlich etwas zu schwach, da eine Bedeutung wie „durch mündliche Aktivität machen“ im Sinne von „durch sprachliche Äußerung verwirklichen“, d.h. „zusagen/bestimmen“ besser passen würde. An welche Option der Schreiber tatsächlich gedacht hat, ist letztendlich nicht zu entscheiden und lässt sich auch durch andere Textzeugen nicht weiter eingrenzen.
[rto 25] Wir werden ihn schützen vor der srf-Hautkrankheit (und) der rmn.t-Krankheit, vor jeder Infektion, vor jedem šmm-Fieber (und) vor jeder Bitterkeit. Wir werden ihn schützen vor einem Kopfekzem, vor Hautflechte, vor einer bsbs-Schwellung (?) [rto 30] (und) vor einem schlimmen ḫnt-Katarrh. Wir werden [ihn schützen] vor (Krankheits-)Leid des Kopfes, vor Migräne (wörtl. Schläfenseite) (und) vor der ṯrrw-Krankheit der Nasenlöcher. Wir werden ihn bewahren vor (männlichem) ḫꜣj.w-Leiden, vor (weiblichem) ḫꜣ.t-Leiden (und) vor der šnb-Krankheit. Wir werden ihn bewahren [rto 35] vor Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Augenverletzungen (und) vor dem Wirken des Udjat-(Auges), während seiner (gesamten) Lebenszeit.
Wir werden ihn bewahren vor dem Einstürzen eines Hauses (und) vor der Verwüstung (wörtl. Zerstampfen, Zerstören) eines Gewittersturms. Wir werden ihn beschützen {vor} 〈am〉 Uferdamm [rto 40] (und auf) dem Schiff, auf dem Wagen (und) 〈vor〉 jeder Einwirkung bei einer, die er unternehmen sollte. Wir werden für ihn Schutz (und) Protektion der Glieder gewähren 〈an〉 jedem Ort (und) jedem Sanktuar (?), zu dem er gehen sollte. Wir werden ihn retten [rto 45] aus der Hand der Götter des südlichen Ackerlandes (und) aus der Hand der Götter des nördlichen 〈Ackerlandes〉. Wir werden ihn retten aus der Hand der Götter des Ackerlandes von Behedet (Edfu). Wir werden ihn retten 〈aus der Hand〉 des Falken von Nechen (Hierakonpolis) [rto 50] (und) dieser Nubierin (von) Necheb (Elkab). Wir werden ihn retten aus der Hand des Wildlöwen der Bastet, der vom Blut der Rechit-Leute lebt. Wir werden {sie} 〈ihn〉 retten aus der Hand der Meerkatze, [rto 55] die das 〈Haus〉 des Udjat-Auges kontrolliert, (und) des Pavians, der das 〈Haus〉 des Udjat-Auges kontrolliert. Wir werden ihn schützen vor dem Hieb (wörtl. Schlagen) eines Schwertes (und) vor dem Stoß (wörtl. Schlagen) einer Lanze/eines Speers.
Wir werden veranlassen, dass jeder Gott [rto 60] (und) jede Göttin, die er konsultieren sollte (wörtl. vor die er treten sollte), zu seinen Gunsten urteilt. Wir werden ihm das Recht7 geben 〈beim〉 Gericht der Götter (und) 〈bei〉 den Gerichten der Menschen. Wir werden jeden Mann (und) jede Frau töten, die schlecht [rto 65] über ihn vor einem Gott, vor Menschen (und) vor jeder Person jeglicher Art reden sollte. Wir werden jeden Gott, jede Göttin, jeden Menschen (und) jede Person jeglicher Art ruhig sein lassen für ihn.
Wir werden ihn schützen ⸢vor⸣ jeder bꜣ.w-Macht [rto 70] von Amun, Mut, Chons, Pre, Ptah, Jah, Thot, Osiris, Min, Isis von Koptos, der großen Götter des Himmels und der ⸢Erde⸣. Wir werden ihn schützen vor ihrer (der Götter) [rto 75] bꜣ.w-Macht (und) dem, was sie verabscheuen (wörtl. ihrem Abscheu/Tabu). Wir werden ihn schützen vor Mord (und) vor Massaker. Wir werden ihn schützen vor (Schadens-)Zauber eines Syrers, vor (Schadens-)Zauber [rto 80] eines Nubiers, vor (Schadens-)Zauber eines [Menschen] (aus) Ägypten, vor geschriebenem (Schadens-)Zauber, (und) vor rezitiertem (Schadens-)Zauber. Wir werden ihn schützen vor (Schadens-)Zauber eines Beduinen. Wir werden ihn schützen vor dem Biss [rto 85] eines Krokodils, vor dem Biss einer [Sch]lange, [vor] dem Stich eines Skorpio[ns], vor dem Biss eines Gifttiers (und) jedes Ungeziefers/Gewürms (sowie) vor jeder rʾ-Schlange, die beißt. Wir werden ihn beschützen. [rto 90] Wir werden (uns) für ihn einsetzen. Wir werden ihn bereichern (Schätze anhäufen). Wir werden ihn ausstatten. Wir werden ihn behüten. Wir werden ihn beschützen. Wir werden seinen ḏꜣḏꜣ-Kopf gesund erhalten. {Ich} 〈Wir〉 werden sein Auge gesund erhalten. [rto 95] Wir werden nicht zulassen, dass er gebracht wird (?) gegen? seine Zunge, seine Hand (und) {ihre} seine Schamgegend (?).8 Wir werden ihn ausstatten (mit) Vieh, Dienern, Gerste, Emmer, Gold, Silber, Kupfer, Kleidung, [rto 100] Rindern, Ziegen (und) mit allerlei von jeder Art, das die Menschen gut 〈befinden〉9.
(In göttlicher Weise) gesprochen hat Mut, die Große, die Herrin von Ascheru, diese 〈große〉 Göttin;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons in Theben, Neferhotep, [rto 105] dieser große Gott;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Month-Re, der Herr von Theben, dieser große Gott;
(und in göttlicher Weise) gesprochen haben Maat, die Tochter des Re, (sowie) Chnum (und) Amun;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons, das Kind, der Große, der Älteste, der Erst(geboren)e des Amun;
(und in göttlicher Weise) gesprochen hat Amaunet, die Große, die Älteste, die 〈in〉mitten des Ipet-sut ist;
[rto 110] (und in göttlicher Weise) gesprochen hat Chons-Amen(em)ope, dieser große Gott, (also) die großen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind:
Wir werden alles machen, was auf diesem Orakel (geschrieben) ist, für Meshor, dessen Mutter Nesta(permut) ist, (und) [rto 115] den man Scherinipenimen (Sohn des Penimen) nennt, und ferner das, was man vergessen hat, und ferner das, was man nicht aufgenommen (wörtl. gemacht) hat, und ferner, das, was rezitiert wurde, [vso 1] wobei man es nicht aufgenommen (wörtl. gemacht) hat: 〈Es〉 entspricht dem, was im ? täglich vorliegt. So haben wir, die [vso 4–5] großen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind, gesprochen.
7 das Recht (pꜣ mꜣꜥ): Edwards hat offenbar diese Stelle zu mꜣꜥ.t emendiert. Er übersetzt kommentarlos „declare right“ (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 75) und im Index findet man die Stelle unter mꜣꜥ.t (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 123). Er geht offenbar davon aus, dass die Tendenz, die feminine Endung nicht zu schreiben, hier den Schreiber veranlasst hat, den falschen Artikel zu schreiben. Doch könnte es für diese Formulierung auch eine andere Erklärung geben? Für ein Substantiv mꜣꜥ „Recht“ konnte ich – auch im juristischen Kontext – keine weiteren Anhaltspunkte finden. Möglicherweise handelt es sich aber um einen substantivierten Infinitiv. Im Demotischen kann das Verbum mꜣꜥ ganz konkret ein nach Aktenlage bzw. durch Prozess geklärtes „im Recht sein“ bzw. „Recht haben“ bedeuten, s. EDG 149; CDD M, 25; Lippert, Ein demotisches juristisches Lehrbuch, 63.
8 Dieses Versprechen ist schwierig zu verstehen und scheint irgendwie korrupt zu sein, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 75–76 [54–55]. Die Lesung von jni̯ sw ist recht deutlich, doch ist nicht zu verstehen, wer oder was zu oder gegen die aufgezählten Körperteile gebracht werden soll und wer diese Handlung vornimmt. Zudem ist mit dem letztgenannten Köperteil, das nach Edwards als k(n)s (Wb 5, 134.7–8; MedWb 907) zu identifizieren ist, deutlich, dass der Schreiber an dieser Stelle durcheinandergekommen sein muss. Die Schreibung ist seltsam für k(n)s und der Begriff bezeichnet zudem ausschließlich die weibliche Schamgegend. Dadurch erklären sich auch die doppelt gesetzten Suffixpronomen, da anzunehmen ist, dass der Schreiber automatisch das feminine Suffix geschrieben hat und dann, ohne den (Un-)Sinn weiter zu reflektieren, einfach das maskuline Suffix angefügt hat. Ungewöhnlich ist auch die Klassifikation durch die Haarlocke (D3), die eher an eine Schreibung von gs „trauern“ (Wb 5,191) denken lässt, was im vorliegenden Kontext allerdings ebenfalls unpassend wäre. Da es in den anderen Textzeugen kein vergleichbares Versprechen gibt, ist eine bessere Deutung nicht möglich.
9 das die Menschen gut 〈befinden〉 (n.tj rmṯ.pl (ḥr) 〈ḏd〉 nfr jm =w): Ergänzungsvorschlag nach Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 76 [58].
