Horusstele Vatikan 37433

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Vatikan » Vatikanstadt » Museo Gregoriano Egizio

Inventarnummer: 37433
(ältere(?) Inventarnummer: 2739)

Erwerbsgeschichte

Ehemals Sammlung Carlo Grassi in Kairo, Inv. Nr. 144 (Bosticco). Von Carlo Grassi (18861950) beim Antikenhändler Maurice Nahman in Kairo am 31.05.1937 angekauft (Homepage Museo Gregoriano). Im Jahr 1951 von seiner Witwe Nedda Mieli Grassi an Papst Pius XII. verschenkt. Sternberg-el Hotabi 1999 (II, 83) nennt 2739 als Inventarnummer.

Herkunft
(unbekannt)

Im Antikenhandel in Kairo angekauft.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 30. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Auf der Homepage des Vatikans wird „IVII sec. a.C.“ als Datierung angegeben. Von Bosticco 1953, 211 ursprünglich als „Età saitica tarda“ genannt. Bosticco 1955, 203 lässt nur orthographische Argumente für seinen Datierungsvorschlag gelten („grafia tarda“, „epoca tarda“ s. 201, Anm zu Z. 3; 202, Anm. zu Z. 7; 205, Anm. zu Z. 15), weil stilistische Kriterien durch den Erhaltungszustand nicht nutzbar sind. Er schlägt unter Vorbehalt einen relativ späten Zeitrahmen („una datazione relativamente bassa“) zwischen der 30. Dynastie und den frühen Ptolemäern vor. Gutekunst 1995, 360 folgt Bosticco „Wohl 30. Dyn.Frühptolom.“ Sternberg-el Hotabi 1999 (II, 84) datiert das Stück typologisch in ihre typologische „Frühe Hochphase (ca. 380ca. 280 v. Chr.)“, präzisiert an einer Stelle sogar (199, I, 110) „spätdynastisch“, d.h. 30. Dynastie. Sie begründet diese Präzisierung allerdings nicht. Ikonographische Merkmale für eine Datierung in der „Frühen Hochphase“ sind die Anwesenheit von Udjataugen zu beiden Seiten des Beskopfes auf der Vorderseite sowie von der Flügelsonne und zwei Bildregistern auf der Rückseite. Ob Sternberg-el Hotabi das Fehlen des Motivs des vierköpfigen Sonnengottes in seiner Sonnenscheibe, der von Pavianen angebetet wird, als Argument für eine Datierung „spätdynastisch“ innerhalb ihrer „Frühen Hochphase“ angenommen hat?

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Die Stele enthält eine Langfassung von Horusstelenspruch A. Auffällig ist, dass die Abschrift von einer Vorlage stammen muss, bei der vorgesehen war, dass der Name des Dedikanten einzutragen war.

Horusstelentext A (117):
Ein von Thoth ausgesprochener Spruch zur „Verehrung“ des Horus, um ihn zu „verklären“. Thoth begrüßt den jugendlichen Horus und bittet ihn, dass er mit seiner Magie und seinen Zaubersprüchen kommen möge, um die gefährlichen Tiere in der Wüste, im Wasser und in den Höhlen abzuwehren und um das Gift im Patienten zu beschwören. Er möge den Patienten wiederbeleben, damit Horus’ Ansehen entstehe und er als Horus-Sched („der Retter“ oder „der Beschwörer“) angerufen werde.

Material
Nicht Organisch » Stein » Steatit/Speckstein, Nicht Organisch » Stein » Diorit
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Höhe 31 cm (Bosticco, Homepage Museo Gregoriano; die Höhe von 24 cm auf Homepage Vatikan muss ein Fehler sein); Breite 16 cm; Dicke 6 cm (unten; oben 2 cm laut Bosticco). Das Material wird verschiedentlich angegeben; bei Bosticco als grüner Steatit, bei Sternberg-el Hotabi 1999 (II, 83) als Steatit, auf der Homepage des Vatikan als Diorit und auf der Homepage des Museo Gregoriano als Grünstein. Frontal dargestellter Kindgott, der auf den umgewendeten Köpfen von zwei Krokodilen steht. Das Gesicht ist sehr abgerieben. Der Kindgott hält zwei Schlangen, einen Skorpion und einen Löwen in der rechten Hand, zwei weitere Schlangen und eine Antilope in der linken. Ebenfalls in oder hinter der rechten Hand befindet sich ein Papyrusstängel mit Falken. In oder hinter der Linken hält er eine Nefertemstandarte. Über dem Kopf des Kindes befindet sich ein Beskopf, der zu beiden Seiten von einem Udjatauge flankiert wird. Die Basis ist undekoriert, ebenso die Fläche hinter dem Kindgott. Die Rückseite enthält im Giebelrund eine Flügelsonne, darunter befinden sich zwei Bildregister mit Götterreihen sowie eine Inschrift in 15 Zeilen, die auf den beiden Schmalseiten (jeweils 1 Kol.) fortgesetzt wird. Eine Linie entlang des unteren Randes der Rückseite sowie die abgeflachte Basis vorn weisen daraufhin, dass diese Horusstele ursprünglich in einen Sockel eingelassen war.

Schrift
Hieroglyphen

Eingraviert. Hieroglyphen von guter Qualität.

Bearbeitungsgeschichte

Zunächst von Bosticco 1953 kurz präsentiert. Ausführlich von Bosticco 1955 beschrieben und mit Fotos und Übersetzung veröffentlicht.

Editionen

- Bosticco 1955: S. Bosticco, Un cippo di Horus sui coccodrilli inedito, in: Rivista degli studi orientali, 1955, 189–206.

Literatur zu den Metadaten

- Bosticco 1953: S. Bosticco, Notizia della raccolta di antichità egiziane Carlo Grassi entrata nell Museo Gregoriano, in: Aegyptus 33/2, 209–221, hier: 211–212, Nr. 144.

- Grenier 1993: J.-C. Grenier, Museo Gregoriano Egizio, Guide Cataloghi Musei Vaticani 2 (Roma 1993), 57–59 mit Taf. 17 A–B.

- Gutekunst 1995: W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 73, 81, 360.

- Sternberg-el Hotabi 1999: H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Bd. 1: Textband, 107–108, 110; Bd. II: Materialsammlung, 83–84.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Rückseite, rechte und linke Schmalseite

Horusstelentext A (1–17) = Metternichstele Spruch 10 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 2

[Rückseite, 1] Sei gegrüßt, du Gott, Sohn eines Gottes. Sei gegrüßt, du Erbe, Sohn eines Erben. Sei gegrüßt, du Stier, Sohn eines Stieres, den die göttliche Kuh geboren hat. Sei gegrüßt, du Horus, der aus Osiris hervorgegangen ist, den Isis, die Göttliche/Göttin, geboren hat.
Ich (= Thot?) bespreche1 mit/in deinem Namen. Ich rezitiere mit/aus deiner Magie. Ich bespreche mit deinem Gesprochenem. 〈Ich〉 bin wirkungsmächtig (?) mit deinen Zaubersprüchen. Ich beschwöre mit den Beschwörungen, die du ersonnen hast.
Es sind deine (kunstfertigen) Formeln in [5] meinem Mund, die dein (Groß)vater Geb dir anvertraut hat, die deine (Groß)mutter Nut dir gemacht hat, die die Majestät des Vorstehers von Letopolis dich gelehrt hat2, um deinen zꜣ-Schutz zu bereiten, um deine mk.t-Protektion/Sicherheit zu wiederholen, um das Maul von jedem giftigen Gewürm zu verschließen, das in der Luft (wörtl.: im Himmel) ist, das auf dem Land ist, das im Wasser ist, um die Menschen wiederzubeleben, um die Götter zufriedenzustellen, um Re mit deinen Lobpreisungen/Gebeten zu verklären.
Komme zu NAME3! Beeile dich, beeile dich heute, so wie wenn du das Ruder in der Götterbarke bedienst.
Mögest du für sie (!)4 jeden Löwen in der Wüste (oder: auf dem Plateau), [10] jedes Krokodil im Fluss, jedes -Gewürm, das mit seinem Maul beißt oder 〈mit〉 seinem Schwanz sticht, abwehren. Mögest du sie (= die gefährlichen Tiere) für sie (!= die Gefährdeten) machen wie einen Kieselstein im Gebirge, wie die Tonscherbe eines Topfes (= eine Topfscherbe) auf/entlang der Straße. Mögest du dieses (hier vorliegende) aufgesprungene/pulsierende (?) Gift beschwören, das in jedem Glied des NAME ist.
Hüte dich, dass deine Worte deswegen (oder: seinetwegen, d.h. des Gifts) lächerlich gemacht (oder: weggelacht)5 werden.
Siehe, (wenn) es (= das Gift) gegen dich vorgeht, dann gehst du gegen es vor, dann sind deine (Zauber)worte gegen es. Siehe, dein Name ist heute bei mir.
Lass geschehen, dass das Ansehen [15] deiner Magie zu mir kommt, 〈für〉 mich mit deinen wirksamen Zaubersprüchen erhöht, um wiederzubeleben den, der in ihrem Maul ist (?)6, den, der eine beengte Kehle hat.
Möge [rechte Schmalseite] dir Lobpreis gegeben werden durch die Untertanen und (durch) jedermann. Möge Maat in deiner Gestalt (oder: deinem Wesen) gepriesen werden; möge ein Gott deiner Art (oder: ein Gott auf der gleichen Weise wie du) gerufen werden.
Siehe, man ruft heute [linke Schmalseite] mit (?) dir (oder: als du): „Ich bin Horus, der Retter/Beschwörer“, beim Bereiten des Schutzes von/für NAME für immer und ewig. Zweimal (d.h. zu wiederholen).

1 Entweder liegt viermal ein fehlerhaft geschriebener Imperativ vor oder es ist jedesmal eine Aussage in der 1. Person Singular zu lesen. In den meisten Handschriften findet sich: „ich habe gesprochen“ oder: „besprich für mich!“. J. F. Quack, [Review:] H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999) in: Orientalische Literaturzeitung 97, 2002, 713–729, hier: 718 möchte mit Imperativen übersetzen: „Rezitiere für mich...“. Er gibt dafür zwei Argumente: Er meint (1), dass die Übersetzung „ich rezitiere“ „sachlich wenig plausibel“ sei, denn „weshalb sollte ein Magier dem Gott nur erzählen, daß er zurechtkommt?“. Er verweist (2) auf die chronologisch in der Ramessidenzeit anzusetzende Horusstele CG 9403. Der Zauberer wünscht also vom angesprochenen Gott „... mögest du mittels deiner Zaubersprüche (be)sprechen“. R. K. Ritner, The mechanics of ancient Egyptian magical practice, Studies in Ancient Oriental Civilization 54 (Chicago 1993), 32, Anm. 144 hat eine ähnliche Formulierung in der ebenfalls frühen Variante von Spruch A im ramessidischen Papyrus Wien Inv. 3925, Z.9 erkannt: „May you create [your] prestige [by means of?] your magic, may you perfect spells.“ (vgl. auch Ritner 1993, 144: „Create for me your prestige by means of your magic.“). Mit Quack wäre ein Wunschsatz der 2. Person Singular in einen Imperativ mit Dativ umgewandelt worden. Tatsächlich stehen auf dem ramessidischen Papyrus Wien Inv. 3925, Z. 3–4 an entsprechender Stelle zwei (oder drei?) Imperative. Der Imperativ steht ebenfalls auf der Horusstele des Benitehhor vom Anfang der 26. Dynastie (H. Altenmüller, Der Sockel einer Horusstele des Vorstehers der Wab-Priester der Sachmet Benitehhor, in: Studien zur altägyptischen Kultur 22, 1995, 1–20, hier: 3).

2 Der Satz liegt in vielen unterschiedlichen Varianten vor. Für eine Auflistung siehe Gutekunst 1995, 130 (Nr. 4.4). Auf Horusstele CG 9401 steht: „die dich die Majestät des Vorstehers-von-Letopolis gelehrt hat“. Auf weiteren Horusstelen ist es leicht entstellt (Horusstele CG 9402, Horusstele CG 9405, Horusstele CG 9409). Auf der Statue des Djedhor steht: $sbꜣ n=k ḫr ḥm n.j Ḫntj-Ḫm$: „qui te fut enseigné auprès de la Majesté du Premier de Létopolis“ (E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 59). Die Version der Metternichstele könnte als: „die Majestät des Vorstehers von Letopolis hat dich belehrt“ emendiert werden. C. E. Sander-Hansen, Die Texte der Metternichstele, Analecta Aegyptiaca consilio Instituti Aegyptologici Hafniensis 7 (København 1956), 54 übersetzt nach Emendation zu: „den dich dein Bruder Ḫntj-ḫm gelehrt hat“.

3 Für andere Versionen siehe Gutekunst 1995, 132 (Nr. 6.11). Hier steht die Kartusche für rn: „Name“ und bedeutet, dass an dieser Stelle der Name des Begünstigten eingetragen werden muss. Auch an zwei späteren Stellen im Text findet sich rn in dieser Funktion.

4 Normalerweise steht hier „Mögest du für mich ...“, aber auch im nächsten Satz wird die 3. Person Plural verwendet.

5 G. Takács, Etymological dictionary of Egyptian. II. b-, p-, f-, Handbuch der Orientalistik I 48.2 (Leiden 2001), 564; J. Osing, [Review:] G. Takács, Etymological dictionary of Egyptian. II. b-, p-, f-, Handbuch der Orientalistik I 48.2 (Leiden 2001), in: Bibliotheca Orientalis 60, 2003, 551–569, hier: 568: „verlachen”; J. Osing, Das Grab des Nefersecheru in Zawyet Sulṭan, Archäologische Veröffentlichungen 88 (Mainz am Rhein 1992), 48, 53, Taf. 35 (Z. 22).

6 Für andere Versionen siehe Gutekunst 1995, 137–138 (Phrase 6.9).