Papyrus Louvre E 32308
Übersetzung und Kommentar
Amulettspruch
[1] Wenn ein Feind, Jener (eine Feindin), ein Untoter, eine Untote oder irgendein Widersacher kommen wird, der kommt, um (Frau) Mutemhab, die (Frau) Isis geboren hat, zu befallen in der Nacht oder am Tag oder zu irgendeinem Zeitpunkt, dann wird man dich in deinem Grab stören (...)(...) und man wird dich mit Gewalt (?) (oder: in der Nekropole)1 suchen [5] und man wird dir ein Fangnetz (?)2 im Himmel aufstellen (?) (oder: und man wird veranlassen, dass der Mondgott gegen dich ist im Himmel), während Seth gegen dich ist auf Erden, und man wird dich nordwärts treiben lassen, wobei nicht zugelassen wird, dass du anlandest (?)3.
Und ich werde dein Grab einreißen, ich werde dein Ei zerbrechen mit dir, der du einen Spuk gegen Mutemhab, die Isis geboren hat, anrichtest.
Sie ist Horus im Nest von Chemmis4, [10] wobei sie jener Jüngling, der Sohn der Bastet5, ist.6
1 ⸮ḫꜣd?: Koenig 2004, 293, Anm. (f) liest hier ḫꜣd, vergleicht mit dem Verb "être disloqué" und übersetzt "on te recherchera avec violence (?)". Er findet aber eine Teilparallele im Turiner magischen Papyrus CGT 54050, Rto 5.12 (ed. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011)) (= W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), 2. Bd., Taf. 124.12): jw=tw (r) ḥḥ=k m ẖr.t-nṯr mtw=tw wḫꜣ pꜣy=k jz n.tj tw=k m-ẖnw=f: "Man wird dich suchen in der Nekropole und man wird dein Grab, in dem du bist, untersuchen." Er nimmt daher an, dass ḫꜣd eine Fehllesung von ẖr.t-nṯr ist. Aus Koenigs hieroglyphischer Umschrift (S. 323) geht nicht hervor, dass hinter seinem "schlagenden Arm" (D40) noch zwei weitere Zeichen zu erahnen sind. Das von ihm als "schlagender Arm" gelesene Zeichen könnte auch das Fremdlandzeichen (N25) sein, das anschließende Zeichen die Götterstandarte (R8), gefolgt vom Falken auf der Standarte (G7).
2 jḥ oder j⟨ꜥ⟩ḥ: Koenig 2004, 294 Anm. (g) und 317 liest die Gruppe als ꜥḥ: "Fangnetz" und schließt nicht aus, dass auch jḥ: "Seil" als Lesart in Betracht kommt. Das Determinativ von jḥ versteht er als das Seil (V1) mit dem kleinen Oberstrich, den es zu manchen Zeiten auch hieroglyphisch gibt. Es könnte aber auch eine misslungene Wiedergabe des Fangnetzes (T24) sein. Er findet aber eine Teilparallele im Turiner magischen Papyrus CGT 54050, Rto 5.13 (ed. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011)) (= W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), 2. Bd., Taf. 124.13): mtw=tw ḏi̯.t jꜥḥ r=k m tꜣ p.t jw Stš r=k m sꜣṯw: "und man wird veranlassen, dass der Mondgott gegen dich ist im Himmel, während Seth gegen dich ist auf Erden." Er nimmt daher an, dass jḥ eine Umdeutung von jꜥḥ ist. Es wäre aber durchaus möglich, statt Seil oder Fangnetz eine senkrecht gestellte Mondsichel zu lesen und dann würde nur das Ayin fehlen. Die Orthographie von jꜥḥ ohne Ayin ist jedoch im Neuen Reich und danach belegt, so dass gar kein Fehler oder eine Umdeutung erforderlich ist. Allerdings würde man erwarten, dass die senkrecht gestellte Mondsichel gespiegelt orientiert sei.
3 mny.t=k: So setzt Koenig 2004, 323 den Satzteil um, aber über dem =k steht noch etwas, das Koenig nicht berücksichtigt. Entweder ist dies eine misslungene Buchrolle, oder man sollte mny.t n=k "Landepflock/anlanden für dich" lesen (jedoch falsche Reihenfolge von direktem und indirektem Objekt)? Die Schreibung mn.ty erklärt sich vielleicht durch Verwirrung mit den mnj.tjw, den pfählenden Dämonen. Koenig 2004, 295 Anm. (j) und 316 erkennt entweder das Verb mjnj: "anlanden" oder das Substantiv mnj.t: "der Landepflock". Er geht nicht weiter darauf ein, sondern verweist auf Textparallelen für diesen Satz. Im Turiner magischen Papyrus CGT 54050, Rto 5.13 (ed. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011)) (= W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), 2. Bd., Taf. 124.13) steht: mtw=tw tm ḏi̯.t ḫdi̯=k mtw=tw tm ḏi̯.t ḫnti̯=k ⟨m⟩ ṯꜣw: "und man wird nicht zulassen, dass du nach Norden fährst, und man wird nicht zulassen, dass du mit dem Wind nach Süden fährst." Er nimmt daher an, dass mny.t eine Umdeutung von ḫnti̯ ist. Es wäre aber durchaus möglich, statt Spielbrett (Y5) einen Gefäßständer (W17) zu lesen und statt des Landepflocks (P11) das normale Schiff (P1), so dass tatsächlich noch ḫnti̯ da stünde, allerdings mit dem normalen Schiff und nicht mit dem Segelschiff als Determinativ. Die moderne Verwirrung von Y5 und W17 ist auch anderswo belegt (z.B. siehe J. Quack, Beiträge zu einigen religiösen und magischen Texte, in: M. Collier – S. Snape (Hrsg.), Ramesside Studies in Honour of K. A. Kitchen (Bolton 2011), 415 zur Hautkrankheit rmn.t statt r-ḫnt in den Oracular Amuletic Decrees und in pDeM 36, Z. 4). Folgt man dem, dann wären allerdings Emendationen erforderlich: m⟨tw=tw⟩ tm ḏi̯.t ḫnti̯.y=k und vorher mtw=tw ⟨tm⟩ ḏi̯.t ḫdi̯.y=k.
4 Ꜣḫ-bj.t: Die Zeichenspuren sind ziemlich beschädigt und die Einzelzeichen sind unsicher. Im pTurin CGT 54050 ist zunächst die Biene (L2) und danach die Sumpfpflanze (M15) geschrieben. Ob im pLouvre E 32308 zunächst die Sumpfpflanze (M15) oder, wie es Koenig (2004, 323) transliteriert, das Pflanzenbündel (M2) steht, sei dahingestellt. Am Wortende steht möglicherweise noch mehr als das Stadtdeterminativ (O49), mit dem Koenig das Toponym beendet.
5 Bꜣs.t: Die Graphie ist ungewöhnlich. Das erste Zeichen ist kein eindeutiges Gefäß (W1-2), aber ebenso wenig das Haus (O6). Die doppelte Setzung von t und Ei ist verdächtig. Hinter dem Schlangendeterminativ stehen noch unleserliche Spuren.
6 Fast dieselben Sätze finden sich im magischen Papyrus Turin CGT 54050, Rto 4.5-6 (ed. A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011)) (= W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), 2. Bd., Taf. 123.5-6): mntf Ḥr.w m sš n.t Ꜣḫ-bj.t / m bjk n.j mḥ 1 jm=f / jw=f m⸮j? ḥwn.y pwy n.j zꜣ Ḥw.t-Ḥr.w: "Er ist Horus im Nest von Chemmis, als Falke von einer Elle darin, wobei er wie (?) jener Jüngling des Sohnes der Hathor ist."