Oracular Amuletic Decree Ha (Papyrus Hannover 1976-60c)

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
OAD Ha
Aufbewahrungsort
Europa » Deutschland » (Städte H-M) » Hannover » Museum August Kestner
Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde im Jahr 1976 zusammen mit anderen Amulettpapyri von der Borchardt-Cohen-Stiftung für das August Kestner Museum angekauft (Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 181).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Edwards (1960, xiii) geht bei den Oracular Amuletic Decrees generell von einer Herkunft aus Theben aus, die er vor allem an den in den Texten genannten Göttern festmacht. Dies gilt auch für diesen Text, da sich unter den orakelgebenden Göttern vermutlich auch Mut, Chons-von-Theben-Neferhotep und Chons, das Kind, befinden. Da der Beginn des Textes nicht sehr gut erhalten hat, lassen sich keine genaueren Angaben über die Götter machen.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 21. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie

Edwards (1960, xiii–xiv) geht von einer Datierung des gesamten Korpus der Amulettpapyri mit Orakeldekreten in die 22./23. Dynastie aus. Ein einziger Text (L7: pBM EA 10730) liefert einen Hinweis auf die Datierung, denn er ist für einen Prinzen und zukünftigen General in der Armee eines Königs Osorkon geschrieben, bei dem es sich nach Edwards (1960a, xiv) und Ritner (2009, 74) vermutlich um Osorkon I. handeln dürfte, während Jacquet-Gordon (1963, 32; 1979, 175, Anm. 5) und ihr folgend Verhoeven (2001, 13) von Osorkon II. ausgehen. Diese Datierung basiert auf Textparallelen im Text auf einer Statue aus Tanis (Kairo CG 1040 + CG 881 + Philadelphia E 16159: s. Jacquet-Gordon, 1960, 23), die ursprünglich für Sethos I. angefertigt und für Osorkon II. wiederverwendet und neu beschriftet wurde (Sourouzian 2010, 97–105). Der Text L7 wäre also in die 22. Dynastie, oder für den Fall, dass es sich ungeachtet der Parallelen doch um einen späteren Osorkon handeln würde, spätestens in die 23. Dynastie zu datieren. Nach Koenig (1987, 31) ist aufgrund der Paläographie sowie spezifischer Schreibungen mindestens für einen Teil der Texte, den hier bearbeiteten jedoch nicht miteingeschlossen, eine Datierung in die 21. Dynastie anzunehmen.

Textsorte
Oracular Amuletic Decree
Inhalt

Die orakelgebenden Gottheiten versprechen der Besitzerin des Amuletts, Tadimonth, deren Mutter Tacharpu ist, Schutz vor unterschiedlichen Gefahren und Bedrohungen sowie die Gesunderhaltung ihres Körpers. Im stark zerstörten Beginn des Papyrus können Mut, Chons von-Theben-Neferhotep, Chons, das Kind, sowie Horus als orakelgebende Götter identifiziert werden. Darüber hinaus waren noch weitere Götter genannt, die nicht mehr zu rekonstruieren sind. Die Beschreibung des Körpers in seinen Einzelteilen sowie die Aufzählung der Gefahren und Bedrohungen generiert sich aus einem standardisierten Katalog, der allen Texten des Korpus zugrundeliegt, s. Grams 2017, 55–100.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Amulettpapyri wie der hier vorliegende Text wurden aufgerollt in einem kleinen Behälter, der aus Leder, Holz oder Metall gearbeitet sein konnte (vgl. Ray 1972, 151–153; Bourriau/Ray 1975, 257–258), um den Hals getragen und dienten somit als Apotropaion (vgl. hierzu Roß 2019, 40–44). Die Amulette wurden vermutlich in erster Linie für Kinder hergestellt (vgl. Roß 2019, 26–36; Adderley 2015, 193; Edwards 1960, xvi), wobei es Hinweise darauf gibt, dass es sich um Säuglinge oder sehr junge Kinder gehandelt haben könnte (Roß, ebd.). Wilfong (2013, 295–300) geht davon aus, dass die Länge des beschrifteten Papyrusstreifens mit der Größe des Kindes korreliert werden kann. Mittlerweile ist auch ein Orakeldekret für eine schwangere Frau belegt (pIFAO H40: Koenig 2018, 233–239), doch ist der Text leider nur fragmentarisch erhalten, so dass keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Länge des Dokumentes erzielt werden können.

Die Texte sind generell als Götterrede konzipiert, die durch die Phrase „Göttername + ḏd“ eingeleitet wird. Im Text L1 (pBM EA 10083) ist an den Stellen, wo man ḏd „sagen“ erwartet, jeweils etwas Platz frei gelassen. Edwards (1960a, xvii) geht davon aus, dass die Lücken erst, nachdem der Papyrus den Göttern vorgelegt worden ist, ausgefüllt wurden, und erst durch diesen Akt die Wirksamkeit gewährleistet war. Somit wäre der Text L1 niemals wirksam gemacht worden und folglich wohl auch nicht getragen worden. Die Tatsache, dass uns für die gleiche Besitzerin mit dem Papyrus Turin Cat. 1984 (OAD, T2) ein weiterer Papyrus vorliegt, in dem sich keine Lücken befinden, eine entsprechende „Validierung“ also stattgefunden haben muss, unterstützt diese These. Aus welchen Gründen der Text L1 (pBM EA 10083) offenbar ausgemustert wurde, ist allerdings unklar.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schreibblatt
Technische Daten

Der Papyrus ist in fünf unterschiedlich großen Fragmenten erhalten. Zusätzlich zu einem großen Hauptfragment existieren vier einzelne kleinere Fragmente, die sich nach den darauf erhaltenen Zeichenresten eindeutig dem Beginn des Textes zuordnen lassen. Es ergibt sich eine Größe von insgesamt 72 cm Länge bei 6,5 cm Breite. Vom Beginn des Textes fehlen aber vermutlich noch weitere ein bis zwei Zeilen. Der Text auf den kleineren Fragmenten ist darüber hinaus stark beeinträchtigt, da sich Teile der oberen Papyrusschicht (die die Beschriftung trägt) abgelöst haben. Am rechten Rand des Hauptfragments sind Teile des Textes verloren. Es ist aus der Größe und Abfolge der Beschädigungen klar ersichtlich, dass diese im zusammengerollten Zustand des Papyrus entstanden sein müssen.

Bei diesem Papyrus handelt es sich um ein Palimpsest, was für die Oracular Amuletic Decrees einzigartig ist. Der Papyrus ist in der Hauptsache auf der Seite beschrieben, bei der die Fasern vertikal verlaufen (Recto). Auf der Rückseite befinden sich lediglich noch zwei Zeilen vom Ende des Textes. Ebenfalls auf dieser Seite befinden sich Spuren einer originalen Beschriftung, die quer zum jetzigen Text verläuft (Fischer-Elfert 2015, 203). Es mag zunächst etwas irritieren, dass die Seite des Textes als „Verso“ bezeichnet wird, bei der die horizontalen Fasern oben liegen. Die Oracular Amuletic Decrees sind generell auf sehr schmalen und zum Teil enorm langen Papyrusstreifen notiert worden. Wie haben die Schreiber diese Streifen hergestellt? Die einfachste Methode ist die, einen schmalen Streifen von einer bereits vorbereiteten Rolle abzuschneiden. Edwards hat bei einer Untersuchung der Klebungen Hinweise auf genau dieses Vorgehen festgestellt (Edwards 1960a, xii). So konnte er bei einer Reihe von Texten Klebungen in regelmäßigen Abständen feststellen, die auf eine vorgefertigte Rolle hindeuten. Allerdings erwähnt er auch, dass es Texte gibt, die unregelmäßige Abstände bei den Klebungen aufweisen bzw. aufzuweisen scheinen (ebd.). Daraus zieht er den Schluss, dass es für die Herstellung der OAD keine festgelegte Methode gab, sondern die Schreiber vielmehr das Material verwendeten, das sie gerade zur Hand hatten; seien es Abschnitte einer Rolle oder anderweitige Streifen, bzw. eine Kombination aus beidem. Als Beispiel eines zusammengestückelten Papyrus führt er insbesondere Papyrus London BM EA 10320 (L4) an (ebd.). Dieser Papyrus beginnt mit einem Stück, auf dem neun Zeilen des Textes erhalten sind, bei dem aber die horizontalen Fasern oben liegen. Dieses Stück ist an den Streifen mit vertikalen Fasern angeklebt (Edwards 1960a, 27). Genau diesen Papyrus möchte ich allerdings als wichtigen Hinweis dafür benennen, dass die Schreiber in der Regel einen schmalen Streifen von einer vorbereiteten Rolle abgeschnitten haben. Das kurze Stück mit dem anderen Faserverlauf ist doch zweifelsfrei ein sog. Schutzblatt bzw. „protocollon“ zu Beginn einer Papyrusrolle (vgl. Turner 1978, 28–29), das in diesem Fall entgegen der allgemeinen Praxis ebenfalls beschriftet wurde. Die Klebung zeigt zudem deutlich an, dass es sich um das Recto der betreffenden Rolle handeln muss (An dieser Stelle möchte ich Nadine Quenouille für ihre papyrologische Expertise und Einschätzung sehr herzlich danken). Der Schreiber hat also den Streifen von einer neuen Rolle abgeschnitten und dann zur Beschriftung um 90 Grad gedreht. Es handelt sich also papyrologisch um eine „transversa carta“ (Turner 1978, 29; Bülow-Jacobson 2009, 21–22), ähnlich wie es bei spätramessidischen Briefen zu beobachten ist (Edwards 1960a, xii [7] mit Verweis auf Černý 1939, xvii-xx).

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in einem gut lesbaren Späthieratisch geschrieben, s. Edwards 1960a, xiv, 1; vgl. Verhoeven 2001, 13.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die im Text verwendete Sprache ist nach Orthographie und Grammatik eindeutig dem Neuägyptischen zuzuordnen. Indizien sind z.B. die Schreibung der Suffixpronomen sowie der Gebrauch des Possessivartikels oder der Periphrase mit jri̯. Zudem ist im Futur III die Präposition r nicht geschrieben, vgl. zur Morphologie der Verben in den OAD die zitierten Beispiele bei Winand (1992, 536–537).

Bearbeitungsgeschichte

Im Jahr 1960 legte Edwards die editio princeps von insgesamt 21 Papyri vor (Edwards 1960a+b). Er bezeichnete die Textgruppe als „Oracular Amuletic Decrees“ (OAD). Dieser Text wurde nicht in die Edition von Edwards aufgenommen. Der Text ist im Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland (Burkard/Fischer-Elfert 1994, 212 [314]) als Nr. 314 mit einer kurzen Beschreibung aufgenommen und im Katalog „Ex Oriente Lux: Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft“ mit einem Foto und einer Vorabübersetzung (Fischer-Elfert 2009) erwähnt. Im Jahr 2015 legte Fischer-Elfert die Erst-Edition des Papyrus im Rahmen der Publikation „Magika Hieratika in Berlin, Heidelberg und München“ vor (Fischer-Elfert 2015, 201–219). In drei Rezensionen zu dem Band finden sich kurze Kommentare und Anmerkungen zu dem Text (Müller 2015; Meeks 2016; Coulon 2018).

Verschiedene Studien widmeten sich dem Korpus der Oracular Amuletic Decrees unter diversen Gesichtspunkten, wobei Textsegmente der gesamten Gruppe bearbeitet und zitiert werden, s. Lucarelli 2009, 231–239; Wilfong 2013, 295–300; Austin 2014, 39–41; Adderley 2015, 191–227; Grams 2017, 55–100; Roß 2019.

Editionen

- Fischer-Elfert 2015: H.-W. Fischer-Elfert. Hannover 1976.60c: Orakeldekret zugunsten einer Tꜣ-{n.t}-dj-Mntw, geboren einer My.t, in: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München, ÄOP 2, Berlin 2015, 203–219.

Literatur zu den Metadaten

- Adderley 2015: N. J. Adderley, Personal Religion in the Libyan Period in Egypt (Saarbrücken 2015), 191–218.

- Austin 2014: A. Austin, Contending with Illness in Ancient Egypt (Los Angeles 2014) (24.10.2019).

- Bourriau/Ray 1975: J. D. Bourriau/J. Ray, Two Further Decree-Cases of ŠꜢḳ, in: Journal of Egyptian Archaeology 61, 1975, 257–258.

- Bülow-Jacobson 2009: A. Bülow-Jacobson, Writing Materials in the Ancient Word, in: R. S. Bagnall, The Oxford Handbook of Papyrology (Oxford 2009), 3–29.

- Burkard/Fischer-Elfert 1994: G. Burkard/H.-W. Fischer-Elfert. Ägyptische Handschriften. Teil 4. VOHD XIX.4. Stuttgart 1994.

- Černý 1939: J. Černý, Late Ramesside Letters, Bibliotheca Aegyptiaca IV (Brüssel 1939), xvii–xx.

- Coulon 2018: L. Coulon. Rez. Fischer-Elfert. Magika Hieratika, in: Orientalistische Literaturzeitung (OLZ) 113, 2018, 116–119.

- Edwards 1960a: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. I. Text (London 1960), 49–51.

- Edwards 1960b: I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom. II. Plates (London 1960), Taf. 16–17.

- Fischer-Elfert 2009: H.-W. Fischer-Elfert, So genanntes Orakeldekret zugunsten eines Mädchens namens Tadimonthu. In: M. Fansa [Hrsg.]. Ex Oriente Lux? Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft. Ausstellungskatalog/Im Augusteum Oldenburg. Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Technik 70 (Mainz 2009), 325–326 [I.12].

- Fischer-Elfert 2015: H.-W. Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München. Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin 2 (Berlin 2015).

- Grams 2017: A. Grams, Der Gefahrenkatalog in den Oracular Amuletic Decrees, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 46, 2017, 55–100.

- Jacquet-Gordon 1960: H. H. Jacquet-Gordon, The Inscription on the Philadelphia-Cairo Statue of Osorkon II, in: JEA 46, 1960, 12–23.

- Jacquet-Gordon 1963: H. J. Jacquet-Gordon, [Review:] I. E. S. Edwards, Hieratic Papyri in the British Museum. Fourth Series. Oracular Amuletic Decrees of the Late New Kingdom, 2 Bände (London 1960), in: Bibliotheca Orientalis 20, 1963, 31–33.

- Jacquet-Gordon 1979: H. Jacquet-Gordon, Deux graffiti de l’époque libyenne sur le toit du temple de Khonsou à Karnak, in: Anonymous (Hrsg.), Hommages à la mémoire de Serge Sauneron 1927-1976. I. Égypte pharaonique, Bibliothèque d’Étudte 81 (Caire 1979), 167–183, Taf 27–29.

- Koenig 1987: Y. Koenig, Notes de transcription, in: Cahiers de Recherches de l’Institut de Papyrologie et d’Égyptologie de Lille 9, 1987, 31–32.

- Koenig 2018: Y. Koenig, Un nouveau décret amulettique oraculaire: Pap. IFAO H 40, Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 118, 2018, 233–239.

- Lucarelli 2009: R. Lucarelli, Popular Beliefs in Demons in the Libyan Period: The Evidence of the Oracular Amuletic Decrees, in: G. P. F. Broekman - R. J. Demarée – O. E. Kaper (Hrsg.), The Libyan Period in Egypt. Historical and Cultural Studies into the 21st – 24th Dynasties: Proceedings of a Conference at Leiden University, 25-27 October 2007, Egyptologische Uitgaven 23 (Leuven 2009), 231–239.

- Meeks 2016: D. Meeks. Rez. Fischer-Elfert. Magika Hieratika, in: Chronique d’Égypte. Bulletin périodique de la Fondation (ab 2005 Association) Égyptologique Reine Élisabeth (CdE), 91, 181, 2016, 80–84.

- Müller 2015: M. Müller. Rez. Fischer-Elfert. Magika Hieratika, in: Lingua Aegyptia. Journal of Egyptian Language Studies (LingAeg), 23, 2015, 331–338.

- Ray 1972: J. Ray, Two Inscribed Objects in the Fitzwilliam Museum, Cambridge, in: Journal of Egyptian Archaeology 58, 1972, 247–253.

- Ritner 2009: R. K. Ritner, The Libyan Anarchy. Inscriptions from Egypt’s Third Intermediate Period (Atlanta 2009), 74.

- Roß 2019: A. Roß, Der Schutz von Kindern im alten Ägypten. Die religiösen und soziokulturellen Aspekte der Oracular Amuletic Decrees (Göttingen 2019).

- Sourouzian 2010: H. Sourouzian, Seti I, not Osorkon II. A new join to the statue from Tanis, CG 1040 in the Cairo Museum, in: O. El-Aguizy – M. S. Ali (Hrsg.), Echoes of Eternity. Studies presented to Gaballa Aly Gaballa, Philippika 35 (Wiesbaden 2010), 96–105.

- Turner 1978: E. C. Turner, The Terms Recto and Verso: The Anatomy of the Papyrus Roll. Papyrologica Bruxellensia: études de papyrologie et édition de sources 16 (Bruxelles 1978).

- Verhoeven 2001: U. Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, Orientalia Lovaniensia Analecta 99 (Leuven 2001), 13.

- Wilfong 2013: T. G. Wilfong, The Oracular Amuletic Decrees: A Question of length, in: Journal of Egyptian Archaeology 99, 2013, 295–300.

- Winand 1992: J. Winand, Études de néo-égyptien 1: La morphologie verbale, Aegyptiaca Leodiensia 2, Liège 1992.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Oracular Amuletic Decree Ha (Papyrus Hannover 1976-60c)

Recto

[rto x+1*]1 [...Es haben] gesprochen [Mut (?)] ⸢die Große (?)⸣ (und) Chons, (?) [...]. Es hat Horus (?) gesprochen, der [...] der Götter (?). [Es hat Chons], das Kind [gesprochen], [rto x+1] der [...]2, der zuerst entstanden ist, [...]. Es hat Horus gesprochen, der (?) große [Gott] (?) [...] [rto x+5] [...].

Wir werden Tadimonth3 beschützen, deren Mutter (?) Tacharpu ist, welche [... (?) ...] genannt ⸢wird⸣, [unsere] Dienerin (und) unseren [rto x+10] Zögling.

Wir werden sie gesund erhalten an ihrem Fleisch (und) an ihrem [Skelett]. Wir werden sie behüten. Wir werden sie beschützen. Wir werden aktiv zwischen ihr und jeder Krankheit stehen (wörtl. handeln). [rto x+15] Wir werden sie gesund erhalten von [ihrem Kopf] bis zu ihren beiden Fußsohlen. Wir werden ihren gesamten Rumpf gesund erhalten.

[Wir] werden ihren Mund öffnen [rto x+20], um zu essen. Wir werden ihren Mund öffnen, um zu trinken. [Wir] werden sie essen lassen, ⸢um zu le⸣ben. Wir werden 〈sie〉 trinken lassen, um gesund zu bleiben.

Wir [rto x+25] werden ihr(e) Auge(n) [se]hen, ihre Ohren hören (und) Kraft in all ihren Glieder gedeihen lassen.

1 Zeilen rto x+1* bis x+4*: Das obere Ende des Papyrus mit dem Textbeginn ist stark beschädigt. Zusätzlich zu dem Hauptfragment des Textes exisitieren vier einzelne kleinere Fragmente, die nach den darauf erhaltenen Zeichenresten eindeutig dem Beginn des Textes zuzuordnen sind. In einer ersten Rekonstruktion (Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 218) ist das größte der vier einzelnen Fragmente direkt oberhalb des Hauptfragments positioniert worden. Die drei anderen wurden nicht positioniert. Auf dieser Anordnung basieren sowohl Transkription als auch Transliteration von Fischer-Elfert (Magika Hieratika, 206–209). Zu einem späteren Zeitpunkt konnten alle Fragmente erneut positioniert werden (Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 216–217 [Taf. XVI] u. 219), wobei es aber offenbar nicht möglich gewesen ist, diese neue Rekonstruktion noch in die Bearbeitung einfließen zu lassen. Das Fragment, das ursprünglich oberhalb des Hauptfragments positioniert worden ist (Zeile x+1 bis 4 bei Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 206), konnte nun in Höhe der Zeilen x+5 bis x+8 rechts vom Hauptfragment direkt angeschlossen werden. Textlich ergänzen sich die beiden Teile m.E. hervorragend; hier kann nun die Einführung der Orakelbesitzerin komplettiert werden (anderer Ansicht ist Müller, in LingAeg 23, 2015, 335). Die drei weiteren Fragmente wurden direkt oberhalb positioniert. Hierdurch ergibt sich für die Zeilen x+1 bis x+4 ein von Fischer-Elferts Transkription abweichender, neuer Text, der dort transkribierte Text ist zu Beginn der Zeilen x+5 bis x+8 zu ergänzen. Darüber hinaus finden sich Reste von mindestens vier weiteren Zeilen vor x+1. Diese Zeilen werden im Folgenden als x+1* bis x+4* bezeichnet.
Textverlust: Zu Beginn des Textes ist mindestens noch eine weitere Gottheit zu erwarten. Da mit einiger Sicherheit im Folgenden Mut und Chons zu rekonstruieren sind, könnte es sich um Amun handeln. Ausgehend von dieser Annahme wären vermutlich lediglich ein oder zwei Zeilen vom Beginn des Textes verloren.

2 Am rechten Rand sind sehr schwache Reste von Zeichen zu erkennen. Die Spuren könnten sich möglicherweise mit einer Schreibung von wr „der Älteste“ (A19-G7) vereinbaren lassen. Dann bliebe allerdings vor dem gut erkennbaren Zeichen šꜣ (M8) am linken Rand ein freier Bereich von ca. einem Quadrat.

3 Tadimonth (Tj-{n.t}-di̯w-Mntj): Der Name vermischt zwei Bildungstypen von Namen: Tꜣ-n.t-GN „Die von GN“ und Tꜣ-ḏi̯(.t)-GN „Die von GN gegeben wurde“. In Verbindung mit dem Gott Month ist jedoch keiner dieser beiden Namen bisher belegt, s. Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 204. Die Schreibung zeigt, dass lautlich tꜣ-n.t – wie später im Koptischen – zu tꜣ geworden ist, s. Müller, in: LingAeg 23, 2015, 335. Daher ist der Name als Tꜣ-ḏi̯(.t)-Mnṯw anzusetzen.

Wir werden [sie aus der Hand] der Messerdämonen (und) Wanderdämonen vom Anfang des Jahres bis zum (?) Ende des Jahres retten.4

Wir werden [rto x+30] Isis und Nephthys für sie beruhigen. Wir werden für sie Osiris Neferhotep beruhigen. [Wir werden] sie vor jeder Ba-Macht von Amun [rto x+35] [Mut (?)], ⸢Chons⸣ (?)5, Osiris, Horus (und) Isis bewahren. Wir werden für sie Neferhotep, den Sohn der Isis zufrieden/gnädig sein lassen.

Wir werden ihr Leben, Heil, Gesundheit, eine hohe Lebenszeit (und) ein schönes hohes Alter [rto x+40] geben.

Wir werden sie bei Tag behüten. Wir werden sie bei Nacht bewachen6Wir werden veranlassen, dass unser sehr großes (und) erhabenes Orakel [rto x+45] [von ihr]7 (Besitz) ergreift. Wir werden sie 〈nicht〉8 verlassen.

Wir werden sie vor einem wr.t-Geist eines Teichs beschützen. Wir werden sie vor einem wr.t-Geist eines [...] beschützen.

Wir werden [sie vor] dem Biss einer (Gift-)Schlange bewahren, vor dem Stich [rto x+50] eines ⸢Skorpions⸣, vor dem Biss von Gifttieren (und) [vso 1]9 vor jedem Maul, das beißt (oder sticht).

Messerdämonen (und) Wanderdämonen vom Anfang des Jahres bis zum (?) Ende des Jahres (nꜣ Ḫꜣy(.tj) Šmꜣ.w ḥꜣ.t rnp.t r pḥ rnp.t): Nach den Parallelen erwartet man eventuell nꜣ nṯr.w n.w ḥꜣ.t rnp.t$ und $nꜣ nṯr.w n.w pḥ rnp.t (vgl. pBerlin ÄMP 10462 (B), rto x+24–25) oder aber nꜣ mḏꜣ.t n.w ḥꜣ.t rnp.t und nꜣ mḏꜣ.t n.w pḥ rnp.t (vgl. pLondon BM 10083 (L1), rto x+20–22; pLondon BM 10251 (L2), rto x+54–56; pParis Louvre E 8083 (P2), rto 18–19; pParis Louvre E 25354 (P3), rto x+95–97; pTurin Cat. 1983 (T1), vso 25–27; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 23–25 und pCleveland CMA 14.723 (CMA), 21–23). In der Regel sind aber die Messer- und Wanderdämonen mit der „Jahresseuche“ jꜣd.t rnp.t in einem Versprechen zusammengefasst (vgl. pParis BN 238-3 (P5), 23–26; pTurin Cat. 1983 (T1), vso 8–9; und pNew York MMA 10.53 (NY), rto 27–32). Der Schreiber hat im hier vorliegenden Spruch verschiedene Versprechen in einer Art miteinander verbunden, wie sie sonst nicht in den OAD belegt ist. Vermutlich ist er – möglicherweise durch den Zeilenumbruch – etwas durcheinander gekommen.

5 [Mut (?)], ⸢Chons⸣ (?): Zu Beginn der Zeile fehlen zwei Quadrate. Durch die Syntax des Satzes und den am rechten Rand erhaltenen Götterklassifikator (G7) ist es sicher, dass hier mindestens ein Göttername zu ergänzen ist. Vor dem Klassifikator sind noch Reste von zwei Zeichen erhalten, die man mit einer Schreibung von Chons verbinden könnte. Dann wäre nach vorne noch ein weiteres Quadrat frei, in dem man bei einer dichten Schreibung ähnlich wie am Ende der Zeile noch Platz zur Ergänzung von Mut hätte.

6 bewachen (rs): Es ist deutlich erkennbar, dass der Schreiber die Binse neu eingetaucht hat und mit rs (D21 über O34) eine andere nur mit schwacher Tinte geschriebene Gruppe überschrieben hat. Was der Schreiber hier korrigiert hat, ist nicht zu erkennen.

7 [von ihr] ([n-jm=st]): Ergänzung nach einer Parallele in pParis BN E 238-3 (P5), 19–22.

8 〈nicht〉 (〈bn〉): Die Lücke zu Beginn von Zeile x+45 ist zu klein für die notwendige Ergänzung von n-jm=st am Ende des vorausgehenden Satzes und von bn zu Beginn dieses Versprechens. In den Parallelen (pParis BN E 238-3 (P5), 31–32 und pKairo CG 58035 (C1), 14–16) ist die Phrase Bestandteil eines längeren Versprechens: jw=j/n (r) mḥ n-jm=s/f nw nb jw bn jw=j/n (r) ḫꜣꜥ=sw „Ich/wir werde/n sie/ihn halten zu jeder Zeit, ohne sie/ihn zu verlassen.“. Ist im hier vorliegenden Papyrus der Schreiber aufgrund des gleichen Verbums mḥ in den vorausgehenden Sätzen möglicherweise durcheinander gekommen?

9 Verso: Dieser Text ist einer von zweien im gesamten Korpus (vgl. P1: pParis Louvre E 3234), bei dem der Schreiber offenbar mitten im Satz auf die Verso-Seite gewechselt ist. 

Verso

[vso 2] Wir sind (ihr) Schutz, täglich, täglich!1

1 Der Rest des Versos ist mit Resten eines älteren Textes beschriftet.