Oracular Amuletic Decree L7 (Papyrus London BM EA 10730)

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Alternative Namen
OAD L7 TM 381254
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10730

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde im Jahr 1949 in zwei Teilen von F. Parrott an das British Museum verkauft. Es sind keine näheren Umstände zum Ankauf und zur Herkunft des Textes und keine weiteren Informationen zum Verkäufer bekannt, mit der Ausnahme, dass es sich um einen Mann handelt. Die Tatsache, dass er nur dieses eine Stück verkaufte, könnte auf eine Privatperson hinweisen.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960a, xiii) geht bei den Oracular Amuletic Decrees generell von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den in den Texten genannten Göttern festmacht. Der orakelgebende Gott in diesem Text ist nicht erhalten, so dass sich dies für diesen Text nicht im Einzelnen verifizieren lässt.
Auch der Name des Amulettbesitzers ist nicht erhalten, doch ist dem Text zu entnehmen, dass er als General in die Armee eines Königs Osorkon eintreten soll. Unabhängig davon, um welchen Osorkon (s. Datierung (ausführlich)) es sich handelt, kann dies als Indiz für eine Herkunft aus Theben gewertet werden.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960a, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text, nämlich der hier vorliegende (L7: pBM EA 10730), liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der hier vorgestellte Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten jedoch nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Der orakelgebende Gott, dessen Name nicht erhalten ist, verspricht dem Besitzer des Amuletts, dessen Name ebenfalls nicht erhalten ist, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung seines Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrunde liegt, s. Grams 2017, 55–100. Spezifisch für diesen Text ist, dass die Aufnahme des Orakelbesitzers in das Heer eines Königs Osorkon von Seiten der Götter garantiert wird (x+33–38), was quasi einer öffentlichen Anerkennung des Orakelbesitzers und seiner Nachfahren durch den König gleich kommt, die darüber hinaus in einem weiteren Versprechen explizit erwähnt wird (x+45–55).

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau – Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960a, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kindern gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.
Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet werden. Im Text L1 (pBM EA 10083) ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960a, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der Text L1 niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Text ist nicht vollständig erhalten. Von der ursprünglichen Länge ist ein Teil unbekannter Größe zu Beginn des Textes verloren. Darüber hinaus gibt es einige zerstörte Stellen innerhalb der ersten sechs Zeilen. Der erhaltene Papyrusstreifen hat eine Länge von 147 cm und ist 8 cm breit. Es ist schwer zu entscheiden, wie groß der tatsächliche Textverlust zu Beginn ist. Zumindest die Einführung des orakelgebenden Gottes sowie die Vorstellung des Orakelbesitzers sind zu erwarten (Edwards 1960a, 47, wieviel von den eigentlichen Versprechen verloren gegangen ist, kann nicht sicher beurteilt werden. Der Papyrus ist nur auf einer Seite beschriftet. Es handelt sich – wie bei den meisten der Oracular Amuletic Decrees um die Seite, bei der die Fasern vertikal verlaufen (Recto, transversa carta). Der Text wurde zu einem unbekannten Zeitraum auf ein Stück Leinen aufgebracht, von dem er nicht ohne Beschädigung getrennt werden kann (Edwards 1960a, 47). Eine Röntgenuntersuchung hat ergeben, dass das Verso unbeschriftet ist.

Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten, Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle, oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. "protocollon" zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um ein „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem deutlich kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a und b), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus BM EA 10083. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle L7 aufgenommen (1960, Bd. 1, 47–51, Bd. 2, Taf. 16–17). Im Jahr 1969 veröffentlichte Edda Bresciani eine italienische Übersetzung des Textes in einer Anthologie „Letteratura e poesia dell’antico Egitto“, die seitdem bereits mehrfach neu aufgelegt worden ist (z.B. 1990, 556–557). Robert Kriech Ritner verfasste eine neue englische Übersetzung in seiner Anthologie von Texten aus der Dritten Zwischenzeit (2009, 74–76).
Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Bresciani 1999: E. Bresciani, Letteratura e poesia dell’antico Egitto. Cultura e società attraverso i testi. Neuauflage (Turin 1999), 556–557.

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 49–51.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 16–17.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74–76.

Literatur zu den Metadaten

- Adderly 2015: N. J. Adderly, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014).

- Bierbrier 2012: M. L. Bierbrier, Who was Who in Egyptology, 4. Auflage (London 2012), 553.

- Bourriau – Ray 1975: J. D. Bourriau – J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61 (1975), 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939), xvii–xx.

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46 (2017), 55–100.

- Guentch-Ogloueff 1940: M. Guentch-Ogloueff, Noms propres imprécatoires, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 40 (1940), 117–133.

- Jansen-Winkeln 1985: K. Jansen-Winkeln, Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie, 2 Bände, Ägypten und Altes Testament 8 (Wiesbaden 1985).

- Jansen-Winkeln 2006: K. Jansen-Winkeln, Thebanische Statuen der 25. und 26. Dynastie, in: SAK 34 (2006), 217–240.

- Jansen-Winkeln 2007: K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit. Teil I: Die 21. Dynastie (Wiesbaden 2007), 277.

- Jacquet-Gordon 1960: H. H. Jacquet-Gordon, The Inscription on the Philadelphia-Cairo Statue of Osorkon II, in: Journal of Egyptian Archaeology 46 (1960), 12–23.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20 (1963), 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927–1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étude 81 (Caire 1979), 167–183, Taf 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9 (1987), 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118 (2018), 233–239.

- Lenormant 1857: F. Lenormant, Catalogue d’une collection d’antiquités Égyptiennes (Paris 1857).

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman – R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25–27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58 (1972), 247–253.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99 (2013), 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree L7 (Papyrus London BM EA 10730)

Recto

[...] [x+1] [...].
[Ich werde] ihn ⸢bewahren⸣ vor [...] [...]f GN? GN? Chons (?),1 die großen Götter von Himmel, Erde und Unterwelt.

1 In der Zeile x+2 und am Ende der ersten Zeile sind Reste von Zeichen erkennbar, die allerdings schwer mit einer Lesung in Einklang zu bringen sind. Der Inhalt von Zeile x+3 nꜣ nṯr.w ꜥꜣ.w n.w p.t tꜣ dwꜣ.t „die erhabenen Götter von Himmel, Erde und Unterwelt“ zeigt an, dass eine Gruppe von Götternamen zu erwarten ist. Die Belege dieser Götterbezeichnung sind auf die Gruppe der Oracular Amuletic Decrees beschränkt. Tatsächlich findet sich die Bezeichnung nur in einem anderen Text (pTurin Cat. 1984 (T2), Vso. 3–4): Dort fasst sie im Rahmen der Göttervorstellung Junit, die inmitten des südlichen Heliopolis ist, Month, den Obersten auf dem Thron, und Chons, der inmitten des südlichen Heliopolis ist, zusammen. Desweiteren findet sich im gleichen Text (T2, Rto. 54–55) ein Versprechen, in dem Amun, Mut und Chons als „die großen Götter von Himmel und Erde“ angesprochen werden. Ein weiterer Text (pMMA 10.53 (NY), 22–23) zeigt ein Versprechen, in dem der Orakelbesitzer vor „jeder Macht eines jeden Gottes und einer jeder Göttin von Himmel, Erde und Unterwelt in all ihren Namen“ geschützt wird. Die Tatsache, dass zu Beginn von Zeile x+3 der bestimmte Artikel plural (nꜣ) geschrieben ist, zeigt an, dass man im vorausgehenden Text Götternamen zu erwarten hat.

⸢Ich⸣ werde für ihn das Brot, das er essen wird, süß [x+5] machen.
[Ich] werde für [ihn] das [Wasser/Bier], das [er trinken wird,] ⸢süß⸣ machen.
[... ... ... ] groß, das, was deswegen gut für ihn ist.

[Ich] werde [für] ihn Amun, Mut (und) Chons, die großen Götter [zufrieden stellen].
Ich werde sie (die Götter Amun, Mut und Chons) friedlich sein lassen [x+10] für ihn.

Ich werde ihn schützen vor (?)2 (und) [vor] jedem Zauber aus 〈jedem〉 Land und jedem Fremdland.
Ich werde ihn bewahren vor der Linsenkrankheit aus Syrien (und) der Linsenkrankheit aus Kusch.
Ich werde nicht zulassen, dass sie an ihm auftreten zu irgendeiner [x+15] Zeit des Lebens.
Ich werde ihn bewahren vor Aussatz/Lepra, Augenleiden/Blindheit (und) vor dem Wirken des Udjat-Auges zu jeder Zeit des Lebens.
Ich werde ihn retten aus der Hand der Götter, die einen als Ersatz eines (anderen) schnappen3.
Ich werde ihn ersetzen lassen [x+20] zu jedem Zeitpunkt.

2 Die zweite Hälfte von Zeile x+10 ist durch vertikale Risse, den dadurch teilweise einhergehenden Faserverlust und die teils verblichenen dünnen Striche nur sehr schwer zu erkennen. Edwards (1960a, 47 [5]) erwägt eine Ergänzung zu nꜣy=w bꜣ.w, doch räumt er ein, dass die Spuren nur schwer mit der Lesung in Einklang zu bringen wären und diese Lösung auch inhaltlich nicht gut in den Kontext passen würde.­ Eine zufriedenstellende Lesung kann ich auch nicht anbieten.
3 ṯꜣi̯ m šb(.t): Der Ausdruck steht im Zusammenhang mit anderen Versprechen, die den Orakelbesitzer vor Göttern schützen, die Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen schnappen und bedrohen oder sogar töten, und anderen, die davon berichten, dass Menschen durch andere ersetzt werden. Diese Versprechen sind meist mit rḏi̯ m šb.t formuliert und es ist anzunehmen, dass das hier geschriebene ṯꜣi̯ m šb(.t) ähnlich gebraucht ist. Aber auch wenn rḏi̯ m šb.t „verkaufen“ (wörtl. als Bezahlung geben) bedeuten kann (s. Wb 4, 436.16), wird durch den Kontext sowie weitere Versprechen, die mit dem Verb šbi̯ „mischen, sich mischen unter, ersetzen“ (Wb 4, 436.4–14) formuliert sind (s. pTurin Cat. 1983 (T1), Vso. 14; pBM EA 10321 (L5), Vso. x+7/OAD, rt. 7 und Vso. x+20/OAD, rt. 20; pBM EA 10730 (L7), x+19–20; pKairo CG 58035 (C1), 49–50; pMMA 10.53 (NY), Rto. 36), deutlich, dass im Komplex dieser Versprechen ein „Ersatz“ im Sinne einer „Entschädigung“ oder „Abgeltung“ gemeint sein muss.

Ich werde für ihn Min-Horus (und) Isis, die von Koptos, beruhigen.
Ich werde ihn bewahren vor ihrer (die der Götter Min-Horus und Isis von Koptos) bꜣ.w-Macht.
Ich werde veranlassen, dass sie (die Götter Min-Horus und Isis von Koptos) von seinen Händen empfangen durch einem schönen Empfang (gemeint ist, dass sie seine Opfer annehmen)4.
Ich werde veranlassen, dass sie (die Götter Min-Horus und Isis von Koptos) ihn [x+25] auf die guten Wege von Leben und Gesundheit geben.
Ich werde für ihn Leben, Heil, Gesundheit, eine lange Lebenszeit (und) ein hohes (und) gutes Alter gewähren.
Ich werde seine Gunst (und) Beliebtheit ins Herz von Pharao Osorkon5 [x+30], geliebt von Amun, meinem guten Sohn, geben.

4 šsp m šsp nfr: Vgl. pVandier, Rekto 1, 12 u. 5.15: šsp tw=k Pꜣ-rꜥw n šsp [⸮nfr?] „Möge Pre dich empfangen durch einen schönen Empfang!“ und (j)m(j)-rʾ-mšꜥ [⸮Mrj-Rꜥw?] šsp [tw=k] nꜣ-(n) dwꜣ.t n šsp nfr „General [Merire], mögen die Unterweltlichen [dich] empfangen durch einen schönen Empfang“.
5 Osorkon: Es ist nicht eindeutig, um welchen Osorkon es sich handelt. Edwards (Edwards 1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vertreten die Ansicht, dass es sich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; Jacquet-Gordon 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (Buchschrift, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105).

Ich werde ihn behüten6, wobei ich nicht nachlassen werde zu Mittag, Nacht (und) zu irgendeiner (anderen) Zeit.
Ich werde veranlassen, dass Pharao Osorkon7, [x+35] geliebt von Amun, mein guter Sohn, ihn an die Spitze der großen Armee sendet, und, dass er (der Besitzer des Amuletts) für ihn (Pharao Osorkon) jede Meldung, die gut (mit den Ohren) wahrzunehmen (?)8 ist, (und) jeden guten Bericht zurückschickt.

6 ḥrḥr: Das Verb ḥrḥr „bewachen, beschützen“ (G. Andreu – S. Cauville, Vocabulaire absent du Wörterbuch (I), in: Revue d’égyptologie 29, 1977, 5–13, hier: 10; D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 1. 1977 (Paris 1980), 77.2819; L. H. Lesko (Hrsg.), A Dictionary of Late Egyptian II (Berkeley/Providence 1984), 135: die hier angegebene Schreibung ist falsch; sie gehört zu ḥrr.t, einem der vorausgehenden Einträge) ist prädemotisch in nur zwei Texten bezeugt. Es handelt sich neben dem hier vorliegenden Text um den Brief pBM EA 75019+10302, vs. 9 aus der Zeit von Ramses XI. (R. J. Demarée, The Bankes Late Ramesside Papyrim British Museum Research Publication 155 (London 2006), 14–19, Taf. 15–16, bes. 17). Edwards (1960a, 48 [19]) verweist auf Demotisches ḥrḥ (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 326f.; CDD ) sowie Koptisches ϩⲁⲣⲉϩ (W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 1965–1977), 569, W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 707–708).
7 Siehe den Kommentar oben.
8 ꜥḏ: Das Verbum ꜥḏ „wahrnehmen“ (Wb 1, 238.14) ist nicht auf ein spezifisches Sinnesorgan der Wahrnehmung beschränkt. Hier ist es durch das Rinderohr (F21) klassifiziert, so dass das Wort klar auf das Hören bezogen sein muss. Der Klassifikator zeigt also hier eine Spezifizierung der Bedeutung an.

Ich werde den Bauch seiner Frauen9 fruchtbar machen (wörtl. öffnen), [x+40] um männliche Kinder (und) weibliche Kinder zu gebären, aus dem Samen, der aus seinem Leib herausgekommen ist.
Ich werde sie (die Kinder) leben lassen.
Ich werde 〈sie〉10 (die Kinder) gesund sein lassen.
Ich werde sie (die Kinder) groß werden lassen.
Ich werde sie (die Kinder) klug sein lassen.
Ich werde sie (die Kinder) vortrefflich sein lassen.

9 ḥbs.yt: Ausgehend vom Gebrauch des Begriffs ḥbs.yt (Wb 3, 66.23–24) in den Heqanacht-Papyri, wird angenommen, dass es sich um die Bezeichnung einer „zweiten Ehefrau“ bzw. einer „Nebenfrau“ handelt, s. T. G. H. James, The Ḥeḳanakhte papers and other early Middle Kingdom documents, Publications of the Metropolitan Museum of Art Egyptian Expedition 19 (New York 1962), 143; vgl. I. Köhler, Mr. & Mrs. Heqanachte und ein erfolgreiches Familienunternehmen. Zum Status der Beteiligten in einem familialen Netzwerk, in: A. I. Blöbaum – M. Eaton-Krauss – A. Wüthrich (Hrsg.), Pérégrinations avec Erhart Graefe. Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, Ägypten und Altes Testament 87 (Münster 2018), 249–265, hier: 257–262. Anders als in der älteren Sekundärliteratur suggeriert wird (Übersicht der Übersetzungsvorschläge, s. J. Hellum, The Questions of the Maidservant and the Concubine. Re-examining Egyptian Female Lexicology, in: A. R. Warfe – J. C. R. Gill – C. R. Hamilton – A. J. Pettman – D. A. Stewart (Hrsg.), Dust, Demons and Pots. Studies in Honour of Colin A. Hope, Orientalia Lovaniensia Analecta 289 (Leuven/Paris/Bristol 2020), 269–278, hier: 273–275), definiert der Begriff aber weder die Art oder Legitimität der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau noch die soziale Stellung der Frau sondern stellt sich vielmehr als spezifische Bezeichnung eines Abhängigkeitsverhältnisses dar, das Schutz und Versorgung durch den Mann sicherstellt, s. A. Wüthrich, „Pour qui me prenez-vous?“. Autoprésentation féminine à la période libyenne, in: Bulletin de la Société d’Égyptologie de Genève 32, 2021, 123–164, hier: 159. Die Bedeutung des Verbs ḥbs („bekleiden“, Wb 3, 64.3–65.17) zugrundelegend kommt Wüthrich zum Schluss, dass „on peut donc suggérer qu’une ḥbs.yt est une femme à laquelle un homme apporte son soutien financier, problablement en lui donnant une forme de subside, comme le montre également les contrats de mariage démotiques. La nature de cette forme d’entretien reste obscure mais il ne se restreint bien évidemment pas à l’habillement. Vêtir la femme serait une forme d’expression de type pars pro toto pour signifier l’intégralité du foyer. La personne identifiée comme ḥbs.yt peut ainsi être une première ou une seconde épouse puisque le terme n’a pas pour fonction de qualifier la nature des liens maritaux mais sa qualité de dépendance matérielle par rapport à une homme.” (ebd. 158).
Wie sich die Begriffe ḥbs.yt und ḥm.t zueinander verhalten, ist schwer zu bestimmen, zumal – wenn auch selten – Belege zeigen, dass beide Begriffe für dieselbe Person verwendet werden können (A. Wüthrich, „Pour qui me prenez-vous?“. Autoprésentation féminine à la période libyenne, in: Bulletin de la Société d’Égyptologie de Genève 32, 2021, 123–164, hier: 149). Unbestritten ist, dass der Begriff ḥbs.yt einen engeren Bedeutungshorizont haben muss. So wird ḥbs.yt im Unterschied zu ḥm.t niemals generisch, sondern immer in Bezug auf konkrete Personen verwendet (A. Wüthrich, „Pour qui me prenez-vous?“. Autoprésentation féminine à la période libyenne, in: Bulletin de la Société d’Égyptologie de Genève 32, 2021, 123–164, hier: 151). „Il ne s’agit donc non pas d’un synonyme de ḥm.t, comme cela a été fréquemment proposé, mais d’un mot appartenant à la même sphère sémantique et sociale qui ajoute une nuance particulière à la relation entre la femme et l’homme concernés. Il est logiquement absent des lettres ou des documents administratifs de type cadastral où l’identité feminine est définie par rapport à l’époux sans impliquer la notion de dépendance financière. Durant le Nouvel Empire, aucune d’entre elles ne se réclame personnellement de ce statut, de même qu’aucun homme ne décrit sa partenaire comme « sa ḥbs.yt ». Néanmoins, on observe une évolution dans l’usage de ce terme qui semble initialement être restreint au domaine administratif voire judiciaire, avant d’entrer dans la sphère funéraire” (A. Wüthrich, „Pour qui me prenez-vous?“. Autoprésentation féminine à la période libyenne, in: Bulletin de la Société d’Égyptologie de Genève 32, 2021, 123–164, hier: 159).
Der hier vorliegende Text verwendet das Wort unzweifelhaft im Plural, der dementsprechend auch Ernst genommen werden muss. Das mag auch der Grund gewesen sein, dass Edwards (1960a, 48) sich für die Übersetzung „concubines“ entschieden hat, die – wie oben dargelegt – abgelehnt werden muss. Stattdessen wurde auf eine irgendwie geartete Spezifizierung verzichtet zugunsten einer allgemeinen Übersetzung mit „seine Frauen“. Aus dem Kontext geht unzweifelhaft hervor, dass es sich bei den hier angesprochenen Frauen um die zukünftigen Sexualpartnerinnen des Orakelbezsitzers handelt. Aus dem Kontext geht allerdings nicht hervor, ob der Plural eine Vorstellung von mehreren gleichzeitigen Beziehungen impliziert, oder ob sich hier allgemein menschliche Erfahrungswerte z.B. zu einer höheren Sterblichkeit von Frauen o.ä. widerspiegeln. Es wäre interessant zu überprüfen, ob ähnliche Formulierungen mit der Bezeichnung ḥm.t belegt sind. Wüthrich (in: BSÉG 32, 2021, 143–144) vermutet zu der hier vorliegenden Formulierung, dass das folgende ẖrd.w ḥm.t möglicherweise dazu beigetragen hat, dass der Schreiber sich – aus welchen Gründen auch immer – für einen anderen Begriff zur Bezeichnung der Frauen entschieden hat. Da die Parallelen zu diesem Versprechen ausschließlich für weibliche Orakelbesitzerinnen belegt sind, kann hierzu nur die Aussage gemacht werden, dass der Schreiber hier individuell formulieren musste und vermutlich keine Vorlage zur Verfügung hatte. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Schreibung in unserem Papyrus keineswegs der zeitgenössich belegten Kurzschreibung entspricht, sondern vielmehr die gängige Schreibung der 20. Dynastie widergibt, so wie sie vor allem in den Grabräuberprotokollen (pLondon BM EA 10053) belegt ist (s. Übersicht der Schreibungen bei A. Wüthrich, „Pour qui me prenez-vous?“. Autoprésentation féminine à la période libyenne, in: Bulletin de la Société d’Égyptologie de Genève 32, 2021, 123–164, hier: 162–164. Die Bezeichnung der männlichen und weiblichen Kinder findet allerdings Paralleln, z.B. im pLondon 10083 (L1), Vso. x+60–61 und pTurin Cat. 1984 (T2), Rto. 112–113).
10 =〈w〉: Ergänzung parallel zum vorausgehenen und den nachfolgenden Sätzen.

[x+45] Ich werde veranlassen, dass das Herz des Pharao Osorkon11, geliebt von Amun, mein guter Sohn, zufrieden12 ist mit ihnen 〈bei〉 jeder Arbeit, während Pharao Osorkon11, geliebt von Amun, [x+50] mein guter Sohn, lebt (und) gesund ist, siegreich (und) stark an Kraft ist, wobei die Zauberreiche, die Herrin von Buto, an seinem Kopf befestigt ist, (und) während jeder Große eines jeden Landes (und) eines jeden Fremdlandes „ja“ zu ihm sagt [x+55] (und) sein (Pharao Osorkons) Stab über/auf ihrem (der Großen/Fürsten) Land ist.13

11 Siehe den Kommentar oben.
12 mtr ḥꜣ.tj: Der Ausdruck mtj (jb/ḥꜣ.tj) (Wb 2, 173.6) bedeutet in der Regel „aufrichtigen Herzens sein“. Inhaltlich bietet diese Bedeutung aber an dieser Stelle keinen zufriedenstellenden Sinn. Edwards (1960a, 49 [25]), verweist daher auf das Demotische (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 190), wo mtr/mtj im Sinne von „zufrieden sein“ oder „zustimmen“ belegt ist, was für diese Stelle inhaltlich deutlich bessere Möglichkeiten bietet. Tatsächlich wird im Text die später aus juristischem Kontext bekannte demotische Formel ḥꜣ.ṱ mtr n=ı͗m=f „(the) heart is satisfied with it“ (CDD m, 280; W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 289) benutzt, was diesem Versprechen weiteres Gewicht verleiht, da hierdurch die Anerkennung des Amulettbesitzers und seiner Nachfahren durch König Osorkon abgesichert wird, während im zweiten Teil des Versprechens die Legitimität des Königs sowie die Anerkennung seines Herrschaftsgebietes von göttlicher Seite garantiert wird. So betont Ritner (R. K. Ritner, Third Intermediate Period Antecendents of Demotic Legal Terminology, in: K. Ryholt (Hrsg.), Acts of the Seventh International Conference of Demotic Studies. Copenhagen, 23–27 August 1999, CNI Publications 27 (Copenhagen 2002), 343–359, hier:, 349): „In the Libyan era, judicial oracles were legal proceedings, and the transcripts of such oracles were designed to have legal force. Though not contracts in the typical sense, these texts do establish a Third Intermediate Period precedent for the terminology of Demotic documents”. Vorläufer dieser Formel finden sich in Texten aus dem Mittleren Reich (Ptahhotep 40, Der Lebensmüde 118, s. E. Cruz-Uribe, Saite and Persian Demotic Cattle Documents. A Study in Legal Forms and Principles in Ancient Egypt, American Studies in Papyrology 26 (Chico 1985), 44–45). Der Ausdruck kommt in anderem Zusammenhang in einem weiteren Text der OAD (pLouvre E3234 (P1), Vso. 2–6 u. Rto. 18–19) in zwei Versprechen vor.
13 mdw=f ḥr-tp tꜣ=sn: Ritner (2009, 76 [8]) verweist auf den Tempel von Dendara (S. Cauville, Dendara III. Traduction, Orientalia Lovaniensia Analecta 95 (Leuven 2000), 54 l. 9 ), in dem der Ausdruck als mdw=f ḥr tp=sn „sein Stab ist über ihren Köpfen“ belegt ist. Ungeachtet dieses späten Belegs ist davon auszugehen, dass dieser Ausdruck bereits sehr viel früher gebraucht worden ist. So könnte man eventuell im Siegelzylinder des Narmer (Ashmolean Museum E 3915: T. C. Heagy, Who was Menes?, in: Archéo-Nil 24, 2014, 59–92, hier: 68, fig. 7) eine der frühesten Darstellungen dieses Ausdrucks erkennen. Der König, der als Wels dargestellt ist, hält einen langen Stab über drei Registern mit gefesselten Feinden. Einschränkend muss erwähnt werden, dass diese Szene nach Kammerzell (F. Kammerzell, Reading Multimodal Compositions from Early Dynastic Egypt (with an Appendix on Previously Unlisted, Reinterpreted or Otherwise Noteworthy Signs), in: E.-M. Engel – A. I. Blöbaum – F. Kammerzell (Hrsg.), Keep out! Early Dynastic and Old Kingdom Cylinder Seals and Sealings in Context, Menes 7 (Wiesbaden 2021), 1–98, hier: 1–87, bes. 30, 74 u. 81) Nꜥr-mḥr ḥwj=f Ṯḥnw zu lesen wäre. Andrerseits wäre hiermit die erfolgte Unterwerfung dargestellt, und mit der Phrase mdw=f ḥr-tp=sn die Macht, genau dies jederzeit vollziehen zu können. Insofern könnte man doch von einer gewissen Parallelität sprechen. Eine Übersicht weiterer Aspekte im Zusammenhang mit Darstellungen von mdw-Stäben bietet D. Farout, La canne-medou et pharaon, in: Égypte, Afrique & Orient 74, 2014, 31–42.

Ich werde 〈seinen〉 ganzen (?) Kopf (und) 〈seinen〉 Schädel gesund erhalten.
Ich werde seinen Nacken gesund erhalten.
Ich werde seinen gesamten Brustkorb gesund erhalten.
Ich werde seinen gesamten Körper [x+60] (und) alle seine Glieder von seinem Kopf bis zu seinen beiden Fußsohlen gesund erhalten.

Ich werde veranlassen, das mein sehr großes (und) erhabenes Orakel des Lebens und der Gesundheit von ihm Besitz ergreift, wobei ich sein Schutz bin täglich, täglich!14

14 Dieses Versprechen ist ein weiteres Mal in Zeile x+70–72 geschrieben worden. Da es dort zur Endformel gehört, und somit an der richtigen Stelle platziert ist, kann man davon ausgehen, dass der Schreiber entweder diesen ersten Eintrag hier fehlerhaft zu früh geschrieben hat oder, dass die beiden folgenden Versprechen nachträglich hinzugefügt worden sind und deshalb dieser Teil der Schlussformel noch einmal wiederholt werden musste.

Ich werde für ihn [x+65] einen guten Reisegefährte machen 〈an〉 allen Orten, zu denen er gehen wird, (und) allen Sanktuaren (?), in die er eintreten wird.
Ich werde ihn beschützen 〈auf〉 dem Boot, dem Wagen (oder) dem Uferdamm (?).

[x+70] Ich werde veranlassen, dass mein sehr großes (und) erhabenes Orakel von ihm Besitz ergreift, während ich sein Schutz bin täglich, täglich!15
Es wurde gemacht nach dem, was gesagt wurde von dem großen Gott, dem Ältesten, der zuerst entstanden ist.

15 Siehe den Kommentar oben.