Papyrus Chester Beatty XIII

Metadaten

Schlagwörter
Alternative Namen
TM 381080
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10693

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus Chester Beatty XIII gehörte zuerst zur Papyrussammlung des amerikanischen Großindustriellen Alfred Chester Beatty (1875–1968), der die Papyri II–XIX im Jahre 1930 dem British Museum in London schenkte (Hall 1930, 46–47), während er den Papyrus Chester Beatty I in der Chester Beatty Library in Dublin unterbrachte.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Die genauen Erwerbsumstände sowie der originale Fundzusammenhang des Papyrus sind ungewiss. G. Posener gibt an, dass die 19 Chester-Beatty-Papyri mit dem Fund von 17 (?) Papyri aus Deir el-Medineh zu vergesellschaften sind, die im Jahre 1928 von B. Bruyère in einem schmalen, trapezförmigen Bereich mit gestampftem Boden zwischen dem Gewölbe einer Grabkapelle und dem Fundament einer Grabpyramide in Deir el-Medineh entdeckt wurden: "Il est permis de dire à présent que la découverte dépassa en importance les papyrus recueillis par le fouilleur le 20 février 1928. (...) On saura plus tard que les papyrus Chester Beatty proviennent de la même trouvaille." (Černý 1978, VIII; Plan des Fundorts: Bruyère 1929, Plan I: unten rechts, zwischen den Schächten P.1165 und P.1169). Darüber hinaus verweist er auf den Eintrag in B. Bruyères Grabungstagebuch vom 21. Februar 1928, in dem es heißt, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass er von drei Arbeitern bestohlen wurde. Der Papyrus Chester Beatty XIII ging demnach möglicherweise als Diebesgut in den Antikenhandel, wo er von A. Chester Beatty erworben wurde (Černý 1978, VIII). Zu dem Papyrusfund scheinen, abgesehen von den 19 Chester-Beatty-Papyri und den 17 von J. Černý gemeinsam veröffentlichten Deir-el-Medineh-Papyri (für die wenigsten der 17 Papyri liegen genaue Fundbeschreibungen vor), auch zwei Naunachte-Papyri in Kairo zu gehören, eventuell noch zwei Naunachte-Papyri in Oxford sowie ein Genfer Papyrus (P. Geneva MAH 15274), also insgesamt mindestens 40 Papyri (Pestman 1982, 155–172). Falls dies stimmt, wurden also alle Papyri im oberirdischen Bereich einer Grabanlage gefunden, dessen oder deren Besitzer bei der Grabung nicht bestimmt werden konnte(n). P. W. Pestman ermittelte die aufeinanderfolgenden Eigentümer der Papyri als Ken-her-chepesch-ef den Älteren, seine Frau Naunachte und ihre Söhne aus zweiter Ehe, Amun-nacht und Pa-maa-nacht-ef. Möglicherweise ist einer der Papyri (Papyrus Chester Beatty IX) irgendwann nass geworden, entrollt und nach der Trocknung wieder aufgerollt worden (Gardiner 1935 I, 78). Y. Koenig verweist auf den Brief Papyrus BM EA 10326 (= LRL, Nr. 9), in dem nassgeregnete Papyri inspiziert und später in einem Grab mit oberirdischen Räumen deponiert wurden, und er erkennt Analogien zwischen den dort geschilderten Vorgängen und dem Fundzusammenhang des Fundes von B. Bruyère von 1928 (Koenig 1981, 41–43).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Die Datierung beruht auf paläographischen Kriterien. Laut A. H. Gardiner ist die Schrift "in a good Ramesside literary hand" (Gardiner 1935 I, 123). Die datierten Texte des Archivs, zu dem Papyrus Chester Beatty X gehört bzw. die identifizierten Eigentümer des Archivs, stammen aus dem Datierungszeitraum von der frühen Regierungszeit Ramses’ II. bis hin zu Ramses IX. (Pestman 1982, 158). Dies umfasst eine Zeitspanne von ca. 170 Jahren (ca. 1279–1109 v. Chr.).

Textsorte
Inhalt

Dadurch, dass Anfang und Ende jeder Zeile zerstört sind, ist der Inhalt nur schwer definierbar. Gardiner (1935 I, 123) spricht von einem "magical text" und von "magical spells of some kind" zum gleichen Thema wie bei Papyrus Chester Beatty X, d.h. "from a book of aphrodisiacs". An anderer Stelle wird von "Incantations for good health" gesprochen. Der größte Teil des Textes scheint zu einer Beschwörung für den Penis zu gehören, in der letzten Zeile fängt eine neue Beschwörung an, möglicherweise zum gleichen Thema. In der Beschwörung spielt der Gott Re eine Rolle, später kommen auch gewisse Schlangen vor. Der mythologische Hintergrund ist jedoch nicht rekonstruierbar. Formulierungen sind in der direkten Rede und verwenden Pronomina der 1. und 2. Person Singular. Am Ende der Beschwörung könnte ein pharmazeutisches Rezept gestanden haben, mit Angaben zur Drogenverarbeitung und Anwendung auf dem Penis. Papyrus Chester Beatty X handelt ebenfalls vom Penis, aber dort werden fast ausschließlich Rezepte aufgelistet. Chester Beatty X und XIII können, trotz derselben (rekonstruierten) Höhe der Seiten, nicht von derselben Rolle stammen, weil Chester Beatty XIII 11 Zeilen pro Kolumne hat und nur einseitig beschriftet ist, Chester Beatty X dagegen 14 Zeilen pro Kolumne zählt und beidseitig beschriftet ist.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Das Papyruskonvolut, zu welchem auch der Papyrus Chester Beatty XIII zählt, gehörte zum Familienbesitz einer thebanischen Familie. Das Papyrusarchiv hat dabei mindestens 40 Papyri umfasst, die heute in verschiedenen europäischen Sammlungen untergebracht sind (Pestman 1982, 155). Während der ursprüngliche Besitzer unidentifiziert bleibt, ist bekannt, dass das Papyrus-Archiv zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt an den Schreiber Ken-her-chepesch-ef übergegangen ist. Durch seine Frau Naunachte wurde das Korpus schließlich an die Kinder aus zweiter Ehe weitervererbt. Zunächst ging der Papyrus in den Besitz des Amun-nacht und dann über weitere unbekannte Hände, bis er schließlich zusammen mit den anderen Stücken im oberirdischen Bereich einer Grabanlage deponiert wurde (Pestman 1982, 160–172; siehe auch Koenig 1981, 41–43). Das Papyrusarchiv besteht thematisch aus folgenden Textsorten: private Urkunden und Verwaltungstexte (u.a. Briefe, Memoranda), (Schul)-Übungen, semi-literarische Texte (medizinische, magisch-medizinische, mantische) und "rein" literarische Texte. P. W. Pestman nennt die semi-literarischen Texte, zu denen Papyrus Chester Beatty XIII gehört, "something like practical handbooks for daily use" (Pestman 1982, 165).

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Vier Papyrusfragmente, die zusammen einen Teil einer Textkolumne bilden. Die ursprüngliche Höhe des Papyrusblattes bzw. der Papyrusrolle ist erhalten und beträgt 21,5 cm (Halbformatige Rolle). In der Breite sind nur 14 cm erhalten und in jeder der 11 Zeilen der Kolumne fehlen Anfang und Ende. Entlang des oberen und unteren Randes findet sich ein leerer Streifen von jeweils 2,8 cm Höhe. Keine Blattklebung ist erhalten, aber ursprünglich muss der Text auf einer Papyrusrolle unbestimmbarer Länge gestanden haben, mindestens zwei Kolumnen lang. Ein neuer Spruch fängt nämlich in der letzten Zeile an und wird zwangsläufig auf einer weiteren Kolumne fortgesetzt worden sein. Die Rückseite ist unbeschriftet.

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in schwarzer Tinte geschrieben, nur in der unteren Zeile sind zwei Rubra erhalten. Das zweite leitet einen neuen Spruch bzw. eine neue Beschwörung ein, das unvollständige erste muss irgendwie den Abschluss des ersten Spruches gebildet haben. Der Schreiber des Textes verfügte über eine gute literarische Handschrift und schrieb fast ohne Ligaturen.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Weder in der Orthographie noch in der Grammatik sind neuägyptische Einflüsse ersichtlich.

Bearbeitungsgeschichte

A.H. Gardiner, der die Papyri schon untersucht und gemeinsam mit dem Papyrusrestaurator Hugo Ibscher rekonstruiert und verglast hatte, als sie noch im Besitz von Chester Beatty waren, wurde die Publikation nach der Schenkung (1930) ans British Museum anvertraut. Im Jahre 1935 legte er die Erstbearbeitung (Edition princeps) dieser Papyri vor. Er liefert von pChester Beatty XIII eine hieroglyphische Umschrift aus dem Hieratischen, einen Überblick über den Inhalt und eine Übersetzung.

Editionen

- Gardiner 1935 I: A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. I. Text (London 1935), 123.

- Gardiner 1935 II: A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series: Chester Beatty Gift. II. Plates (London 1935), Taf. 69 (Mitte).

Literatur zu den Metadaten

- Bruyère 1929: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el-Médineh (1928), Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 6,2 (Le Caire 1929), Plan 1.

- Černý 1978: J. Černý, Papyrus hiératiques de Deir el-Médineh. I. Nos I–XVII, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 8 (Le Caire 1978), VIII.

- Hall 1930: H. R. H. Hall, The Chester-Beatty Egyptian Papyri, in: British Museum Quarterly 5,2, 1930, 46–47.

- Koenig 1981: Y. Koenig, Notes sur la découverte des papyrus Chester Beatty, in: Bulletin de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale 81, 1981, 41–43.

- Pestman 1982: P. W. Pestman, Who Were the Owners, in the "Community of Workmen", of the Chester Beatty Papyri, in: R. J. Demarée – J. J. Janssen (Hrsg.), Gleanings from Deir el-Medîna, Egyptologische Uitgaven 1 (Leiden 1982), 155–172.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Papyrus Chester Beatty XIII

[1] ...]. Dies ist jener [Sa]men des Re.
Sie fallen am Tag des Gemetzels.
Groß ist1 [...

1 šꜥ.t wr[...]: Gardiner 1935 I, 123 übersetzt versuchsweise "They fall on the day of the great (?) massacre". Allerdings ist als adjektivische Erweiterung von šꜥ.t nur šꜥ.t ꜥꜣ.t belegt (Belege siehe oben; auch Dendera X, 106.6, 115.11, 117.8, 118.6, 124.15; Kom Ombo I, 148, Nr. 194.3), ansonsten können Götter wr šꜥ.t ꜥꜣ šf.yt: "groß an Gemetzel, mächtig an Respektiertheit" (DZA 29.956.330) oder wr šꜥ.t ꜥꜣ nrw (DZA 29.956.310) sein; für weitere Formulierungen mit wr šꜥ.t m ... siehe DZA 29.957.010 bis DZA 29.957.070.

...] er [...] Re, seinen Herrn.
[Er (?)] tritt bei [ihm] (?) ein in den Penis des Re an dem Ort, aus dem er herausgegangen/hervorgekommen ist. [... ...] der meinen Kopf aufrichtet2 als (?) der, der meinen Hals (?)3 festigt, [... ...] seinen Penis [...

2 ṯzi̯ tp: Der Anfang des Verbs ist zerstört, möglich sind ṯsi̯ und wṯz. Die Kombination von ṯzi̯ und tp ist seit dem Alten Reich belegt, z.B. in den PT (Belege im TLA) und in Tb 99 (pNeferubenef): ṯzi̯.n=j tp=f wṯs(.n=j) ḏr.t=f: "ich habe seinen Kopf erhoben, (ich habe) seine Hand angehoben". Für die Kombination von wṯz und tp sind im TLA keine Belege aufgeführt. Die Orthographie von ṯzi̯/ṯsi̯ erlaubt nicht, ṯꜣz: "anknüpfen" zu lesen. Das Determinativ des Mannes mit Hand am Mund geht auf eine Verwirrung von wṯz: "hochheben" (bzw. ṯzi̯: "aufrichten") und wṯz: "verherrlichen; anzeigen, verleumden" (bzw. ṯzi̯: "tadeln") zurück.
3 wsr.t: Lesevorschlag von Gardiner 1935 I. Vom wsr-Zeichen ist nur der untere Bereich des senkrechten Strichs erhalten.

... er/sein [...], wenn/damit mein Fleisch empfangen wird.
Dein Ba gehört dir, du Lebender (?)4 [...] Wasser (?)5 in diesem deinen Namen [von/als ...

4 ꜥnḫ.y: Gardiner 1935 I, 123 übersetzt "Thy living soul be (?) unto thee ...".
5 [...]mw: Gardiner 1935 II, Taf. 69 liest m, w-Schlaufe und drei Wasserwellen, wobei von m kaum etwas erhalten ist. Sollte man jm.j mw: "der im Wasser ist" lesen? Die Zeichenkombination von m und Wasserwellen gemeinsam in einem Wort findet sich in jsḥm: "(ein Gewässer)"; ym: "Meer, See"; ẖnm.t: "Brunnen", srm.t: "(ein Gewässer)"; gsn: "(Gewässer im Delta)"; sḥm.yt: "Überschwemmung".

[5] ... schlängelt/gleitet (??)] deine kopulierende (??)6 nꜥw-Schlange.7
Erfreut ist dein Herz, oh Re8 [...], – zweimal (zu wiederholen) – in diesem deinen Namen von/als [...

6 nꜥwt: Ist mit dem Phallus mit Samenausfluss (Gardiner Sign-List D53) determiniert. Gardiner 1935 I, 123, Anm. 1 betrachtet dies als ein unbekanntes Wort (Hapax). D. Meeks, Année Lexicographique, 3 Bände (Paris 1980–1982), 77.2005 kennt ein Verb nꜥi̯: "pénétrer, s’accoupler" (mit dem Schiff determiniert!). Sein Beleg ist ein bei Sethe oder Faulkner nicht belegter Pyramidentextspruch: J. Leclant, Les textes de la pyramide de Pépi Ier (Saqqara). Reconstitution de la paroi est de l’antichambre, in: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres 121, 1977, 269–288 (hier: 277, Kol. 30 = P/A/E 30) = PT Spruch MAFS 1036 [= J. P. Allen, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, Writings from the Ancient World 23 (Atlanta/Leiden 2005), PT 501C = P(epi) 396 auf S. 146; Allen übersetzt nꜥi̯ m mit "to transport"]: nꜥi̯.n Ḥrw m mtw.t=f m ꜥr.t Stš / nꜥi̯.n Stš m mtw.t=f m ꜥr.t Ḥrw: "Horus ist mit seinem Samen in den Anus von Seth hineingefahren; Seth ist mit seinem Samen in den Anus von Horus hineingefahren." Meeks meint, dass dasselbe Verb in pChester Beatty 13, Zl. 5 verwendet wird. R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 417 {14990} gibt für das Lemma *nꜥw mit der Schreibung von pChester Beatty 13 die Übersetzung "durchdringen, s. paaren", was auf Meeks zurückgeht.
7 [___] nꜥwj nꜥwt: Es liegt sicherlich ein Wortspiel auf die Wurzel(n) nꜥi̯/nꜥw vor, die wegen der Zerstörung des ersten und der Unbekanntheit des dritten Wortes nicht auflösbar ist. Ähnliche Wortspiele finden sich in den Pyramidentexten, z.B. psḥ nꜥy jn nꜥy(.t): "Gebissen wurde die nꜥw-Schlange von einer nꜥw.t-Schlange" (PT 233a, Spruch 230, Zl. W 317; Version Stele BM 190, Zl. 11 = K. Sethe, Übersetzung und Kommentar zu den altägyptischen Pyramidentexten 1. Spruch 213 – 260 (§§ 134 a – 322 a/b) (Hamburg 1935), 199) und das unübersetzbare nꜥi̯.y nꜥi̯.y nꜥy nꜥy (PT 422d, Spruch 281). Auf der magischen Spätzeitstele BM EA 190, die auch Pyramidentexte enthält, steht j nꜥjw n nꜥjw=k jm=f: "Oh nꜥw-Schlange, du wirst dich ihm nicht schlängelnd nähern (?)." (Stele BM 190, Zl. 27: DZA 24.681.410 = J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The intellectual heritage of Egypt: studies presented to László Kákosy by friends and colleagues on the occasion of his 60th birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier:, 477: "O nꜥjw-Schlange, du sollst dich nicht gegen ihn schlängeln"). In den Sargtexten (CT II, 11g) findet sich ein Wortspiel zwischen der nꜥw-Schlange und dem Verb nꜥi̯: "Stricke drehen" (J. Zandee, Sargtexte. Spruch 76 (Coffin Texts II 1–17), in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 100, 1973, 60–71, hier: 69–70).
Das mit einer Schlange determinierte Wort am Anfang könnte ein Verb sein. Ein Verb nꜥi̯ ist mit Schlange und Beinchen determiniert (Stele BM 190, Zl. 27) und wird von Osing als "schlängeln" übersetzt (J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft (Hrsg.), The intellectual heritage of Egypt: studies presented to László Kákosy by friends and colleagues on the occasion of his 60th birthday, Studia Aegyptiaca 14 (Budapest 1992), 473–480, hier:, 477). Es könnte eine auf die Fortbewegung der Schlange abgestimmte Bedeutungsabwandlung von nꜥi̯: "dahinfahren, dahingleiten" mit dem Schiff oder den Beinchen als Determinativ sein (das Schiff, das über das Wasser gleitet). Alternativ könnte nꜥi̯: "(Stricke) drehen" die Grundlage sein, im Sinne von "sich schlängelnd, windend fortbewegen". J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 3 (Mainz 1976), 818, Anm. 1076 erkennt in nꜥi̯: "(Stricke) drehen" selbst eine abgeleitete Bedeutung eines Verbs, dass auch "sich winden" und "umschlingen" bedeutet. Oder ist die Schlange nur phonetisches Determinativ? Für Sethe ist auch das im Wörterbuch separat aufgelistete Verb nꜥw (Wb 2, 207.5: ohne Übersetzung; mit Hieroglyphe D80 und D117(?) als Determinative) von nꜥi̯: "dahinfahren, dahingleiten" abgeleitet, mit der besonderen Bedeutung "Gauklerweise ziehen" (PT 702a, Spruch 404: K. Sethe, Übersetzung und Kommentar zu den altägyptischen Pyramidentexten 3. Spruch 326 – 425 (§§ 534 – 787) (Hamburg 1938), 286–287; daher R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, 2 Bd. (Oxford 1969), 132: "to caper(?)"; , 600 {14989}: "*herumtollen").
Die Etymologie der nꜥwR. Hannig, Ägyptisches Wörterbuch I. Altes Reich und Erste Zwischenzeit, Kulturgeschichte der Antiken Welt 98 (Mainz 2003)-Schlange könnte auf das Verb nꜥi̯: "dahingleiten" (so P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 492: "glide along the ground" aus "to sail, move smoothly") oder auf das Verb nꜥi̯: "(Stricke) drehen; sich winden; umschlingen" zurückgehen. In C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 530 wird die nꜥw-Schlange als "der Glatte" übersetzt, d.h. es wird ein etymologischer Zusammenhang mit dem Verb nꜥꜥ "glatt sein" vorausgesetzt (so schon E. Hornung, Das Amduat. Die Schrift des verborgenen Raumes. 2, Ägyptologische Abhandlungen 7 (Wiesbaden 1963) 190; J. Zandee, Sargtexte. Spruch 76 (Coffin Texts II 1–17), in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 100, 1973, 60–71, hier: 69). R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 126 hat die nꜥw-Schlange nach nꜥꜥ: "smooth" angeordnet, aber vermutlich nur aus rein alphabetischen Gründen und nicht, weil er sie auf nꜥꜥ "glatt sein" zurückführen möchte. Bei R. Hannig, Ägyptisches Wörterbuch I. Altes Reich und Erste Zwischenzeit, Kulturgeschichte der Antiken Welt 98 (Mainz 2003), 600 steht die nꜥw-Schlange vor nꜥꜥ "glatt sein".
8 Rꜥw: Ergänzungsvorschlag von Gardiner 1935 II (mit Sonnenscheibe und Falke auf Standarte). Anschließend wäre nur noch ein Quadrat Platz für nb=j: "mein Herr" oder nṯr ꜥꜣ: "großer Gott" o.ä.

... ...-Schlangen (?)] (Plural) im Innern (oder: inmitten) der (weiblichen?) nꜥw.t-Schlangen9, die (?) eintreten im In[nern von Ne]heb-kau (?)10 ... [...

9 nꜥw.t: In der vorherigen Zeile zerstört steht die Orthographie nꜥwj für die (männliche?) nꜥw-Schlange, hier liegt eindeutig nꜥw.t (mit Pluralstrichen) vor für die (weibliche?) nꜥw-Schlange. Ob die Pluralstriche eine Bedeutung haben? In den Pyramidentexten (PT 233a, Spruch 230: siehe Anm. zur vorherigen Zeile) gibt es tatsächlich eine männliche und eine weibliche nꜥw-Schlange. Die weibliche nꜥw.t-Schlange findet sich auch in den Sargtexten (CT II, 26d [?: B1Bo]; CT IV, 177a).
10 Das Wortende von kꜣ.t ist mit einem Fleischzeichen determiniert, wie das Wort für "Vulva". Falls der Name des Gottes Nehebkau vorliegen sollte, ist das Fehlen eines Gottesdeterminativs auffällig. Im Totenbuch (Tb 149k) findet sich der Satz ḏsr.tw n=j wꜣ.t Nꜥw pw kꜣ Nw.t Nḥb-kꜣ.w: "Mir wird der Weg freigemacht, du Nau-Schlange, Stier der Nut, Nehebkau" (B. Lüscher, Totenbuch Spruch 149/150, Totenbuchtexte. Synoptische Textausgabe nach Quellen des Neuen Reiches 6 (Basel 2010), 162–163).

...].
Ich bin der Stier in der Neunheit.11
Nicht wird man trotzen (oder: nicht gibt es den, der trotzen wird) [mir12 ... ...] auf Erden (?) [...

11 kꜣ m psḏ.t: In den Pyramidentexten (PT 511a, Spruch 318, Zl. T 307) und den Sargtexten (CT II, 53f und 54h) wird die nꜥw-Schlange als "Stier der Neunheit" angesprochen. In der Metternichstele wird ein Stier von einer nꜥw-Schlange gebissen: m=k psḥ kꜣ ⸮⟨jn⟩? nꜥw šp / tꜣ mtw.t ḫtḫt m ꜥ.t nb.t n.t ẖr.j-dm.t / mj.t r tꜣ: "Siehe, der Stier wurde gebissen ⟨von⟩ (?) der blinden nꜥw-Schlange (oder: nꜥw-Schlange, erblinde!). Du Gift, das in allen Gliedmaßen des Gestochenen herumzieht (oder: Du Gift, weiche zurück aus den Gliedmaßen des Gestochenen!), komme auf den Boden!" (C. E. Sander-Hansen, Die Texte der Metternichstele, Analecta Aegyptiaca consilio Instituti Aegyptologici Hafniensis 7 (København 1956), 48 (Zl. 85)). Vgl. auch die Nau-Schlange als Stier der Nut in Tb 149k (B. Lüscher, Totenbuch Spruch 149/150, Totenbuchtexte. Synoptische Textausgabe nach Quellen des Neuen Reiches 6 (Basel 2010), 162–163).
12 nn ksm.t[w]: Vgl. Rechmire nn wꜥ jm ksm.t(j)=f(j) wj: "es gibt dort keinen, der mir trotzen wird" (K. Sethe, Urkunden der 18. Dynastie [IV,937-1226], Urkunden des Ägyptischen Altertums IV/13-16 (Leipzig 1908–1909), 1075.3; DZA 30.612.620).

...] den Fall (?) bis zu dem Tag, an dem sein Herz ihn erreicht (d.h. wenn er sexuelle Lust bekommt?)12.
(Es) werde zerstoßen in Pflanzenschleim;13 der Penis werde ein[gerieben/abgerieben] (?)14 [damit (?) ...

12 spr jb=f r=f: Gardiner 1935 I, 123, Anm. 3 vermutet, dass der Ausdruck "when his desire comes over him" bedeuten kann.
13 ẖꜣ: "zerstoßen" ist als Verb der Drogenbereitung belegt, u.a. von Drogen, die in (ḥr) flüssigen Drogen zerstoßen werden (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962) II, 680–681). Es müsste zuvor also im Text von einer anderen Droge die Rede gewesen sein. ẖꜣw ḥr ḥsꜣ findet sich in Eb 269, 431, 574, 718, 719, 809 und pRam III A22 (H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 365–367).
14 [__]nw ḥnn: In H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962) findet sich s.v. ḥnn kein Behandlungsverb, das zu dem erhaltenen Verbende passt. Das Verb sgnn: "salben, erweichen" endet zwar auf n (gs: "salben" und wrḥ: "salben" sind als Verben der Behandlung für ḥnn belegt), passt aber nicht zum Determinativ. Eine zu den Spuren passende Ergänzung wäre sjn: "einreiben; abreiben" (so schon der Vorschlag von Gardiner 1935 I, 123, Anm. 4; übernommen auf DZA 26.974.120), das auch in anderen medizinischen Zusammenhängen belegt ist (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962) II, 716–717). Falls ḥsꜣ ausführlich ausgeschrieben wäre (mit Wasserwellen und Gefäß), würde sjn die Lücke schließen. Unwahrscheinlich ist eine Ergänzung zu smn: "festigen" (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962) II, 753), weil die nw-Endung und das Fehlen von Sign-List U32 ungewöhnlich wären. Noch eine andere paläographische Möglichkeit wäre dwn: "strecken, ausstrecken", das in Knochenbrüchen genannt wird (H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962) II, 975).

...] gegen ihn /zu ihm. Dieser Penis ist auf jener Großen (?). Der Tempel [...] auf/Gesicht (?) in ihr (?) nach (?; oder: ganz und gar(?))15 [...16

15 ḥr-⸢sꜣ⸣: Gardiner 1935 II, Taf. 69 erwägt neben ḥr-⸢sꜣ⸣ auch ḥr-⸢qd⸣: "insgesamt, ganz und gar".
16 Zu wenig ist erhalten, um aus den einzelnen Wörtern einen verständlichen Satz zu bilden.

[10] ...] ..., die auffliegen und landen/niederschweben auf ihm, gegenüber von ... [... ...] auf dem Weg zum/am Wasser. Ein anderer Spruch:
Los, richte dich auf, Stier [...