Oracular Amuletic Decree P4 (Papyrus Paris BN 182)
Übersetzung und Kommentar
[rto 1] ⸢(In göttlicher Weise) hat Mut, die Große⸣, die Herrin von Ischer[u] ⸢gesprochen⸣; ⸢In göttlicher Weise) hat Chons von Theben, Neferhotep gesprochen⸣ [...] [...]; [...] [...] [rto 5] [unser] ⸢Dien⸣[er].
⸢Wir werden seine Träume⸣, [...] ⸢sieht⸣, [g]⸢ut machen⸣ (wörtl. zu etwas Gutem machen). Wir werden [seine] [Träume], die [...] sieht, [g]⸢ut⸣ [machen] (wörtl. zu etwas Gutem machen).
Wir werden seinen Mund öffnen, ⸢um⸣ [zu essen] (und) [um] zu trinken.1
Wir werden [...] [rto 10] [...] [...] [vor] den (?)-Dämonen/Leuten [...].2 [Wir] werden ⸢ihn bewahren⸣ vor der Wanderdämonen(schar/truppe) der Bastet. Wir werden ihn vor den Göttern retten, die [___] packen (?) (und) vor den Göttern, die (?) [...] [rto 15] [...]. ⸢Wir werden⸣ [ihn vor] den Göttern ⸢retten⸣, die Menschen ⸢in der Stadt4 schnappen⸣ [...], [vor] den Göttern von dem [...],5 vor den Göttern von dem [...], vor den Göttern von (?) dem (?) [rto 20] [...], vor dem (?) [...] (und) vor (?) dem (?) [...].
Wir werden 〈ihn〉 vor der Linsenkrankheit (aus) Libyen6 〈bewahren〉. ⸢Wir⸣ werden ihn unversehrt sein lassen7 bei Lepra, bei Blindheit/Augenverletzung (und) bei (dem Wirken von) dem Auge eines Toten während seiner ganzen Lebenszeit.
Wir werden ihn vor der Ba-Macht von A[mun], [rto 25] [Mut] (und) Chons ⸢bewahren⸣ während seiner gesamten ⸢Lebens⸣zeit.
Wir werden ihn bewahren vor einer Krankheit [....],8 vor einer Krankheit des Kopfes (?) (und) vor einer Krankheit der Brust (?). Wir werden ihn unversehrt sein lassen bei Taubheit (?) der beiden Ohren, bei (?) [...], bei Bitterkeit, [bei] [...], bei jedem (?) Leiden [rto 30] des [...]-Körperteils, ⸢bei⸣ (?) , bei einer Infektion (?)9 (und) bei [...] 〈an〉 seiner Zahnleiste (?).10
Wir werden [ihn] [vor] einem Krokodil, vor einer Schlange, vor einem Skorpion, [vor einem Gifttie]r (und) ⸢vor einem Maul⸣, das beißt, bewahren. Wir werden ihn vor jeder Aktion von allen (schlimmen) Genossen bewahren, in die er [rto 35] geraten (wörtl. fallen) könnte.
Wir werden veranlassen, dass jeder Gott und jede Göttin, zu denen er gehen wird, ihn 〈mit〉 einem schönen Empfang empfängt.11
Wir werden ihn auf [allen (?)] Frachtschiffen,12 in die er einsteigen wird, beschützen. Wir werden [rto 40] ihn [...]. Wir werden ihn bewachen.13 [Wir werden ihn] auf jeder Art [von (?)]14 [...] (und) auf jeder Art von Reise, die er [macht, beschützen].
So hat man (in göttlicher Weise) gesprochen, und zwar Mut, die Große (?) [...] der/die zuerst entstanden ist (?) [...] [rto 45] [...]. Es haben die Götter, (?) (in göttlicher Weise) gesprochen:
Wir werden sein Ohrenpaar, [sein] Gebiss (?),15 [sein ?] [...] (und) sein [...] gesund erhalten. [Wir] werden seine Lungen(flügel), seine Nieren, seine Milz (und) seine Eingeweide gesund erhalten. [rto 50] [Wir werden] sie (die Körperteile) stark machen. Es hat (der Gott) [...] (in göttlicher Weise) zu ihm (dem Orakelbesitzer) (?) gesprochen: Wir werden ⸢seinen gesamten⸣ ⸢Rumpf⸣ gesund erhalten.
1 swrj: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. XXXVA) sieht nach swrj noch ein Quadrat mit Resten von Schriftzeichen, die er nicht zuordnen kann. Ich meinerseits kann seine Lesung nachvollziehen, doch nur, wenn ich genau dieses Quadrat miteinbeziehe. Ich sehe zu Beginn der erhaltenen Zeile das Tuch-s (S29) deutlich und vollständig, dann folgt eine nur mäßig gut erhaltene Gruppe, die man als wr-Vogel (G36) über r (D21) identifizieren kann. Einen Strich neben dem Mund, wie ihn Edwards (ebd.) angibt, kann ich nicht sehen. Das folgende Schilfblatt (M17) ist wieder gut erkennbar, dann folgt ein Haken, in dem man gut eine verkürzte, frühdemotische Schreibung der drei Wasserlinien (N35a) erkennen kann, s. Donker van Heel/Golverdingen, Vorläufige Paläographie (A-M), 25. Die beiden letzten hohen Zeichen passen gut zu dem Gefäß W22 und dem sitzenden Mann mit der Hand am Mund (A2).
2 Zerstörung: Es ist unklar, wo die Satzfugen verlaufen. Edwards sieht zu Beginn von Zeile 11 einen Satzanfang, doch ich kann diese Lesung nicht nachvollziehen. Der zur Verfügung stehende Raum würde ausreichen, doch ist auf dem Foto, das mir zur Verfügung steht, zu Beginn von Zeile 11 nach ein paar Spuren (ca. 2Q), die nicht zu einem Satzanfang passen, lediglich der Rest eines senkrechten Strichs zu erkennen, der zwar ein Schilfblatt (M2) sein könnte, doch ebensogut auch ein anderes senkrechtes Zeichen. In den folgenden drei Quadraten ist nichts mehr erhalten, dann folgt eine möglicherweise unvollständige Bezeichnung von Menschen oder vermutlich gefährlichen Dämonen o.ä. Die Reste der Zeichen zu Beginn von Zeile 12, bevor man den nächsten Satzanfang rekonstruieren kann, sind ebenfalls unleserlich. Aus meiner Perspektive sieht es daher eher danach aus, dass es sich bei den Resten von Zeile 10 bis 12 um einen Satz handelt. Inhaltlich würde man hier ein Schutzversprechen vor den Messerdämonen der Sachmet (ḫꜣ.tjw (n.w) Sḫm.t) erwarten, da im folgenden Satz die Wanderdämonen der Bastet (šmꜣ.y (n.w) BꜢst.t) genannt sind, vgl. pNew York MMA 10.53 (NY), rto 32–35. Die erkennbaren Spuren kann ich aber nicht mit einer Schreibung dieser Dämonengruppe in Verbindung bringen.
3 pꜣ šmꜣm.y BꜢ⸢st.t⸣: Es ist schwierig den Artikel Singular Maskulinum an dieser Stelle zu erklären. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 89 [8]) denkt an die Krankheit šmꜣ.y (Wb 4, 471.7–8; MedWb 851; Lemma-ID 154610), doch aufgrund der Verbindung zu Bastet handelt es sich sicherlich um die šmꜣ.y-Wanderdämonen (LGG VII, 78; Lemma-ID 881120), die in den Oracular Amuletic Decrees mit Bastet assoziiert werden können, s. pNew York MMA 10.53 (NY), rto 32–35. Diese Wesen werden in den Oracular Amuletic Decrees sowohl im Singular als auch im Plural genannt, im Singular zumeist in dem Ausdruck ꜥ.w nb n.j šmꜣ.w „jegliche Aktion eines Wanderdämons“. Gemeinhin treten diese unheilbringenden Entitäten aber immer als Gruppe auf, s. Lucarelli, Demons, in: UEE 2010, 3; dies., in: Broekman/Demarée/Kaper, Libyan Period, 237–238. Und so ist in Verbindung mit der Göttin Bastet im Papyrus NY (s.o.) auch ausdrücklich der Plural verwendet. Der Schreiber dürfte im vorliegenden Fall also den Begriff als Kollektivum aufgefasst haben.
4 ⸢dmy{t}⸣: Lesung nach Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A). Ich kann die Lesung nicht ganz nachvollziehen, kann aber auch keine bessere anbieten.
5 nꜣ nṯr.w n.w pꜣ [___]: Offenbar werden in diesem Schutzversprechen unterschiedliche Gruppen von Göttern und noch andere Gefahren genannt. In den Zeilen 18 bis 20 sind drei Gruppen von Göttern genannt, jeweils bezeichnet als nꜣ nṯr.w n(.w) pꜣ [___], wobei das auf den Artikel folgende Substantiv in jedem Fall leider nicht zu identifizieren ist. Edwards (HPBM 5, Bd. 2, pl. 35A) liest am Ende von Zeile 19/Anfang von Zeile 20 ḫꜣ.tjw, doch ich erkenne am Ende von Zeile 19 pꜣ mit folgendem ꜣ in Zeile 20. Die Zeichen, die Edwards als X1-Z4-G4 liest (ebd.), deute ich als Beginn des Substantivs, wobei noch drei weitere eher hohe Zeichen folgen. Diese Gruppe von Zeichen ähnelt sehr stark der Gruppe, die an derselben Stelle in der Mitte von Zeile 18 geschrieben ist. Eine vernünftige Lesung kann ich aber leider nicht anbieten.
6 [P]⸢d⸣y: Lesung nach Edwards, HPBM 2, Bd. 2, pl. XXXVA, Bd. 1 90 [13]. Bei den Spuren zu Beginn von Zeile 22 handelt es sich mit einiger Sicherheit um ein Toponym, da der Klassifikator (O49) noch recht gut zu erkennen ist und man das nach der Angabe von „Lentigo“ auch erwartet. Wenn man die Spuren nach Edwards deutet, was gut zu den erkennbaren Resten passt, handelt es sich in diesem Fall um pyd-Libyen. Anders als Edwards erkenne ich allerdings vor dem Ortsklassifikator auch noch das Wurfholz (T14), was man als Klassifikator eher erwarten würde als O49. In den anderen Oracular Amuletic Decrees sind drei verschiedene Formen von tꜣ ꜥršn(.t) genannt, die geographisch unterschieden werden: die syrische und die kuschitische Form werden oft gemeinsam genannt und stellen den Hauptteil der Belege (pLondon BM EA 10308 (L3), B31–33; pLondon BM EA 10320 (L4), x+4–6; pLondon BM EA 10730 (L7), x+12–13; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 92–94; pKairo CG 58035 (C1), 31–33; pChicago ISACM E25633A-D (Ch), 78–79). In einem Text wird dem Paar noch eine ägyptische Form zugefügt (pBerlin ÄMP 10462 (B), rto 63–66). Nur ein weiterer Text außer dem hier vorliegenden nennt nur eine Form, und zwar die kuschitische (pPhiladelphia PENN E 16724 (Ph), D5–6). Eine libysche Variante ist in keinem anderen Text belegt. Wie sich die geographischen Angaben zu den erwähnten Hauterscheinungen verhalten und wie sich die einzelnen Formen unterscheiden, ist unklar.
7 jw =n{n} (r) ḏi.t wḏꜣ=f r: Es ist ungewöhnlich, dass der Schutz vor Lepra, Blindheit und einer weiteren nicht sicher zu identifizierenden Gefahr mit rḏi̯ wḏꜣ „unversehrt sein lassen“ formuliert ist. Generell findet sich bei diesem Versprechen das Verb šdi̯ „retten, bewahren“, s. beispielsweise pLondon BM EA 10083 (L1), rto x+10–12.
8 ⸮ḫꜣj?_: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A) liest mḥr nb, doch kann ich in den Zeichenspuren kein nb erkennen. Mir erscheinen die letzten Zeichen vor dem Ende der Zeile eher ḫꜣj_ zu lauten (M12-Z4-[]), wobei man mit dieser Lesung auch keine sinnvolle Ergänzung anbieten kann.
9 ⸢⸮ꜥb.w?⸣: Edwards (HPBM 4, Bd.1, 90 [18], Bd. 2 35A) schlägt für diese Stelle unter Vorbehalt die Lesung jbḥ „Zahn“ (Wb 1, 64.2–4; Lemma-ID 23830) vor. Ich würde allerdings nach Durchsicht der Parallelen sowie vor allem wegen des gut erkennbaren Klassifikators Z6, den auch schon Edwards (ebd.) als Argument gegen seinen Vorschlag angeführt hat, vorschlagen, die betreffende Stelle ꜥb.w (ꜥ-b-w-F18-Z1-Z7) „Infektion“ (Wb 1, 174.15–18; Lemma-ID 36300) zu lesen, vgl. hierzu die ähnliche Schreibung in pTurin Cat. 1983 (T1), vso 86).
10 r [___] 〈n.j〉 ⸮nꜣy?=⸢⸮f?⸣ ⸮stn.w?: Lesung nach einem Vorschlag von Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 90 [18], Bd. 2 35A). Ich bin nicht überzeugt von dieser Lesung, kann aber keine bessere anbieten. Der zur Verfügung stehende Raum am Ende von Zeile 30 und zu Beginn von Zeile 31 ist recht knapp, um einen Ausdruck für eine Störung oder ein Leiden zu ergänzen, und mindestens der dann erforderliche Genitiv vor dem Possessivartikel wäre vom Schreiber ausgelassen worden.
Nach den Parallelen könnte man in dieser Aufzählung auch die Ausdrücke srf.t „Hautentzündung“ (Wb 4, 196.15; Lemma-ID 139450) und rmn.t-Hautkrankheit (Quack, in: Fs Kitchen, 415; Lemma-ID 879248) erwarten, doch kann ich die Begriffe in keiner Weise mit den erhaltenen Zeichenresten in Zusammenhang bringen.
11 šsp m šsp nfr: Vgl. pLondon BM EA 10730 (L7), x+23–24 sowie pVandier, Recto 1, 12 u. 5.15: šsp tw=k Pꜣ-rꜥw n šsp [⸮nfr?] „Möge Pre dich empfangen durch einen schönen Empfang!“ und (j)m(j)-rʾ-mšꜥ [⸮Mrj-Rꜥw?] šsp [tw=k] nꜣ-(n) dwꜣ.t n šsp nfr „General [Merire], mögen die Unterweltlichen [dich] empfangen durch einen schönen Empfang“.
12 m mnš.w [⸮nb?]: Die Lesung von Zeile 38 ist alles andere als sicher. Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A) erkennt dort jw=n{n} ⸢šdi̯⸣ =⸢f⸣ ⸢n⸣ ꜥ(.w) ⸢nb{t}⸣ [mn]š.w. Ich würde eher die Stelle, die er als ꜥ.w liest, als etwas beeinträchtigte Viper (I9: =f) mit folgender m-Eule (G17) deuten. Ohnehin wäre bei seinem Vorschlag davon auszugehen, dass der sonst obligatorische Semogramm-Strich (Z1) nach dem Arm (D36) sowie das notwendige Genitiv-n ausgelassen worden wären (vgl. Zeile 42). Das folgende Zeichen, das ein nb-Korb sein könnte, würde ich mn lesen wollen mit Verweis auf Zeile 50, wo die Gruppe ähnlich geschrieben ist. Zwischen mn und š ist etwas von der Oberfläche abgeplatzt, so dass beide Gruppen etwas beeinträchtigt sind. Ich bin nicht restlos von dieser Lesung überzeugt. Der Vorteil gegenüber derjenigen von Edwards liegt nur darin, dass man die oben genannten Auslassungen nicht erklären müsste.
13 rs{tp}=f: Die Schreibung von rs „aufwachen, wachen, bewachen“ (Wb 2, 449.8–451.12) zeigt ein zusätzliches tp, das sonst nur im Nomen bzw. im intransitiven Gebrauch von rs (tp) geschrieben ist. In diesem Versprechen muss das Verb transitiv sein, so dass die Schreibung zu emendieren ist, vgl. hierzu auch die Parallele in L1 (rto x+63) mit einfacher Schreibung rs.
14 ⸮m? ⸮pꜣ?: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. 35A) liest hier ebenso wie in der folgenden Zeile n ꜥ.w nb, doch scheint mir hier ein horizontaler Riss im Papyrus an der Stelle, wo man das n erwartet, die Form der Zeichen zu verunklaren. Ohne diesen Querstrich scheint mir m pꜣ die zu bevorzugende Lesung zu sein.
15 j⸮bḥ?: Die Spuren nach dem Schilfblatt passen nicht zu einem neuen Satzanfang. Es sollten also nach der Satzstruktur weitere Körperbereiche/-teile folgen. Möglicherweise könnte man jbḥ (M17-D58-V28-Ff1-X1-F18-Z1-F51) lesen.
