Ostrakon Louvre E 3255

Metadaten

Schlagwörter
Alternative Namen
abgekürzt zitiert als / abbreviated cited as "O.Lvr"
Aufbewahrungsort
Europa » Frankreich » (Städte M-P) » Paris » Musée du Louvre

Inventarnummer: E 3255

Erwerbsgeschichte

Stammt laut W. Westendorf aus der Sammlung Anastasi (Westendorf 1999, 61) und wurde 1872 zum ersten Mal von T. Devéria aufgelistet. Große Teile der Sammlung Anastasi wurden zwischen dem 23. und 27. Juni 1857 bei einer öffentlichen Auktion vom Louvre angekauft. Darunter befand sich auch das Ostrakon E 3255, denn in dem für den Verkauf erstellten Katalog ist das Objekt mit großer Wahrscheinlichkeit als Nr. 1083 zu identifizieren. Die Beschreibung als „Tesson de poterie portant 5 lignes, fragment d’un texte hiératique avec rubriques caractère de la XVIIIe dynastie“ (Lenormant 1857, 88) ist von allen dort beschriebenen Ostraka als einzige zutreffend für dieses Stück.

Herkunft
(unbekannt)
Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

Aufgrund der Paläographie datiert W. Spiegelberg das Ostrakon in die 18./19. Dynastie, wobei er betont, dass die Schrift weit weniger kursiv sei, als beim Berliner medizinischen Papyrus P 3038 (Spiegelberg 1893, 67 mit Anm. 3). Letzterer wird in die 19. Dynastie datiert. Der Zeitraum der 18./19. Dynastie umfasst in etwa die Zeit von 1540–1190 v. Chr. (bei Westendorf 1999, 61 als 1550–1200 v. Chr. eingetragen). M. Étienne, der Zugang zum Original hat, verweist für die Paläographie pauschal auf das Neue Reich (1550–1090 v. Chr.), andererseits in den beschreibenden Daten konkret auf die 19.–20. Dynastie (ca. 1293–1090 v. Chr.) (Étienne 2016, 260).

Textsorte
medizinische Rezepte
Inhalt

Reste von drei Rezepten zum Beräuchern eines erkrankten Ohres. Die Zutaten Damhirschgeweih, Krokodilskot, Froschhaar (?) und Schildkrötenpanzer sind unerwartet.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die sorgfältige Abschrift unter Verwendung von Rubren und mit wahrscheinlich drei unterschiedlichen Rezepten spricht gegen eine temporäre Erinnerungsnotiz, sondern für eine längerfristige Nutzung, vielleicht als private Nachschlagesammlung. Die Angabe „zweite [...]“ in der obersten Textzeile könnte als Hinweis auf mindestens ein weiteres Ostrakon verstanden werden.

Material
Künstliche Materialien » Keramik
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die Tonscherbe hat eine Höhe von 8,5 und eine Breite von 13 cm (Devéria 1872, 189). Auf der konvexen Außenseite (Recto) befinden sich fünf Zeilen Text, von denen jedoch keine vollständig erhalten ist. Oben rechts ist ein kleines Stück abgebrochen, wodurch der Anfang der 1. Zeile mit der Überschrift fehlt. In den Zeilen 2–4 ist rechts noch ein unbeschrifteter Bereich vorhanden, Zeile 5 springt sogar ein wenig nach rechts aus, so dass der rechte Rand vermutlich weitestgehend vollständig ist. Links ist allerdings ein Stück des Ostrakons verloren, weil die Enden der Zeilen 2–5 unvollständig sind. Die Leserichtung verläuft von rechts nach links. Die konkave Innenseite (Verso) wird in der Literatur nicht erwähnt und ist deshalb zweifellos als unbeschriftet zu betrachten.

Schrift
Hieratisch

Ein Spruchtitel sowie die Mengenangaben sind rubriziert.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch, Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Die Ordinalzahl „zweitens“ wird mit der neuägyptischen Konstruktion r mḥ gebildet. Étienne weist darauf hin, dass der Hirsch im Neuen Reich in Ägypten (wahrscheinlich) ausgestorben war, die Redaktion des Textes also älter gewesen sein muss (Étienne, 2016, 260).

Bearbeitungsgeschichte

Der Text wurde zuerst von Th. Devéria als „pièce de comptabilité“ beschrieben (Devéria 1872, 189). Den medizinischen Inhalt erkannte W. Spiegelberg, der eine hieroglyphische Wiedergabe sowie einen Kommentar lieferte (Spiegelberg 1893, 67). F. Jonckheere gibt eine Transkription, eine französische Übersetzung sowie einen Kommentar auf der Grundlage der Edition von Spiegelberg in einer medizinhistorischen (Jonckheere 1953) und einer ägyptologischen Zeitschrift (Jonckheere 1954). Eine weitere hieroglyphische Wiedergabe nach Spiegelberg (Grapow 1958, 107) sowie eine deutsche Übersetzung (von Deines – Grapow – Westendorf 1958 I, 63) liegen im „Grundriss der Medizin der alten Ägypter“ vor. Diese Übersetzung wurde von W. Westendorf 1999 leicht aktualisiert (Westendorf 1999, 160). Zwei weitere französische Übersetzungen finden sich bei T. Bardinet (Bardinet 1995, 479) sowie M. Étienne (in: Charron – Barbotin 2016, 260 [115]). Erst A. Mudry publizierte eine Schwarz-Weiß-Abbildung des Ostrakons (Mudry 2006, 141, Abb. 6). Ein gutes Farbfoto, allerdings auf dem Kopf stehend, ist abgedruckt in Charron – Barbotin 2016, 260.

Editionen

- von Deines – Grapow – Westendorf 1958 I: H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV,1. Übersetzung der medizinischen Texte (Berlin 1958), 63.

- von Deines – Grapow – Westendorf 1958 II: H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. IV,2. Übersetzung der medizinischen Texte. Erläuterungen (Berlin 1958), 67.

- Devéria 1872: T. Devéria, Catalogue des manuscrits égyptiens. Écrits sur papyrus, toile, tablettes et ostraca en charactères hiéroglyphiques, hiératiques, démotiques, grecs, coptes, arabes et latins qui sont conservés au Musée égyptien du Louvre (Paris 1872), 189 (Nr. IX, 15).

- Grapow 1958: H. Grapow, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. V. Die medizinischen Texte in hieroglyphischer Umschreibung autographiert (Berlin 1958), 107.

- Jonckheere 1954: F. Jonckheere, Prescriptions médicales sur ostraca hiératiques, in: Chronique d’Égypte 29 (57), 1954, 46–61, hier: 53–56.

- Mudry 2006: A. Mudry, Otology in Medical Papyri in Ancient Egypt, in: The Mediterranean Journal of Otology 3, 2006, 133–142, hier: 141 mit Abb. 6.

- Spiegelberg 1893: W. Spiegelberg, Varia. III. Ein medicinischer Text auf einem hieratischen Ostracon, in: Recueil de Travaux Relatifs à la Philologie et à l'Archéologie Égyptiennes et Assyriennes 15, 1893, 67–69, hier: 67–68.

- Westendorf 1999: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 60–61, 160.

Literatur zu den Metadaten

- Étienne 2016: M. Étienne, Ostracon comportant un texte médical, in: A. Charron – C. Barbotin (Hrsg.), Savoir et pouvoir à l’époque de Ramsès II. Khâemouaset, le prince archéologue (Arles/Gent 2016), 260.

- Lenormant 1857: F. Lenormant, Catalogue d’une collection d’antiquités Égyptiennes (Paris 1857).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Ostrakon Louvre E 3255

[1] Ein [anderes (?)]1 zweites (Heilmittel): Geweih vom Damhirsch2: 1, werde fein zerrieben3 […

1 [⸮k.t?] r:mḥ 2.⸮t?: Spiegelberg (1893, 67) schlägt als Ergänzung k.t pẖr.t vor. Jonckheere (L’ostracon médical du Louvre, in: Sudhoffs Archiv 37, 1953 278–282, hier: 278; 1954, 54) transkribiert fehlerhaft [k.t] pẖr.t. Der Verlauf der Bruchkante lässt darauf schließen, dass der oben abgebrochene Teil der Scherbe nicht besonders groß gewesen ist, daher war vermutlich kaum mehr als ein Quadrat für ein weiteres Wort zur Verfügung, was die Ergänzung von k.t nahe legt, wobei ebenfalls eine Ergänzung von pẖr.t zu erwägen ist, obschon der vermutlich zur Verfügung stehende Platz dafür recht knapp sein dürfte. Mit etwas Abstand zu den beiden Zahlstrichen ist am linken Rand der Scherbe noch ein Punkt zu sehen. Möglicherweise gehört er zum Zahlzeichen und ist als t zu lesen, vgl. [___] mḥ 2.t am Anfang eines Rezepts in pIfao H 48 verso, x+8: F.-R. Herbin, Un nouveau document gynécologique (P. Ifao H 48 ro), in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 111, 2011, 191–203, hier: 197.
2 db n(.j) hꜣnn: „Geweih vom Damhirsch“ (Wb 2, 495.19–20; H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 575); umfassend zu Damwild in Ägypten, s. L. Keimer, Sur deux fragments de cornes de daim trouvés à Deir el-Médineh, in: Anonymous (Hrsg.), Mélanges Maspero I. Orient ancien 1, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 66 (Le Caire 1934), 273–308; W. R. Dawson, Deer in Ancient Egypt, in: Journal of the Linnean Society of London 39, 1934, 137–145; A. Nibbi, The significance of deer in the ancient Egyptian landscape, in: Göttinger Miszellen 41, 1980, 61–66; P. F. Houlihan, Some remarks on deer (Cervidae) in ancient Egypt, in: Journal of Egyptian Archaeology 73, 1987, 238–243; B. A. Wassell, Ancient Egyptian fauna : a lexicographical study, 2 Bände (Durham 1991), 24–27; D. J. Osborn – J. Osbornová, The mammals of ancient Egypt, The natural history of Egypt 4 (Warminster 1998), 152–155; C. Kitagawa, On the presence of deer in ancient Egypt. Analysis of the osteological record, in: Journal of Egyptian Archaeology 94, 2008, 209–222; I. Bohms, Säugetiere in der altägyptischen Literatur, Ägyptologie 2 (Berlin/Münster 2013), 88–90 [8]. Die Verwendung von Hirschhorn ist ebenfalls in Eb 259 in einem Mittel zum Kühlen des Kopfes bezeugt, sowie in zwei Rezepten zur Herstellung von Räuchermitteln in Bln 69 und 70.
Die Identifikation von hnn als „Damhirsch“ erfolgte erstmals anhand von Darstellungen dieses Tieres im Grab des Baket in Beni Hassan (BH Nr. 15; P. E. Newberry, Beni Hasan 2, Archaeological Survey of Egypt 2 (London 1893), Taf. 4). Bereits Rosellini hatte die Tiere als Damwild erkannt (I. Rosellini, I monumenti dell’Egitto e della Nubia. 4,2. Atlas. Monumenti civili (Pisa 1834), Taf. 20 [3, 6] sowie Kommentar (I monumenti dell’Egitto e della Nubia. 2,1. Monumenti civili (Pisa 1834), 212): „cervo“, d.h. „Hirsch“). Weitere Darstellungen mit Beischrift bestätigen dies, so z.B. in der Mastaba von Ti (5. Dyn., Saqqara, G. Steindorff, Das Grab des Ti, Veröffentlichungen der Ernst von Sieglin Expedition in Ägypten 2 (Leipzig 1913), Taf. 128) oder im Grab des Ahanacht (11. Dyn, Deir el-Berscha, F. Ll. Griffith – P. E. Newberry, El Bersheh II (London 1895), 35, Taf. 16; eine Zusammenstellung des Materials bietet L. Keimer, Sur deux fragments de cornes de daim trouvés à Deir el-Médineh, in: Anonymous (Hrsg.), Mélanges Maspero I. Orient ancien 1, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 66 (Le Caire 1934), 273308, hier: 277–288), auch wenn die Bezeichnung hnn im Grab des Ibi in Deir el Gebrawi ebenfalls bei der Abbildung von Steinböcken vorkommt (N. de G. Davies, The rock tombs of Deir el Gebrâwi I, Archaeological Survey of Egypt 11 (London 1902), Taf. 11; N. Kanawati, Deir el-Gebrawi. Volume II. The southern cliff. The tombs of Ibi and others, Australian Centre for Egyptology. Reports 25 (Oxford 2007), 45, Taf. 24). Spätestens bei Brugsch (H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. III (Leipzig 1868), 904) findet sich neben „Hirsch“ die Präzisierung „Cervus Dama (Linn.), der Dam-Hirsch, Hirsch; daim, cerf“.
Schon Rosellini (I monumenti dell’Egitto e della Nubia. 2,1. Monumenti civili (Pisa 1834), 212) ebenso wie später Keimer (Sur deux fragments de cornes de daim trouvés à Deir el-Médineh, in: Anonymous (Hrsg.), Mélanges Maspero I. Orient ancien 1, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 66 (Le Caire 1934), 273308, hier: 295) verwies auf die koptische Bezeichnung ⲉⲓⲟⲩⲗ für Hirsch (bzw. allgemein für einen Geweih-/Hornträger; W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 77a: „hart, hind“: „Hirsch, Hirschkuh/Hinde“), die auf jꜣ~yw~rʾ (Wb 1, 38.16) zurückzuführen ist, s. J. Černý, Coptic Etymological Dictionary (Cambridge 1976), 46; W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 62; vgl. ebenfalls G. Vittmann, Semitisches Sprachgut im Demotischen, in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 86, 1996, 435–447, hier: 437; J. F. Quack, Zu den vorarabischen semitischen Lehnwörtern im Koptischen, in: B. Burtea – J. Tropper – H. Younansardaroud (Hrsg.), Studia Semitica et Semitohamitica. Festschrift für Rainer Voigt anläßlich seines 60. Geburtstages am 17. Januar 2004, Alter Orient und Altes Testament 317 (Münster 2005), 307338, hier: 310. Hoch (Semitic words in Egyptian texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton 1994), 17 [1]) spricht sich eher für die Bedeutung „Widder“ aus. Das semitische Lehnwort tritt für die ägyptische Bezeichnung hnn ein und ist spätestens am Ende des Neuen Reiches sowie demotisch als ꜣywr (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 1; CDD , 2) belegt.
Laut Keimer (Sur deux fragments de cornes de daim trouvés à Deir el-Médineh, in: Anonymous (Hrsg.), Mélanges Maspero I. Orient ancien 1, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 66 (Le Caire 1934), 273308, hier: 274, 295, 301) war der Damhirsch der einzige Vertreter der Familie der Hirsche (Cervidae) in Ägypten und dort vielleicht schon in der 18. Dynastie ausgestorben, s. hierzu auch B. A. Wassell, Ancient Egyptian fauna : a lexicographical study, 2 Bände (Durham 1991), 25. Unsicherheit herrscht über die Damhirschart, die ursprünglich in Ägypten heimisch gewesen sein könnte. Hilzheimer (Säugetierkunde und Archäologie, in: Zeitschrift für Säugetierkunde 1, 1926, 140–169, hier: 152–169) identifizierte auf der Basis von altägyptischen Darstellungen sowie einem aus Ägypten stammenden Geweih im Berliner Museum für Naturkunde (Nr. 27088) einen spezifisch ägyptischen Damhirsch, den er zu Ehren des damaligen Leiters des ägyptischen Museums in Berlin, Heinrich Schaefer, als Dama schaeferi bezeichnete. Dies ist heute nicht mehr akzeptiert, vielmehr geht man davon aus, dass es sich auch bei den ägyptischen Tieren um den Mesopotamischen Damhirsch (D. dama mesopotamica) handelt, s. J. Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten untersucht anhand kulturgeschichtlicher und zoologischer Quellen (München 1988), 39; B. A. Wassell, Ancient Egyptian fauna : a lexicographical study, 2 Bände (Durham 1991), 26. Eine (Neu)bewertung und Analyse von Knochenbefunden lässt Kitagawa (On the presence of deer in ancient Egypt. Analysis of the osteological record, in: Journal of Egyptian Archaeology 94, 2008, 209222) zu dem Schluss kommen, dass Damwild womöglich niemals in Ägypten heimisch war. Dies gründet sie auf zwei Hauptargumente: (1) Es gibt vor der 13. Dynastie keine sicheren Knochenbefunde aus Unterägypten. (2) Knochen vom Damwild treten insbesondere im Befund von Qantir/Piramesse auf, wobei der Schwerpunkt in den Schichten der 18. und 19. Dynastie liegt. Sowohl Knochen vom Mesopotamischen als auch vom Europäischen Damhirsch sind dort nachgewiesen, was auf Haltung und eventuell sogar Zucht von importierten Tieren deutet.
Die jüngsten Abbildungen von Damhirschen befinden sich im Grab des Petosiris in Tuna el-Gebel (Opferträger, Soubassement in der Kapelle: G. Lefebvre, Le tombeau de Petosiris. 1, Bibliothèque générale 29 (Le Caire 2007), 148 [27], 182 [13], III, Taf. 35, 48, 49; N. Cherpion – J.-P. Corteggiani – J.-F. Gout, Le tombeau de Pétosiris à Touna el-Gebel. Relevé photographique, Bibliothèque générale 27 (Le Caire 2007), 147–148 [scène 93, 26–28], 118 [scène 88, 11–13]). Aufgrund der Gestaltung des Geweihs könnte es sich hier auch um Darstellungen des Europäischen Damhirsches (D. dama dama) handeln. Die gesamte Dekoration des Grabes ist allerdings in einem stark griechisch beeinflussten Stil gestaltet (vgl. K. Lembke, Die Petosiris-Nekropole von Tuna el-Gebel, in: K. Lembke – S. Prell (Hrsg.), Die Petosiris-Nekropole von Tuna el-Gebel. Band 1, Tuna el-Gebel 6, (Vaterstetten 2015), 2–17, hier: 14), so dass die Gestaltung des Geweihs entweder auf griechische Vorbilder oder eventuell auch auf die Darstellung eines importierten Tieres zurückgeführt werden muss, vgl. hierzu L. Keimer, Sur deux fragments de cornes de daim trouvés à Deir el-Médineh, in: Anonymous (Hrsg.), Mélanges Maspero I. Orient ancien 1, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 66 (Le Caire 1934), 273308, hier: 287.
3 nḏ nꜥꜥ: Vgl. H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 447 [Ia], 493, §1.

Ein anderes Räuchermittel wie das (davor): Exkremente vom Meseh-Krokodil4: 1, [… … …] Froschlaich (?)5: 1, werde das Ohr [damit] beräuchert.6

4 ḥs msḥ.w: Zur Verwendung von Exkrementen in Heilmitteln, s. C. Couchoud, Pharmacopée excrémentielle dans les papyrus médicaux de l’époque pharaonique, in: Cercle Lyonnais d’Égyptologie Victor Loret. Bulletin 7, 1993, 2538, bes. 27–28; S. Beck, Sāmānu. Ein vorderasiatischer Dämon in Ägypten, Ägypten und Altes Testament 83 (Münster 2015), 212–213. Ein weiteres Beispiel zur Verwendung von Exkrementen des Meseh-Krokodils in der Ohrenheilkunde findet sich im pBrooklyn 47.218.49, Spruch P (Kol. x+13, 18: P. F. O’Rourke, A Royal Book of Protection of the Saite Period. pBrooklyn 47.218.49, Yale Egyptological Studies 9 (Yale 2015), 198 [MM]).
5 ⸮šn? qꜣ~rʾ~rʾ: Die Stelle ist schwierig zu verstehen: Jonckheere (L’ostracon médical du Louvre, in: Sudhoffs Archiv 37, 278–282, hier: 281; 1954, 55) liest šn n qrr mit Verweis auf šnj n mḥj.t in Eb 788 und schlägt die Bedeutung „frai de grenouille/Froschlaich“ vor, wobei allerdings in Eb 788 šnj „Gestank“ (Wb 4, 503.7; H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 859) vorliegt. Mudry (2006, 141) folgt Jonckheere. Westendorf (1999, 160) übersetzt „Haar (?) (vom ?) Frosch“. Bardinet (Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique. Traduction intégrale et commentaire, Penser la médecine (Paris 1995), 479) sowie Étienne (2016, 260) trennen die beiden Ausdrücke, lassen aber šn unübersetzt.
Eine andere Möglichkeit der Auflösung wäre, die beiden Ausdrücke – ebenso wie Bardinet und Étienne – zu trennen, und am Ende der vorausgehenden Zeile (Z. 3) eine zu šn passende Ergänzung vorzunehmen, s. von Deines – Grapow – Westendorf 1958 II, 67; H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 495 [IV, Anm. 1], 521 [§1]. Denkbar wäre z.B. [pr.t]-šnj. Nach Lüchtrath (Das Kyphirezept, in: D. Kurth (Hrsg.), Edfu. Bericht über drei Surveys. Materialien und Studien, Die Inschriften des Tempels von Edfu. Begleitheft 5 (Wiesbaden 1999), 97–145, hier: 127–130) ist pr.t-šnj vermutlich mit Beeren vom Phönizischen Wacholder (Juniperus phoeniceaL.) zu identifizieren, siehe ausführlich Dils, in: BWL-Wortdiskussion. Schwierigkeiten macht bei dieser Lösung, dass nach šn keine Mengenangabe folgt und der Frosch dann als ganzes Tier gemeint sein muss. In Bezug auf [pr.t]-šnj kommt noch die Tatsache hinzu, dass bei der Angabe der Ingredienzien tierische und pflanzliche Produkte miteinander abwechseln würden, was sonst eher vermieden wird.
Ganz grundsätzlich wäre „Froschlaich“ inhaltlich eine gute Lösung und in gewisser Weise als auffindbare Ausscheidung von Fröschen mit den Exkrementen des Krokodils vergleichbar. Die Ergänzung šn [n] qrr von Jonckheere (L’ostracon médical du Louvre, in: Sudhoffs Archiv 37, 278–282, hier: 278; 1954, 54) ist allerdings aus paläographischen Gründen nicht möglich, denn die Gruppe, die er als Lücke angibt bzw. in der er den Genitiv ergänzt, ist gut zu erkennen. Allein die Lesung bereitet Schwierigkeiten. Spiegelberg (1893, 67) ist sich nicht sicher und bietet – naheliegend nach šn – die Haarlocke (D3) versehen mit einem Fragezeichen an. Zusätzlich (ebd. Anm. 4) gibt er eine Umzeichnung der hieratischen Zeichen. Dies wird von Grapow (1958, 107) – allerdings ohne den Hinweis auf das Hieratische – übernommen. Zu sehen ist deutlich ein schräger Strich, sehr ähnlich einem Abkürzungsstrich (Z5), mit einem kleinen Zeichen darunter, das gut als t-Brot (X1), Kügelchen (N33), Ei (H8) o.ä. zu lesen sein könnte. Mit Schreibungen der Haarlocke (vgl. G. Möller, Hieratische Paläographie. Die ägyptische Buchschrift in ihrer Entwicklung von der fünften Dynastie bis zur römischen Kaiserzeit. Bd. 2. Von der Zeit Thutmosis’ III bis zum Ende der einundzwanzigsten Dynastie (Osnabrück 1965 (= 1927)), 7 [81]) hat die Gruppe zwar eine entfernte Ähnlichkeit, die allerdings m.E. nach nicht überzeugt. Ich lese daher ⸮šn? mit den Klassifikatoren Z5, das eventuell für die Frosch-Hieroglyphe eintritt, mit darunterliegendem N33 bzw. H8, und schlage mit aller gebotenen Vorsicht vor, hierin einen bisher unbekannten Ausdruck für „Froschlaich“ zu sehen. Möglicherweise ist auch der Anfang des Wortes mit dem Ende der vorhergehenden Zeile verloren gegangen. Die Bezeichnung für „Kaulquappe“ lautet ḥfn (Wb 3, 74), für „Laich“ ist m.W. weder swḥ.t „Ei“ (Wb 4, 73.1–74.1) noch ein anderer Begriff belegt. Da es offenbar neben der Verwendung von swḥ.t mit kꜣy (R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 945b) und ḥḏw.yt (WCN 855217; H.-W. Fischer-Elfert, Literarische Ostraka der Ramessidenzeit in Übersetzung, Kleine ägyptische Texte 9 (Wiesbaden 1986), 49, Anm. d; R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 619b) noch zwei weitere Begriffe für Fischlaich bzw. -rogen gibt (vgl. I. Gamer-Wallert, Fische und Fischkulte im alten Ägypten, Ägyptologische Abhandlungen 21 (Wiesbaden 1970), 49–50), ist es denkbar, dass ebenfalls ein spezifischer Ausdruck für Froschlaich existiert haben könnte.
Alternativ erwägenswert zur Erklärung dieser Gruppe wäre möglicherweise eine ebenfalls sonst nicht belegte Schreibung des Begriffs ẖn.t „Haut, Tierfell, Schlauch“ (Wb 3, 367.12–14), der auch zur Bezeichnung von Fischhaut belegt ist (I. Gamer-Wallert, Fische und Fischkulte im alten Ägypten, Ägyptologische Abhandlungen 21 (Wiesbaden 1970), 48), oder eine Verbindung mit allerdings erst ptolemäisch belegtem snw „Zunge“ (P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 854).
Bei qꜣ~rʾ~rʾ („Frosch“: Wb 5, 61.5–6; H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 520–521) ist in der Hieroglyphentranskription von Spiegelberg (1893, 67) sowie in Grapow 1958, 107 der Semogrammstrich nach dem Tierbalg (F27) zu ergänzen.
Allgemein zu Fröschen und Kröten in Ägypten, s. W. Hirschberg, Kulturgeschichtliche Daten zu Frosch und Kröte in Afrika, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 110, 1980, 28–52; J. Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten untersucht anhand kulturgeschichtlicher und zoologischer Quellen (München 1988), 116–117; B. A. Wassell, Ancient Egyptian fauna : a lexicographical study, 2 Bände (Durham 1991), 152; O. Ndigi, À propos des noms de la grenouille et du lézard en égyptien ancien et en basaa, in: Cahiers caribéens d’égyptologie 6, 2004, 137–143; P. Vernus – J. Yoyotte, Bestiaire des pharaons (Paris 2005), 244–247, 757–758; R. Lobban, Frogs in ancient Egypt and Nubia, in: Cahiers caribéens d’égyptologie 7/8, 2005, 153–167; M. Le Men, La grenouille dans l’Égypte ancienne (objets de la collection de l’Institut d’Égyptologie V. Loret), in: Kyphi 5, 2006, 87–95; D. Faltings, Von Fröschen und Kröten, in: D. Polz – S. Seidlmayer (Hrsg.), Gedenkschrift für Werner Kaiser, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo 70/71 (Berlin/Boston 2014–2015), S. 121–138, hier: 91–104.
Die Identifikation von qrr als „Frosch“ geht einerseits auf Belege der Personennamen Tꜣ-kr (H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. VII (Leipzig 1882), 1235–1236) und Pꜣ-qrr (G. Steindorff, Der Name Paḳruru, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 30, 1892, 63) mit dem Frosch als Determinativ bei kr/qrr sowie andererseits auf den Zeichenpapyrus von Tanis zurück, in dem die Hieroglyphe des Frosches als qrr aufgelöst wird (F. Ll. Griffith – W. M. Flinders Petrie, Two hieroglyphic papyri from Tanis. I. The sign papyrus (a syllabary), Memoir of the Egypt Exploration Fund 9 (London 1889), Taf. 1, Kol. 5.1). Schon Brugsch (ebd.) hat eine Bestätigung für die Identifikation im koptischen Nachfahr (S) ⲕⲣⲟⲩⲣ (m.) gefunden, dem in Übersetzungen griechischer Texte βάτραχος: „Frosch“ und in der Pariser Scala außerdem arab. ḍafdaꜥ/ḍifdiꜥ: „Frosch“ entsprechen. Brugsch (ebd.) verweist ferner auf die onomatopoetische Bildung qirqur „quaken“ (W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 86–87) sowie auf die arabische dialektale Form qurr, die vor allem in Gegenden im Oman, Syrien und Nord-Jemen gebräuchlich ist (P. Behnstedt – M. Woidich, Wortatlas der arabischen Dialekte. Band I: Mensch, Natur, Fauna und Flora, Handbuch der Orientalistik I 100,1 (Leiden/Boston 2010), 380–383, [129], s.v. Frosch), und auch im südlichen Oberägypten vorkommt, wobei dort auch der Einfluss von regionalen Dialekten zu anderen Formen führt (P. Behnstedt, Weitere koptische Lehnwörter im Ägyptisch-Arabischen, in: Die Welt des Orients 12, 1981, 81–98, hier: 83 [3]). In den ägyptischen Oasen wurde das Wort mit Artikel (baqrūr) entlehnt, s. Behnstedt, ebd.; G. Vittmann, Semitisches Sprachgut im Demotischen, in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 86, 1996, 435–447, hier: 205; W. Schenkel, Glottalisierte Verschlußlaute, glottaler Verschlußlaut und ein pharyngaler Reibelaut im Koptischen. Rückschlüsse aus den ägyptisch-koptischen Lehnwörtern und Ortsnamen im Ägyptisch-Arabischen, in: Lingua Aegyptia 10, 2002, 1–57, hier: 9, Anm. 16; P. Behnstedt – M. Woidich, ebd., 384. Die ältesten Belege stammen aus dem Neuen Reich und sind syllabisch qꜣ~rʾ~rʾ geschrieben (pTurin Cat. 2002 = W. Pleyte, Papyrus de Turin, 2 Bände (Leide 1869-1876), Taf. 102 = DZA 30.401.870; oLouvre E 3255). Der Name qrr ist sicherlich selbst onomatopoetischen Ursprungs (s. W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 86; P. Vernus – J. Yoyotte, Bestiaire des pharaons (Paris 2005), 78–79). Demotisch (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 544, 546; CDD Q, 63–64) ist das Wort als qrr, qll, krr u.ä. belegt (vor allem in Personennamen). Zu einem demotischen Papyrusfragment vom Ende der ptolemäischen Zeit, das im Kontext von meteorologischen Omina einen Regen von Fröschen (qrr) erwähnt, s. Collombert, in: Acts of the 10th Intern. Congr. Dem. Studies, 15–26. Worin sich die verschiedenen Bezeichnungen für „Frosch“ ꜥbḫn/ꜥbnḫ, pgg.t und qrr unterscheiden und ob auch mal „Kröte“ gemeint sein kann (s. P. Vernus – J. Yoyotte, Bestiaire des pharaons (Paris 2005), 244–247, 757–758), ist noch unklar.
6 kꜣp.w msḏr.t [ḥr=s]: Vgl. H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 896 [I.a–b].

[… … …] [5] Panzer der Schildkröte:7 1, werde das Ohr [damit] beräuchert.

7 p(ꜣ)q.t n.t št.jw: „Schale/Panzer der Schildkröte“, s. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 195. Es ist unbekannt, ob der kleine und harte Panzer einer Landschildkröte (Testudo kleinmanni) oder der große, weichere Panzer der im Wasser lebenden Weichschildkröte (Trionyx triunguis) gemeint ist. Zur Verwendung von Teilen der Schildkröte in Heilmitteln, s. C. Leitz, Rabenblut und Schildkrötengalle. Zum vermeintlichen Gegensatz zwischen magisch-religiöser und empirisch-rationaler Medizin, in: A. Karenberg – C. Leitz (Hrsg.), Heilkunde und Hochkultur II. „Magie und Medizin“ und „Der alte Mensch“ in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraumes, Naturwissenschaft, Philosophie, Geschichte 16 (Münster/Hamburg/London 2002), 49–73, hier: 66–67; zusammenfassend zur Schildkröte in rituellen und magischen Kontexten, s. H. Altenmüller, Die Schildkröte in Ritual und Magie des alten Ägypten, in: J. Hallof (Hrsg.), Auf den Spuren des Sobek. Festschrift für Horst Beinlich zum 28. Dezember 2012, Studien zu den Ritualszenen altägyptischer Tempel 12 (Dettelbach 2012), 15–29; allgemein zur Schildkröte im Alten Ägypten, s. J. Boessneck, Die Tierwelt des Alten Ägypten untersucht anhand kulturgeschichtlicher und zoologischer Quellen (München 1988); B. A. Wassell, Ancient Egyptian fauna : a lexicographical study, 2 Bände (Durham 1991), 155–156.
Die Bezeichnung šṯw/štw (Wb 4, 557/559) für „Schildkröte“ war den frühen Ägyptologen durch die Formel „Es lebe Re, es sterbe die Schildkröte“ (Tb 161, vgl. 1998, 84) bekannt (z.B. S. Birch, Sketch of a hieroglyphic dictionary (London 1838), 571), die den Hauptaspekt der negativen Konnotation des Tieres als Feind des Sonnengottes auf den Punkt bringt. Brugsch (H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. IV (Leipzig 1868), 1408–1409) zweifelte noch, ob šet ein schlechtes Prinzip („Kakodaemon“) oder konkret das Tier (Trionyx aegyptiaca) bezeichnet.
Demotisch ist der Begriff bislang vielleicht nur in den Aussprachglossen št und šyt im Tebtynis Onomastikon in einem Abschnitt über Schildkröten und deren Körperteile belegt (J. Osing, The Carlsberg Papyri 2. Hieratische Papyri aus Tebtunis I, 2 Bände, CNI Publications 17 (Copenhagen 1998), 139–140). Die Verbindung von šṯw/štw mit kopt. ϫⲓⲧ (A) bzw. ϣⲓⲧⲥ, ϭⲓⲧⲥ (B) „land tortoise“ geht auf Dévaud zurück (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 598b; J. Černý, Coptic Etymological Dictionary (Cambridge 1976), 256; P. Vernus – J. Yoyotte, Bestiaire des pharaons (Paris 2005), 88) und wird von Vycichl (Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 273) vorsichtig in Frage gestellt. Die Bedeutung „Landschildkröte“ (Testudo kleinmanni) von ϣⲓⲧⲥ/ϫⲓⲧ ist durch die griechische Entsprechung ἡ χελώνη: „Schildkröte“ (bildlich für Steinhügel) in der griechischen Version (Septuaginta) von Hosea 12.11 gesichert (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 598b).
Etymologisch könnte štw/šṯw mit šṯ „bekleiden“ zusammenhängen, d.h. „der (in einem Panzer) Eingekleidete“ (J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 3 (Mainz 1976), 818, Anm. 1077; P. Vernus – J. Yoyotte, Bestiaire des pharaons (Paris 2005), 46–47: „celui qui est dans un sac“). Meistens ist im älteren Ägyptischen aber die Wasserschildkröte (Trionyx triunguis) gemeint. Das štw genannte Dekansternbild ist griechisch als σιτ überliefert (J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 3 (Mainz 1976), 880 und 890).