Oracular Amuletic Decree P3 (Papyrus Paris Louvre E 25354)
Übersetzung und Kommentar
Oracular Amuletic Decree P3 (Papyrus Paris Louvre E 25354)
Recto
[(In göttlicher Weise) gesprochen haben Min-Horus (und) Mut, die Herrin von Koptos] rto. x+1[die großen Götter, die Ältesten], die ⸢zuerst⸣ entstanden sind:1 ⸢Wir⸣ werden [Ta]⸢di⸣aset,2 deren Mutter Tinetjun⸢i⸣[t]3 (ist), (und) [die man] Tascheripenimennesuttaui [nennt], rto. x+5beschützen, [uns]ere Dienerin, unse[ren] Zö[gling]. ⸢Wir werden sie gesund⸣ erhalten an ihr[em Fleisch (und) an] [ihr]em Skelett. Wir werden sie behüten. Wir werden sie beschützen. Wir werden aktiv zwischen ihr und jeglicher Krankheit stehen (wörtl. handeln). Wir rto. x+10werden ihren Mund öffnen, um zu ess⸢en⸣ [und zu] [tr]⸢inken⸣. [Wir] werden [sie essen lassen], ⸢um⸣ zu leben. Wir werden [sie trinken] lassen, um gesund zu bleiben. Wir werden ⸢für sie⸣ [ih]re ⸢Träume⸣ gut ⸢machen⸣ (wörtl.: 〈zu〉 etwas Gutem machen). Wir werden rto. x+15die [...] gut machen (wörtl.: 〈zu〉 etwas Gutem machen), [...]4 [...] oder eine andere (Frau). Wir werden sie (die Träume) für sie (die Amulettbesitzerin) gut machen (wörtl.: zu etwas Gutem machen). [Wir] [werden sie vor der bꜣ.w-Macht von Amun], ⸢Mut⸣, Chons, Min-Horus (und) [Isis, der Herrin] ⸢von Koptos⸣ [bewahren].5 rto. x+20Wir werden ⸢sie⸣ (die Götter) [zufrieden sein] lassen für sie. Wir werden [sie] sicher sein 〈lassen〉 in der Hand ⸢ihr⸣er (der Götter) ⸢Anklagen/Verleumdungen⸣ (?)6 (und) [ihrer (?)] [Ver]brechen. Wir werden sie vor Lepra/Aussatz, Augenleiden/Blindheit (und) [vor] dem rto. x+25Wirken des Udjat-Auges bewahren. Wir werden sie 〈vor〉 dem ⸢He⸣[ra]bstürzen einer Mauer bewahren (und) [vor] der ⸢Verwüstung⸣ (wörtl. ⸢Zerstampfen, Zerstören⸣) eines Gewittersturms. Wir werden sie retten aus der Hand7 der Meerkatze der Stätte des Sanktuars (?) (und) rto. x+30des Pavians der Stätte des Udjat-Auges. Wir werden sie aus der Hand der Sachmet und ihres Sohns retten. Wir werden sie retten aus der Hand des Falken von ⸢Nech⸣en (Hierakonpolis)8 (und) [der] ⸢Nubier⸣[in] rto. x+35von Necheb (Elkab).9 Wir werden sie aus der Hand des Wilden Löwen der Bastet retten, der von Blut10 lebt. Wir werden sie aus der Hand der Götter retten, die Menschen in der Stadt finden und rto. x+40sie auf den Feldern töten. Wir werden sie aus der Hand der Götter retten, die einen Menschen [auf] ⸢Feldern⸣ finden und ihn in der Stadt töten. rto. x+45Wir werden sie aus der Hand der Götter der Jahres-Dekade retten. ⸢Wir werden⸣ sie ⸢aus⸣ der Hand der Götter des (Buches) „Das was im Jahr ist“ retten. [Wir werden sie] ⸢aus⸣ der Hand ⸢der Götter⸣ [retten], rto. x+50die Menschen 〈in〉 einem Atemzug schnappen (wörtl. 〈beim〉 Atmen).11 Wir werden sie aus der Hand der Götter retten, die Menschen [als Beute] schnappen. Wir werden sie aus der [Hand] der 〈Götter〉 retten, die Menschen auf der Flucht ⸢schnappen⸣. rto. x+55Wir werden sie aus der ⸢Hand⸣ der Götter retten, die Menschen schnappen, obwohl es weder ihr Schicksal noch ihre (glückliche) Bestimmung ist.12 [Wir] werden sie retten aus der Hand der Götter, rto. x+60die Menschen 〈als〉 Ersatz ausliefern (gemeint ist als Ersatz für jemand anderen). Wir werden für sie einen anderen 〈als〉 [Er]satz stellen, ohne dass wir sie als Ersatz für einen anderen ausliefern werden. [Wir] werden sie aus der Hand der Götter vom südlichen {südlichen} Ackerland retten (und) aus der Hand rto. x+65der Götter vom nördlichen Ackerland. Wir werden sie aus der Hand der Götter des westlichen Uferdamms retten, (und) aus der Hand derjenigen (Götter) des östlichen Uferdamms. Wir werden ihren [Bauch] rto. x+70〈mit〉 (männlichen) Kindern (und) weiblichen Kindern füllen.13 ⸢Wir⸣ werden veranlassen, dass ⸢sie⸣ ge⸢sund⸣ bleibt.14 Wir werden veranlassen, dass sie gesund bleibt. Wir werden veranlassen, dass die (Kinder), die sie gebären wird, leben. Wir werden veranlassen, dass sie mit einer guten Geburt rto. x+75entbindet.15 Wir werden veranlassen, dass sie entsprechend einer Geburt des Amun entbindet.16 Wir werden [sie] vor Tod bewahren, vor Krankheit, vor Anklage/Verleumdung (?) (und) vor Verbrechen. W⸢ir⸣ werden 〈sie〉 vor der Ein-Tages-Krankheit bewahren, [vor] der 〈Zwei-Tages〉-Krankheit, 〈vor〉 der rto. x+80der Drei-Tages-Krankheit, vor der Vier-Tages-Krankheit, vor der Fünf-Tages-Krankheit (und) vor der Krankheit der Dekanstern(gött)e(r). Wir werden [s]ie bewachen am Mittag. Wir werden über sie wachen bei Nacht. Wir werden sie halten zu jeder rto. x+85Zeit. Wir werden sie 〈vor〉 einem Krokodil beschützen, vor einer Schlange, vor Skorpionen (und) vor ⸢jedem⸣ Maul, das ⸢b⸣eißt. Wir werden sie retten aus der Hand von Chons-Thot, dem ewig jugendlichen, (und) Chons-Thot, dem Pläneschmieder, rto. x+90diesen 〈beiden〉 Paviane, die zur Rechten (und) Linken von Chons sitzen, wobei sie Atem gewähren und Atem nehmen, um die Nase zu beleben, rto. x+95(und) ein Buch herausbringen.17 Wir werden sie aus dem Einfluss der Bücher vom Anfang des Jahres und der Bücher vom Ende des Jahres retten. Wir werden sie vor jeder Aktion eines Messerdämons (und) vor jeder Aktion eines Wanderdämons rto. x+100bewahren. Wir werden sie vor ((jedem)) Ach-Geist (und) jedem weiblichen Ach-Geist bewahren. Wir werden sie bewahren vor jeder Aktion eines wr.t-Geistes (und) vor jedem Herannahen eines wr.t-Geistes [...]
1 Ergänzung nach Vso. x+16, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 85 [1].
2 [Tj-n.t]-⸢ḏi̯⸣-Ꜣs.t: Lesung nach Zeile Verso x+21–22, s. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 85). Es muss sich eigentlich um einen Namen der Bildungsform tꜣ-ḏi̯(.t)-GN handeln, in diesem Fall Tꜣ-ḏi̯-Ꜣs.t (RPN I, 372.13). Im Vergleich mit dem Namen der Mutter ist allerdings in der Zeile Verso x+21 auf keinen Fall tꜣ, sondern vielmehr tj-n.t zu lesen. Es wird sich hierbei sicherlich um eine graphische Variante des Namens Tꜣ-ḏi̯-Ꜣs.t handeln, da die beiden Bildungselemente tꜣ und tj-n.t in dieser Zeit lautlich sehr nah bei einander gelegen haben dürften. Ähnliches ist auch für die Namen Tꜣ-n.t-ḏi̯-Jmn.t (WCN 708633: RPN I, 372.21) und Tꜣ-n.t-ḏi̯-Ḫns.w (WCN 708672: RPN I, 374.11; Daressy, in: ASAE 8, 1907, 4) belegt.
3 Tj-n.t-⸮Jwn⸢y⸣[.t]?: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 85) liest den dritten Namensbestandteil ḥny, erkennt also in dem Zeichen vor dem Schilfblatt den Behälter V36. Ein entsprechender Name ist nicht belegt, und es ist auch fraglich, wie man den Teil des Namens auflösen sollte. Ich möchte in dem Zeichen eher den Pfeiler O28 erkennen und lese den Namen dann Tj-n.t-Jwny.t „Die der (Hathor) von Dendara“, s. RPN I, 357.25. Das Ende des Namens ist weder in der Zeile Rto. x+4 noch in Vso. x+22 erhalten und die Form des Zeichens ist paläographisch auch gut mit dem Pfeiler O28 (vgl. Verhoeven, Buchschrift, 168–169) in Verbindung zu bringen.
4 Textverlust: Inhaltlich ist hier – wie auch bereits Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 85 [7–8]) erwähnt – ein weiteres Versprechen zu den Träumen in folgender Art zu rekonstruieren: „Wir werden die Träume, die jemand anderer oder eine andere für sie sieht, gut machen“, vgl. z.B. pTurin Cat. 1985 (T3), Rto. 18–21.
5 Ergänzung: Vgl. pTurin Cat. 1983 (T1), Rto. 62–64.
6 ⸢nꜣ⸣y=w ⸢⸮ḫnw?⸣: Vgl. pLondon BM EA 10587, Vso. 87. In den Oracular Amuletic Decrees ist der Begriff btꜣ „Verbrechen“ (Wb 1, 483–484.11; Lesko, Dictionary I, 166) regelmäßig mit vorausgehendem ḫnw „Anklage/Verleumdung (?)“ (Wb 3, 288.19–20) verbunden.
7 m-ḏr.t: Ungewöhnliche Schreibung für die Präposition m-ḏr.t „in/aus der Hand von, durch“ (Wb 5, 583.2–8; TLA-Lemma 600072), die gelegentlich belegt ist, vgl. pBM EA 10474, Rto. 12.1.
8 [N]ḫn{m.t}: Die Schreibung für den Ortsnamen „Nechen = Hierakonpolis“ (Wb 2, 310.8–12), der aufgrund der Parallele dieses Versprechens im pTurin Cat. 1985 (T3), Rto. 48–50 zu erwarten ist, ist ungewöhnlich. Edwards (HPBM 4, Bd.1, 86 [18]) geht von einer Schreibung ḫnm.t aus. Der Schreiber fügt dem Ortsnamen Nḫn die Gruppe m.t sowie das halbe Gesicht (D19) hinzu, so dass offenbar wird, dass der Schreiber den Wortlaut ḫnm im Kopf hatte. Zudem fügt er den Hausgrundriss als Klassifikator hinzu, was darauf hindeutet, dass ihm möglicherweise Nḫn als Toponym nicht geläufig war. Welche Örtlichkeit er stattdessen gemeint haben könnte, ist nicht klar. Die Schreibung als solche ist aber anhand der erhaltenen Zeichenspuren gut nachzuvollziehen. Ich würde lediglich an der Lesung der ersten Gruppe des Ortsnamens eine kleine Änderung vorschlagen. Edwards (ebd. u. Bd. 2, pl. XXXIIA) transkribiert ḫn (Aa1 über Wasserlinie N35), doch ist über der nächsten Gruppe m.t noch der Rest eines horizontalen Strichs erkennbar, der für die erste Gruppe die Lesung nḫn (Wasserlinie N35 über Aa1 über Wasserlinie N35) nahelegt.
Allerdings ergibt sich so eine Lücke zwischen dem gut erkennbaren Falken zu Beginn von Zeile x+34 und dieser ersten Gruppe des Ortsnamens. Nach dem Falken ist zunächst der Götterklassifikator G7 zu rekonstruieren, der sehr gut zu den erhaltenen Spuren passt. Darauf folgt noch eine Gruppe, von der winzige Reste am unteren Rand der Lücke erhalten sind. Die Spuren kann ich nicht zufriedenstellend zuordnen. Sie passen nicht zu einer Lesung von n für einen Genitiv und auch nicht zu einem weiteren Götterklassifikator G7, was Edwards (ebd.) vermutet.
9 {Rsj}Nḫb{t}: Vgl. die Schreibung der Göttin Nechbet in pLondon BM EA 10083 (L1), Vso. x+49, sowie die Schreibung des Ortsnamens in pTurin Cat. 1985 (T3), Rto. 50, wobei im vorliegenden Versprechen die vollständige Schreibung mit der Binse M22 nach der Gruppe rsj folgt, was im parallelen Versprechen in T3 nicht der Fall ist.
10 snf: Es ist das Blut der Rechit-Menschen gemeint, s. z.B. pTurin Cat. 1984 (T1), Rto. 58, Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 27 [1].
11 〈n〉 tpj: Vgl. pTurin Cat. 1983 (T1), Rto. 82–83.
12 Zur Paarbildung von šꜣy und rnn.t s. Quaegebeur, Le dieu Shaï, 51–52.
13 mḥ ⸢⸮ẖ.t?⸣=st: Die Parallele in pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 112–113 gibt diese Formulierung vor. Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. XXXIIIA) transkribiert entsprechend, doch sind die hieratischen Zeichen etwas problematisch. Ein Teil der beiden Gruppen ist nicht erhalten und der Strich an dieser Stelle ist sehr dick, so dass die Linienführung verunklart wird. Man muss davon ausgehen, dass die Gruppen mḥ (V23 über Y1) und ẖ.t (F32 über X1 und Z1) ineinander geschrieben und Reste von beiden Gruppen am linken Rand des Papyrus zu sehen sind. Anderenfalls wäre für die zweite Gruppe kein Platz zur Verfügung. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, dass zu Beginn von Zeile x+71 noch sehr schwach ein Fleischstück (F51) über einem Füllpunkt zu erkennen ist.
14 Kommentar: Auf dieses Versprechen folgt direkt das gleiche Versprechen noch einmal. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der Schreiber den Text unkonzentriert abgeschrieben bzw. zusammengestellt hat.
15 Hier ist zweifelsohne eine problemlose Geburt gemeint. Beispiele für Risikogeburten, vor denen die Orakelbesitzerin bewahrt werden soll, finden sich im pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 113–115: jw=n (r) šdi̯ =st r msw(.t) Ḥr.w r msw(.t) ḏꜣ.t r msw(.t) ḥtrj „Wir werden sie schützen vor einer Horus-Geburt (= Frühgeburt?), vor einer Fehl/Risikogeburt (?) (und) vor einer Zwillingsgeburt.“
16 ms(w.t) Jmn: Ebenso wie das vorausgehende Versprechen bezieht sich auch dieser Spruch offenbar auf eine problemlose Geburt. Beispiele für Risikogeburten, vor denen die Orakelbesitzerin bewahrt werden soll, finden sich im pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 113–115: jw=n (r) šdi̯ =st r msw(.t) Ḥr.w r msw(.t) ḏꜣ.t r msw(.t) ḥtrj „Wir werden sie schützen vor einer Horus-Geburt (= Frühgeburt?), vor einer Fehl/Risikogeburt (?) (und) vor einer Zwillingsgeburt.“ In diesem Versprechen soll die Amulettbesitzerin u.a. vor einer Horus-Geburt bewahrt werden. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 66 [67]) geht davon aus, dass es sich um die Geburt einer Halbwaise handeln dürfte, bei der der Vater (wie Osiris) zum Zeitpunkt der Geburt bereits verstorben war (vgl. Faulkner, in: JEA 54, 1968, 40–44; Griffith, in: JEA 56, 1970, 194–195; Guiter, in: BIFAO 101, 2001, 235; Donnat, in: RdE 63, 2012, 93; Arnette, in BIFAO 117, 2017, 47). Die im hier vorliegenden Papyrus bezeugte „Geburt des Amun“ bzw. „Amun-Geburt“ msw(.t) Jmn bewertet er als der Horus-Geburt entgegenstehende positive Situation, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 86; vgl. Donnat, in: RdE 63, 2012, 93.
Da sich der Verlust des Vaters eher negativ auf die Kindheit bzw. die Versorgung des Kindes auswirken dürfte und nicht auf den Geburtsvorgang als solchen, gehen einige Forscher davon aus, dass mit diesem Beleg eventuell auf eine späte oder aber wahrscheinlicher auf eine Frühgeburt (des Horus) hingewiesen sein könnte (s. Forgeau, Horus-fils-d’Isis, 347–348; Donnat, in: RdE 36, 2012, 93–94, zu Frühgeburt allgemein, 90–93; Arnette, Regressus ad uterum, 103–104). Eine Beschreibung des Horus als Frühgeborener kennen wir aus der Überlieferung von Plutarch (Isis und Osiris, 19, 358D, s. Arnette, Regressus ad uterum, 104), doch gibt es nur wenige und nicht sehr eindeutige Hinweise, um diesen Teil des Mythos in der altägyptischen Tradition zu verorten, wie beispielsweise im Papyrus Boulaq 6 (rto. III, 1–8: Koenig, Papyrus Boulaq 6, 34–39; Forgeau, Horus-fils-d’Isis, 347; Arnette, Regressus ad uterum, 103) und im Papyrus Turin Cat. 1984 (T2), Rto. 114, vgl. Forgeau, Horus-fils-d’Isis, 347–348; Donnat, in: RdE 63, 2012, 93–94; Arnette, Regressus ad uterum, 104). Ohne weiterführende Hinweise ist es schwierig, im Begriff „Horus-Geburt“ einen terminus technicus für eine Frühgeburt zu erkennen. Es kann aus der vorliegenden Textstelle lediglich erschlossen werden, dass eine so bezeichnete Geburt als Risiko für Mutter und Kind eingeschätzt wurde, ohne jedoch die Ursachen für dieses Risiko sicher bestimmen zu können. Dementsprechend kann für eine Geburt des Amun bzw. Amun-Geburt nur geschlossen werden, dass es sich um eine normale, komplikationslose Geburt handeln muss, die zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Welches Kriterium nun eine Amun-Geburt von einer guten Geburt unterscheidet, entzieht sich unserer Kenntnis.
17 jw=w (ḥr) ḏi̯.t pri̯ mḏꜣ.t: Gemeint ist das Buch von Tod und Leben bzw. vom Töten und Beleben, vgl. beispielsweise pTurin Cat. 1983 (T1), Vso. 57, s. auch Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 38 [41]). Der Text T1 überliefert den Titel des Buches mit den verbalen Ausdrücken ẖdb und sꜥnḫ, während die anderen Versionen entweder Nominalformen (mwt und ꜥnḫ) verwenden (pLondon BM EA 10083 (L1) Vso. x+5–6) oder die entsprechende Stelle nicht vollständig erhalten ist (pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. 67 und pBerlin ÄMP 10462 (B), Rto. 58–59). Zu einem möglichen ramessidischen Beleg dieses Buchs s. Fischer-Elfert, in: GS Hannig, 61–62.
Zur religionsgeschichtlichen Einordnung von schicksalsbestimmenden Büchern im Alten Ägypten s. Brunner, in ZÄS 115, 1988, 14–19.
Verso
[...] vso. x+1[...] ⸢Wir⸣ werden sie [vor] jedem bösen Blick bewahren (und) [vor] jedem bösen [(Sicht-)Omen]. ⸢Wir⸣ werden sie ⸢bewahren⸣ vor (Schadens-)Zauber eines Syrers, vso. x+5[vor] (Schadens-)Zauber eines Kuschiten, vor (Schadens-)Zauber eines Nubiers, vor (Schadens-)Zauber eines Pyd-Libyers, vor (Schadens-)Zauber eines Menschen aus Ägypten (und) vor (Schadens-)Zauber eines Arztes. Wir werden sie gesund erhalten. vso. x+10Wir werden ihren Kopf gesund erhalten. Wir werden ihre beiden (Unter-)Arme gesund erhalten. Wir werden ihre beiden Füße/Beine gesund erhalten. Wir werden {seinen} 〈ihren〉 Rumpf gesund erhalten. Wir werden sie vso. x+15von ihrem Kopf bis zu ihren beiden Füßen/Fußsohlen1 gesund erhalten. [(In göttlicher Weise) haben] Min-Horus (und) Isis, die Herrin von Koptos, gesprochen, die großen Götter, die Ältesten, die zuerst entstanden sind: Was jedes Wort/Versprechen angeht, das auf dem vso. x+20Orakeldekret (notiert) ist, zusammen mit denen, die nicht notiert worden sind: wir werden sie 〈für〉 Tinetdiaset, die Tochter von Tinetjunit (?) 〈zu〉 etwas Gutem machen. Ihr Atem soll lebendig, heil und gesund bleiben bei ihr.2
1 〈tj〉b.wj=st: In den Oracular Amuletic Decrees wird die Gruppe der Versprechen zum Körperschutz durch eine allgemeine Formel abgeschlossen, die den Schutz des gesamten Körpers (vom Kopf bis zu den Füßen) ausdrückt. Diese Formel ist in einer ausführlichen Version belegt, die den Großteil der Belege ausmacht (13 Belege in 10 Texten: pLondon BM EA 10083 (L1), Vso. x+10–13; pLondon BM EA 10308 (L3), B 63–65; pLondon BM EA 10321 (L5), Vso/OAD, rt. 28–30; pLondon BM EA 10587 (L6), Rto. x+46–48; pLondon BM EA 10730 (L7), x+60–61; pTurin Cat. 1983 (T1), Rto. 15–17 u. Vso. 106–107; pKairo CG 58035 (C1), 77–81; pNew York MMA 10.53 (NY), Rto. 19–21 u. Rto. 65–69; pChicago OIM E25622A-D (Ch), x+16–18 u. x+91–93 und pBerlin ÄMP 10462 (B1), Rto. 94–96) und in einer Kurzform, die in nur zwei Texten (pParis Louvre E25354 (P3), Vso. 14–15 und pHannover 1976.60c (Ha), x+15–16) bezeugt ist. Der hier vorliegende Text ist also einer von den beiden, in denen die Kurzform der Formel benutzt wird. Und er zeigt auch noch eine weitere Besonderheit. In beiden Versionen findet sich die Formulierung šꜣꜥ tp=st/f r ṯb.wj=st/f „von ihrem/seinem Kopf bis zu ihren/seinen Fußsohlen“. Der Berliner Papyrus (B1) verwendet ḏꜣḏꜣ anstelle von tp und im vorliegenden Papyrus findet sich mit 𓃀𓃀𓏹𓏯𓄹 eine außergewöhnliche Schreibung für die Fußsohlen (ṯb.wj). In Anbetracht der Tatsache, dass alle anderen Belege eine eindeutige Schreibung für ṯb.wj aufweisen, möchte ich hier weder bʾ.wj „Bein“ (Van der Molen, Dictionary of Coffin Texts, 112) noch rd.wj „Fuß/Bein“ (Wb 2, 461.1–462.15; vgl. hierzu auch die Schreibung in Zeile Vso. x+12) lesen, sondern annehmen, dass der Schreiber durch die Doppelsetzung des Beins (D58) vermutlich den tj-Stößel fehlerhaft ausgelassen hat. Er hat ja bereits an anderen Stellen im Text durch die Wiederholung ganzer Versprechen einen etwas unkonzentrierten Eindruck erweckt.
2 Dieses Versprechen ist nur in diesem Text belegt.
