Oracular Amuletic Decree Ph (Papyrus Philadelphia, Penn Museum E16724)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
OAD Ph
Aufbewahrungsort
Nordamerika » U.S.A. » (Städte L-P) » Philadelphia (PA) » Penn Museum, University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology

Inventarnummer: E16724

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Die Papyrusfragmente wurden vermutlich im Jahr 1900 zusammen mit verschiedenen hieratischen und demotischen Fragmenten von Wilhelm Max Müller, einem deutschen Ägyptologen, der 1888 in die USA ausgewandert ist, für das Museum der Pennsylvania-Universität in Luxor angekauft (Abercrombie 1978, 33; Abercrombie 1980, 2). Die präzise Zuweisung einzelner Texte zu diesen frühen Ankäufen wird dadurch erschwert, dass im Zuge einer Katalogisierung der Sammlung durch Battiscombe Gunn im Jahr 1932 von Müller angebrachte Vermerke und Nummern nicht übertragen wurden; auch wurden die ersten Ankäufe durch Müller versehentlich so katalogisiert, als wären sie zu einem späteren Zeitpunkt getätigt worden (Abercrombie 1980, 3). Müller vermutete, dass das gesamte Material aus der Nekropole von Gebelein stammen könnte (Abercrombie 1980, 2). Und zumindest für einen der demotischen Texte ist die Herkunft aus Gebelein gesichert: Es handelt sich um einen Vertrag aus der späten ptolemäischen Zeit (Cheshire 1977, 51–54), dessen Verfasser gut bekannt ist (Pestman 1965, 47–105). Auf welche Angaben sich Müllers Zuweisung stützte, ist leider nicht bekannt. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass in diesem Konvolut Texte unterschiedlicher Herkunft von dem Händler in Luxor zusammengestellt wurden. Insofern spricht dies nicht grundsätzlich gegen eine Herkunft des hier bearbeiteten Textes aus der thebanischen Region.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960, xiii) geht bei den Oracular Amuletic Decrees generell von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den in den Texten genannten Göttern festmacht. Der orakelgebende Gott in diesem Text ist schwer zu identifizieren, vermutlich ist Chons-Thot zu lesen. Edwards (1960a, 111) liest Month-[Re?]-Thot, doch eine Kombination von Month-Re und Thot erscheint zum Einen ungewöhnlich und zum Anderen auch inhaltlich unpassend. Die Spuren am Anfang des Namens lassen sich allerdings gut mit einer Lesung „Chons“ verbinden und so liegen wir mit der hier vermutlich anzusetzenden Gottheit „Chons-Thot“ ebenfalls im thebanischen Bereich.

Der Name der Amulettbesitzerin ist nicht erhalten, so dass sich hieraus keine weiteren Erkenntnisse gewinnen lassen.

Wie bereits in der Erwerbungsgeschichte zusammengefasst, wurde das Konvolut mit dem der hier bearbeitete Text angekauft wurde, vom Ankäufer, Wilhelm Max Müller, nach Gebelein verortet. Bisher ist allerdings nur für einen demotischen Vertrag aus der spätptolemäischen Zeit diese Herkunftsangabe bestätigt worden (Cheshire 1977, 51–54). Weitere Texte aus dem Konvolut wurden bisher nicht publiziert. Das Konvolut wurde von einem Händler in Luxor angekauft. Es ist also zumindest nicht auszuschließen, dass der Händler möglicherweise Texte aus verschiedenen Quellen zusammengestellt haben könnte. Diese Angaben sprechen somit nicht grundsätzlich gegen eine Herkunft aus dem thebanischen Raum.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten jedoch nicht miteingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Der orakelgebende Gott, bei dem es sich entgegen der Ansicht von Edwards (1960a, 111), der Month-[Re?]-Thot liest, vermutlich um Chons-Thot handeln dürfte, verspricht der Besitzerin des Amuletts, deren Name nicht erhalten ist, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau/Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet wird. Im Text L1 (pBM EA 10083) ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960a, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der Text L1 niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Text ist nicht vollständig. Erhalten haben sich lediglich vier nicht direkt zusammengehörende Fragmente, von denen nur eins, das vermutlich den Anfang darstellt, da es die Vorstellung des orakelgebenden Gottes enthält, mit einiger Sicherheit platziert werden kann. Der Papyrusstreifen ist 5 cm breit, die Fragmente sind unterschiedlich groß: Fragment A ist 8,5 cm lang, Fragment B 5,5 cm, Fragment C 1 cm und Fragment D 12 cm lang. Der Text ist bis auf die ersten 3 Zeilen von Fragment A gut lesbar. Der Papyrus ist nur auf einer Seite beschrieben. Es handelt sich um die Seite, auf der die vertikalen Fasern oben liegen (Recto, transversa carta).

Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück, auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (an dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem gut lesbaren Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (HPBM 4), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus Philadelphia, Penn E16724. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle Ph aufgenommen (1960a, 111–112; 1960b, pl. XLIV).

Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 111–112.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. XLIV.

Literatur zu den Metadaten

- Abercrombie 1978: J. R. Abercrombie, Egyptian Papyri. The University Museum’s Collection of Papyri and Related Materials, in: Expedition, the bulletin of the University Museum of the University of Pennsylvania, 20.2, 32–37.

- Abercrombie 1980: J. R. Abercrombie, A History of the Acquisition of Papyri and Related Written Material in the University (of Pennsylvania) Museum (Philadelphia 1980).

- Adderly 2015: N. J. Adderly, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014).

- Bourriau - Ray 1975: J. D. Bourriau - J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61, 1975, 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939), xvii–xx.

- Cheshire 1977: W. Cheshire, A New Demotic Loan from Gebelein, in: Enchoria 7, 1977, 51–54.

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46, 2017, 55–100.

- Guentch-Ogloueff 1940: M. Guentch-Ogloueff, Noms propres imprécatoires, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 40, 1940, 117–133.

- Jacquet-Gordon 1960: H. H. Jacquet-Gordon, The Inscription on the Philadelphia-Cairo Statue of Osorkon II, in: JEA 46, 1960, 12–23.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20, 1963, 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étudte 81 (Caire 1979), 167–183, Taf 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9, 1987, 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118, 2018, 233–239.

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman - R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Pestman 1965: P. W. Les archives privées de Pathyris à l’époque ptolémaïque. La famille de Pétéharsemtheus, fils de Paneobkhounis, in E. Boswinkel, P. W. Pestman and P. J. Sijpesteijn (Hrsg.), Studia Papyrologica Varia, Papyrologica Lugdunum-Batava 14, Leiden 1965, 47–105.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99, 2013, 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree Ph (pPhiladelphia Penn E 16724)

Fragment A

[rto 1] ⸢(In göttlicher Weise) gesprochen hat ⸢Ch⸣ons-⸢Thot⸣,1 der große Gott, der Älteste, ⸢der zuerst entstanden ist (?):2

[Ich] werde [... Name der Besitzerin (?) ...]3 [an] ihrem Fleisch ⸢gesund erhalten⸣.

Ich werde [rto 5] ⸢ih⸣re Träume gut ⸢machen⸣ (wörtl. 〈zu〉 etwas Gutem ⸢machen⸣). Ich werde die (Träume), die ein anderer für sie sehen wird [gut] machen (wörtl. [zu etwas Gutem] machen). 

Fragment B

[Ich werde sie schützen vor] [rto 1] einem Frevler (und) einer Frevlerin.

Ich werde sie schützen vor einem Gott, der angreift, vor einem Messerdämon (und) vor einem Wanderdämon. Ich werde [rto 5] sie retten vor4 den Göttern (des Buches) „Das was im Jahr ist“.5 Ich werde [...].

Fragment C

[...] [rto 1] [...]. Ich werde sie bewahren [...].

Fragment D

[Ich werde sie bewahren vor den] [rto 1] Göttern des nördlichen Ackerlands. Ich werde sie bewahren vor der Meerkatze des Platzes von diesem Hügel bzw. des Platzes „Der des Hügels“.

Ich werde [rto 5] sie vor der Linsenkrankheit aus Kusch bewahren.

Ich werde sie vor einer (Gift-)Schlange schützen, vor einem Skorpion, vor einem Krokodil und vor jedem Maul, [rto 10] das beißt. Ich werde sie vor Aussatz/Lepra, vor Augenleiden/Blindheit (und) ⸢vor dem Wirken des Udjat-Auges⸣ bewahren. [...].

1 ⸢Ḫn⸣s.w-⸢Ḏḥw.tj⸣: Die ersten Zeilen sind sehr schlecht erhalten. Edwards (HPBM 4. Bd. 2, pl. XLIV) liest die Zeichenreste zu Beginn des Götternamens „Month“ und am Ende „Thot“, doch in der Mitte ist die obere Schicht des Papyrus abgeplatzt, so dass dieser Bereich unlesbar ist. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 111 [1]) schlägt eine Ergänzung zu Month-Re-Thot vor. Dieser Gott ist allerdings sonst unbekannt und eine Kombination von Month-Re und Thot erscheint nicht nur ungewöhnlich, sondern auch unpassend. Es wäre also zu überlegen, ob die Zeichenreste in Zeile A1 anders gedeutet werden könnten. Fest steht, dass es sich um einen Götternamen handeln muss, da in den Oracular Amuletic Decrees jeder Gott einzeln durch ḏd zu Beginn des Textes eingeführt wird. Zudem folgt am Ende der Zeile gut erkennbar pꜣ nṯr, was in dieser Hinsicht auch gut passend ist. In den OAD ist Month-Re-Harachte belegt, sowie auch Month-Re, der Herr von Theben. Die Zeichenspuren am Ende des Namens sind allerdings so distinkt, dass sie nicht mit einer Lesung für Ḥr.w-ꜣḫ.tj oder nb Wꜣs.t in Einklang zu bringen sind. Die Spuren sind eindeutig nur mit einer Schreibung Ḏḥw.tj zu verbinden. Anders verhält es sich allerdings mit dem Beginn des Götternamens. Von der ersten Gruppe ist nur der untere Teil erhalten. Das n ist deutlich, aber von dem oberen Zeichen ist lediglich ein etwas geschwungener Strich erhalten, den man gleichermaßen plausibel zu mn (Y5), aber auch zu (Aa1) rekonstruieren kann. Auch in den folgenden Zeichen kann man gut die Binse (M22) sowie eine w-Schlaufe (Z7) erkennen und somit mit einer Schreibung von Ḫns.w verbinden. Den Götterklassifikator (G7) würde ich in der Lücke verorten. Wenn man insgesamt für diese Stelle eine eher großzügige Zeichensetzung annimmt, so dass der nicht erhaltene Vogel in der Schreibung von Thot auch noch ein wenig in die Lücke ragt, so wäre damit der zur Verfügung stehende Raum ausgefüllt und man würde den Gott als Ḫns.w-Ḏḥw.tj „Chons-Thot“ ergänzen, der im Versprechen zum Schutz vor dem Buch von Leben und Tod im Papyrus pParis Louvre E25354 (P3), rto x+88–94 belegt ist.

2 šꜣꜥ-ḫpr: Das Epitheton šꜣꜥ-ḫpr kommt regelmäßig in den Oracular Amuletic Decrees vor und die wenigen erhaltenen Spuren passen zu dieser Lesung, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 111 [2].

3 Kommentar: Zeile A3: Die dritte Zeile ist durch einen Bruch kaum lesbar. Am Anfang der Zeile ist leidlich gut snb zu lesen, was zu pꜣy=st jw[f] in der folgenden Zeile passt. Die Versprechen zur Gesunderhaltung von Fleisch und Skelett finden sich zumeist am Anfang des Textes direkt nach der Einführung des Amulettbesitzers. Hier folgt dieses Versprechen direkt nach der Einführung des Gottes bzw. der Göttergruppe, was ungewöhnlich ist. Der zur Verfügung stehende Platz ist für die Standardversion des Versprechens zu lang, so dass davon auszugehen ist, dass hier das erste Versprechen und die Vorstellung der Orakelbesitzerin zusammengefasst worden sind. Man erwartet also den Namen der Dame, wobei sich allerdings kein Raum für zusätzliche Filiationsangaben findet. Die erhaltenen Spuren sind so unspezifisch, dass kein Name rekonstruiert werden kann, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 111 [3].

4 m-ḏi̯: An dieser Stelle ist m-ḏi̯ „bei, mit, fort von“ (Wb 2, 176.14-177.19) anstelle von m-ḏr.t „in/aus der Hand von, durch“ (Wb 5, 583.2-8) geschrieben.

5
 ⸢⸮Jm.jt?⸣-⸢rnp.t⸣: Rekonstruktion nach Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 111 [9]. Anders als er sehe ich aber keinen Platz für den Artikel tꜣ.