nṯr thꜣ „der Gott, der angreift“
In den Oracular Amuletic Decrees spielt der Schutz vor Göttern, die gegenüber Menschen aggressiv und gefährlich agieren, eine große Rolle. In diesem Zusammenhang gibt es einen Komplex von Sprüchen, in denen dem Besitzer/der Besitzerin des Amuletts Schutz vor einem angreifenden Gott (nṯr thi̯) versprochen wird. Das Verb thi̯, das in diesen Sprüchen benutzt wird, bietet mit „übertreten, freveln, schädigen, irreführen, angreifen“ (Wb 5, 319.3–320.23; WCN 172920) ein breites Bedeutungsspektrum in Bezug auf schädliches Handeln, dem eine Überschreitung sozialer, moralischer bzw. ethischer Grenzen zugrunde liegt, s. David, in: ZÄS 134, 2007, 7–8. Insgesamt sieben Texte (pLondon BM EA 10251 (L2), Rto. 17–18; pLondon BM EA 10321 (L5), Rto x+11/OAD, vs. 11; pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 50; pTurin Cat. 1983 (T1), Vso. 9; pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 78; pNew York MMA 10.53 (NY), Rto. 30 und pChicago OIM E25622A-D (Ch), x+24) überliefern ein Versprechen, in dem ein Gott bzw. „ein jeder Gott“, der angreift genannt ist. Generell ist dieser Ausdruck mit thi̯ als Partizip formuliert (L6, T1 und T2). In einem Fall (L2) findet sich ebenfalls die Formulierung durch einen Relativsatz (n.tj (ḥr) thi̯), da in diesem Fall das Bezugswort zu „ein jeder Gott und eine jede Göttin“ erweitert wurde und somit die Formulierung mit einem Partizip nicht möglich war. Drei weitere Texte schreiben nṯr nb n thi̯, wobei zu überlegen ist, welche der beiden Varianten hier anzusetzen ist ({n} oder n〈.tj〉). Hatten die Schreiber womöglich hier die Formulierung mit einem Relativsatz im Kopf, aber fehlerhaft auf n verkürzt, was lautlich durch den t-Anlaut des folgenden Verbums auslöst worden sein könnte? Dies wäre eine mögliche Erklärung, doch der Kontext zeigt, dass die Schreiber tatsächlich die geläufigere Variante mit thi̯ als Partizip im Sinn hatten. In allen drei Texten ist der angreifende Gott nur ein Bestandteil einer langen Aufzählung unterschiedlichster Bedrohungen in dem betreffenden Versprechen. Die Zeichenkombination von nb (V30) über n (N35), wobei n hier den indirekten Genitiv bezeichnet, kommt entsprechend häufig in diesem Versprechen vor (acht Mal in NY, sechs Mal in L5 sowie drei Mal in Ch), so dass die falsche Schreibung in diesem Versprechen eindeutig als Verschreibung auf graphischer Ebene zu erklären ist. Das n ist somit zu tilgen.
Dr. Anke Ilona Blöbaum