Oracular Amuletic Decree L3 (Papyrus London BM EA 10308)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
TM 381184; OAD L3
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: EA 10308

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde von dem Antikenhändler Giovanni Anastasi, vermutlich während seiner Zeit als Schwedisch-Norwegischer Consul, in Ägypten angekauft. Insgesamt 1129 Objekte der Sammlung Anastasi wurden zwischen dem 23. und 27. Juni 1857 bei einer öffentlichen Auktion in Paris versteigert. In der Gruppe der Objekte, die vom British Museum erworben wurden, befanden sich der hier vorgestellte Papyrus sowie ein weiterer Orakelpapyrus (pBM EA 10321 = OAD L5). Im Auktionskatalog können die beiden Papyri aufgrund der zu allgemein gehaltenen Beschreibungen nicht eindeutig identifiziert werden. Möglicherweise handelt es sich um die Stücke no. 1061 und no. 1062, die als „Petit manuscrit hiératique de basse époque“ bzw. als „Fragment d’un petit manuscrit hiératique de basse époque“ bezeichnet sind (Lenormant 1857, 92).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960, xiii) geht von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an dem im Text genannten Gott festmacht. Leider ist die Stelle, an der der Gott genannt ist, nicht sehr gut erhalten. Edwards (1960, 25 [35]) meint in den spärlichen Resten eine Schreibung von „Month“ bzw. „Month-Re“ zu erkennen. Die Lesung ist allerdings nur schwer nachvollziehbar. Da der Name des Besitzers ebenfalls nicht erhalten ist, bietet auch dieser keinen Anhaltspunkt zur Verortung des Textes.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1960, 175, n. 5; Ead., 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht mit eingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Der orakelgebende Gott, dessen Name nicht erhalten ist, verspricht dem Besitzer des Amuletts, dessen Name ebenfalls verloren ist, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung seines Körpers. Nach Edwards (1960, 25 [35]) handelt es sich bei dem orakelgebenden Gott um Month bzw. Month-Re. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau/Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderly 2015, 193; Edwards 1960, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet werden. Im Text L1 (pBM EA 10083) ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der Text L1 niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Technische Daten

Von dem Text haben sich insgesamt 15 unterschiedlich große Fragmente erhalten. An beiden Seiten der Fragmente sind die Ränder zusätzlich mal mehr, mal weniger stark beschädigt. Von der ursprünglichen Länge ist ein Teil unbekannter Größe zu Beginn des Papyrus verloren. Zwischen den nach Edwards A und B genannten Teilen des Textes ist ebenfalls ein Teil unbekannter Größe nicht mehr erhalten.

Fragment A entspricht dem Fragment 1. Fragment B konnte Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. VII–VIII) aus den weiteren 14 Fragmenten zusammensetzen (Reihenfolge, s. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 23). Die Fragmente schließen mit nur minimalem Textverlust bzw. direkt an. Am unteren Ende blieben ca. 2 cm des Papyrus unbeschriftet, so dass hiermit sicher das Ende des Textes erhalten ist. Fragment A ist ca. 5,5 cm lang und ca. 5,75 cm breit. Teil B kommt insgesamt auf eine Länge von etwa 87,5 cm mit einer Breite von ca. 5,75 cm. Dieser Text ist nur auf einer Seite beschriftet. Es handelt sich um die Seite, bei der die vertikalen Fasern oben liegen (Recto, transversa carta). Die Fragmente wurden zu einem nicht bekannten Zeitpunkt auf braunes Papier aufgeklebt. Heute ist der Text in der Rekonstruktion nach Edwards in zwei Rahmen montiert.

Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück, auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. protocollon zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner, The Terms Recto and Verso, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner, The Terms Recto and Verso, 29; Bülow-Jacobson, in: Oxford Handbook of Papyrology, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards, HPBM 4, Bd. 1, xii [7] mit Verweis auf Černý, LRL, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem gut lesbaren, leicht kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (HPBM 4), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus BM EA 10308. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle L3 aufgenommen (1960, Bd. 1, 23–25, Bd. 2, pl. VII–VIII).

Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderly 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 23–25.

 

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 7–8.

Literatur zu den Metadaten

- Adderly 2015: N. J. Adderly, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

 

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014) (https://escholarship.org/uc/item/4rw1m0cz, 24.10.2019).

 

- Bourriau - Ray 1975: J. D. Bourriau - J. Ray, Two Further Decree-Cases of Š, in: Journal of Egyptian Archaeology 61, 1975, 257–258.

 

- Bierbrier 2012: M. L. Bierbrier, Who was Who in Egyptology, 4. Auflage (London 2012), 553.

 

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46, 2017, 55–100.

 

- Guentch-Ogloueff 1940: M. Guentch-Ogloueff, Noms propres imprécatoires, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 40, 1940, 117–133.

 

- Jansen-Winkeln 1985: K. Jansen-Winkeln, Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie, 2 Bände, Ägypten und Altes Testament 8 (Wiesbaden 1985).

 

- Jansen-Winkeln 2006: K. Jansen-Winkeln, Thebanische Statuen der 25. und 26. Dynastie, in: SAK 34, 2006, 217–240.

 

- Jansen-Winkeln 2007: K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit. Teil I: Die 21. Dynastie (Wiesbaden 2007), 277.

 

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20, 1963, 31–33.

 

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étudte 81 (Caire 1979), 167–183, Taf 27–29.

 

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9, 1987, 31–32.

 

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118, 2018, 233–239.

 

- Lenormant 1857: F. Lenormant, Catalogue d’une collection d’antiquités Égyptiennes (Paris 1857).

 

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman - R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

 

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 247–253.

 

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

 

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).


- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

 

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

 

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99, 2013, 295–300.

 

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Online-Ressourcen

Übersetzung und Kommentar

Recto

Fragment A

[A, rto x+1] [...]. [...] versperren/verjagen (?)1 [...]. [Ich] werde sie aus der Hand der 7 ⸢Sterne⸣ [des] Großen Wagens (wörtl. Vorderschenkels) retten. Ich werde ⸢sie⸣ bewahren 〈vor〉 dem Herab[stürzen einer] [A, rto x+5] ⸢Mauer⸣ (und) vor der Verwüstung (wörtl. Zerstampfen, Zerstören) eines Gewitterstu[rms].

Fragment B

[... ... ...]2 [B, rto x+1] [... ... ...] [...]3 Amun, ⸢Mut, Chons,⸣ [Pa-Re?]4 Ptah (und) Bastet. ⸢Ich⸣ werde ⸢sie⸣ [beruhigen]5 für sie. Ich werde ⸢sie⸣ unver⸢sehrt⸣ sein lassen ⸢in ihrer⸣ [B, rto x+5] ⸢Hand⸣.6 ⸢Ich werde sie aus⸣ [ihrer]7 ⸢Hand retten⸣. [Ich werde] sie [retten]8 aus der Hand von [...]. [Ich] werde sie retten aus der Hand der Götter [...] [...] das Udjat-Auge über ihnen (?). Ich werde sie retten aus der Hand der Götter des 1. Monats der Überschwemmungsjahreszeit, des ⸢2.⸣ Monats der [Überschwemmungsjahreszeit], [B, rto x+10] des 3. Monats der Überschwemmungsjahreszeit, des 4. Monats der Überschwemmungsjahreszeit, des 1. [Winter]monats, [des 2. Wintermonats, des 3. Wintermonats, des 4. Wintermonats, des 1. Sommermonats], des 2. Sommermonats, des 3. ⸢Sommer⸣[monats, (und) des 4.] Sommermonats.9 Ich werde sie retten aus der Hand ⸢der⸣ Götter vom (Buch) „Das, was im Jahr ist“. Ich werde [B, rto x+15] s[ie] [rett]en aus der ⸢Hand⸣ ⸢dieses (?) Falken (?)⸣10 von Necheb (Elkab). Oder: Ich werde [B, rto x+15] s[ie] [rett]en aus der ⸢Hand⸣ ⸢dieses (?) Falken (?)⸣ B x+15bis[von Nechen (Hierakonpolis) (und) dieser Nubierin (?)] von Necheb (Elkab). ⸢Ich⸣ werde sie [retten] aus der Hand {sie retten aus der Hand}11 ⸢der⸣ [N]ubier {sie} (und) aus der Hand von ⸢Ch⸣[ons] (?). Ich werde ⸢{ihn}⸣ 〈sie〉 bewahren ⸢vor?⸣ ⸢Wadjet⸣ (?).12 [B, rto x+20] [Ich werde sie bewahren vor dem Schwert von Sopdu-Horus]13 des Westens (und) dem Schwert von Sopdu-Horus des ⸢Ostens⸣,14 die Vorsteher der Messerdämonen15 der Neunheit. Ich werde [sie] retten ⸢aus der Hand von⸣ (?).16 [Ich werde sie retten aus der Hand]17 [B, rto x+25] der 4 Sterne.18

⸢Ich werde⸣ [sie] ⸢bewahren⸣ ⸢vor?⸣ Unheil/Mangel. Ich werde sie retten ⸢aus der Hand der⸣ [...] (und) ((aus der Hand)) ⸢der?⸣ [...] ?19 [...] [Ich werde sie bewahren vor] Schorf/Kopfekzem, vor [Hautflechte?],20 [B, rto x+30] vor Juckendem (Ausschlag)21 (und) vor ⸢der ḥmk.t-Krankheit⸣ (?). Ich werde sie bewahren vor der Hautkrankheit aus Syrien (und) [vor?] der Hautkrankheit aus Kusch.

Ich werde sie bewahren vor (Schadens-)Zauber [B, rto x+35] aus Syrien, vor (Schadens-)Zauber aus Kusch, vor (Schadens-)Zauber aus ⸢Nub⸣[ien] (?) vor ⸢(Schadens-)Zauber⸣ [aus (?),23 vor (Schadens-)Zauber] der Schasu-Nomanden, vor ⸢(Schadens-)Zauber⸣ der Pyd-Libyer, vor (Schadens-)Zauber [B, rto x+40] von Ägyptern, vor ⸢einem Zauberer⸣ (und) vor einer Zauberin (?), bzw. vor ⸢(Schadens-)Zauber⸣ von R[...] (?),24 [vor (Schadens-)Zauber] von Schagarhab?25 (und) vor (Schadens-)Zauber jeglicher ⸢Art⸣ (?).26

Ich werde sie retten [B, rto x+45] aus der Hand der [Messerdämonen] (?) (und) der [Wand]erdämonen.27 Ich werde [sie] ⸢bewahren⸣ vor einem Angreifer, der sie angreift. Ich werde sie bewahren vor einem wr.t-Geist eines Kanals, vor ⸢einem wr.t-Geist⸣ eines [...], [B, rto x+50] vor einem wr.t-Geist des Nils, vor ⸢einem wr.t-Geist⸣ eines Teichs, vor ((einem wr.t-Geist)) einer Pfütze, vor einem [männlichen] ⸢wr.t-Geist⸣, [vor einem] weiblichen [wr.t-Geist], vor einem wr.t-Geist ihrer ⸢Mutter⸣ (und) ((ihres)) Vaters.

Ich werde ihr [...] [B, rto x+55] gesund erhalten. ⸢Ich⸣ werde [ihr] [...] gesund erhalten. [Ich werde] ihren Rücken gesund erhalten. ⸢Ich⸣ werde ihren Kopf [gesund erhalten]. Ich werde ihre Wange bzw. ihre Brüste gesund erhalten. [Ich werde] ihr [...] [gesund erhalten.] Ich werde ihre Milz gesund erhalten. [B, rto x+60] Ich werde ihre Lunge gesund erhalten. Ich werde ihr pr-ḏꜣ.t-Organ gesund erhalten. Ich werde ihren [gesamten?] Rumpf28 gesund erhalten von ihrem Kopf zu ihren [B, rto x+65] Fußsohlen.

Gesprochen hat ?29 [dieser große Gott], ⸢der Älteste⸣, der [zuerst] ⸢entstanden ist⸣ [...]


1 ⸢⸮sb?⸣sb: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 23 [1]) vermutet hier den Anfang eines Versprechens. Er erkennt in den Resten am rechten Rand einen schlagenden Mann (A24), den er zu šdi̯ „retten/bewahren“ (Wb 4, 563.2–9) ergänzt. Dementsprechend versteht er die folgenden Zeichen als Suffixpronomen =st und Präposition r, wobei er einräumt, dass die Lesung nicht sicher sei. Danach folgt leidlich gut erkennbar sb, eine schwer zu identifizierende Gruppe, die auch Edwards nicht transkribiert, sowie eventuell noch ein Füllstrich o.ä. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 23 [2]) vermutet eine korrupte Schreibung von sbḥ „Lepra“ (Černý, CED 148; Meeks, AL 77.3506; Lesko, Dictionary III, 33) mit Verweis auf pBM EA 10083 (L1), rto x+10. Der Rest der Zeile ist verloren, wobei noch minimale nicht erkennbare Tintenspuren auf dem Bruch erkennbar sind. Da die nächste Zeile mit šdi̯ beginnt, lässt sich aber sicher sagen, dass der Anfang des nächsten Versprechens noch in dieser Zeile geschrieben sein muss. Das spricht meiner Meinung nach gegen eine Lesung von sbḥ „Lepra“, das sonst nie allein, sondern generell in Verbindung mit kꜣmn „Augenleiden/(erworbene) Blindheit“ (Grässler, Auge, 262) sowie dem „Wirken des Udjat-Auges“ genannt ist. Für die beiden folgenden Begriffe bietet die Zeile allerdings keinen Platz.
Die Lesung von Edwards kann ich ohnehin nur bedingt nachvollziehen. Die Spuren zu Beginn der Zeile sind nach meiner Ansicht so indifferent, dass die Lesung von A24 sowohl möglich als auch unmöglich erscheint, zumal der Rand nicht ganz erhalten zu sein scheint. Noch am besten zu erkennen ist zweifelsohne das s (S29) vor der Gruppe sb. Die Spuren zwischen s und sb kann ich nur schwer mit einer Lesung von t (X1) über r (D21) in Einklang bringen. Ohne jede Sicherheit würde ich eher ein b (D58) erkennen wollen, was zu einer Lesung ⸢⸮sb?⸣sb „versperren/verjagen“ (Wb 3, 434.3–4; Wilson, Ptol. Lexikon, 821–822) führen würde. Das Wort ist sonst nicht in den OAD belegt, könnte inhaltlich aber schon mit einer möglichen Gefährdung der Orakelbesitzerin in Verbindung gebracht werden. Die schwierige Gruppe am Ende des Wortes würde ich in diesem Zusammenhang mit aller gegebenen Unsicherheit als Doppelstrich (Z4) über dem schlagenden Arm interpretieren (D40). Durch den fehlenden Kontext sowie den unzureichenden Erhaltungszustand bleibt diese Lesung jedoch spekulativ.

2 Textverlust: Edwards (HPBM 4, Bd. 23) geht davon aus, dass nicht mehr als zwei Zeilen Text zwischen den Fragmenten A und B verloren gegangen sind. Der Verlust dürfte also nicht mehr als ein Versprechen ausmachen.

3 [___]: Der Beginn des Versprechens ist verloren. Aufzählungen von Göttern bzw. Göttergruppen, vor denen der Besitzer des Orakels geschützt, vor deren Ba-Macht er bewahrt oder aus deren Hand er gerettet werden soll, gehören zum Standard-Repertoire der Oracular Amuletic Decrees (s. Grams, in: SAK 46, 2017, 77–80). Aufzählungen von einzelnen Göttern beginnen in der Regel mit Amun, so dass wir auch im hier vorliegenden Versprechen mit diesem Gott den Anfang der Aufzählung fassen können dürften. Eine vollständige Rekonstruktion des Versprechens ist leider nicht möglich, da die Zeichengruppe zu Beginn von Zeile B, rto x+2 nicht zu identifizieren ist. Direkt vor dem ersten Götternamen wären nach den Parallelen entweder die Präpositionen r oder m-ḏr.t zu erwarten, ebenfalls belegt ist bꜣ.w (n.j). Die erhaltenen Reste an dieser Stelle sind aber sicher nicht mit den Präpositionen zu vereinbaren und auch mit Schreibungen des Ausdrucks bꜣ.w lassen sie sich nicht recht verbinden.

4 [⸮pꜣ-Rꜥw?]: Ergänzung nach Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 23 [5]. Zur Gruppe Pa-Re, Ptah und Bastet vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 52–53.

5 jw=⸢j⸣ (r) [shru̯]=⸢w⸣: Vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 86–87.

6 jw=j (r) ḏi̯.t w⸢ḏꜣ⸣=⸢st⸣ ⸢m-ḏr.t⸣=w: Vgl. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 85.

7 Ergänzung nach Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. VIIA). Zu Beginn der nächsten Zeile (B, rto x+6) sind der schlagende Mann (A24) sowie Reste des Suffixpronomens =st zu erkennen. Daher muss das nächste Versprechen bereits in Zeile x+5 beginnen. Das setzt voraus, dass nur wenig Platz für eine Ergänzung dieses Versprechens zur Verfügung steht. Die von Edwards angebotene Lösung ist daher die einzige Möglichkeit, die noch zu erkennenden Zeichen in Zeile x+5 und x+6 unter einen Hut zu bringen.

8 [jw=j r šdi̯]=⸢st m-ḏr.t⸣: Zu Beginn von Zeile x+6 sind Reste zu erkennen, die sich gut mit dem schlagenden Mann (A24) als Klassifikator von šdi̯ sowie mit V29-X1 (=st) vereinbaren lassen. Danach sieht man noch den unteren Teil einer Eule (G17) sowie den tief unter die Zeile gehenden Semogrammstrich (Z1), der charakteristisch für die Schreibung von m-ḏr.t ist. Der Rest der Zeile ist komplett verloren.

9 Ergänzung: Die Ergänzung ergibt sich aus der Struktur dieses Versprechens. Die bis auf winzige Reste der beiden ersten Zeichen komplett verlorene Zeile x+11 muss die fehlenden Monate in der Aufzählung enthalten. Der zur Verfügung stehende Platz und die erhaltene Schreibung für den Monat pr.jt lassen sich gut in Einklang bringen, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 24 [7].

10  ⸢⸮pꜣj?⸣ ⸢⸮bj?⸣[⸮k?]: Der potenzielle Gefährder bzw. die potenziellen Gefährder, vor denen in diesem Satz Schutz versprochen wird, sind aufgrund des Erhaltungszustands des Textes schwer zu identifizieren. Es gibt einige Spuren am Ende von Zeile B, rto x+15, die Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24) unübersetzt lässt, aber in den Hieroglyphen einen Vogel (Gans? G39) mit Semogrammstrich (Z1) und darauf folgend Bein (b: D58) und Schilfblatt (j: M17) angibt. In der folgenden Zeile (B, rto x+16) liest man sehr deutlich Nḫb „Elkab“ (Wb 2, 309.2–5 GDG III, 99 LÄ VII, 294), wenn auch in einer ungewöhnlichen Schreibung mit einem präfigierten nꜣ, das wie der Pluralartikel mit dem Pluralklassifikator (Z2) versehen ist. Eine Parallele für diese Schreibung, allerdings ohne Z2, findet sich im Onomastikon des Amenemope (pGolénischeff, IV, 13: Gardiner, Onomastikon II, 8* [321]; Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 24 [9]).
Eine mögliche Parallele bietet ein Versprechen, in dem der Orakelbesitzer vor dem Falken von Hierakonpolis (pꜣj bjk Nḫn) und der Nubierin von Elkab (tꜣj Nḥs.t Nḫb) Schutz erhält. Dieses Versprechen begegnet in zwei Papyri: pTurin Cat. 1985 (T3), rto 48–50 und pLouvre E 25354 (P3), rto 33–35. In den Zeichenresten am Ende von Zeile B rto, x+15 pꜣj bjk zu erkennen, bleibt diskussionswürdig, wäre aber nicht unmöglich. In Ermangelung einer plausibleren Alternative stelle ich diese Lesung mit aller gebotenen Vorsicht vor. Wenn man also in diese Richtung gehen möchte, bieten sich zwei mögliche Szenarien der Interpretation: (1) Der Schreiber hat einen Fehler gemacht und Text ausgelassen; die beiden Götter wurden zu pꜣj bjk Nḫb „diesem Falken von Necheb (Elkab)“ verschmolzen. Die hohe Fehlerquote im folgenden Versprechen, in dem verschiedene Satzteile doppelt geschrieben wurden, wäre ein Argument für dieses Szenario. (2) Zwischen Zeile B, rto x+15 und 16 verläuft ein Bruch, und es lässt sich nicht ausschließen, dass zwischen diesen beiden Zeilen eine komplette Zeile verloren gegangen sein könnte. Der fehlende Text Nḫn tꜣj Nḥs.t würde gut in eine Zeile passen und diese füllen. Edwards geht nicht davon aus, dass Text zwischen den beiden Fragmenten verloren gegangen sein könnte, wie man an seiner Hieroglyphenabschrift erkennen kann (HPBM 4, Bd. 2, pl. VIIA). Allerdings sind die Fragmente im Rahmen so arrangiert, dass der Abstand dazwischen Raum für eine weitere Zeile bietet.
Eine gesicherte Lesung für diesen Satz ist aufgrund des Erhaltungszustands leider nicht möglich.
Da die Datenbank innerhalb einer Ambiguität keine Linecount-Angaben akzeptiert, musste in der Transkription auf eine Bezeichnung der eventuell zusätzlich zu ergänzenden Zeile (B, rto x+15bis) verzichtet werden.

11 {šdi̯=st m-ḏr.t}: Dittographie.

12 [___]: Zu Beginn von Zeile B, rto x+20 ist eine Kobra (I12) zu erkennen, daher wird zuvor der Name einer Göttin gestanden haben. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24) schlägt „Wedjoyet“ vor. Die erhaltenen Zeichenspuren lassen sich mit der Papyrussäule (M13) verbinden (vgl. pLondon BM EA 10221, 3, 12), so dass „Wadjet“ eine plausible Ergänzung darstellt. Innerhalb der Oracular Amuletic Decrees ist dieses Versprechen ohne Parallelen.

13 Ergänzung: Vgl. die Parallelen in pTurin Cat. 1984 (T2), rto 47–49 und pKairo, CG 58035 (C1), rto 38–41, wo es allerdings nur um die Götter geht, aus deren Hand der jeweilige Orakelbesitzer gerettet werden soll. Das Schwert ist in diesen beiden Texten nicht erwähnt.

14 Zu Sopdu-Horus s. Töpfer, Balsamierungsritual, 325, 298 (speziell zur Verbindung mit jꜣb.t und jmn.t); Beaux, in: BdE 106.1, 61–72 (1994); LGG VI, 279b; Sauneron, Rituel de l’embaumement, 8, 22; Yoyotte, in: BSFE 114, 1989, 20; pNew York 35.9.21, 31,10: Goyon, in: BIFAO 75, 1975, 391.

15 ḫꜣy.tjw: LGG V, 407b; Sass, Slaughterers, Knife-Bearers and Plague-Bringers, 49–51.

16 [___]: Die Bezeichnung des Gefährders ist nicht erhalten. Da das nächste Versprechen in der gleichen Zeile beginnen muss, bleiben nicht mehr als zwei Quadrate für das Wort.

17 (([m]-⸢ḏr.t⸣)): Zu Beginn von Zeile B, rto x+25 sind minimale Zeichenreste zu erkennen, die man gut mit dem oberen Teil der Hand (D46) und dem Beginn des Semogrammstrichs (Z1) verbinden kann. Dementsprechend liest Edwards (HPBM 4, Bd. 2, l. VIIA) zu Beginn von Zeile B, rto x+25 m-ḏr.t. Betrachtet man die Zeichen allerdings genauer, so erkennt man, dass die Gruppe deutlich oberhalb der Zeile angesetzt wurde und zudem nach vorne extrem wenig Platz für die Gruppe zur Verfügung steht. Die Zeile B, rto x+25 ist ansonsten sehr großzügig geschrieben. Doch für das m steht kaum Platz zur Verfügung, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Schreiber die Gruppe über den Zeilenbruch getrennt hat. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Schreiber über den Zeilenumbruch m-ḏr.t zunächst vergessen hatte und es erst nachträglich am Beginn der Zeile B, rto x+25 eingefügt hat. Die gequetschte Schreibung und die Position oberhalb der Zeile kann hierdurch gut erklärt werden.

18 pꜣ 4 sbꜣ: In keinem anderen Text der Oracular Amuletic Decrees ist eine Konstellation aus vier Sternen erwähnt. Eine sichere Identifizierung dieser Sternengruppe und der von ihr ausgehenden Gefahr ist daher nur schwer möglich. Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24 [13]) zitiert eine mündliche Aussage von Parker, in der er auf die Repräsentation der vier Horussöhne durch vier Sterne in Dekanlisten astronomischer Darstellungen verweist, vgl. hierzu Bressollette, in: BABELAO 6, 2017, 41–45. Doch auch andere Sternkonstellationnen wurden mit den vier Horussöhnen assoziiert. In der nördlichen Hemissphäre wurden die Horussöhne mit den vier Sternen in Verbindung gebracht, die den Körper des Großen Bären darstellen (s. Wainwright, in: FS Griffith, 381; Mathieu, in: ENiM 1, 2008, 11–14; Thuault, in: BIFAO 120, 2020, 431; vgl. Grams, in: SAK 46, 2017, 75), während in der südlichen Hemisphäre die vier äußeren Sterne im Sternbild des Orion als die vier Horussöhne identifiziert wurden, Mathieu, in: ENiM 1, 2008, 11–14.

19 jw=j (r) šdi̯=st ⸢m-ḏr.t⸣: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 24) vermutet, dass der Beginn eines Versprechens am Ende von Zeile B, rto x+26 ebenfalls die in Zeile B, rto 29–30 genannten Krankheiten umfasst. Die Krankheiten sind allerdings generell mit der Präposition r angeschlossen, die sich in den Zeilen B rto, x+29–30 auch in drei Fällen erhalten hat. Zu Beginn der Zeile B, rto x+27 sind Zeichenreste zu erkennen, die zu m-ḏr.t passen, jedoch nicht zu r, und im weiteren Verlauf der Zeile ist sehr deutlich lesbar m-ḏr.t über der Zeile ergänzt worden. Innerhalb eines Versprechens wird generell nicht zwischen den Präpositionen r und m-ḏr.t gewechselt, weshalb man davon ausgehen muss, dass am Ende von der Zeile B, rto x+28 der Anfang eines weiteren Versprechens rekonstruiert werden muss, das Schutz vor einer Reihe von Hautkrankheiten gewährt.

20 [⸮mšpn.t?]: Eine Ergänzung von mšpn.t „Hautflechte“ (Wb 2, 157.6; MedWb 398; Westendorf, Handbuch, 322–323) ist naheliegend, da diese Krankheit in allen ihren Belegstellen in den Oracular Amuletic Decrees zusammen mit der mš(š).t-Hautkrankheit genannt ist, vgl. pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+41–42; pLondon BM EA 10587 (L6), vso 27; pTurin Cat. 1983 (T1), rto 28; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 106; pTurin Cat. 1985 (T3), rto 28–29; pBerlin ÄMP 10462 (B), rto x+70–71. Es sind geringfügige Spuren zu erkennen, die sich aber der Schreibung von mšpn.t nicht eindeutig zuordnen lassen.

21 ḫꜣḫꜣ: Das ḫꜣḫꜣ-Phänomen „Jucken/Juckreiz“ (Černý, CED 306; Lesko, Dictionary II, 194) ist in zwei Texten der Oracular Amuletic Decrees (pLondon BM EA 10308 (L3), B, rto x+30; pLondon BM EA 10587 (L6), vso 27) im Kontext von Hautkrankheiten bezeugt, s. Quack, in: Papyrus Ebers und die antike Heilkunde, 78. Es findet seine Fortsetzung im Koptischen ϩⲱϩ „itching“ (Crum, Dict. 742). Ob es sich bei dem Begriff um die Bezeichnung einer Hautkrankheit bzw. einer Hautirritation handelt, wie es Grams (in: SAK 46, 2017, 70: Dermatitis) vermutet, oder ob mit dem Begriff ein Symptom wie „Juckreiz“ bezeichnet wurde, ist nicht sicher zu entscheiden, s. Mueller et.al., in: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology 34, 2020, 1643.

22 ḥ⸢⸮m?⸣[k].⸢ṱ⸣: Eine Übersicht zu den in den Parallelen zu diesem Versprechen genannten Hauterkrankungen bietet Quack, in: Papyrus Ebers und die antike Heilkunde, 78. Geht man davon aus, dass in diesem Versprechen keine neue, sondern eine weitere Krankheit genannt ist, die uns aus den Parallelen bereits bekannt ist, sind die erkennbaren Zeichenspuren einzig mit einer Schreibung der ḥmk.t-Krankheit (Wb 3, 99.11; MedWb 603–604; Hoch, Sem. Words, no. 315; Haider, in: Das Ägyptische und die Sprachen Vorderasiens, Nordafrikas und der Ägäis, 417–418) plausibel in Verbindung zu bringen. Man hätte eine Schreibung ähnlich wie im pTurin Cat. 1983 (T1), vso 30–31, jedoch mit einem vorausgehenden (V28), da zu Beginn des Wortes ein senkrechter Strich gut zu erkennen ist. Die folgenden Spuren lassen sich leidlich gut mit der Papyrus-Pflanze (M16) in Einklang bringen. Die Spuren am Ende der Zeile sind zu gering, um die Lesung abzusichern bzw. in Zweifel zu ziehen, immerhin würde der zur Verfügung stehende Platz gut ausreichen. Und zu Beginn der Zeile B rto, x+31 sind recht sicher der tj-Stößel (U33), ein Schilfblatt (M17) sowie die schlechte Pustel (Aa2) zu erkennen, was gut zur Schreibung ḥmk.ṱ passen würde.

23 r ḥkꜣ.jw ⸢⸮Nḥ?⸣[s] r ⸢ḥkꜣ.jw⸣ [___]: Edwards (HPBM 4, Bd. 2, pl. VIIA) macht keine Angaben zu den Zeichenresten am Ende von Zeile B, rto x+37 und dem Anfang der folgenden Zeile. Zu Beginn von Zeile B, rto x+38 sind ziemlich deutlich drei Zeichen zu lesen: Wurfholz (T14) – Pluralklassifikator (Z3, vgl. Z. B, rto x+35 u. 36) – r (D21). Es ist also recht klar, dass mit dem Wurfholz als Klassifikator das Toponym abschließt und mit r [ḥkꜣ.jw] ein neues Element anschließen muss. Am Ende von Zeile B, rto x+36 sind Spuren von zwei übereinander liegenden breiten Zeichen auszumachen, die man gut mit einer reduzierten Schreibung des Helmperlhuhns (G21) verbinden kann, wie sie beispielsweise in einer Parallele, im pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+35, vorkommt. Der linke Rand ist vermutlich nicht vollständig erhalten, so dass man annehmen kann, dass urspünglich noch Raum für ein Tuch-s (S29) vorhanden gewesen sein dürfte. Ich ergänze also Nḥs „Nubien“, das in den Parallelen gut bezeugt ist. Aus dieser Ergänzung folgt, dass in der Zeile B, rto x+37 zweimal r ḥkꜣ.jw zu rekonsturieren ist, denn Zeile B, rto x+38 beginnt mit zwei Klassifikatoren, die zu ḥkꜣ.jw gehören, sowie der Bezeichnung Šꜣs.w. Für eine einfache Ergänzung ist die Zeile zu lang. Vergleicht man die Schreibungen von ḥkꜣ.jw in den umgebenden Zeilen, so ergibt sich, dass für ein weiteres Toponym maximal zwei Quadrate zur Verfügung stehen. Alle üblichen Toponyme und Bezeichnungen, die in den Paralleltexten vorkommen, wurden allerdings in diesem – sehr ausführlichen – Versprechen bereits genannt. Denkbar wäre beispielsweise eine Formulierung wie ḫꜣs.t nb.t „jedes Fremdland“, was sowohl inhaltlich als auch vom zur Verfügung stehenden Platz passen könnte, vgl. pChicago OIM E25622A-D (Ch), 35.

24 B, rto x+41: Man erwartet ein Toponym oder die Bezeichnung einer Gruppe bzw. einer Person, die Schadenszauber bewirken kann, da am Ende der vorhergehenden Zeile r ḥkꜣ recht gut zu erkennen ist. Zu Beginn von Zeile B, rto x+41 ist ein r zu lesen, so dass eventuell eine Dittographie vorliegen könnte, oder aber man ergänzt nach Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 25 [20]) r ⸢ḥkꜣ⸣.[w] (B, rto x+41) r ⸢ḥkꜣ⸣.[t] „vor einem Zauberer (und) einer Zauberin“ mit Verweis auf eine ähnliche Formulierung im pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+38–39 (r ḥkꜣ.w n.j ḥkꜣ.w ḥkꜣ.t). Gleichwohl könnte hier auch die Bezeichnung einer Gruppe oder Person mit r beginnen.

25 šꜣ~⸮g?~rʾ~h~b[__]: Es scheint sich um ein nicht-ägyptisches Toponym bzw. eine Bezeichnung einer ethnischen Gruppe zu handeln, die syllabisch geschrieben worden ist. Parallelen innerhalb der Oracular Amuletic Decrees sind nicht belegt. Eine Identifizierung steht noch aus.

26 ⸮wn?[__]: Das letzte Element in diesem Versprechen ist ebenfalls schwierig zu lesen. Eine Parallele (pLondon BM EA 10083 (L1), vso x+40) formuliert das letzte Element r ḥkꜣ.w n.j wnḏ.wt. Die Frage ist, ob eine Schreibung für wnḏ.t mit den erkennbaren Tintenspuren in Einklang zu bringen ist. Zu Beginn des Wortes könnte man wn lesen, doch die Spuren passen zu dem liegenden Hasen (E34) und wnḏ.w wird normalerweise mit der Blüte (M42) über dem Berg (N26) geschrieben. Die weiteren Spuren sind so unspezifisch, dass keine Aussage getroffen werden kann.

27 Gewöhnlich werden die Messerdämonen und die Wanderdämonen in den Oracular Amuletic Decrees gemeinsam erwähnt, vgl. z.B. pTurin Cat. 1984 (T2), rto 42–43.

28 mhn: Der Begriff mhn „Kiste“ (Wb 2, 115.1–3) wird in der Regel als Bezeichnung von Realia verwendet. In der Lehre des Amenemope (pBM EA 10474, rto 3.12) findet sich die Bezeichnung auch übertragend als mꜥhn.w n.j ẖ.t=k „Kasten deines Leibes“. In den Oracular Amuletic Decrees ist der Begriff sonst nicht bezeugt. Offenbar tritt er hier für den Begriff hnw „Kasten, Schädel, Brustkorb, (Mutter-)Leib“ (Wb 2, 491.9–492.4; MedWb 565; Walker, Anatom. Term., 271) ein, der in einigen Varianten der Formel zur Gesunderhaltung des gesamten Körpers belegt ist, z.B. im pLondon BM EA 10587 (L6), rto x+47.

29 [___]: Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 35 [35]) meint in den Spuren vor der Lücke Month lesen zu können und vermutet, dass in der Lücke noch Re gestanden haben könnte. Ich kann allerdings vor der Lücke nicht mehr als den Rest eines Strichs erkennen. Meiner Meinung nach ist der Name des Gottes vollständig verloren.