Statue der Göttin Neith Kairo CG 9431bis
Übersetzung und Kommentar
Sockeloberseite
Beischrift zur Göttin Neith
[vor den Füßen der Göttin] Neith, die Große, die Gottesmutter, die sich in Sais befindet.
Rückenlehne
Beischriften zu Horus-Sched
[vor dem Kindgott] Ich bin Sched (der Retter), der den M[aga] (?) bekämpft, der sich in der Flut befindet.1
[hinter dem Kindgott] Ich bin Horus, der aus Chemmis hervorgegangen ist.
1 Schon in C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band II. ꜥ – b, Orientalia Lovaniensia Analecta 111 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 185a–b wurde die Lesung Maga vorgeschlagen. Die Übersetzung von Schmitz 1994, 261: „Ich bin Sched, der gegen Krokodile kämpft im Urgewässer“ ist nicht auf Anhieb nachvollziehbar. Auch die Übersetzung von Sternberg-el Hotabi 1999, I, 98: „Ich bin Sched, der das Krokodil auf diesem (?) Gewässer bekämpft“ ist grammatikalisch nicht unproblematisch. A. Forgeau, Horus-fils-d'Isis: La jeunesse d'un dieu, Bibliothèque d'Étude 15 (Le Caire 2010), 324 hat: „Je suis Ched qui combat le crocodile, hôte du flot. Je suis Horus sorti de Chemmis.”
Sockelseiten und linke Thronseite
Spruch zur Abwehr des Apophis (= Metternichstele Spruch 1 mit Varianten)
[1] Zurück [du], [Apophis(?)], (du) Böser, jene Windung der Eingeweide (oder: des Embryos). (Du,) der keine Arme hat [5] und dessen Beine es nicht gibt1: nicht 〈gibt es deinen Körper,〉 aus dem du entstanden bist2. (Oh) jene Nabelschnur, weiche zurück vor Re!
Ich kenne [10] deinen Namen (?)3, (du,) dessen Schwanz lang ist im Innern seiner Höhle.
Dein Kopf wurde {gepackt}〈abgehackt〉, [15] deine Zerhackung/Zerstückelung wurde ausgeführt.
Du wirst dein Gesicht nicht gegen den Großen Gott erheben können. Der Große Gott hat Macht über dich. (Sein) Fackelfeuer ist 〈in〉 deinem Gesicht.4 (Seine) Flamme [20] ist in deinem Körper.
Der Geruch {ihrer} 〈der großen〉 Hinrichtungsstätte ist in {ihrem} 〈deinem〉 Fleisch. [25] 〈Du〉 wirst riechen an dem (oder: duften nach dem) šꜥd-Hackmesser der Götter.5
Magie ist in (?) Selkis (oder: gehört Selkis), [so dass] sie [deine Kraft ablenkt.]6
[30] ...?...
Bleib [doch] stehen! Weiche doch zurück vor der Magie [35] aus/in meinem Mund!7
Dein [K]örper ist in [dem Feuer (?)].8 Es hat [d]ich ver[nichtet].9
[Das] Horus[auge] [40] (?) an [meiner (?)] Stirn [hat dich zerkocht]. Es (das Horusauge) hat [dich (?)] vertrieben.11 Das Horusauge hat Macht über dich.
Du bist gefallen, (du) Rebell, durch meine Magie.12 [45] (Du), der keine Arme hat 〈und der keine Beine hat〉, (du,) der ins Feuer eingetreten und verbrannt ist, die Göttin (des Feuers?) hat dich zu Fall gebracht. Sie hat dich vernichtet 〈für(?)〉 die, die in ihren Kapellen sind (oder: Die, die in ihren Kapellen sind, haben dich vernichtet).13
1 In den Textparallelen steht: „der keine Beine hat“.
2 Ergänzt nach den Textparallelen.
3 In den Textparallelen steht: „Ich weiß, was du getan hast.“
4 In den Textparallelen steht: „die Fackel ist in deinem Gesicht.“
5 Klasens 1952, 59, Anm. 83 übersetzt: „you (?) taste of the knife (?) of the gods.“ In der Textparallele Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.24 steht: „Du wirst das šꜥd-Hackmesser des großen Gottes spüren (o.ä.).“
6 Vgl. dieselbe Formulierung auf dem Flügelskarabäus BM EA 35403 (Text. IV.5): C. A. R. Andrews, An Unusual Source for Magical Texts, in: A. Leahy – J. Tait (Hrsg.), Studies on Ancient Egypt in Honour of H. S. Smith, Occasional Publications 13 (London 1999), 11–15, hier: 14–15.
In der Textparallele Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.24 steht: „Selkis hat dich bezaubert, damit sie dich in die Irre gehen lässt.“
7 Der Text der Metternichstele hört hier auf, aber auf dem Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.22–24 geht der Text in Z. 25–27 noch weiter und kann teilweise mit CG 9431bis, Z. 37–47 parallelisiert werden.
8 Keine Parallele in Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.24–25.
9 In Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.25 steht: „Sie (gemeint: das Feuer) hat dich vernichtet“. Allerdings ist das in pBremner-Rhind vorangehende: „Du bist dem Feuer übergeben“ nicht in CG 9431bis vorhanden.
10 Vgl. Papyrus Bremner-Rhind Kol. 29.25 mit: „Das Horusauge hat dich an deiner Stirn zerkocht“ oder „Das Horusauge an {deiner}〈meiner〉 Stirn hat dich zerkocht.“
11 Keine Parallele in Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.25.
12 Keine Parallele in Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.25.
13 Anscheinend nur auf CG 9431bis. In Papyrus Bremner-Rhind, Kol. 29.26–27 steht: „Es hat dich zu Fall gebracht der große Gott, der von selbst entstanden ist. Es haben dich vernichtet die, die in seiner Barke sind.“ C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 307, Anm. 37 liest: „those who are in their shrines perish”, aber sie berücksichtigt nicht, dass hier „sie hat dich vernichtet” steht, und eine solche Aussage wäre insgesamt sehr merkwürdig.
Rechte Thronseite
Spruch über Zwerg aus Fayence1
Der Zwerg aus Fayence ist ins Wasser gefallen, [50] der 〈am〉 Hals der Neith ist2.
Entfernt euch von ihm!3
Es ist das Abbild (?) dieses Gottes in deinem Körperglied (?).4
Nes(eret) (?) gehört ihm jeden Tag. (?)
Ich bin weinend zu dem gekommen, der im Sarg ist vor (?) Schmerzen (?)5.
1 Auf der rechten Seite des Throns stehen andere magische Sprüche. Der Spruch mit dem Zwerg der Neith aus Fayence ist kurz und meistens in einen größeren Zusammenhang eingebunden. Die ältesten Versionen stammen aus der Ramessidenzeit, auf einer frühen Horusstele (CG 9403: Übergang 19./20. Dynastie?) und auf Papyri (Turin CGT 54050 Rto, Kol. 5.14).
2 Dieselbe Formulierung „der 〈am〉 Hals der Neith ist“ auf dem Gefäß BM EA 37256, Z. 7: C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 303. In anderen Texten steht: „Halsschmuck der Neith“.
3 Normalerweise steht hier: „Halte dich fern von ihm!“ (z.B. Gefäß BM EA 37256, Z. 7: C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 303; Horusstele Museum of Seized Antiquities; Horusstele JE 47280 aus Karnak: G. Daressy, Description des monuments épigraphiques trouvés à Karnak en 1921-1922, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 22, 1922, 261–268, hier: 268). Vgl. auch die Horusstele aus Karnak in J. Berlandini, Une stèle d’Horus sur les crocodiles du supérieur des prêtres de Sekhmet, Padiimennebnesouttaouy, in: Cahiers de Karnak VI, 1973–1977, Le Caire 1980, 235–245, hier: 243, Z. 7 = H. Altenmüller, Der Sockel einer Horusstele des Vorstehers der Wab-Priester der Sachmet Benitehhor, in: Studien zur altägyptischen Kultur 22, 1995, 1–20, hier: 14.
4 Für diesen und die folgenden zwei Sätze gibt es bislang keine Textparallele. Ist es die Fortsetzung des Vorangehenden und ist „dieser Gott“ der Zwerg?
5 ḏbꜣ.t n ⸮jnw?: Sternberg-el Hotabi 1999, I, 44, Anm. (o) spricht bezüglich CG 9431bis von einem Sarg in der Form eines Fisches. Das ist jedoch sehr unwahrscheinlich in Anbetracht der Schreibung. Ob man „in der jnw.t-Krankheitserscheinung“ verstehen kann?