Magische Doppelstatue Kairo CG 9430
Übersetzung und Kommentar
Vorderseite: Identifikation der Bastet
Worte zu sprechen durch Aat-Bastet1, die in Hügel-der-kꜣkꜣ-Pflanzen2 wohnt, die den Schutz über sie bereitet3.
1Ꜥꜣ.t-Bꜣs.t: Für den ersten Namen als Graphie einer Göttin Ꜥwꜣy.t/Ꜥy.t/Ꜥꜣy.t/Ꜥꜣ.t aus Herakleopolis Magna, siehe Yoyotte 1988, 172. Laut C. Leitz, Das Ichneumonweibchen von Herakleopolis – eine Manifestation der Bastet, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 38, 2009, 161–172, hier: 164 ist das erste Element der Name einer Göttin ꜥꜣ,t/ꜥwꜣyt/ꜥy, Variante zu ꜥḏ.t „das Ichneumonweibchen“.
2 Siehe Yoyotte 1988, 173 „Butte-des-Ricins“ für dieses Toponym von Herakleopolis Magna.
3 Daressy 1894, 48 hat „die ihren Schutz bereitet“, was jedoch falsch ist. Yoyotte 1988, 171 liest „qu’elle fasse sa protection sur elle“, bezogen auf eine weibliche Schutzbedürftige. Leitz 2009, 164 liest „die den Schutz auf ihm (= dem Hügel) bereitet.“
Rückseite oben: Alle fruchtbaren Länder und alle Wüsten
[1] Alle (fruchtbaren) Länder und alle Wüsten, alle Berge und alle Gewässer (sowie) ihre Bewohner (oder: das, was in ihnen ist) sind 〈vereint〉1 unter den Füßen des Horus, Sohn der Isis, mit dem Isis schwanger war und mit dem Nephthys begattet war2.
Mögen sie {alle} 〈deinen〉 fiebrigen/erhitzten Zustand vertreiben, mögen sie deine innere Unruhe beseitigen.
(oder: Mögen sie {alle} 〈deinen〉 Gluthauch vertreiben, mögen sie deine Störung/Aufruhr beseitigen.)3
Mꜣ (?)4 ist für dich bestimmt (oder: ist gegen dich)5! Zweimal (zu sagen)!
Die mꜣt.t-Pflanze6 ist für dich bestimmt (oder: ist gegen dich)! Zweimal (zu sagen)!
Die mꜥw-Pflanze7 ist für dich bestimmt (oder: ist gegen dich)! Zweimal (zu sagen)!
(Oh du,) Feind, Feindin! Kommt (?), (Ihr) Neunheit (?), (und tut etwas??) gegen (?) die (Un)toten (?)8, die Gegner und Gegnerinnen!
Zurück mit dir, (du) Löwe mit grimmigem (?) Maul9.
... ... [5] Osiris in Theben.
Die drei Barken gehören dir. (?)
Heliopolis ist in Frieden ist der Name der Stadt (oder: von Theben). (??)
Greife nicht an!10
Gehe nicht gegen ihn vor, (ihr) Feinde!
Der Gott (?) ist vor (?)11 ihm. [Isis]12, die Göttliche, findet (?) ihn. (?)
... mit/in seinem Haar für sein Gesicht.13
Weiche zurück vor seinem Scheitel/Stirn (?)!
Das bedeutet, das Re derjenige ist, der wütet.
so sagte Nephthys, so sagte Isis (???).
Das bedeutet, dass der Jüngling (?), der im Auge des Re ist, wohlbehalten auf Erden ist, wenn ihn die Löwen gefunden haben.14
1 Fehlt in der Version Kairo CG 9430 (Auslassung?). Vorhanden in den Textträgern von Louvre AF 12690, MMA 44.4.54, Leiden A 1046, Nachtefmut und Philadelphia E 12.514.
2 Siehe J. Berlandini, Un monument magique du „Quatrième prophète d’Amon“ Nakhtefmout, in: Y. Koenig (Hrsg.), La magie en Égypte: à la recherche d’une définition. Actes du colloque organisé par le musée du Louvre les 29 et 30 septembre 2000 (Paris 2002), 83–148, hier: 95, Anm. (b) für die entdoppelte Schwangerschaft von Isis und Nephthys.
3 Sternberg-El Hotabi 1999, I, 49 und Berlandini 2002, 95 übersetzen (wie hier) optativisch, aber weil im vorherigen Satz der erwünschte Zustand beschrieben wird ("alle Länder ... sind vereint unter den Füßen des Horus"), ist vielleicht perfektisch zu übersetzen. Das wäre dann allerdings eine neuägyptische Konstruktion.
4 Zerstört auf Stele Kairo CG 9403. Auf Stele Kairo CG 9430, wo anschließend zwei Pflanzenbezeichnungen mꜣt.t und mꜥw/mꜥ.w in derselben syntaktischen Konstruktion folgen, fehlt bei mꜣ ein Determinativ, ebenso auf der Stele des Nachtefmut in Paris (Berlandini 2002, 137), wo die zwei Pflanzenbezeichnungen fehlen. Die Identifikation von mꜣ ist ohne Determinativ nicht zu klären.
5 Wenn man den Satz auf das Horuskind bezieht (so Sternberg-el Hotabi 1999, I), kann die Präposition nicht adversativ verstanden werden. Vgl. Berlandini 2002: "L’entité-ma est à toi!" und Sternberg-el Hotabi: "Mögen dir zahlreiche [Pflanzen (mꜣt.t)] zukommen und mꜥ-Pflanzen zuströmen." Weiter unten im Text spricht Isis ("ich") einen Löwen ("du") an.
6 Bislang nur in der Textversion von CG 9430 erhalten bzw. vorhanden. Für diese Pflanze siehe H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 214–217; Berlandini 2002, 96, Anm. (d) und 124, Anm. 85–88 für weitere Literatur; Koemoth, La plante mꜣtt, le feu et la puissance virile, in: Bulletin de la Société d’Égyptologie de Genève 17, 1993, 57–62. Seine Übersetzung von CG 9430 kann nicht zutreffen, denn sie unterschlägt "Störung/Aufruhr": "elles (i.e. Isis et Nephthys) écartent tout feu (lorsqu’) elles coupent la plante (?) pour toi bis, les plantes mꜣt.t pour toi bis, les plantes (?) pour toi bis ..." (Koemoth verweist für das Abschneiden der Pflanze auf Papyrus Budapest 51.1961, Kol. 3.4, wo das Verb "schneiden" verwendet wird.
7 Auf Stele Kairo CG 9403 steht ꜥm.t, auf Stele Kairo CG 9430 mꜥ.w, beide Male mit Pflanzendeterminativ. Es gibt viele ähnlich geschriebene Pflanzenbezeichnungen (ꜥꜣmw, ꜥꜣmw.t/ꜥꜥmy.t, ꜥꜥm, ꜥmꜣ, ꜥmꜥꜥ, ꜥmw und mꜥ), so dass unklar ist, wieviele unterschiedliche Bezeichnungen wirklich existieren und welche davon hier gemeint ist.
8 Falls so richtig gelesen, ist die Schreibung ungewöhnlich. Die Texte von Stele Kairo CG 9403 und Stele Kairo CG 9430 unterscheiden sich an dieser Stelle, außerdem ist CG 9403 teilbeschädigt und CG 9430 problematisch in der Lesung. Sternberg-el Hotabi 1999, I, 49 und Anm. (g)–(h) übersetzt CG 9403 als "Kommt [doch Götterneunheit], ...", wobei sie sich möglicherweise an CG 9430 orientiert. Für das, was hinter dem unsicheren "Neunheit" steht, hat Sternberg-el Hotabi keine Lösung.
9 Nur auf Stele Kairo CG 9403 und Stele Kairo CG 9430 belegt. Laut Sternberg-el Hotabi 1999, I, 50, Anm. (i) ist der Sonnengott gemeint. Könnte hier der von Gift befallene Sonnengott gemeint sein, der dem Patienten gefährlich wird? Auf CG 9430 könnte "Löwe mit grimmigem Mund" stehen (so in LGG V, 478c–479a).
10 Emendiert gemäß Horusstele Kairo CG 9403 und des nächsten Satzes.
11 Lesung sehr unsicher und nicht auf dem Foto (Daressy 1903, Taf. XI) nachvollziehbar.
12 Ergänzt nach Stele Kairo CG 9403, wo "Ich bin Isis, die Göttliche" steht. Anschließend unterscheiden sich CG 9403 und CG 9430 wieder voneinander.
13 Unklar. Auf Stele Kairo CG 9403 steht ebenfalls etwas Unklares, das in der ersten Person und nicht in der dritten Person formuliert ist: "Sei leer (?) vor meinem Gesicht!"
14 Vgl. die Horusstele des Nachtefmut (ed. Berlandini 2002, 95 mit Anm. (g)): "Der Jüngling, der im Auge des Re ist, er ist mächtig über seine Feinde, wie Re mächtig über [seine] Feinde ist."
Rückseite Mitte: Götterdarstellungen
Horus, Herr des Erdkreises, der den Rebell ersticht (?), der das ...-Krokodil zurücktreibt.
(???)
Worte zu sprechen durch Geb (?).
Worte zu sprechen durch ...?...
Worte zu sprechen durch ...?...
Worte zu sprechen durch den Grimmigen (?).
Schmalseite unten: Horusstelentext B
[1] Oh Greis, der sich zu seiner Zeit verjüngt, (oh) Kind (!)1, das den Jugendlichen spielt,
Mögest du veranlassen, dass Thoth zu mir kommt auf meine Stimme hin, damit er für mich Nehaher vertreibt.
Osiris ist auf dem Wasser,
das Horusauge ist bei ihm.
Erhebt nicht euer Gesicht, (ihr) Wasserbewohner, bis/so dass Osiris an euch vorbeigehen kann.
〈Seht,〉 er ist unterwegs nach Busiris.
Euer Mund wurde blockiert,
euer Schlund wurde verstopft.
Nach hinten mit dir, (du) Rebell!
Erhebe nicht dein Gesicht!
[Re] erhebt sich,
die Neunheit 〈in〉/von Babylon schaut zu.
Die Herren der Unterwelt stehen bereit, [5] das Kommen seitens Nehaher zu bestrafen.
Ihre Köpfe wurden umgekehrt, gesetzt auf (d.h. in Richtung auf) ihren Rücken.
Euer Maul wurde von Re geschlossen.
Euer Schlund wurde von Sachmet verstopft.
Eine hohe/laute Stimme ist im Haus-der-Neith,
ein Gejammer 〈... ... ...〉
Sein Name bleibt (dauerhaft) vor Herischef, dem König der Beiden Länder, (nämlich) der Große der Mau, Pamiu, der Sohn des Herrn der Beiden Länder Scheschonq(?)3-Meriamum.
1 Hier steht normalerweise "der Greis".
2 Lesung nach Yoyotte 1988, 172: „Que son nom soit durable devant ($n-bꜣḥ$) son père, Herishef (...)“. Die Zeile wurde nachträglich hinzugefügt.
3 Die Lesung der Kartusche ist fraglich, wie Daressy 1903, 39, Anm. 1 selbst eingesteht. Abweichend noch in Daressy 1894, 48. Yoyotte 1988, 172, Anm. 101 erachtet nicht einmal die Lesung "Takelothis" für ausgeschlossen.