Oracular Amuletic Decree L3 (Papyrus London BM EA 10308)
Übersetzung und Kommentar
Recto
Fragment A
[A, rto x+1] [...]. [...] versperren/verjagen (?)1 [...]. [Ich] werde sie aus der Hand der 7 ⸢Sterne⸣ [des] Großen Wagens (wörtl. Vorderschenkels) retten. Ich werde ⸢sie⸣ bewahren 〈vor〉 dem Herab[stürzen einer] [A, rto x+5] ⸢Mauer⸣ (und) vor der Verwüstung (wörtl. Zerstampfen, Zerstören) eines Gewitterstu[rms].
Fragment B
[... ... ...]2 [B, rto x+1] [... ... ...] [...]3 Amun, ⸢Mut, Chons,⸣ [Pa-Re?]4 Ptah (und) Bastet. ⸢Ich⸣ werde ⸢sie⸣ [beruhigen]5 für sie. Ich werde ⸢sie⸣ unver⸢sehrt⸣ sein lassen ⸢in ihrer⸣ [B, rto x+5] ⸢Hand⸣.6 ⸢Ich werde sie aus⸣ [ihrer]7 ⸢Hand retten⸣. [Ich werde] sie [retten]8 aus der Hand von [...]. [Ich] werde sie retten aus der Hand der Götter [...] [...] das Udjat-Auge über ihnen (?). Ich werde sie retten aus der Hand der Götter des 1. Monats der Überschwemmungsjahreszeit, des ⸢2.⸣ Monats der [Überschwemmungsjahreszeit], [B, rto x+10] des 3. Monats der Überschwemmungsjahreszeit, des 4. Monats der Überschwemmungsjahreszeit, des 1. [Winter]monats, [des 2. Wintermonats, des 3. Wintermonats, des 4. Wintermonats, des 1. Sommermonats], des 2. Sommermonats, des 3. ⸢Sommer⸣[monats, (und) des 4.] Sommermonats.9 Ich werde sie retten aus der Hand ⸢der⸣ Götter vom (Buch) „Das, was im Jahr ist“. Ich werde [B, rto x+15] s[ie] [rett]en aus der ⸢Hand⸣ ⸢dieses (?) Falken (?)⸣10 von Necheb (Elkab). Oder: Ich werde [B, rto x+15] s[ie] [rett]en aus der ⸢Hand⸣ ⸢dieses (?) Falken (?)⸣ B x+15bis[von Nechen (Hierakonpolis) (und) dieser Nubierin (?)] von Necheb (Elkab). ⸢Ich⸣ werde sie [retten] aus der Hand {sie retten aus der Hand}11 ⸢der⸣ [N]ubier {sie} (und) aus der Hand von ⸢Ch⸣[ons] (?). Ich werde ⸢{ihn}⸣ 〈sie〉 bewahren ⸢vor?⸣ ⸢Wadjet⸣ (?).12 [B, rto x+20] [Ich werde sie bewahren vor dem Schwert von Sopdu-Horus]13 des Westens (und) dem Schwert von Sopdu-Horus des ⸢Ostens⸣,14 die Vorsteher der Messerdämonen15 der Neunheit. Ich werde [sie] retten ⸢aus der Hand von⸣ (?).16 [Ich werde sie retten aus der Hand]17 [B, rto x+25] der 4 Sterne.18
⸢Ich werde⸣ [sie] ⸢bewahren⸣ ⸢vor?⸣ Unheil/Mangel. Ich werde sie retten ⸢aus der Hand der⸣ [...] (und) ((aus der Hand)) ⸢der?⸣ [...] ?19 [...] [Ich werde sie bewahren vor] Schorf/Kopfekzem, vor [Hautflechte?],20 [B, rto x+30] vor Juckendem (Ausschlag)21 (und) vor ⸢der ḥmk.t-Krankheit⸣ (?). Ich werde sie bewahren vor der Hautkrankheit aus Syrien (und) [vor?] der Hautkrankheit aus Kusch.
Ich werde sie bewahren vor (Schadens-)Zauber [B, rto x+35] aus Syrien, vor (Schadens-)Zauber aus Kusch, vor (Schadens-)Zauber aus ⸢Nub⸣[ien] (?) vor ⸢(Schadens-)Zauber⸣ [aus (?),23 vor (Schadens-)Zauber] der Schasu-Nomanden, vor ⸢(Schadens-)Zauber⸣ der Pyd-Libyer, vor (Schadens-)Zauber [B, rto x+40] von Ägyptern, vor ⸢einem Zauberer⸣ (und) vor einer Zauberin (?), bzw. vor ⸢(Schadens-)Zauber⸣ von R[...] (?),24 [vor (Schadens-)Zauber] von Schagarhab?25 (und) vor (Schadens-)Zauber jeglicher ⸢Art⸣ (?).26
Ich werde sie retten [B, rto x+45] aus der Hand der [Messerdämonen] (?) (und) der [Wand]erdämonen.27 Ich werde [sie] ⸢bewahren⸣ vor einem Angreifer, der sie angreift. Ich werde sie bewahren vor einem wr.t-Geist eines Kanals, vor ⸢einem wr.t-Geist⸣ eines [...], [B, rto x+50] vor einem wr.t-Geist des Nils, vor ⸢einem wr.t-Geist⸣ eines Teichs, vor ((einem wr.t-Geist)) einer Pfütze, vor einem [männlichen] ⸢wr.t-Geist⸣, [vor einem] weiblichen [wr.t-Geist], vor einem wr.t-Geist ihrer ⸢Mutter⸣ (und) ((ihres)) Vaters.
Ich werde ihr [...] [B, rto x+55] gesund erhalten. ⸢Ich⸣ werde [ihr] [...] gesund erhalten. [Ich werde] ihren Rücken gesund erhalten. ⸢Ich⸣ werde ihren Kopf [gesund erhalten]. Ich werde ihre Wange bzw. ihre Brüste gesund erhalten. [Ich werde] ihr [...] [gesund erhalten.] Ich werde ihre Milz gesund erhalten. [B, rto x+60] Ich werde ihre Lunge gesund erhalten. Ich werde ihr pr-ḏꜣ.t-Organ gesund erhalten. Ich werde ihren [gesamten?] Rumpf28 gesund erhalten von ihrem Kopf zu ihren [B, rto x+65] Fußsohlen.
Gesprochen hat ?29 [dieser große Gott], ⸢der Älteste⸣, der [zuerst] ⸢entstanden ist⸣ [...]
1 ⸢⸮sb?⸣sb: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 23 [1]) vermutet hier den Anfang eines Versprechens. Er erkennt in den Resten am rechten Rand einen schlagenden Mann (A24), den er zu šdi̯ „retten/bewahren“ (Wb 4, 563.2–9) ergänzt. Dementsprechend versteht er die folgenden Zeichen als Suffixpronomen =st und Präposition r, wobei er einräumt, dass die Lesung nicht sicher sei. Danach folgt leidlich gut erkennbar sb, eine schwer zu identifizierende Gruppe, die auch Edwards nicht transkribiert, sowie eventuell noch ein Füllstrich o.ä. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 23 [2]) vermutet eine korrupte Schreibung von sbḥ „Lepra“ (Černý, CED 148; Meeks, AL 77.3506; Lesko, Dictionary III, 33) mit Verweis auf pBM EA 10083 (L1), rto x+10. Der Rest der Zeile ist verloren, wobei noch minimale nicht erkennbare Tintenspuren auf dem Bruch erkennbar sind. Da die nächste Zeile mit šdi̯ beginnt, lässt sich aber sicher sagen, dass der Anfang des nächsten Versprechens noch in dieser Zeile geschrieben sein muss. Das spricht meiner Meinung nach gegen eine Lesung von sbḥ „Lepra“, das sonst nie allein, sondern generell in Verbindung mit kꜣmn „Augenleiden/(erworbene) Blindheit“ (Grässler, Auge, 262) sowie dem „Wirken des Udjat-Auges“ genannt ist. Für die beiden folgenden Begriffe bietet die Zeile allerdings keinen Platz.
Die Lesung von Edwards kann ich ohnehin nur bedingt nachvollziehen. Die Spuren zu Beginn der Zeile sind nach meiner Ansicht so indifferent, dass die Lesung von A24 sowohl möglich als auch unmöglich erscheint, zumal der Rand nicht ganz erhalten zu sein scheint. Noch am besten zu erkennen ist zweifelsohne das s (S29) vor der Gruppe sb. Die Spuren zwischen s und sb kann ich nur schwer mit einer Lesung von t (X1) über r (D21) in Einklang bringen. Ohne jede Sicherheit würde ich eher ein b (D58) erkennen wollen, was zu einer Lesung ⸢⸮sb?⸣sb „versperren/verjagen“ (Wb 3, 434.3–4; Wilson, Ptol. Lexikon, 821–822) führen würde. Das Wort ist sonst nicht in den OAD belegt, könnte inhaltlich aber schon mit einer möglichen Gefährdung der Orakelbesitzerin in Verbindung gebracht werden. Die schwierige Gruppe am Ende des Wortes würde ich in diesem Zusammenhang mit aller gegebenen Unsicherheit als Doppelstrich (Z4) über dem schlagenden Arm interpretieren (D40). Durch den fehlenden Kontext sowie den unzureichenden Erhaltungszustand bleibt diese Lesung jedoch spekulativ.
2 Textverlust: Edwards (HPBM 4, Bd. 23) geht davon aus, dass nicht mehr als zwei Zeilen Text zwischen den Fragmenten A und B verloren gegangen sind. Der Verlust dürfte also nicht mehr als ein Versprechen ausmachen.
3 [___]: Der Beginn des Versprechens ist verloren. Aufzählungen von Göttern bzw. Göttergruppen, vor denen der Besitzer des Orakels geschützt, vor deren Ba-Macht er bewahrt oder aus deren Hand er gerettet werden soll, gehören zum Standard-Repertoire der Oracular Amuletic Decrees (s. Grams, in: SAK 46, 2017, 77–80). Aufzählungen von einzelnen Göttern beginnen in der Regel mit Amun, so dass wir auch im hier vorliegenden Versprechen mit diesem Gott den Anfang der Aufzählung fassen können dürften. Eine vollständige Rekonstruktion des Versprechens ist leider nicht möglich, da die Zeichengruppe zu Beginn von Zeile B, rto x+2 nicht zu identifizieren ist. Direkt vor dem ersten Götternamen wären nach den Parallelen entweder die Präpositionen r oder m-ḏr.t zu erwarten, ebenfalls belegt ist bꜣ.w (n.j). Die erhaltenen Reste an dieser Stelle sind aber sicher nicht mit den Präpositionen zu vereinbaren und auch mit Schreibungen des Ausdrucks bꜣ.w lassen sie sich nicht recht verbinden.
4 [⸮pꜣ-Rꜥw?]: Ergänzung nach Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 23 [5]. Zur Gruppe Pa-Re, Ptah und Bastet vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 52–53.
5 jw=⸢j⸣ (r) [shru̯]=⸢w⸣: Vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 86–87.
6 jw=j (r) ḏi̯.t w⸢ḏꜣ⸣=⸢st⸣ ⸢m-ḏr.t⸣=w: Vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 85.
7 Ergänzung nach Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. VIIA). Zu Beginn der nächsten Zeile (B, rto x+6) sind der schlagende Mann (A24) sowie Reste des Suffixpronomens =st zu erkennen. Daher muss das nächste Versprechen bereits in Zeile x+5 beginnen. Das setzt voraus, dass nur wenig Platz für eine Ergänzung dieses Versprechens zur Verfügung steht. Die von Edwards angebotene Lösung ist daher die einzige Möglichkeit, die noch zu erkennenden Zeichen in Zeile x+5 und x+6 unter einen Hut zu bringen.
8 [jw=j r šdi̯]=⸢st m-ḏr.t⸣: Zu Beginn von Zeile x+6 sind Reste zu erkennen, die sich gut mit dem schlagenden Mann (A24) als Klassifikator von šdi̯ sowie mit V29-X1 (=st) vereinbaren lassen. Danach sieht man noch den unteren Teil einer Eule (G17) sowie den tief unter die Zeile gehenden Semogrammstrich (Z1), der charakteristisch für die Schreibung von m-ḏr.t ist. Der Rest der Zeile ist komplett verloren.
9 Ergänzung: Die Ergänzung ergibt sich aus der Struktur dieses Versprechens. Die bis auf winzige Reste der beiden ersten Zeichen komplett verlorene Zeile x+11 muss die fehlenden Monate in der Aufzählung enthalten. Der zur Verfügung stehende Platz und die erhaltene Schreibung für den Monat pr.jt lassen sich gut in Einklang bringen, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 24 [7].
10 ⸢⸮pꜣj?⸣ ⸢⸮bj?⸣[⸮k?]: Der potenzielle Gefährder bzw. die potenziellen Gefährder, vor denen in diesem Satz Schutz versprochen wird, sind aufgrund des Erhaltungszustands des Textes schwer zu identifizieren. Es gibt einige Spuren am Ende von Zeile B, rto x+15, die Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24) unübersetzt lässt, aber in den Hieroglyphen einen Vogel (Gans? G39) mit Semogrammstrich (Z1) und darauf folgend Bein (b: D58) und Schilfblatt (j: M17) angibt. In der folgenden Zeile (B, rto x+16) liest man sehr deutlich Nḫb „Elkab“ (Wb 2, 309.2–5 GDG III, 99 LÄ VII, 294), wenn auch in einer ungewöhnlichen Schreibung mit einem präfigierten nꜣ, das wie der Pluralartikel mit dem Pluralklassifikator (Z2) versehen ist. Eine Parallele für diese Schreibung, allerdings ohne Z2, findet sich im Onomastikon des Amenemope (pGolénischeff, IV, 13: Gardiner, Onomastikon II, 8* [321]; Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 24 [9]).
Eine mögliche Parallele bietet ein Versprechen, in dem der Orakelbesitzer vor dem Falken von Hierakonpolis (pꜣj bjk Nḫn) und der Nubierin von Elkab (tꜣj Nḥs.t Nḫb) Schutz erhält. Dieses Versprechen begegnet in zwei Papyri: pTurin Cat. 1985 (T3), rto 48–50 und pLouvre E 25354 (P3), rto 33–35. In den Zeichenresten am Ende von Zeile B rto, x+15 pꜣj bjk zu erkennen, bleibt diskussionswürdig, wäre aber nicht unmöglich. In Ermangelung einer plausibleren Alternative stelle ich diese Lesung mit aller gebotenen Vorsicht vor. Wenn man also in diese Richtung gehen möchte, bieten sich zwei mögliche Szenarien der Interpretation: (1) Der Schreiber hat einen Fehler gemacht und Text ausgelassen; die beiden Götter wurden zu pꜣj bjk Nḫb „diesem Falken von Necheb (Elkab)“ verschmolzen. Die hohe Fehlerquote im folgenden Versprechen, in dem verschiedene Satzteile doppelt geschrieben wurden, wäre ein Argument für dieses Szenario. (2) Zwischen Zeile B, rto x+15 und 16 verläuft ein Bruch, und es lässt sich nicht ausschließen, dass zwischen diesen beiden Zeilen eine komplette Zeile verloren gegangen sein könnte. Der fehlende Text Nḫn tꜣj Nḥs.t würde gut in eine Zeile passen und diese füllen. Edwards geht nicht davon aus, dass Text zwischen den beiden Fragmenten verloren gegangen sein könnte, wie man an seiner Hieroglyphenabschrift erkennen kann (HPBM 4, Bd. 2, pl. VIIA). Allerdings sind die Fragmente im Rahmen so arrangiert, dass der Abstand dazwischen Raum für eine weitere Zeile bietet.
Eine gesicherte Lesung für diesen Satz ist aufgrund des Erhaltungszustands leider nicht möglich.
Da die Datenbank innerhalb einer Ambiguität keine Linecount-Angaben akzeptiert, musste in der Transkription auf eine Bezeichnung der eventuell zusätzlich zu ergänzenden Zeile (B, rto x+15bis) verzichtet werden.
11 {šdi̯=st m-ḏr.t}: Dittographie.
12 [___]: Zu Beginn von Zeile B, rto x+20 ist eine Kobra (I12) zu erkennen, daher wird zuvor der Name einer Göttin gestanden haben. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24) schlägt „Wedjoyet“ vor. Die erhaltenen Zeichenspuren lassen sich mit der Papyrussäule (M13) verbinden (vgl. pLondon BM EA 10221, 3, 12), so dass „Wadjet“ eine plausible Ergänzung darstellt. Innerhalb der Oracular Amuletic Decrees ist dieses Versprechen ohne Parallelen.
13 Ergänzung: Vgl. die Parallelen in pTurin Cat. 1984 (T2), rto 47–49 und pKairo, CG 58035 (C1), rto 38–41, wo es allerdings nur um die Götter geht, aus deren Hand der jeweilige Orakelbesitzer gerettet werden soll. Das Schwert ist in diesen beiden Texten nicht erwähnt.
14 Zu Sopdu-Horus s. Töpfer, Balsamierungsritual, 325, 298 (speziell zur Verbindung mit jꜣb.t und jmn.t); Beaux, in: BdE 106.1, 61–72 (1994); LGG VI, 279b; Sauneron, Rituel de l’embaumement, 8, 22; Yoyotte, in: BSFE 114, 1989, 20; pNew York 35.9.21, 31,10: Goyon, in: BIFAO 75, 1975, 391.
15 ḫꜣy.tjw: LGG V, 407b; Sass, Slaughterers, Knife-Bearers and Plague-Bringers, 49–51.
16 [___]: Die Bezeichnung des Gefährders ist nicht erhalten. Da das nächste Versprechen in der gleichen Zeile beginnen muss, bleiben nicht mehr als zwei Quadrate für das Wort.
17 (([m]-⸢ḏr.t⸣)): Zu Beginn von Zeile B, rto x+25 sind minimale Zeichenreste zu erkennen, die man gut mit dem oberen Teil der Hand (D46) und dem Beginn des Semogrammstrichs (Z1) verbinden kann. Dementsprechend liest Edwards (HPBM 4, Bd. 2, l. VIIA) zu Beginn von Zeile B, rto x+25 m-ḏr.t. Betrachtet man die Zeichen allerdings genauer, so erkennt man, dass die Gruppe deutlich oberhalb der Zeile angesetzt wurde und zudem nach vorne extrem wenig Platz für die Gruppe zur Verfügung steht. Die Zeile B, rto x+25 ist ansonsten sehr großzügig geschrieben. Doch für das m steht kaum Platz zur Verfügung, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Schreiber die Gruppe über den Zeilenbruch getrennt hat. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Schreiber über den Zeilenumbruch m-ḏr.t zunächst vergessen hatte und es erst nachträglich am Beginn der Zeile B, rto x+25 eingefügt hat. Die gequetschte Schreibung und die Position oberhalb der Zeile kann hierdurch gut erklärt werden.
18 pꜣ 4 sbꜣ: In keinem anderen Text der Oracular Amuletic Decrees ist eine Konstellation aus vier Sternen erwähnt. Eine sichere Identifizierung dieser Sternengruppe und der von ihr ausgehenden Gefahr ist daher nur schwer möglich. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24 [13]) zitiert eine mündliche Aussage von Parker, in der er auf die Repräsentation der vier Horussöhne durch vier Sterne in Dekanlisten astronomischer Darstellungen verweist, vgl. hierzu Bressollette, in: BABELAO 6, 2017, 41–45. Doch auch andere Sternkonstellationnen wurden mit den vier Horussöhnen assoziiert. In der nördlichen Hemissphäre wurden die Horussöhne mit den vier Sternen in Verbindung gebracht, die den Körper des Großen Bären darstellen (s. Wainwright, in: FS Griffith, 381; Mathieu, in: ENiM 1, 2008, 11–14; Thuault, in: BIFAO 120, 2020, 431; vgl. Grams, in: SAK 46, 2017, 75), während in der südlichen Hemisphäre die vier äußeren Sterne im Sternbild des Orion als die vier Horussöhne identifiziert wurden, Mathieu, in: ENiM 1, 2008, 11–14.
19 jw=j (r) šdi̯=st ⸢m-ḏr.t⸣: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24) vermutet, dass der Beginn eines Versprechens am Ende von Zeile B, rto x+26 ebenfalls die in Zeile B, rto 29–30 genannten Krankheiten umfasst. Die Krankheiten sind allerdings generell mit der Präposition r angeschlossen, die sich in den Zeilen B rto, x+29–30 auch in drei Fällen erhalten hat. Zu Beginn der Zeile B, rto x+27 sind Zeichenreste zu erkennen, die zu m-ḏr.t passen, jedoch nicht zu r, und im weiteren Verlauf der Zeile ist sehr deutlich lesbar m-ḏr.t über der Zeile ergänzt worden. Innerhalb eines Versprechens wird generell nicht zwischen den Präpositionen r und m-ḏr.t gewechselt, weshalb man davon ausgehen muss, dass am Ende von der Zeile B, rto x+28 der Anfang eines weiteren Versprechens rekonstruiert werden muss, das Schutz vor einer Reihe von Hautkrankheiten gewährt.
20 [⸮mšpn.t?]: Eine Ergänzung von mšpn.t „Hautflechte“ (Wb 2, 157.6; MedWb 398; Westendorf, Handbuch, 322–323) ist naheliegend, da diese Krankheit in allen ihren Belegstellen in den Oracular Amuletic Decrees zusammen mit der mš(š).t-Hautkrankheit genannt ist, vgl. pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+41–42; pLondon BM EA 10587 (L6), vso 27; pTurin Cat. 1983 (T1), rto 28; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 106; pTurin Cat. 1985 (T3), rto 28–29; pBerlin ÄMP 10462 (B), rto x+70–71. Es sind geringfügige Spuren zu erkennen, die sich aber der Schreibung von mšpn.t nicht eindeutig zuordnen lassen.
21 ḫꜣḫꜣ: Das ḫꜣḫꜣ-Phänomen „Jucken/Juckreiz“ (Černý, CED 306; Lesko, Dictionary II, 194) ist in zwei Texten der Oracular Amuletic Decrees (pLondon BM EA 10308 (L3), B, rto x+30; pLondon BM EA 10587 (L6), vso 27) im Kontext von Hautkrankheiten bezeugt, s. Quack, in: Papyrus Ebers und die antike Heilkunde, 78. Es findet seine Fortsetzung im Koptischen ϩⲱϩ „itching“ (Crum, Dict. 742). Ob es sich bei dem Begriff um die Bezeichnung einer Hautkrankheit bzw. einer Hautirritation handelt, wie es Grams (in: SAK 46, 2017, 70: Dermatitis) vermutet, oder ob mit dem Begriff ein Symptom wie „Juckreiz“ bezeichnet wurde, ist nicht sicher zu entscheiden, s. Mueller et.al., in: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology 34, 2020, 1643.
22 ḥ⸢⸮m?⸣[k].⸢ṱ⸣: Eine Übersicht zu den in den Parallelen zu diesem Versprechen genannten Hauterkrankungen bietet Quack, in: Papyrus Ebers und die antike Heilkunde, 78. Geht man davon aus, dass in diesem Versprechen keine neue, sondern eine weitere Krankheit genannt ist, die uns aus den Parallelen bereits bekannt ist, sind die erkennbaren Zeichenspuren einzig mit einer Schreibung der ḥmk.t-Krankheit (Wb 3, 99.11; MedWb 603–604; Hoch, Sem. Words, no. 315; Haider, in: Das Ägyptische und die Sprachen Vorderasiens, Nordafrikas und der Ägäis, 417–418) plausibel in Verbindung zu bringen. Man hätte eine Schreibung ähnlich wie im pTurin Cat. 1983 (T1), vso 30–31, jedoch mit einem vorausgehenden ḥ (V28), da zu Beginn des Wortes ein senkrechter Strich gut zu erkennen ist. Die folgenden Spuren lassen sich leidlich gut mit der Papyrus-Pflanze (M16) in Einklang bringen. Die Spuren am Ende der Zeile sind zu gering, um die Lesung abzusichern bzw. in Zweifel zu ziehen, immerhin würde der zur Verfügung stehende Platz gut ausreichen. Und zu Beginn der Zeile B rto, x+31 sind recht sicher der tj-Stößel (U33), ein Schilfblatt (M17) sowie die schlechte Pustel (Aa2) zu erkennen, was gut zur Schreibung ḥmk.ṱ passen würde.
23 r ḥkꜣ.jw ⸢⸮Nḥ?⸣[s] r ⸢ḥkꜣ.jw⸣ [___]: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. VIIA) macht keine Angaben zu den Zeichenresten am Ende von Zeile B, rto x+37 und dem Anfang der folgenden Zeile. Zu Beginn von Zeile B, rto x+38 sind ziemlich deutlich drei Zeichen zu lesen: Wurfholz (T14) – Pluralklassifikator (Z3, vgl. Z. B, rto x+35 u. 36) – r (D21). Es ist also recht klar, dass mit dem Wurfholz als Klassifikator das Toponym abschließt und mit r [ḥkꜣ.jw] ein neues Element anschließen muss. Am Ende von Zeile B, rto x+36 sind Spuren von zwei übereinander liegenden breiten Zeichen auszumachen, die man gut mit einer reduzierten Schreibung des Helmperlhuhns (G21) verbinden kann, wie sie beispielsweise in einer Parallele, im pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+35, vorkommt. Der linke Rand ist vermutlich nicht vollständig erhalten, so dass man annehmen kann, dass urspünglich noch Raum für ein Tuch-s (S29) vorhanden gewesen sein dürfte. Ich ergänze also Nḥs „Nubien“, das in den Parallelen gut bezeugt ist. Aus dieser Ergänzung folgt, dass in der Zeile B, rto x+37 zweimal r ḥkꜣ.jw zu rekonsturieren ist, denn Zeile B, rto x+38 beginnt mit zwei Klassifikatoren, die zu ḥkꜣ.jw gehören, sowie der Bezeichnung Šꜣs.w. Für eine einfache Ergänzung ist die Zeile zu lang. Vergleicht man die Schreibungen von ḥkꜣ.jw in den umgebenden Zeilen, so ergibt sich, dass für ein weiteres Toponym maximal zwei Quadrate zur Verfügung stehen. Alle üblichen Toponyme und Bezeichnungen, die in den Paralleltexten vorkommen, wurden allerdings in diesem – sehr ausführlichen – Versprechen bereits genannt. Denkbar wäre beispielsweise eine Formulierung wie ḫꜣs.t nb.t „jedes Fremdland“, was sowohl inhaltlich als auch vom zur Verfügung stehenden Platz passen könnte, vgl. pChicago OIM E25622A-D (Ch), 35.
24 B, rto x+41: Man erwartet ein Toponym oder die Bezeichnung einer Gruppe bzw. einer Person, die Schadenszauber bewirken kann, da am Ende der vorhergehenden Zeile r ḥkꜣ recht gut zu erkennen ist. Zu Beginn von Zeile B, rto x+41 ist ein r zu lesen, so dass eventuell eine Dittographie vorliegen könnte, oder aber man ergänzt nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 25 [20]) r ⸢ḥkꜣ⸣.[w] (B, rto x+41) r ⸢ḥkꜣ⸣.[t] „vor einem Zauberer (und) einer Zauberin“ mit Verweis auf eine ähnliche Formulierung im pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+38–39 (r ḥkꜣ.w n.j ḥkꜣ.w ḥkꜣ.t). Gleichwohl könnte hier auch die Bezeichnung einer Gruppe oder Person mit r beginnen.
25 šꜣ~⸮g?~rʾ~h~b[__]: Es scheint sich um ein nicht-ägyptisches Toponym bzw. eine Bezeichnung einer ethnischen Gruppe zu handeln, die syllabisch geschrieben worden ist. Parallelen innerhalb der Oracular Amuletic Decrees sind nicht belegt. Eine Identifizierung steht noch aus.
26 ⸮wn?[__]: Das letzte Element in diesem Versprechen ist ebenfalls schwierig zu lesen. Eine Parallele (pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+40) formuliert das letzte Element r ḥkꜣ.w n.j wnḏ.wt. Die Frage ist, ob eine Schreibung für wnḏ.t mit den erkennbaren Tintenspuren in Einklang zu bringen ist. Zu Beginn des Wortes könnte man wn lesen, doch die Spuren passen zu dem liegenden Hasen (E34) und wnḏ.w wird normalerweise mit der Blüte (M42) über dem Berg (N26) geschrieben. Die weiteren Spuren sind so unspezifisch, dass keine Aussage getroffen werden kann.
27 Gewöhnlich werden die Messerdämonen und die Wanderdämonen in den Oracular Amuletic Decrees gemeinsam erwähnt, vgl. z.B. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 42–43.
28 mhn: Der Begriff mhn „Kiste“ (Wb 2, 115.1–3) wird in der Regel als Bezeichnung von Realia verwendet. In der Lehre des Amenemope (pBM EA 10474, rto 3.12) findet sich die Bezeichnung auch übertragend als mꜥhn.w n.j ẖ.t=k „Kasten deines Leibes“. In den Oracular Amuletic Decrees ist der Begriff sonst nicht bezeugt. Offenbar tritt er hier für den Begriff hnw „Kasten, Schädel, Brustkorb, (Mutter-)Leib“ (Wb 2, 491.9–492.4; MedWb 565; Walker, Anatom. Term., 271) ein, der in einigen Varianten der Formel zur Gesunderhaltung des gesamten Körpers belegt ist, z.B. im pLondon BM EA 10587 (L6), rto x+47.
29 [___]: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 35 [35]) meint in den Spuren vor der Lücke Month lesen zu können und vermutet, dass in der Lücke noch Re gestanden haben könnte. Ich kann allerdings vor der Lücke nicht mehr als den Rest eines Strichs erkennen. Meiner Meinung nach ist der Name des Gottes vollständig verloren.
