ḥzꜣ „Pflanzenbrei“
ḥzꜣ wird meist mit „Pflanzenschleim“ (so H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 368 oder W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36 (Leiden 1999), passim), „mucilage“ (T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995), passim) u.ä. übersetzt. Das ist aber unter Umständen fehlleitend, weil diese Bezeichnungen auch für zähflüssige Pflanzenbestandteile oder -absonderungen verwendet wird, wohingegen ḥzꜣ ein wohl künstliches Produkt ist:
- Im Rezept Eb 199b soll eine Mischung aus mjmj-Getreide und Dattelkernen gemischt und dann „m ḥzꜣ ṯꜣ.y ausgepresst“ werden. Wenn man die Präposition m als „(werde gemacht) zu“ versteht (so Westendorf, a.a.O., 582; diese Verwendung der Präposition kommt in den medizinischen Texten sehr oft vor, v.a. in der Formel jri̯ m: „Werde verarbeitet zu“), dann kann man daraus schließen, dass zumindest „männliches“ ḥzꜣ ein künstliches Produkt ist. (NB: Die Geschlechtsdifferenzierung auch von – nach modernen Definitionen – unbelebten Rohstoffen, wie Mineralien u.ä., bedürfte noch weiterer Untersuchung. In den medizinischen Texten kommt sie in unterschiedlicher syntaktischer Ausprägung vor; die Beifügung eines attributiven ṯꜣ.y: „männlich“ ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. Vgl. einstweilen die kurzen Bemerkungen von DrogWb, 290 und Westendorf, a.a.O. 515, Anm. 57. In Eb 592 wird „Mehl/Pulver“ von „männlichem“ ḥzꜣ verwendet, so dass es unter bestimmten Umständen ganz oder zum Teil fest sein muss.)
- In Eb 696 wird ḥzꜣ n jt: „Gersten-ḥzꜣ“ genannt, was dann vielleicht, Eb 199b vergleichbar, einen ähnlich produzierten Brei aus Gerste meint. (Ob also der Unterschied zwischen normalem und „männlichem“ ḥzꜣ in der Hinzufügung von Dattelkernen lag? Zu einer anderen Möglichkeit s. unten.) In diesem Rezept Eb 696 soll das ḥzꜣ geknetet und vergoren (ꜥwꜣ) werden – es liegt auf der Hand, dass die mehrfach genannte Droge ḥzꜣ (n) ꜥwꜣ.yt das Produkt dieses Prozesses ist (so auch DrogWb, 368).
- Was mit dem „ḥzꜣ des pzn-Brotes“ und dem „ḥzꜣ des šꜥ.yt-Kuchens“ gemeint ist, ist unsicher – DrogWb 367 führt diese beiden Drogenbezeichnungen jedenfalls zusammen mit dem „Gersten-ḥzꜣ“ unter der Rubrik E: „ḥzꜣ mit Angabe des Stoffes[,] aus dem es hergestellt wird“ an.
- Weiterhin gibt es noch das ḥzꜣ (n) šbb: „ḥzꜣ der Maische“, das DrogWb, a.a.O. eher mit dem ḥzꜣ n ꜥwꜣ.yt vergleicht, in der „Maische“ also eher einen Genitivus attributivus sieht (vgl. die Nennung beider Drogen in der gleichen Rubrik in H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ–r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 440, s.v. nj, Gebrauch I.I). Im Buch von der Himmelskuh, Version Sethos’ I., Kol. 18 wird zerquetschte Gerste (scil.: und Wasser?) als šbb.t: „Maische“ bezeichnet; demzufolge wäre das „ḥzꜣ der Maische“ im Grunde dasselbe wie das „Gersten-ḥzꜣ“ von Eb 696. Dennoch deutet die verschiedene Benennung darauf hin, dass zwischen beiden ein Unterschied gewesen sein muss. Ob der allerdings in verschiedenen Ausgangsprodukten oder Herstellungsprozessen liegt oder nur ein Hinweis auf verschiedene Quellen mit unterschiedlicher Terminologie hinweist, ist unklar.
Davon abgesehen fragt sich, ob nicht auch hierin der Unterschied zwischen normalem und „männlichem“ ḥzꜣ gelegen haben könnte: Ist das normale ḥzꜣ flüssig oder zähflüssig, während das „männliche“ dagegen eher der trockene Rest ist, der durch das in Eb 199b genannte „auspressen“ übrig bleibt – ist also das „männliche ḥzꜣ“ gar nicht das, was beim Auspressen unter dem Sieb im Gefäß ankommt, sondern im Gegenteil das, was oben im Sieb zurückbleibt? (Zu einer anderen Möglichkeit s. oben.) Dass laut Eb 396 eine Scherbe mit ḥzꜣ „beräuchert“ (kꜣp) werden soll, heißt jedenfalls nicht, dass es brennbar, ergo: trocken, war. Vermutlich ist die Anweisung eher so zu verstehen, dass das ḥzꜣ erhitzt und die Scherbe in den dabei entstehenden Rauch oder Dampf gehalten werden soll.
Ebenfalls auf die Künstlichkeit von ḥzꜣ weist schließlich die Herstellung von ḥzꜣ-Teig im Grab des Djehutihotep in Deir el-Bescheh aus dem Mittleren Reich: Dort ist im Zusammenhang mit der Brotherstellung eine Frau abgebildet, der jri̯.t ḥzꜣ: „ḥzꜣ machen” beigeschrieben ist, s. P.E. Newberry, El Bersheh. Vol. 1. The Tomb of Tehuti-hetep, Archaeological Survey of Egypt 3 (London 1895), Taf. 25.
[NB: W. Watson, Another Episode on Cereal, in: Nouvelles Assyriologiques Brèves et Utilitaires 3, 2019, 123–125, hier 124 will ḥzꜣ etymologisch mit ugaritisch ḥṯ: „unleavened loaf“, arabisch ḥutṯ: „bread without any seasoning“ verbinden.]
Dr. Lutz Popko