Sockel der Heilstatue im Magazin von Gadaya R-211

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Luxor » Magazin des Antiquities Department

Inventarnummer: Karnak, Magazin von Gadaya R-211

Erwerbsgeschichte

Vor dem Jahr 2011 von der Polizei konfisziert. Vielleicht aus der ehemaligen Sammlung des Antikenhändlers Yassa Pacha Andraos (18821970) (Konsul von Belgien und Italien), von dem viele Objekte (irgendwann nach der Revolution von 1952 und spätestens nach dem Tod von Andraos) im Magazin von Gadaya deponiert worden waren (Thiers 2022, 381, Anm. 1). Der Sockel wurde im Jahr 2011 ins Magazin von Abu Gud transferiert.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt

Von der Polizei konfisziert und dann zunächst in einem Magazin in Karnak verwahrt. Viele Objekte im Magazin von Gadaya lassen sich in die Gegend von Luxor verorten, aber das Magazin enthielt z.B. auch eine Stele aus Achmim (Boraik und Thiers 2012, 61). Deshalb ist eine genauere Herkunftsangabe als „Oberägypten“ nicht möglich.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 30. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Thiers möchte den Sockel ins 4. Jh. v. Chr. datieren (Thiers 2022, 382). In Anbetracht des Erhaltungszustands ist eine genaue Datierung unmöglich, aber Horusstelen und Heilstatuen, die mit den hier vorliegenden Texten versehen sind, sind zumindest aus der 30. Dynastie und der Argeadenzeit, sicherlich auch noch aus der frühen Ptolemäerzeit überliefert (Metternichstele, Socle Béhague, Heilstatue des Djedher).

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

- rechte Längsseite (A.x+110): Erste Hälfte von Horusstelentext A

- linke Längsseite (B.x+110): Zweite Hälfte von Horusstelentext A

- Rückseite (C.111): Spruch zur Abwehr des Apophis (Metternichstele Spruch 1)

- Oberseite (D.1D.3): Anrufung an den Sonnengott (Socle Béhague Spruch 2)

Horusstelentext A:
Ein von Thoth ausgesprochener Spruch zur „Verehrung“ des Horus, um ihn zu „verklären“. Thoth begrüßt den jugendlichen Horus und bittet ihn, dass er mit seiner Magie und seinen Zaubersprüchen kommen möge, um die gefährlichen Tiere in der Wüste, im Wasser und in den Höhlen abzuwehren und um das Gift im Patienten zu beschwören. Er möge den Patienten wiederbeleben, damit Horus’ Ansehen entstehe und er als Horus-Sched („der Retter“ oder „der Beschwörer“) angerufen werde.

Spruch zur Abwehr des Apophis:
Ein Spruch zur Abwehr des Apophis bzw. Schutz des Sonnengottes vor der Apophisschlange: Apophis ist aufgetaucht und ein anonymer Zauberer zwingt die Schlange in direkter Rede und befehlendem Ton, zurückzuweichen. Apophis wird als „Windung der Gedärme“ und „Nabelschnur des Re“ angesprochen, der keine Arme und keine Beine habe. Die Flamme des Sonnengottes sei im Gesicht des Apophis, ihm hafte der Geruch der Hinrichtungsstätte an.

Anrufung an den Sonnengott:
Unklarer, kurzer Spruch, in dem der Patient oder ein Zauberer sich an den Lichtgott wendet. Er sei durch dessen Lichtglanz hindurchgezogen und dabei vielleicht von Gift befallen worden. Er fordert das Gift des/in Re bei dessen Erscheinen auf, auf den Boden auszufließen.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Vermutlich in einer Heilkultkapelle in einem Tempelkomplex aufgestellt.

Material
Nicht Organisch » Stein » Diorit
Objekttyp
Artefakt » Skulptur » Statue / Figur
Technische Daten

Höhe 7+x cm; Länge 12,5+x cm; Breite 13 cm. Hinterer Teil eines Statuensockels einer Standstatue. Der Ansatz des hinteren, rechten Fußes auf dem Sockel ist erhalten. Die Rückseite ist mit 11 Textkolumnen versehen, die rechte Seite mit 10+x Kolumnen, die linke ebenfalls mit 10+x Kolumnen. Auf der Oberseite sind die unteren Hälften von 3 Kolumnen erhalten. Sofern die Proportionen dieses Sockels mit denen des Socle Béhague (32,2 x 15 cm) und der Heilstatue Turin Cat. 3030 (24,8 x 11,5 cm) vergleichbar sind, ist mit einer ursprünglichen Länge von ca. 28 cm zu rechnen. Nimmt man diese mutmaßliche Länge von 28 cm als Grundlage für die Berechnung des Proportionskanons der Statue (siehe Altenmüller 1965, 11), dann könnte die Höhe der Standstatue 70 cm betragen haben (vgl. Statue Tyszkiewicz: 67,7 cm). Der Inhalt der Texte macht klar, dass die Statue eine Heilstatue war. Es ist daher davon auszugehen, dass die Standfigur eine Horusstele getragen hat.

Schrift
Hieroglyphen

Eingraviert.

Bearbeitungsgeschichte

Publiziert von Thiers 2022.

Editionen

- Thiers 2022: C. Thiers, „Puisses-tu les transformer en cailloux du désert !“ Fragment d’un socle de statue guérisseuse, in: F. Albert – F. Servajean (Hrsg.), Esquisses égyptiennes. Recueil de textes offerts à Annie Gasse par ses collègues et amis (= Cahiers Égypte Nilotique et Méditerranéenne CENiM 32) (Montpellier 2022), Bd. 2, 381388.

Literatur zu den Metadaten

- Altenmüller 1965: H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 46, 1965, 10–33 und Taf. 2–3.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Rechte und linke Längsseite

Horusstelentext A (A.x+110 und B.x+110)

[Komm! Beeile di]ch, [A.x+1] beeile dich an diesem Tag, wie als du das Steuerruder im Gottesschiff bedient hast.
Mögest du für mich jeden Löwen auf [A.x+5] seinem (d.h. des Löwen?)1 Wüstenplateau, jedes Krokodil in seinem Fluss, alle -Schlangen, die in ihren Höhlen zubeißen, abwehren. Mögest du sie wie (ungefährliche) Kieselsteine auf dem Wüstenplateau, wie Keramikscherben eines Topfes [A.x+10] auf der Straße machen. [Mögest du] beschwören [dieses aufgesprungene/pulsierende Gift, das in jedem Glied von NN ist.]
[... ... ...]
[Lass dein Ansehen mittels] [B.x+1] deiner [Magie entstehen], für mich (?) mit deinen wirksamen Zaubersprüchen erhöht2, um den (Patienten) mit einer beengten Kehle wiederzubeleben.
Möge dir Lobpreis gegeben werden durch die [B.x+5] Untertanen. Möge Maat in deiner Gestalt (oder: deinem Wesen) verehrt werden. Möge ein Gott deiner Art (oder: ein Gott auf der gleichen Weise wie du) gerufen werden.
Siehe, man ruft heute mit dir (d.h. mit deinem Namen): [B.x+10] „Ich bin Horus, der Retter/Beschwörer!“

1 Thiers 2022, 384 vermutet, dass sich das Suffixpronomen „seinem“ auf die Gottheit bezieht (, die Hilfe braucht?). Es könnte auch jeweils das Tier gemeint sein.
Ist vielleicht auch eine Relativform: „Ansehen (...), das ich erhöht habe“.

Rückseite

Spruch zur Abwehr des Apophis (C.111) (= Metternichstele Spruch 1)

[C.1] [Zurück] mit dir, (oh) Apophis, jene Windung [der Ein]geweide, der ohne Arme und [ohne] Beine ist, dessen Schwanz (?) lang ist (?) [in] seiner [Höhle.] Jene Nabelschnur, weiche zurück [C.5] [von Re!]
Dein Kopf [werde abgeschnitten]. Du wirst [dein Gesicht] nicht mehr erheben können.
[Der große Gott (?) hat Macht] über dich.1 [Sein ... ist in] deinem [Ba/Leib].2 Der Geruch [seiner] Schlachtstätte haftet [an] deinem Fleisch.
(Der Gott) I (= Thoth) hat dich mit seiner Magie gefällt/niedergeworfen.3 Der Gott mit großer Magie (?) hat dich getötet.4
[C.10] Selkis hat 〈dich〉 gefällt/niedergeworfen, [sie hat] deine [Kraft] mit ihrer Magie irregeleitet/abgelenkt5.
Bleib doch stehen!

1 So gemäß der Parallelen Horusstele CG 9431bis und Louvre E20008 sowie des Flügelskarabäus BM EA 35403 (C. A. R. Andrews, An Unusual Source for Magical Texts, in: A. Leahy – J. Tait (Hrsg.), Studies on Ancient Egypt in Honour of H. S. Smith, Occasional Publications 13 (London 1999), 11–15

2 In den Parallelen steht hier: „Seine nsr.t-Flamme ist in deinem Ba“ (Metternichstele, Socle Béhague, Louvre E20008); „eine Fackel ist in deinem Gesicht, ein ḫ.t-Feuer in deinem Ba“ (Papyrus Bremner-Rhind); „eine Fackel ist in deinem Gesicht, eine sḏ.t-Flamme in deinem Leib“ (Horusstele CG 9431bis).

3 Der Satz weicht von allen übrigen Versionen ab. Thiers 2022, 386: „tu seras renversé (par) I (= Thot) grâce à sa magie“.

4 Der Satz weicht von allen übrigen Versionen ab, die „der große Gott“ als Einheit haben. Thiers 2022, 386 liest: „tu seras tué (par) le dieu dont la magie-héka est grande (= Horus?).“

5 Thiers denkt an: „[Recule devant] la magie-héka!“, aber das passt nicht zu den Spuren. Die Parallelen variieren hier leicht in der Schriebung.

Oberseite

Anrufung an den Sonnengott (D.1D.3) (= Socle Béhague Spruch 2)

[D.1] [Oh Lichtgott, (du,) der die Müdigkeit/Mattigkeit an den beiden Rändern des Himmels geschaffen hat: ich habe (dich?) umgestürzt (oder: bin vom Kurs abgekommen?)] und bin durch den Lichtglanz1 hindurchgezogen.
Oh diese Schwelle2, [gegen die meine beiden Füße] angeschlagen/gestoßen sind (wörtl.: die meine Füße geschlagen haben) [und gegen die meine Zehen gestoßen/getreten sind: (Oh) Gift des Re bei seinem (d.h. des Re) Erscheinen: komm] auf den Boden!
Euer Gift sei bei euch, (oh) jede männliche Schlange [und jede weibliche] Schlange(?)!3
[... ... ...] Wenn Re wohlbehalten ist, ist er (d.h. der Patient) wohlbehalten.
Das Gift ist (jetzt) tot.

1 E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 26 liest: „puissance magique de Re!“

2 Bislang nur auf der Heilstatue des Djedher (DZA 22.887.070) und im gleichen Text auf dem Socle Béhague und dem Horuscippus CG 9404 belegt. E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 27, Anm. 1 verzichtet auf eine Übersetzung. A. Klasens, A Magical Statue Base (Socle Behague) in the Museum of Antiquities at Leiden, Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 33 (Leiden 1952), 7980 folgt Wb. 1, 460.15 mit dessen Übersetzung „die Schwelle (der Tür)“, denkt dabei jedoch an die Schwelle des Horizonts.

3 Dieser Satz auch auf der Statue Tyszkiewicz (M. Panov, Documents from the Persian and Graeco-Roman Periods, Egipetskiye tekstyi 12 (Novosibirsk 2019), 41, Z. 96, 99; E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 15 Anm. 2; 31 Anm. 6).