Magico-medizinisches O. Varille

Metadaten

Aufbewahrungsort
(unbekannt)

Von 2009 bis zu einer Auktion im Jahr 2011 befand sich das Stück vermutlich in London. Das Ostrakon wird letztmals im Verkaufskatalog Egyptian Antiquities XXXVIII von Charles Ede Ltd. (2011) erwähnt.

Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon wurde von Alexandre Varille (1909–1951) wahrscheinlich vor dem Zweiten Weltkrieg in Luxor angekauft (er arbeitete seit 1931 in Ägypten) und später durch die Erben von Varille in den Kunsthandel gegeben: Verkauf am 15. Dezember 2009 durch Pierre Bergé & Associés in Paris zusammen mit einem Bildostrakon für 18000 €. Verkauf durch den neuen Eigentümer James Ede von Charles Ede Ltd (Herbin 2011, 29, Anm. 1) im Jahr 2011 für eine unbekannte Summe (der Fragpreis für das Bildostrakon betrug 9500 £).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Der Fundort ist unbekannt, aber das Material, Kalkstein, weist ganz grundsätzlich auf eine Herkunft aus dem thebanischen Umfeld. Da das Ostrakon aus der Sammlung A. Varille stammt, vermutet Herbin eine den anderen Ostraka dieser Sammlung entsprechende Herkunft aus Deir el-Medineh (Herbin 2011, 29). Weitere Ostraka in seiner Sammlung hat A. Varille u.a. im Jahr 1935 in Luxor angekauft (Clère 1939, 16). Aus seiner Sammlung hat der Louvre im Jahr 1994 eine Anzahl an Ostraka erworben, im April 2007 weitere 162 Ostraka über das Auktionshaus Pierre Bergé et Associés.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Herbin datiert das Ostrakon aus paläographischen Gründen in die Ramessidenzeit (Herbin 2011, 29).

Textsorte
Rezitation(en)
Inhalt

Da der Text nur fragmentarisch erhalten ist, kann sehr wenig über den Inhalt gesagt werden. Es handelt sich offenbar um eine Anweisung zur Behandlung von Bauchschmerzen auf der Basis einer Göttergeschichte, bei der Re selbst Bauchschmerzen hat. Es werden feindliche Mächte beschworen, aber auch die Große und die Kleine Neunheit. Es gibt eine Anweisung etwas zu rezitieren, doch der Text ist nicht erhalten. Am Schluss deutet der erhaltene Text darauf, dass offenbar ein Bild von verschiedenen Gottheiten, darunter auch die Kleine Neunheit, hergestellt werden soll. Vermutlich soll das Bild dann mit verschiedenen Flüssigkeiten und Pasten gesalbt sowie abgewaschen und die Flüssigkeit dann von dem Patienten zu sich genommen werden.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Unbekannt. Ähnliche Texte auf Papyrus sind als Amulette bekannt, was man allerdings bei einem Ostrakon von einer gewissen Größe ausschließen dürfte. Es ist denkbar, dass es einem Arzt eventuell als Gedächtnisstütze o.ä. gedient haben könnte.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Das erhaltene Fragment des Ostrakons Varille ist 15,5 cm hoch und 12 cm breit. Oben fehlt ein schräg abgebrochenes Stück und auch entlang des linken Randes ist das Ostrakon unvollständig. Das einseitig beschriebene Kalksteinostrakon enthält die letzten 8 Zeilen eines in schwarzer Tinte geschriebenen hieratischen Textes mit einem Rubrum (ḏd mdw) am Ende des erhaltenen Teils von Zeile x+6. Auf der unteren Hälfte des Ostrakons ist eine Reihe sitzender, nach rechts gewandter Gottheiten von unterschiedlicher Größe abgebildet (zuerst vier menschengestaltige Gottheiten, dann der falkenköpfige Sonnengott mit Sonnenscheibe, der ibisköpfige Mondgott mit Mondsichel und -scheibe und schließlich ein vermutlich falkenköpfiger Gott mit Skarabäus). Sofern die Erwähnungen der Großen und der Kleinen Neunheit im Text einen Zusammenhang mit der Abbildung haben, wären links noch zwei weitere Figuren zu ergänzen, damit die Zahl neun erreicht wird.

Schrift
Hieratisch
Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Der erhaltene Text zeigt keine neuägyptischen Formen oder Schreibungen.

Bearbeitungsgeschichte

Die bisher einzige Bearbeitung wurde von Herbin im Jahre 2011 vorgelegt.

Editionen

- Herbin 2011: F. R. Herbin, Un ostracon médico-magique, in: Göttinger Miszellen 229, 2011, 29–36.

Literatur zu den Metadaten

- Charles Ede Ltd. (2011): Charles Ede Limited (Hrsg.), Egyptian Antiquities XXXVIII (London 2011), Nr. 41.

- Clère 1939: J. J. Clère, Three New Ostraca of the Story of Sinuhe, in: Journal of Egyptian Archaeology 25, 1939, 16.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Magico-medizinisches O. Varille

[… … …] [x+1] Honig (?)1 [… … …].

1 ⸮⸢bj.t⸣?: Vorschlag zur Ergänzung von Herbin (2011, 31), die sich mit den erhaltenen Spuren vereinbaren lässt, auch wenn bj.t in Z. x+7 deutlich größer und schwungvoller geschrieben ist.

[... ... ...] [x+2] Die-vom-Gürtel (?)2 [… … …].

2 tꜣ-n.t-⸮ꜥꜣ?~kꜣ~s: Herbin (2011, 30–31) geht an dieser Stelle – wie seiner Transliteration zu entnehmen ist – von ungewöhnlichen Schreibungen zunächst für ṯnr „stark sein“ (Wb 5, 382.6–10) und gsꜣ aus, wobei bei dem letzten Wort nicht ganz klar ist, welches Lemma er im Sinn hat. Es folgt recht deutlich das schlechte Paket, was hieratisch dem Zeichen V19 sehr ähnlich ist. Eventuell dachte er daher an gsꜣ „Sack“ (Wb 5, 206.3)? Vergleichbar wären ebenfalls vier Belege für eine im weitesten Sinne vergleichbare Schreibung für gs.w „Salbe“ (Wb 5, 202.14–16; H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 925) im medizinischen Papyrus Berlin P 3038 (Bln 89, 100, 101, 104). In Herbins Hieroglyphenabschrift fehlen zwei Zeichen, die sich direkt an die Gruppe, die er ṯnr liest, anschließen. Zudem gibt er dort das Zeichen unterhalb der Wasserlinie (N35) mit t (X1) wieder, was nicht zu seiner Transkription passt. Doch selbst wenn man dort r (D21) liest, kommt die Folge tj-n-r (U33-N35-D21) nicht mit den Schreibungen von ṯnr „stark sein“ zusammen, wo stets r syllabisch geschrieben mit dem Semogramm-Strich versehen ist. Viel eher erinnert die erste Gruppe an Schreibungen von tꜣ-n.t-ꜥꜣm.w „Asiatenkrankheit, wrtl. die (Krankheit) der Asiaten“ (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 936). Könnte hier eine analoge Bildung für die Bezeichnung einer anderen Krankheit vorliegen? Das schlechte Paket (Aa2), eventuell gefolgt von Pluralstrichen als Klassifikator am Wortende, würde ebenfalls zu dieser Annahme passen. Doch wie ist die Gruppe dazwischen zu deuten? Die stark verblassten Zeichen in der Mitte haben einige Ähnlichkeit mit der ebenfalls in Zeile x+5 vorkommenden Gruppe ꜥꜣ (O29-D36), auch wenn die Gruppe in Zeile x+2 etwas gedrungener wirkt, was eventuell an einer Verzerrung des Fotos liegen könnte, da man erkennen kann, dass das Ostrakon dort eine leichte Krümmung aufweist. So könnte man mit syllabisch geschriebenem ꜥꜣ~kꜣ~s zumindest – wenn schon nicht auf die Asiaten persönlich – auf einen asiatisch anmutenden Begriff kommen. Bei der Suche nach Auflösung stößt man auf ꜥ~g~s „Gurt/Gürtel“ (Wb 1, 236.10; J. E. Hoch, Semitic words in Egyptian texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton 1994), 84 [102]), das demot. ꜥqs (CDD (03.1): 149) und kopt. (SB) ⲁⲕⲏⲥ (W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 6) überliefert ist. In Ermangelung einer überzeugenderen Alternative sowie mit Hinweis auf den weiteren Verlauf des Textes, in dem offenbar von Bauchschmerzen die Rede ist, schlage ich daher mit größter Vorsicht und trotz aller bestehenden Unsicherheiten vor, hier tꜣ-n.t-⸮ꜥꜣ?~kꜣ~s zu lesen und „Die vom Gürtel“ als Bezeichnung einer sonst nicht bekannten Krankheit zu verstehen. Dies könnte der ansonsten enigmatischen Zeile zumindest einen leidlich zum Rest des Textes passenden Sinn abringen.

[... ... ...], [x+3] wobei du da stehst (oder: wobei sie/es steht/zum Stillstand gekommen ist/aufgerichtet ist ?)3, dass (?) […] finden kann (?) […] Ba/Geb (?)4 [… … …].

3 ꜥḥꜥ.tj gmi̯: Es wird hier entweder ein Gegenüber direkt angesprochen oder ein Bezugswort im Femininum geht der Stelle voraus. Der fragmentierte Kontext lässt leider keine weiteren Schlüsse zu. In einem Spruch gegen Bauchschmerzen im magischen Papyrus Leiden I 348 (Spruch 20) ist vermutlich die Mannschaft der Sonnenbarke (jz.t) Subjekt von ꜥḥꜥ.tj: „[The crew (?)] stood still, ⟨saying⟩: ‛Re is suffering from his belly! (…)ʼ“, s. J. F. Borghouts, The magical texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 51 (Leiden 1970), 25, 121–122 [265–266]; vgl. hierzu auch Herbin 2011, 31–32.
Das Verb gmi̯ „finden“ (Wb 5, 166.6–169.8) ist medizinisch vor allem in Diagnosen und Prognosen gebraucht, s. H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 914–919. Dadurch, dass im vorliegenden Ostrakon die Zeichen, die auf das Verb gmi̯ „finden“ folgen, so stark verblasst sind, sind Bezug und konkrete Verbform leider nicht zu bestimmen. Möglicherweise liegt eine ähnliche Verbindung vor, wie im pGenf MAH 15274, III,9 – 7,5 passim (A. Massart, The Egyptian Geneva papyrus MAH 15274, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Abteilung Kairo 15, 1957, 172–185, hier: 177–178): j:ꜥḥꜥ tꜣ mtw.t gmi̯=j m=ṯ r jwn=ṯ „Halt ein, o Gift, damit ich deinen Namen entdecken kann gemäß deiner Wesensart“ (s. Stegbauer, in TLA, Version Oktober 2014).
4 ⸮bꜣ?/⸮Gb?: Nach sehr stark verblassten Resten von vermutlich drei Zeichen vermutet Herbin (2011, 35) vertikal angeordnete Pluralstriche (Z3A) sowie einen Vogel. Die Stelle, an der er die Pluralstriche sieht, ist sehr verblasst; die erkennbaren Spuren sprechen nicht gegen die Lesung doch auch nicht dafür. Das folgende Zeichen ist durch die Bruchkante am oberen Ende nicht ganz erhalten, aber gut zu sehen. Man erkennt ein S-förmiges Zeichen, bei dem der obere Teil eher wie ein spiegelverkehrtes Z ausgeführt ist und in einen deutlich ausgeprägten, halbkreisförmigen Rückschwung unter das Zeichen ausläuft. Über und um dieses Zeichen herum ist ein Strich im Halbkreis gezogen. Durch den ebenfalls sehr rund ausgeprägten unteren Schwung bei dem ersten Zeichen entsteht der Eindruck eines nach rechts geöffneten Winkels in einem Kreis. Herbin (ebd.) dachte wohl an G29, den Ba-Vogel, der im pWilbour (Hand C) zum Teil mit einem leicht gerundeten Oberstrich geschrieben ist, s. A.-S. von Bomhard, Paléographie du Papyrus Wilbour. L’écriture hiératique cursive dans les papyri documentaires (Paris 1998), 40; vgl. auch G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), 18 [208: Ennene]. Möglicherweise könnte es sich auch um eine Schreibung für Gb (G38) handeln, s. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), 19 [217bis], A.-S. von Bomhard, Paléographie du Papyrus Wilbour.L’écriture hiératique cursive dans les papyri documentaires (Paris 1998), 41. Der Arm (D36) kann mitunter ebenfalls einen ausgeprägten Schwung aufweisen, vgl. beispielsweise pAbbott 5.10: G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), 8 [99]. Allerdings ist der darüber befindliche Halbkreis schwer zu erklären und im hier vorliegenden Text ist der Arm nur mit einem sehr kurzen Rückschwung geschrieben, wie z.B. in Z. x+5 und x+8. Durch den zerstörten Kontext lassen sich keine inhaltlichen Argumente für oder gegen eine der vorgeschlagenen Lesungen finden.

[… … …] [x+4] die Duat, wenn/während (?) der Feind des Re5 an seinem Bauch leidet,6 [… … …].

5 ḫft.j n(.j) Rꜥw: Die Stelle ist problematisch, zum einen durch den zu Beginn fehlenden Kontext und zum anderen durch zwei problematische Zeichen in der Zeile. So ist ḫft mit dem Abkürzungsstrich für den Toten (Z6) klassifiziert, was die Lesung ḫft.j „Feind“ nahe legt. Herbin (2011, 31) geht von einer fehlerhaften Schreibung für die Präposition ḫft aus, da er keine plausible Lesung für die beiden folgenden Zeichen anbieten kann. Womöglich liegt hier allerdings lediglich eine ausführliche Schreibung für den Gott Re vor, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem waagerechten Strich um den Arm (D36) handeln könnte. Dann wäre hier „Feind des Re“ in der Euphemismusformel zu lesen (vgl. G. Posener, Sur l’emploi euphémique de ftj(w) „ennemi(s)“, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 96, 1969, 30–35; J. F. Quack, Sur l’emploi euphémique de ḫft „ennemi“ en démotique, in: Revue d’égyptologie 40, 1989, 197198), was in Verbindung mit den im Anschluss beschriebenen Schmerzen viel Sinn ergibt.
6 ḥr mn,j ẖ.t=f: Eine Verbindung von Bauchschmerzen und dem Gott Re bietet Spruch 20 im magischen Papyrus Leiden I 348 (rto 12,2–12,4): k.t [šnw n.t ẖ.t] [jst ?] ꜥḥꜥ.tj ḥr Rꜥ ḥr mn ẖ.t=f „Another [conjuration of the belly. The crew (?)] stood still, ⟨saying⟩: Re is suffering from his belly“ or „[the crew] (?) stood still because of Re, because of the suffering of his belly“, s. J. F. Borghouts, The magical texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 51 (Leiden 1970), 25, 121–122; Herbin 2011, 31–32. Auch drei weitere ähnliche Belege auf den Ostraka IFAO 1216 und BM 43740 (R. J. Demarée, Ramesside Ostraca (London 2002), Taf. 100) sowie im Papyrus Athen 1826 (x+vii,7–8: H.-W. Fischer-Elfert, Quelques textes et une vignette du Papyrus magique n° 1826 de la Bibliothèque nationale d’Athènes, in: Y. Koenig, Yvan (Hrsg.), La magie en Égypte. À la recherche d’une définition; actes du colloque organisé par le Musée du Louvre les 29 et 30 septembre 2000, Louvre, conférences et colloques (Paris 2002), 167–184, hier: 171) bieten aufgrund des Erhaltungszustands keine für die hier diskutierte Stelle relevante Informationen, s. Herbin 2011, 32.

[… … …] [x+5] [… … …] mit allem, was vergrößert worden ist (?).7

7 m s:ꜥꜣ.t nb.w: Durch den fehlenden Anfang ist die Zeile schwer zu deuten. Da mit der Interjektion j mit Sicherheit ein neuer Satz beginnt, liegt also das Ende eines Satzes vor.

Oh, Feind, {Feinde} ⟨Feindin⟩,8 Widersacher, Widersache[rin] (?) [… … …] [x+6] die große Neunheit (und) die kleine Neunheit hören Dich (?).

8 ḫft(.j) ḫfty.pl: Hier ist das Paar mit dem Begriff im Singular und Plural genannt, wo man ḫft(.j) pf.t bzw. ḫft(.j) ḫft.t erwartet (vgl. pBrooklyn 47.218.49, x+10.15: j ḫft(.j) pf.t mwt mwt.t ḏꜣy ḏꜣy.t …; ebd. x+4,6: sḫm mwt mwt.t ḫft(.j) ḫft.t …). Leider ist das folgende Paar nicht vollständig erhalten, um zu prüfen, ob hier eine Variante in der Formulierung oder eine Ungenauigkeit in der Schreibung vorliegt, s. Herbin 2011, 32.

Oh, Feind, {Feinde} ⟨Feindin⟩,8 Widersacher, Widersache[rin] (?) [… … …] [x+6] die große Neunheit (und) die kleine Neunheit hören Dich (?).

9 [psḏ.t] nḏs.t: Ergänzung nach Z. x+6, vgl. Herbin 2011, 33.
10 m-ẖnw=f: Durch den fehlenden Kontext ist nicht zu bestimmen, welches Bezugswort für das Suffix =f in Frage kommen könnte, vgl. Herbin 2011, 33. Vermutlich gehört dies zu der Beschreibung einer Zeichnung, über die der Spruch gesprochen werden soll. Darauf deutet das folgende jꜥi̯ „abwaschen“ (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 24 ). Die Zeichnung wird mit Honig bestrichen, dann abgewaschen und die dadurch magisch aufgeladene Flüssigkeit vom Erkrankten zu sich genommen. Die auf dem Ostrakon in einer Reihe hintereinander sitzend dargestellten Götter passen ebenfalls in dieses Bild.

Werde gesalbt mit Pflanzenbrei (?)/Libationsflüssigkeit (?)11 von [… … …], [x+8] werde gesalbt mit Honig, werde abgewaschen, werde getrunken [an/bis? … .

11 ḥs⟨ꜣ⟩y/ḥsy.t n.t: Nach gs.w m „werde gesalbt mit“ ist die Bezeichnung eines entsprechenden Produkts zu erwarten (vgl. Z. x+8: gs.w m bj.t „werde gesalbt mit Honig“). Der Begriff ḥsy.t (Wb 3, 154.1) bezeichnet allerdings die sogenannte ḥz-Vase vor allem in ihrer Nutzung als Libationsgefäß. Herbin (2011, 33) vermutet daher eine Verschreibung mit ḥsꜣ „Getreidebrei“ (H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 364–369; Popko, Glossar: Pflanzenbrei), der in zwei Rezepten (Eb 511, 547) als Bestandteil von Salben belegt ist. Vor dem Zeichen des sitzenden Mannes (A2) befindet sich ein Punkt, der als t-Brot (X1) gedeutet werden könnte. Dies würde eher gegen die Lesung ḥsꜣ sprechen, doch Herbin (2011, 33) vermutet hier einen zu A2 gehörenden bedeutungslosen Punkt, da man in der folgenden Zeile bei dem Wort swr „trinken“ einen ähnlichen Punkt erkennen kann.
Die Tatsache allerdings, dass auf ḥsy.t ein Genitiv-Adjektiv Femininum Singular folgt, mag als Hinweis darauf gewertet werden, dass hier sehr wohl ein t zu lesen ist. Und bei genauer Inspektion der beiden Zeichen, scheint der Punkt bei ḥsy.t doch deutlich abgesetzt, wohingegen derjenige bei swr auch noch zum Schwung des angewinkelten Arms gehören könnte. Sollte man das t also ernst nehmen, so könnte die Bezeichnung des Gefäßes pars pro toto für dessen Inhalt stehen, so dass von einer Salbung mit Libationswasser auszugehen ist. Eine solche Angabe ist allerdings m.W. aus anderen Quellen nicht belegt, würde aber im Rahmen einer magischen Wirkmächtigkeit des Rezepts durchaus Sinn ergeben.