Oracular Amuletic Decree CMA (Papyrus Cleveland CMA 14.723)
Übersetzung und Kommentar
Verso
[vso 1] Es hat Chons in Theben, Neferhotep gesprochen, dieser große Gott, der Älteste,1 der zuerst entstanden ist: Ich werde Irienchons beschützen, [den Sohn]2 von Diusuenmut, meinen [vso 5] Diener. Ich werde ihn gesund erhalten an seinem ⸢Fleisch⸣ (und) an seinem Skelett. Ich werde seine Träume gut machen (wörtl. zu3 etwas Gutem machen). Ich werde die Träume, die ein anderer oder eine andere für/über (?) ihn träumt (wörtl. sieht), gut machen (wörtl. zu etwas Gutem machen). [vso 10] Ich werde ihn vor jeder Anklage/Verleumdung bewahren (und) jedem Verbrechen darin (in den Anklagen/Verleumdungen). Ich werde ihn vor den Messerdämonen (und) vor den Wanderdämonen bewahren. Ich werde ihn vor denen (sc. Götter) bewahren, die Menschen als Beute schnappen. Ich [vso 15] werde ihn vor denen (sc. Götter) bewahren, die Menschen widersetzlich4 schnappen (wörtl. in Widersetzlichkeit).5 Ich werde ihn vor denen (sc. Götter) bewahren, die Menschen widersetzlich schnappen (wörtl. in Widersetzlichkeit). Ich werde ihn schützen vor einem Krokodil, vor einer (Gift-)Schlange (und) einem Skorpion (und) vor jedem Maul, das beißt. Wir werden [vso 20] ihn retten aus der Hand der Götter und Göttinnen vom (Buch) „Das, was in ihrem Jahr ist“.6 Ich werde ihn vor allen „Büchern vom Anfang des Jahres“ bewahren, (und) vor allen „Büchern vom Ende des Jahres“. Ich werde ihn vor jeglicher Infektion bewahren, 〈vor〉 Bitterkeit, [vso 25] vor der srf.t-Hautkrankheit, 〈vor〉 der rmn.t-Hautentzündung (und) vor (der Krankheit) „Wind gegen sie“. Ich werde für ihn Month-Re, den Herrn von Armant, (sowie) jeden Gott (und) 〈jede〉 Göttin beruhigen. Ich werde auf ihn Acht geben7 in ihren (der Götter) Händen. Ich werde für ihn jede gute Sache (und) jedes [vso 30] gute Schicksal bereiten. Ich werde [das] ⸢böse⸣ [Orakel] von ihm fernhalten.8 Ich werde veranlassen, dass dieser Orakelpapyrus (ihn) beschützt ebenso9 wie der Orakelpapyrus, den ich [täglich (?)]10 (dem Gott)11 vorlegen werde.12 So hat man [vso 35] gesprochen, und zwar Chons von Theben, Neferhotep, der große Gott, der Älteste, der zuerst entstanden ist.
1 wr: Bohleke (in: JEA 83, 1997, 157) transkribiert hier den auf einen Stab gestützten Mann (A19) über einer Wasserlinie (N35), doch müsste es sich dann bei A19 um eine stark verkürzte Schreibung handeln. Leider ist bei der Erwähnung des Gottes am Ende des Textes dieser Teil nicht erhalten, so dass man keinen Vergleich ziehen kann. Ein n (Genitiv?) bringt an dieser Stelle aber syntaktisch keinen guten Sinn. Offenbar handelt es sich eher um eine spezifische Eigenart des Schreibers, den unteren Strich des Zeichens A19 separat zu setzen (ähnlich in pTurin Cat. 1985 (T3), rto 3 u. vso 4, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 2, pl. XXVII u. XXIX). Herkömmliche Schreibungen zeigen deutlich die Füße des Stehenden Mannes als Querstrich. Der würde bei Bohlekes Lesung fehlen.
2 [zꜣ]: Lesung nach Bohleke, in: JEA 83, 1997, 157, 160.
3 n: Bohleke (in: JEA 83, 1997, 157) schreibt hier n=f nfr. Die Gruppe Wasserlinie (N35) über Viper (I9) weist aber zwei Querstriche auf, so dass der Eindruck entsteht, dass hier zwei Wasserlinien (N35) übereinander geschrieben sind: n=f n nfr.
4 ḏꜣ.wt: Den Klecks über dem Kreuz (Z9) am Wortende würde ich als t (X1) deuten, zumal das entsprechende Zeichen im gleichen Wort in Zeile 17 eher wie ein nach unten offener Haken geschrieben worden ist.
5 Dieses Versprechen wurde direkt aufeinander folgend zwei Mal notiert. Es könnte sich um eine Dittographie handeln, s. Bohleke, in: JEA 83, 1997, 163 [h].
6 Tꜣ-jm(.jt)-rnp.t=st: Lies hier mit Fischer-Elfert (in: FS Vittmann, 155) tꜣ-jm(.jt)-rnp.t=st anders als Bohleke (in: JEA 83, 1997, 157–158, 164 [k]), der für die drei Zeichengruppen zwischen der Jahresrispe (M4) und der Gruppe der Klassifikatoren (Schnurschleife V12, Semogrammstrich Z1, Plural Z2) eine „irritierende“ Schreibung angibt, für die er drei Deutungen diskutiert: (1) eine recht „ausführliche“ Schreibung für rnp.t mit den zwei schrägen Strichen (Z4) über einem Semogrammstrich (Z1) gefolgt von t (X1) über einem Semogrammstrich (Z1) und einer Sonnenscheibe (N5) als Klassifikator; (2) Dittographie von t (X1) über dem Semogrammstrich (Z1) gefolgt von der Sonnenscheibe (N5); (3) eine Lesung tꜣ jm(j.t) rnp.t ꜣbd „Das, was im Jahr (und im) Monat ist“ mit t über dem Semogrammstrich (Z1) als erste Gruppe gefolgt von Mondsichel (N11) über dem Semogrammstrich (Z1) gefolgt von der Sonnenscheibe (N5). Die letzte Variante kann aufgrund fehlender Parallelen sowie hinsichtlich der Paläographie ausgeschlossen werden. Die beiden anderen Varianten sind paläographisch durchaus vertretbar, bieten allerdings entweder eine ziemlich ungewöhnliche Schreibung oder einen Fehler. Die Lesung rnp.t=st hingegen ist durch eine Parallele im Papyrus Berlin 15779 inhaltlich abgesichert. Zu lesen wäre dann: t (X1) über dem Semogrammstrich (Z1) für die erste Gruppe, gefolgt von s geschrieben mit dem Tuch (S29), das hier mit zwei Strichen geschrieben wurde, von dem der kürzere eher waagerecht als senkrecht angesetzt wurde. Eine identische Schreibung für s findet sich in Zeile 25. Der Kringel für die Sonnenscheibe (N5) ist nach oben nicht ganz geschlossen und beginnt dort mit einem kleinen Haken. Dies kann durchaus als Ligatur von t (X1) und der Sonnenscheibe (N5) aufgefasst werden, wie vergleichbare Graphien in den Oracular Amuletic Decrees (L3, B 14; L6, rto 53) zeigen, was die Lesung auch paläographisch absichert.
7 ḏi̯.t [ḥr]=f: Ergänzung nach Bohleke, in: JEA 83, 1997, 165 [p], mit Verweis auf pParis Louvre E 8083 (P2), vso x+1–2 (s. Edwards, HPBM 4, 83 [35]), s. rḏi̯ (ḥr) „Aufmerksamtkeit geben, achtsam sein“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/500409, 20.08.24).
8 [w]jꜣ: Vgl. pParis Louvre E 8083 (P2), vso x+19–20, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 81 [51], Bohleke, in: JEA 83, 1997, 165 [s].
9 mmj-qd{nw}: Zur Schreibung mit zusätzlichem m (G17) vor mj (W19), s. ENG, 309–310 [§ 621].
10 [⸮m-mn.t?]: Vgl. pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+55–56 und pTurin Cat. 1985 (T3), vso 1–3, s. Bohleke, in JEA 83, 1997, 165 [t].
11 m-bꜣḥ: Hier in adverbialem Gebrauch mit dem Götterklassifikator (G7) zur Angabe göttlicher Präsenz, vgl. pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+56.
12 Diese Klausel, die am Ende mancher Oracular Amuletic Decrees in mehr oder weniger ausführlicher Form notiert worden ist, weist darauf hin, dass vermutlich zusätzlich zu dem Amulett-Dekret des Schützlings, das dieser um den Hals trägt, ein Duplikat existiert hat, das im Tempel aufbewahrt wurde, s. Römer, Götterherrschaft, 269 [§ 293].
