Oracular Amuletic Decree Ha (Papyrus Hannover 1976-60c)
Übersetzung und Kommentar
Oracular Amuletic Decree Ha (Papyrus Hannover 1976-60c)
Recto
[rto x+1*]1 [...Es haben] gesprochen [Mut (?)] ⸢die Große (?)⸣ (und) Chons, (?) [...]. Es hat Horus (?) gesprochen, der [...] der Götter (?). [Es hat Chons], das Kind [gesprochen], [rto x+1] der [...]2, der zuerst entstanden ist, [...]. Es hat Horus gesprochen, der (?) große [Gott] (?) [...] [rto x+5] [...].
Wir werden Tadimonth3 beschützen, deren Mutter (?) Tacharpu ist, welche [... (?) ...] genannt ⸢wird⸣, [unsere] Dienerin (und) unseren [rto x+10] Zögling.
Wir werden sie gesund erhalten an ihrem Fleisch (und) an ihrem [Skelett]. Wir werden sie behüten. Wir werden sie beschützen. Wir werden aktiv zwischen ihr und jeder Krankheit stehen (wörtl. handeln). [rto x+15] Wir werden sie gesund erhalten von [ihrem Kopf] bis zu ihren beiden Fußsohlen. Wir werden ihren gesamten Rumpf gesund erhalten.
[Wir] werden ihren Mund öffnen [rto x+20], um zu essen. Wir werden ihren Mund öffnen, um zu trinken. [Wir] werden sie essen lassen, ⸢um zu le⸣ben. Wir werden 〈sie〉 trinken lassen, um gesund zu bleiben.
Wir [rto x+25] werden ihr(e) Auge(n) [se]hen, ihre Ohren hören (und) Kraft in all ihren Glieder gedeihen lassen.
1 Zeilen rto x+1* bis x+4*: Das obere Ende des Papyrus mit dem Textbeginn ist stark beschädigt. Zusätzlich zu dem Hauptfragment des Textes exisitieren vier einzelne kleinere Fragmente, die nach den darauf erhaltenen Zeichenresten eindeutig dem Beginn des Textes zuzuordnen sind. In einer ersten Rekonstruktion (Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 218) ist das größte der vier einzelnen Fragmente direkt oberhalb des Hauptfragments positioniert worden. Die drei anderen wurden nicht positioniert. Auf dieser Anordnung basieren sowohl Transkription als auch Transliteration von Fischer-Elfert (Magika Hieratika, 206–209). Zu einem späteren Zeitpunkt konnten alle Fragmente erneut positioniert werden (Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 216–217 [Taf. XVI] u. 219), wobei es aber offenbar nicht möglich gewesen ist, diese neue Rekonstruktion noch in die Bearbeitung einfließen zu lassen. Das Fragment, das ursprünglich oberhalb des Hauptfragments positioniert worden ist (Zeile x+1 bis 4 bei Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 206), konnte nun in Höhe der Zeilen x+5 bis x+8 rechts vom Hauptfragment direkt angeschlossen werden. Textlich ergänzen sich die beiden Teile m.E. hervorragend; hier kann nun die Einführung der Orakelbesitzerin komplettiert werden (anderer Ansicht ist Müller, in LingAeg 23, 2015, 335). Die drei weiteren Fragmente wurden direkt oberhalb positioniert. Hierdurch ergibt sich für die Zeilen x+1 bis x+4 ein von Fischer-Elferts Transkription abweichender, neuer Text, der dort transkribierte Text ist zu Beginn der Zeilen x+5 bis x+8 zu ergänzen. Darüber hinaus finden sich Reste von mindestens vier weiteren Zeilen vor x+1. Diese Zeilen werden im Folgenden als x+1* bis x+4* bezeichnet.
Textverlust: Zu Beginn des Textes ist mindestens noch eine weitere Gottheit zu erwarten. Da mit einiger Sicherheit im Folgenden Mut und Chons zu rekonstruieren sind, könnte es sich um Amun handeln. Ausgehend von dieser Annahme wären vermutlich lediglich ein oder zwei Zeilen vom Beginn des Textes verloren.
2 Am rechten Rand sind sehr schwache Reste von Zeichen zu erkennen. Die Spuren könnten sich möglicherweise mit einer Schreibung von wr „der Älteste“ (A19-G7) vereinbaren lassen. Dann bliebe allerdings vor dem gut erkennbaren Zeichen šꜣ (M8) am linken Rand ein freier Bereich von ca. einem Quadrat.
3 Tadimonth (Tj-{n.t}-di̯w-Mntj): Der Name vermischt zwei Bildungstypen von Namen: Tꜣ-n.t-GN „Die von GN“ und Tꜣ-ḏi̯(.t)-GN „Die von GN gegeben wurde“. In Verbindung mit dem Gott Month ist jedoch keiner dieser beiden Namen bisher belegt, s. Fischer-Elfert, Magika Hieratika, 204. Die Schreibung zeigt, dass lautlich tꜣ-n.t – wie später im Koptischen – zu tꜣ geworden ist, s. Müller, in: LingAeg 23, 2015, 335. Daher ist der Name als Tꜣ-ḏi̯(.t)-Mnṯw anzusetzen.
Wir werden [sie aus der Hand] der Messerdämonen (und) Wanderdämonen vom Anfang des Jahres bis zum (?) Ende des Jahres retten.4
Wir werden [rto x+30] Isis und Nephthys für sie beruhigen. Wir werden für sie Osiris Neferhotep beruhigen. [Wir werden] sie vor jeder Ba-Macht von Amun [rto x+35] [Mut (?)], ⸢Chons⸣ (?)5, Osiris, Horus (und) Isis bewahren. Wir werden für sie Neferhotep, den Sohn der Isis zufrieden/gnädig sein lassen.
Wir werden ihr Leben, Heil, Gesundheit, eine hohe Lebenszeit (und) ein schönes hohes Alter [rto x+40] geben.
Wir werden sie bei Tag behüten. Wir werden sie bei Nacht bewachen6. Wir werden veranlassen, dass unser sehr großes (und) erhabenes Orakel [rto x+45] [von ihr]7 (Besitz) ergreift. Wir werden sie 〈nicht〉8 verlassen.
Wir werden sie vor einem wr.t-Geist eines Teichs beschützen. Wir werden sie vor einem wr.t-Geist eines [...] beschützen.
Wir werden [sie vor] dem Biss einer (Gift-)Schlange bewahren, vor dem Stich [rto x+50] eines ⸢Skorpions⸣, vor dem Biss von Gifttieren (und) [vso 1]9 vor jedem Maul, das beißt (oder sticht).
4 Messerdämonen (und) Wanderdämonen vom Anfang des Jahres bis zum (?) Ende des Jahres (nꜣ Ḫꜣy(.tj) Šmꜣ.w ḥꜣ.t rnp.t r pḥ rnp.t): Nach den Parallelen erwartet man eventuell nꜣ nṯr.w n.w ḥꜣ.t rnp.t$ und $nꜣ nṯr.w n.w pḥ rnp.t (vgl. pBerlin ÄMP 10462 (B), rto x+24–25) oder aber nꜣ mḏꜣ.t n.w ḥꜣ.t rnp.t und nꜣ mḏꜣ.t n.w pḥ rnp.t (vgl. pLondon BM 10083 (L1), rto x+20–22; pLondon BM 10251 (L2), rto x+54–56; pParis Louvre E 8083 (P2), rto 18–19; pParis Louvre E 25354 (P3), rto x+95–97; pTurin Cat. 1983 (T1), vso 25–27; pTurin Cat. 1984 (T2), rto 23–25 und pCleveland CMA 14.723 (CMA), 21–23). In der Regel sind aber die Messer- und Wanderdämonen mit der „Jahresseuche“ jꜣd.t rnp.t in einem Versprechen zusammengefasst (vgl. pParis BN 238-3 (P5), 23–26; pTurin Cat. 1983 (T1), vso 8–9; und pNew York MMA 10.53 (NY), rto 27–32). Der Schreiber hat im hier vorliegenden Spruch verschiedene Versprechen in einer Art miteinander verbunden, wie sie sonst nicht in den OAD belegt ist. Vermutlich ist er – möglicherweise durch den Zeilenumbruch – etwas durcheinander gekommen.
5 [Mut (?)], ⸢Chons⸣ (?): Zu Beginn der Zeile fehlen zwei Quadrate. Durch die Syntax des Satzes und den am rechten Rand erhaltenen Götterklassifikator (G7) ist es sicher, dass hier mindestens ein Göttername zu ergänzen ist. Vor dem Klassifikator sind noch Reste von zwei Zeichen erhalten, die man mit einer Schreibung von Chons verbinden könnte. Dann wäre nach vorne noch ein weiteres Quadrat frei, in dem man bei einer dichten Schreibung ähnlich wie am Ende der Zeile noch Platz zur Ergänzung von Mut hätte.
6 bewachen (rs): Es ist deutlich erkennbar, dass der Schreiber die Binse neu eingetaucht hat und mit rs (D21 über O34) eine andere nur mit schwacher Tinte geschriebene Gruppe überschrieben hat. Was der Schreiber hier korrigiert hat, ist nicht zu erkennen.
7 [von ihr] ([n-jm=st]): Ergänzung nach einer Parallele in pParis BN E 238-3 (P5), 19–22.
8 〈nicht〉 (〈bn〉): Die Lücke zu Beginn von Zeile x+45 ist zu klein für die notwendige Ergänzung von n-jm=st am Ende des vorausgehenden Satzes und von bn zu Beginn dieses Versprechens. In den Parallelen (pParis BN E 238-3 (P5), 31–32 und pKairo CG 58035 (C1), 14–16) ist die Phrase Bestandteil eines längeren Versprechens: jw=j/n (r) mḥ n-jm=s/f nw nb jw bn jw=j/n (r) ḫꜣꜥ=sw „Ich/wir werde/n sie/ihn halten zu jeder Zeit, ohne sie/ihn zu verlassen.“. Ist im hier vorliegenden Papyrus der Schreiber aufgrund des gleichen Verbums mḥ in den vorausgehenden Sätzen möglicherweise durcheinander gekommen?
9 Verso: Dieser Text ist einer von zweien im gesamten Korpus (vgl. P1: pParis Louvre E 3234), bei dem der Schreiber offenbar mitten im Satz auf die Verso-Seite gewechselt ist.
Verso
[vso 2] Wir sind (ihr) Schutz, täglich, täglich!1
1 Der Rest des Versos ist mit Resten eines älteren Textes beschriftet.
