Heilkultkapelle im Amunbezirk von Karnak

Metadaten

Wissensbereiche

Amunbezirk.

Erwerbsgeschichte

Lag ehemals lose auf der N-S verlaufenden dicken Lehmziegelmauer am Obelisken des Osttempels des Amunbezirks, heute auf einer „Mastaba“ südlich des Obelisken abgelegt.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » östliches Ufer » Karnak » Amunbezirk

Der Block einer Türlaibung wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt (vor 1962) auf einer Lehmziegelmauer am Obelisken des Osttempels abgelegt. Berücksichtigt man, dass die Türdurchgangsdicke nachträglich reduziert wurde, ist es durchaus denkbar, dass der Block sekundär für andere Zwecke wiederverwendet wurde und nicht mehr exakt am ursprünglichen Anbringungsort ist.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Die Datierung basiert auf der epigraphischen Technik, Zeichenform und Zeichendisposition: Laut Traunecker (1983, 75) passt die Gravierarbeit zu einer Einmeißelung in der Ptolemäerzeit.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Auf der Türlaibung sind Reste von zwei Texten erhalten. Der erste Text ist der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen, der zum Ziel hat, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, dass dieser Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen werde das Gesicht umgedreht bzw. ihnen drohe die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden schütze. Der Zauberer identifiziert sich mit Chnum und befiehlt den Angreifer zurückzuweichen, oder er werde zerstückelt. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in der ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden ist und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen hat.

Der zweite Text fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott an und bricht dann ab. Es ist der Anfang einer in etwa 21 Versionen (Gasse 2004, 29) überlieferten Beschwörung der Gewässer und insbesondere des Krokodils Maga, die in der Literatur als „Spruch C“ der Horusstelen und Heilstatuen bekannt ist und gern als Fortsetzung von Spruch B verwendet wird.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die erhaltene Text- und Bilddekoration passen zu einer Kapelle für einen Heilkult gegen Schlangenbisse und Skorpionstiche oder zu einer Kapelle für Schutzrituale gegen Krokodile und andere gefährliche Tiere (Traunecker 1983, 75; Dunand 2006, 17). Mauerwerk einer kleinen solchen Kapelle (Innenraum 90 x 90 cm) aus der 26. Dynastie wurde im vorderen Bereich des Muttempels von Karnak gefunden (nicht in situ) (siehe: Heilkultkapelle im Mutbezirk von Karnak), die Bodenplatte einer weiteren solchen Kapelle (bzw. der Sockel einer Heilstatue mit Wasserbassin: ca. 1,75 x 1,40 m) ist in einem Kiosk von Nektanebo I. (?) im Hof des Opettempels vorhanden, aber vielleicht nicht in situ (Lauffray 1980, Fig. 21 gegenüber von S. 58; Charloux e.a. 2012, 20 [nicht erwähnt], 31 [Fig. 1.15 = Photo], 41 [Fig. 2.2], 261 [Fig. 9.5], 341 [Fig. A11.1 „Autel à semi enterré“]).

Material
Nicht Organisch » Stein » Sandstein
Objekttyp
Architektur » Gebäude & Konstruktionen » Kapellen
Technische Daten

Der Block bildet eine Steinschicht einer linken (aus Besucherperspektive) Türlaibung, Türdurchgang und Wand einer Kapelle. Die Maße des Blockes sind bislang nicht als Zahlen publiziert. Auf der Grundlage einer Zeichnung mit Maßstab (Traunecker 1983, 92) können folgende ungefähre Angaben gemacht werden: Der Block ist 60 cm tief und 44 cm hoch. Die Breite der Türlaibung (Fassade) beträgt aktuell 35 cm (vielleicht war sie ursprünglich 1 Textkolumne breiter), die Dicke des Durchgangs ist 26,5 cm. Von der linken Innenwand ist eine Breite von 34 cm erhalten. Die Wandstärke hinter der Laibung beträgt 32 cm. Auf der Fassadenseite der Laibung sind Reste von 5 Textkolumnen erhalten. Die erhaltenen Elemente des Dekors auf der Innenwand (Falke auf Papyrusstengel und Schlangen) erinnern an ein Horuskind auf den Krokodilen, das Schlangen in den Händen hält und auf beiden Seiten von einer Standarte (Falke auf Papyrusstengel bzw. Nefertemsymbol) flankiert wird. Falls man die Höhe des Horusfalken der erhaltenen Standarte als Hinweis für die Größe der Gesamtdarstellung heranziehen dürfte, dann könnte die Szenenbreite grob 1,45 bis 1,55 m betragen haben (nach Vergleich mit den Proportionen von CG 9401 und 9404). Nimmt man hingegen die Höhe der Schlangen als Ausgangspunkt, dann liegt die Szenenbreite grob zwischen 1,15 und 1,25 m. Die Außenseite der Seitenwand ist grob behauen und war sicherlich in Lehmziegelmauerwerk eingefasst. Der Aussprung der Durchgangsseite wurde nachträglich ein wenig reduziert und trägt keine Dekoration mehr. Das Innendekor sowie ein Riegelloch (?) an der Innenseite sprechen für eine einflügelige Tür mit Türachse an der rechten (Besucherperspektive) Türlaibung.

Schrift
Hieroglyphen

Eingeschnitten.

 

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Barguet 1962 hat als Erster den Block erwähnt und eine Textkopie und Skizze geliefert. Er konnte den Text auch schon identifizieren. Traunecker 1983 hat eine maßstabsgetreue neue Zeichnung angefertigt, mit einer neuen Textkopie und Skizze der Darstellung. Ein Foto des Blockes ist bislang nicht publiziert.

Editionen

- Barguet 1962: P. Barguet, Le temple d’Amon-Rê à Karnak. Essai d’exégèse, Recherches d’archéologie, de philologie et d’histoire 21 (Le Caire 1962), 242, Anm. 1.

- Traunecker 1983: C. Traunecker, Une Chapelle de magie guérisseuse sur le parvis du temple de Mout à Karnak, in: Journal of the American Research Center in Egypt 20, 1983, 75 und 92 (Abb. 14).

Literatur zu den Metadaten

- Charloux et al. 2012: G. Charloux et al., Le parvis du temple d’Opet à Karnak. Exploration archéologique (2006-2007), Bibliothèque générale 41, Le Caire 2012.

- Dunand 2006: F. Dunand, La guérison dans les temples (Égypte, époque tardive), in: Archiv für Religionsgeschichte 8, 2006, 4–24, hier: 17.

- Gasse 2004: A. Gasse, Une stèle d’Horus sur les crocodiles. À propos du „Texte C“, in: Revue d'Égyptologie 55, 2004, 23–37 und Taf. 7–9.

- Lauffray 1980: J. Lauffray, Les travaux du Centre Franco-Egyptien d’étude des temples de Karnak de 1972 à 1977, in: Cahiers de Karnak 6, 1973–1977, 1980, 1–65.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Linke Türlaibung

Horusstelentext B= Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[x+1] [Re steigt hinauf in seiner Barke, um die Neunheit von Babylon zu sehen (d.h. zu besuchen?), (während) diese Herr]en der Unterwelt [bereitstehen, dich] zu bestrafen.
[Oh (ihr) Wasserbewohner, (...) eure Augen wurden von] Heka [geblendet.]
Diese Vierzahl großer Götter, die [den Schutz des Osiris bereiten, sie sind es, die den Schutz dessen bereiten, der eine Biss-/Stichwunde hat, und dessen, der auf dem Wasser ist, (d.h.) aller Menschen und allen (Klein)-Viehs, das auf dem Wasser ist an diesem Tag.]
[Wende deinen Schritt ab von mir (oder: meinetwegen)], (du) Rebell!
(Denn) ich bin Chnum, der Herr von Herwer.
[Oh Re! Bekanntlich hast du keine (so) heftig klagende Stimme (mehr) gehört seit dem Abend auf] jenem [Ufer] von Nedit. {Die große Stille} 〈das große Geschrei〉 war im [Mund aller Götter und aller Göttinnen.]
[x+5] [Zurück mit dir, (du) Rebell! Hui!] Hui! (wörtl.: zweimal)

1 Ergänzt nach Metternichstele Spruch 5, Z. 38–48. Fünf Textkolumnen, von rechts nach links (Besucherperspektive) orientiert. Erhalten sind ca. sechs Quadrate pro Kolumne, dazwischen sind jeweils 35 bis 40 Quadrate verloren. Der erhaltene Teil von Horusstelentext Spruch B setzt so spät ein, dass zwei Textkolumnen am Anfang verloren sein müssen. Zwar ist vor der 1. Textkolumne vermutlich noch eine zu rekonstruieren (die Durchgangsseite wurde nachträglich verbreitert), dies dürfte jedoch nicht ausreichen, um den ganzen Text einzupassen. Deshalb müsste der fehlende Teil von Spruch B vermutlich auf der gegenüberliegenden Türlaibung rekonstruiert werden, obwohl eigentlich die linke Türlaibung (aus Besucherperspektive) die zuerst zu lesende ist.

Horusstelentext C (linke Türleibung)

Oh (du), der aus der Unterwelt hervorgekommen ist, der aus [dem Nun] aufgegangen ist, der ... ... ...]