Oracular Amuletic Decree NY (Papyrus New York MMA 10.53)

Metadaten

Wissensbereiche
Schlagwörter
Alternative Namen
OAD NY
Aufbewahrungsort
Nordamerika » U.S.A. » (Städte L-P) » New York City (NY) » Metropolitan Museum of Art
Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Die genaue Herkunft des Papyrus ist nicht bekannt. Edwards (1960a, xiii) nimmt generell für diese Gruppe von Texten eine Herkunft aus Theben an. Diese Annahme wird zumeist durch die im Text genannten Götter gestützt. Die Götter, die das Orakel geben, sind in diesem Fall Isis und Horsiese, die als Begründung einer Verortung nach Theben nicht so leicht herangezogen werden können.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1960, 175, n. 5; Ead., 1963, 32) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten nicht miteingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Die orakelgebenden Götter, Isis und Horsiese, versprechen der Besitzerin des Amuletts, Anchesenaset, deren Vater der Gefolgsmann des Amun, Djedchons, ist, Schutz vor Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100. Für den Namen der Mutter war Platz frei gelassen, doch der Name wurde nicht eingetragen. Sie wird als (Ehe-)Frau (ḥbs.yt) von Djedchons bezeichnet.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau/Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und diente somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderley 2015, 193; Edwards 1960, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet wird. Im hier vorliegenden Papyrus ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der hier vorliegende Text niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Papyrus ist nur auf einer Seite, dem Recto, beschrieben. Auf dem Verso befindet sich lediglich eine Zeile, die den Namen der Orakelbesitzerin angibt, ähnlich wie bei den Papyri pLouvre E 25354 (P3) und pLouvre E 3234 (P1). Der Papyrus wurde zusammengerollt gefunden und im Jahr 1952 in Vorbereitung der Edition durch Edwards entrollt. Der 6,1 cm breite und 91,5 cm lange Papyrus ist vollständig erhalten. Wie bei den meisten anderen Oracular Amuletic Decrees verlaufen die Fasern auf der beschrifteten Seite vertikal.

Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Recto“ bezeichnet wird, bei der die vertikalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück, auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem deutlich kursiven Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand 1992, 536–537.

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a+b), darunter auch der hier bearbeitete Papyrus New York MMA 10.53. Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Unser Text ist dort mit der Sigle NY aufgenommen (1960a, 103–105, Bd. 2, pl. XL-XLI). Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderley 2015, 191–227; Grams 2017, 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom I. Text. London 1960, 103–105.

- I. E. S. Edwards. Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series: Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom II. Plates. London 1960, pl. XL-XLI.

Literatur zu den Metadaten

- Adderley 2015: N. J. Adderley, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014) (24.10.2025).

- Bierbrier 2019: M. L. Bierbrier. Who was who in Egyptology. 5. überarbeitete Auflage. London 2019.

- Bourriau – Ray 1975: J. D. Bourriau – J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61 (1975), 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939).

- Derchain 1965: Ph. Derchain, Le Papyrus Salt 825 (B.M. 10051) rituel pour la conservation de la vie en Égypte, Mémoires (de l’)Académie Royale de Belgique: Classe des Lettres 58, 1a (Bruxelles 1965).

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46 (2017), 55–100.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20 (1963), 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étude 81 (Caire 1979), 167–183, Taf. 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9 (1987), 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118 (2018), 233–239.

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman – R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58 (1972), 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99 (2013), 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1. La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2 (Liège 1992).

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree NY (Papyrus New York MMA 10.53)

Recto

[rto 1] In göttlicher Weise hat Isis, die groß ist als Göttin,1 gesprochen, diese große Göttin, die Älteste, die zuerst entstanden ist; (und) in göttlicher Weise hat Horsiese gesprochen, dieser große Gott, der Älteste, der zuerst entstanden ist:

Wir werden Anchesenaset beschützen, [rto 5] diese Tochter von [Name ausgelassen]2, dieser ḥbs.yt-(Ehe-)Frau3 von Djed〈chon〉su4, dem Gefolgsmann des Amun,5 {meine}〈unsere〉 Dienerin.

{Ich} 〈Wir〉 werden sie gesund erhalten an ihrem Fleisch (und) an ihrem Skelett. Wir werden sie behüten. Wir werden sie beschützen. Wir werden (aktiv) [rto 10] zwischen ihr und jeder Krankheit stehen (wörtl. handeln). Wir werden ihr Leben, Gesundheit, eine lange (Lebens-)Zeit (sowie) ein hohes (und) schönes Alter geben. Wir werden das Sehen ihrer beiden Augen (und) das Hören ihrer beiden Ohren veranlassen. Wir werden ihren [rto 15] Mund öffnen, um zu essen (und) um zu trinken. Wir werden sie essen lassen, um zu leben. Wir werden sie trinken lassen, um gesund zu bleiben. Wir werden sie sich vollständig sättigen lassen (wörtl. sich 〈an〉 einer Sättigung sättigen) an einem schönen Leben auf Erden. Wir werden ihren gesamten [rto 20] Körper und alle ihre Glieder von ihrem Kopf bis zu ihren beiden Fußsohlen gesund erhalten.

Wir werden sie bewahren vor jedem (bösen) Plan eines jeden Gottes (und) einer jeden Göttin von Himmel, Erde (und) Unterwelt in all ihren Namen. Wir werden sie bewahren [vor] ⸢de⸣ren (der Götter) bꜣw-Macht. [rto 25] Wir werden sie (die Götter) beruhigen für sie (die Orakelbesitzerin). Wir werden veranlassen, dass sie alles (wörtl. jede Sache) tut, mit der 〈sie〉 sie (die Götter) zufriedenstellt (?). Wir werden sie vor jeglicher Aktion eines Messerdämons bewahren, vor jeglicher Aktion eines Schreckensdämons, vor jeglicher Aktion eines Wanderdämons, vor jeglicher Einwirkung der Jahresseuche, [rto 30] vor jeglicher Aktion eines jeden Gottes, der angreift, vor jeglicher Aktion eines jeden Botens6 eines jeden Gottes (und) einer jeden Göttin (sowie) vor jeder üblen (Nach)rede. Wir werden sie aus der Hand der Messerdämonen der Sachmet retten, der der Wanderdämonen der Bastet, der der Boten6 [rto 35] des Atum (und) der der Götter des (Buches) „Das, was im Jahr ist“.

1 die groß ist als Göttin (wr.t m nṯr.t): Einzigartiges Epitheton der Göttin Isis, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 103 [1]: great in being divine; LGG II, 491b.

2 [Name ausgelassen]: Der Name der Mutter wurde ausgelassen. Ca. vier Quadrate wurden zwischen tꜣj šrj(.t) n(.t) und der sitzenden Frau (B1) als Klassifikator des Namens frei gelassen. Warum der Name nicht eingetragen worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis, leider ist er weder im folgenden Text noch auf der Adresse auf dem Verso ein zweites Mal bezeugt, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 103 [4].

3 ḥbs.yt-(Ehe-)Frau: Es ist unklar, ob sich diese Angabe auf die Mutter oder die Orakelbesitzerin bezieht. Da der Name des Mannes in der Adresse auf dem Verso nicht genannt wird, geht Edwards (HPBM 4, Bd. 1, 103 [5]) davon aus, dass es sich um die Mutter handeln dürfte.

4 Djed〈chon〉su (Ḏd-〈Ḫn〉s.w): Vorschlag von Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 103 [6]. Leider taucht der Name im weiteren Verlauf des Textes und auch in der Adresse auf dem Verso nicht noch einmal auf.

5 der Gefolgsmann des Amun (pꜣ šms.w n(.j) Jmn): Die Bezeichnung šms.w n(.j) Jmn ist zweimal in dem Text bezeugt. Einmal zu Beginn des Textes in der Vorstellung der Orakelbesitzerin, und ein zweites Mal auf dem Verso, auf dem lediglich eine Adressangabe notiert wurde. Zu Beginn des Textes kann die Bezeichnung nur als Titel mit vorausgehendem bestimmten Artikel angesehen werden, da mit dem vorausgehenden Ḏd-〈Ḫn〉s.w der Name bereits genannt ist, s. Edwards, HPBM 4, Bd. 1, 103 [6]). Auf dem Verso in der Adresse ist der Name des Mannes nicht genannt; der Befund dort ist also nicht ganz eindeutig. Ein Titel šms.w-n(.j)-Jmn „Gefolgsmann des Amun“ ist bisher nicht belegt. Ungewöhnlich ist auch die Kombination des Titels šms.w mit einem Götternamen. Denn der Titel tritt für gewöhnlich einerseits in Verbindung mit dem König bzw. dem Palast auf und bezeichnet dort vermutlich einen Beamten innerhalb der Organisation oder Verwaltung, und andrerseits wird der Titel auch in militärischem Kontext verwendet, wobei er dann generell mit einer Wächterfunktion assoziiert wird (Taylor, Titles of the 18th Dyn., 225–230 [2200–2234]; Quirke, Titles and bureaux, 47; Al-Ayedi, Titles of the NK, 603–608 [2017–2035]; Quirke, in: Bietak/Prell, Palaces I, 190–191). In der Onomastik findet sich mit Šms.w-n.j-Ptḥ (RPN I, 328.07) zumindest ein Beispiel mit einem parallelen Bildungsmuster. Doch lässt sich der Kontext zu Beginn des Textes nicht mit einer Identifikation als Personenname vereinbaren.

6 Bote (jpw.tj): In diesem Text wird der Begriff wpw.tj „Bote“ (Wb 1, 304.10–11) als Bezeichnung für gefährliche göttliche Entitäten an zwei Stellen (rto 31 und 34) erwähnt. Es wird in Zeile rto 31 mit Schilfblatt (M17) und Kreuz (Z9) über den laufenden Beinen (D54) eine sehr verkürzte Schreibung des Wortes verwendet. In Zeile Rto. 34 findet sich die gleiche Schreibung, am Ende ergänzt durch zwei Abkürzungsstriche (Ff 1), einen Götterklassifikator (G7) sowie einen kleinen waagerechten Füllstrich zum Ende der Zeile.

〈Wir〉 werden sie zu jeder Zeit ersetzen lassen (= jemand anderen an ihrer Stelle ausliefern). Wir werden sie vor jeder Krankheit bewahren, jeder Infektion, jedem Fieber, jeder srf-Hautentzündung, jeder rmn.t-Hautkrankheit, jeder Bitterkeit, jedem [rto 40] Unglück, jeder Sache, die Wehklagen bei ihr verursachtWir werden niemals, niemals zulassen, dass sie (alle oben genannten Gefahren und Krankheiten) bei ihr auftreten (wörtl. entstehen).

Wir werden sie bewahren vor jeder Aktion eines wr.t-Geistes (und) vor jeder Einflussnahme (wörtl. Herankommen) eines wr.t-GeistesWir werden sie bewahren vor jedem bösen [rto 45] Blick (wörtl. Auge) (und) vor jedem bösen Zauber. Wir werden niemals, niemals zulassen, dass sie (der böse Blick und der böse Zauber) Macht gewinnen über {sie (Pl.)} 〈sie (Sg.)〉.

Wir werden sie vor dem Biss einer Schlange bewahren, vor dem Stich eines Skorpions, vor dem Biss von jedem Gifttier, [rto 50] jedem Ungeziefer (und) jeder -Schlange, die beißt. Wir werden nicht zulassen, dass sie (die giftigen und gefährlichen Tiere) sich irgendwo ihrer Umgebung nähern.

Wir werden sie bewahren vor jedem Unfall eines Gespanns, vor jedem Unfall eines Streitwagens, vor jedem [rto 55] Unfall eines Schiffs, vor jeder Anklage/Verleumdung (?) (und) jedem Verbrechen von irgendeiner Handlung einer Reise, die sie unternehmen sollte. Wir werden für sie zꜣ-Schutz (und) mk(.t)-Schutz bereiten in jedem Raum, in dem sie sich befindet, (und) in jedem Sanktuar, das sie betreten [rto 60] wird.

Wir werden ihre Träume gut machen (wörtl. zu etwas Gutem machen). Wir werden „gut“ zu ihnen (den Träumen) sagen. Wir werden jede gute Sache für sie tun. Wir werden veranlassen, dass jede böse [rto 65] Sache sich von ihr entfernt.

Wir werden ihren ganzen Körper, jedes ihrer Glieder (und) ihren gesamten Rumpf von ihrem Kopf bis zu ihren beiden Fußsohlen gesund erhalten. Wir werden veranlassen, [rto 70] dass unser sehr großes (und) erhabenes Orakel des Lebens (und) der Gesundheit von ihr (Besitz) ergreift. Wir sind ihr Schutz täglich – täglich! 

Verso

[vso 1] [Anch]esenaset [Name der Mutter ausgelassen?], diese Ehefrau des Gefolgsmannes des Amun.