Horusstele Kairo CG 9410

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Egyptian Museum

Inventarnummer: JE 26028

Inventarnummer: CG 9410

Erwerbsgeschichte

Die Horusstele ist spätestens im Jahr 1892 gefunden oder angekauft worden, als sie sich im damals neu eröffneten Ägyptischen Museum in Giseh (Ausstellungsnummer 998: de Morgan 1892) befand. Möglicherweise war sie zuvor schon im Museum von Bulaq. Nach dem Bau des Museums am Midan Tahrir, Kairo, wurde sie dorthin transferiert und bekam die Inventarnummer JE 26028, später zusätzlich die Nummer CG 9410.

Herkunft
(unbekannt)

De Morgan (1892) und Daressy (1903) liefern keine Informationen zu den Fundumständen. Auffällig ist das gemeinsame Vorkommen der Kurzversion des sogenannten Horusstelentextes B mit anschließendem Horusstelentext D auf einigen Horusstelen. Gutekunst 1995 setzt die Horusstelen Avignon A.58, Kairo CG 9405 und Kairo CG 9410 in eine Kategorie in seiner textgeschichtlichen Studie von Horusstelentext B. Die deutlich größere Horusstele CG 9405 (32,5 cm hoch und aus Kalkstein) stammt aus dem Kom el-Qalꜥa, einem der Ruinenhügel von Memphis, südöstlich des großen Ptahtempels von Memphis. Die Inschriften von Avignon A.58 sind identisch mit denen von CG 9405, was vermuten lässt, dass Avignon A.58 aus derselben Werkstatt wie CG 9405 stammt. Horusstelentexte B und D erscheinen ebenfalls auf Horusstele Kairo JE 86778 aus dem Kom el-Rabiꜥa von Memphis und auf Horusstele Atfih+Louvre E16264 aus Atfih, ca. 60 km südlich von Memphis. Sofern die relativ seltene Textkombination (siehe Gutekunst) für eine Verortung von CG 9410 relevant sein sollte, könnte das Stück vielleicht ebenfalls aus einer memphitischen Werkstatt stammen (zwei weitere Horusstelen mit den Texten B und D sind unbekannter Herkunft: Moskau Nr. 182; Louvre E 20021). Allerdings gehören die drei Horusstelen CG 9405, CG 9410 und Avignon A.58 objekttypologisch zu unterschiedlichen Typen (Sternberg-el Hotabi 1999, I, 95–96, 99: Stelentypus I.a, I.c und II) und spricht möglicherweise auch der Produktionszeitraum der Horusstelen mit den beiden Texten B und D (ramessidisch? oder 22. bis 26./30. Dynastie) gegen ein einziges Produktionszentrum.

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 26. Dynastie

Die Datierung erfolgt nur indirekt und beruht auf einer Kombination von stilistischen, bildtypologischen und textgeschichtlichen Merkmalen. Daressy 1903, 26 spricht von „Travail fin de la XXVIe dynstie“, d.h. „gute/qualitätsvolle Arbeit der 26. Dynastie“, ohne diese Datierung weiter zu begründen. Gutekunst 1995, 341 übernimmt Daressys Datierung, aber übersetzt fälschlicherweise als „Ende der 26. Dyn.“ („fin“ = „fein, gut; Ende“). Gutekunst (1995, 257) setzt diese Horusstele in seine texttypologische „Mittelphase“ von Horusstelenspruch B, die seiner Meinung nach in die 26.–28. Dynastie fällt. Er verweist auf die Kombination der Kurzfassung von Spruch B mit anschließendem Spruch D (sein Typus „Kf-D-Gruppe“) auf den Horusstelen Avignon A.58, Kairo CG 9405 und Kairo CG 9410, wobei beide letztere Horusstelen von ihm in Anlehnung an die nicht weiter begründete Datierung durch Daressy in die 26. Dynastie gesetzt werden, die Horusstele Avignon A.58 in die Zeit vor oder in die 26. Dynastie. Allerdings werden weitere Horusstelen von der Kurzfassung von Spruch B mit Spruch D sowohl vor als auch noch nach der 26. Dynastie datiert (nach der 26. Dynastie: Gutekunst 1995, 257, 267; vgl. auch Quack 2018, 35-36 Anm. 62 mit Kritik am Datierungsansatz von Gutekunst; ramessidisch? [Horusstele Louvre E20021; siehe jedoch Quack 2018, 36, Anm. 65: stilistisch eher 26.–30. Dynastie]; 22. Dynastie [Osorkon I.: Horusstele von Atfih+Louvre E16264; Osorkon II.: Kairo JE 86778]). Sternberg-el Hotabi (1999, I, 93) datiert die Stele CG 9410 in ihre objekttypologische „Mittelphase“, d.h. 26.–29. Dynastie, ca. 660–400 v. Chr., wobei konkret die Varianten des Spruchs B gemäß der textgeschichtlichen Untersuchung von Gutekunst auf die 26. Dynastie verweisen sollen. Sternberg-el Hotabi (1999, I, 99) typologisiert den Horuscippus CG 9410 als Stelentypus II (Horuskind ist frontal dargestellt) ihrer Mittelphase (die frontale Darstellungsart des Horuskindes erscheint in der 20. Dynastie und ist Standard in der 30. Dynastie und der Ptolemäerzeit). Sie unterteilt ihre Mittelphase in zwei Perioden: Ihre Stelentypen I und II der Mittelphase gehören für sie in die 26. Dynastie (ca. 660–525 v. Chr.), die übrigen in die Perserzeit (ca. 525–400 v. Chr.) (Sternberg-el Hotabi 1999, I, 102–103). Für die Datierung möglicherweise noch relevant ist die Tatsache, dass die Sprache von Spruch D neuägyptische Merkmale aufweist (Quack 2018, 36 Anm. 62 denkt an eine Textredaktion in der 18. oder frühen 19. Dynastie), während die meisten Sprüche der Horusstelen mittelägyptisch sind oder irgendwann nach der Dritten Zwischenzeit (in der Saitenzeit?) mittelägyptisch umgearbeitet wurden. Objekttypologisch sind noch die Göttervignetten auf den Schmalseiten zu erwähnen, die, sollte die Datierung in die 26. Dynastie stimmen, ein Vorläufer der später gängigen Vignettenregister sind. Die Orthographie des Artikels pꜣ als p geschrieben sowie die Orthographie des Relativpronomens n.tj als n.tt sind schon vereinzelt in der 21. Dynastie bzw. in der Dritten Zwischenzeit belegt (Erman 1932, 76 § 171; Jansen-Winkeln 1996, 145 § 238, 148 § 243) und liefert nur einen Terminus ante quem non. Der Name „Osiris“ wird einmal mit der Götterfahne (R8) determiniert, eine Orthographie, die laut Leahy erst unter Pije erscheint und kaum vor der Regierung von Psammetichus I. in der Region von Memphis belegt ist (A. Leahy, The Name of Osiris Written Osiris, in: Studien zur altägyptischen Kultur 7, 1979, 141–153, hier: 145–146). Eine paläographische Datierung ist mangels publizierter Fotos der Texte nicht möglich.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen hat zum Ziel, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, der Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen werde das Gesicht umgedreht bzw. ihnen drohe die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden beschütze. Der Zauberer identifiziert sich anschließend mit Chnum und befiehlt dem Angreifer zurückzuweichen, sonst werde er zerstückelt. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in der ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden sei und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen habe.

Der sogenannte „Spruch D“ der Horusstelen findet sich im Anschluss an eine verkürzte Version von „Spruch B“. Ein nicht weiter identifizierter Magier richtet sich an das Krokodil Maga, um es von einem Angriff auf den Gotteskörper (sicherlich der des Osiris im Wasser) bzw. den Körper des Menschen NN abzuhalten. Es gibt Anspielungen auf mythologische Wesen, die über Osiris wachen, auf ein Verbrechen seitens Maga gegen die Götterbarke (des Osiris?) und das anschließende Abschneiden von dessen Zunge sowie dessen Vernichtung durch den Landepflock des Osiris. Der Magier droht Maga im Falle eines Angriffs, dass er dessen geheimen nubischen (?) Namen verraten werde.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Das Format sowie die Anwesenheit einer Öse lassen vermuten, dass diese kleine Horusstele als Amulett getragen werden konnte.

Material
Nicht Organisch » Mineral » Microclin/Grüner Feldspat
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Höhe 11 cm, Breite 7,5 cm, Dicke 3 cm. Oben abgerundete Horusstele mit Dekoration und Beschriftung auf der Vorder- und der Rückseite sowie auf den beiden Schmalseiten und der Unterseite. Auf der Vorderseite steht ein nackter Kindgott frontal auf zwei Krokodilen. Er hält zwei Schlangen, einen Skorpion und einen Löwen in der linken Hand (Objektperspektive), zwei weitere Schlangen, einen Skorpion und eine Antilope in der rechten. Er trägt eine Jugendlocke, einen Halskragen und an der Stirn wahrscheinlich einen Antilopenkopf. Über seinem Kopf befindet sich ein Beskopf. Über dem Beskopf ragt eine kleine Öse über den oberen Stelenrand hinaus. Links vom Kindgott (Objektperspektive) steht das Nefertemsymbol, rechts von ihm der Falke auf einem Papyrusstängel. Auf den beiden Schmalseiten finden sich Götterfiguren und Symbole in zwei Kolumnen. Auf der Rückseite sind 12 senkrechte Textkolumnen mit den sog. Horusstelentexten B und D eingraviert, die sich in 7 horizontalen Zeilen auf der Unterseite des Sockels fortsetzen. Auf der Vorderseite des Sockels, unter dem Horuskind, finden sich zwei Textzeilen: ein Spruchtitel in der oberen Zeile und das Ende von Horusstelentext D in der unteren Zeile.

Schrift
Hieroglyphen

Die Hieroglyphen sind eingraviert. Daressy spricht von einem „travail fin“, d.h. einer „guten/qualitätsvollen Arbeit“.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch, Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Daressy 1903 hat die Horusstele beschrieben, die Inschriften in Bleihieroglyphen abgedruckt und ein Foto der Vorderseite publiziert. Gutekunst 1995 hat eine textkritische Analyse von Horusstelentext B vorgenommen. Quack 2018 benutzte die Stele für seine Analyse von Horusstelentext D. Fotos der Inschriften sind bislang nicht publiziert.

Editionen

- Daressy 1903: G. Daressy, Textes et dessins magiques, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire. Nos. 9401–9449 (Le Caire 1903), 23–26 und Taf. VII.

Literatur zu den Metadaten

- Gutekunst 1995: W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 257, 259–268, 341.

- Quack 2018: J. F. Quack, Eine magische Stele aus dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Inv. H 1049), Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 58 (Heidelberg 2018), 35–40.

- Sternberg-el Hotabi 1999: H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Teil I: Textband, 93, 99; Teil II: Materialsammlung, 37–38.

- Virey 1892: M. E. Virey, in: J. de Morgan (Hrsg.), Notice des principaux monuments exposés au Musée de Gizeh (Le Caire 1892), 224 (Nr. 998) (Edition 1895, 232).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Rückseite

Horusstelentext B = Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[1] Oh alter Mann, der sich zu seiner Zeit verjüngt, (oh) Greis, der als Jugendlicher agiert, mögest du veranlassen, dass Thoth zu mir auf meine Stimme hin kommt, damit er für mich das (Krokodil) „Wildgesicht“ (Neha-her) vertreibt.
Siehe, Osiris ist auf dem Wasser; das Horusauge ist bei ihm. Der große Flügelskarabäus ist in seiner Faust.
Die Kinder der Götter sind im Wehklagen.1
Wenn man dem, der auf dem Wasser ist, zu nahe tritt, dann tritt man dem weinenden/verfinsterten/dösenden (?)2 Horusauge ebenso zu nahe.
Zurück mit euch, (ihr) Untote/Wiedergänger, Wasserbewohner, Feind{e}, Jener/Feindin, (Un)-Toter/Wiedergänger, (Un)-Tote/Wiedergängerin, Widersacher, Widersacherin und so weiter! [5] Erhebt nicht eure Gesichter! Erspäht/jagt3 nicht mit euren Augen!
Es ist Osiris, der euren Schlund blockiert/verstopft hat. Es ist Thoth, der eure Augen geblendet hat. Es ist Sachmet, 〈die ihre Flamme gegen euch gesetzt hat.〉 〈Es ist Heka, der eure Zunge abgeschnitten hat (o.ä.).〉4
Diese Vierzahl von Göttern, die über die Majestät des Osiris wachen, sie sind es, die den zꜣ-Schutz des Gottes, der im Sarg ist, bereiten (und ebenso) den zꜣ-Schutz dessen, der im Wasser ist.5
Hui, hui!
Eine laute 〈Stimme〉 ist im Großen-Haus; ein großes Gejammer ist im Maul des Katers (oder: der Katze).
Die Götter (sagen): „Siehe doch, siehe doch“ bezüglich (?) des Abdu-Fisches, als er geboren wird.

1 Gutekunst 1995, 265 übersetzt diese Variante als "der große Sonnenkäfer Api ist in seiner (= Osiris) Faust, / der, welcher die Götter (schon) als Kind erschaffen hat." 

2 jḥ(.t): Wb. 1, 120.13 hat dieses seltene Verb als "weinen(?)" lemmatisiert, zweifellos wegen des Determinativs des weinenden Auges. Das ist jedenfals die Begründung für die Bedeutung "weinen" bei H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. I (Leipzig 1867), 106 (Quelle = Metternichstele). C. E. Sander-Hansen, Die Texte der Metternichstele, Analecta Aegyptiaca consilio Instituti Aegyptologici Hafniensis 7 (København 1956), 33 übersetzt mit "das weinende Horusauge", hat aber an anderer Stelle (S. 10) "das geweint hat". Das/ein Verb jḥ existiert auch mit dem geschminkten Auge (Dendara V, 51.6; Edfou IV, 111.7; Edfou VIII, 39.11). Ob auf der Metternichstele eine Graphie des Verbs jwḥ: "weinen" bzw. eine Verwirrung mit diesem Verb vorliegen könnte? Es gibt ein weiteres Verb ꜥḥ (mit dem Netz als Determinativ), das Wb. 1, 214.2 mit "(Feuchtes) abwischen: (Tränen) abwischen" wiedergibt. Dieses berücksichtigt H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden 46, 1965, 10–33, hier: 15 möglicherweise in seiner Formulierung von Text B als: „das tränentrockene Horusauge“ (laut P. Vernus, Études de philologie et de linguistique, in: Revue d’égyptologie 32, 1980, 117134, hier: Anm. 68 ist ꜥḥ ein anderes Verb). P. Vernus, Études de philologie et de linguistique, in: Revue d’égyptologie 32, 1980, 117134, hier: 131–1132, Anm. (h) stellt die Bedeutung "weinen" infrage: "si on s’attaque à celui qui est sur l’eau, on s’attaque à l’oeil d’Horus avec pour résultat d’être jḥ". Seiner Meinung nach bedeutet jḥ eher (reflexiv) "s’obscurcir", (transitiv) "obscurcir" und (intransitiv) "être plongé dans l’obscurité du sommeil" und notfalls "éblouir", d.h. "blenden". R. Herbin, Le livre de parcourir l’éternité, Orientalia Lovaniensia Analecta 58 (Leuven 1994), 197 übersetzt in pLeiden T 32, Kol. 5.7 mit "somnoler", d.h. "nicken, dösen, vor sich hin schlummern", denn es wird als Synonym von qdd: "Schlaf" in Edfou IV, 111.7 verwendet (er verweist auf Vernus). B. Ventker, Der Starke auf dem Dach. Funktion und Bedeutung der löwengestaltigen Wasserspeier im alten Ägypten, Studien zur spätägyptischen Religion 6 (Wiesbaden 2012), 164 mit Anm. (a) versteht Edfou IV, 111.7 als Substantiv "Schlaf" (und nicht als Infinitiv). P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 102–103 listet ein Lemma jḥ mit dem nicht-weinenden Auge auf, das sie als "schlafen" ansetzt, und sie fragt sich, ob es dasselbe Verb wie Wb. 1, 120.13 "weinen(?)" ist. D. Meeks, Dictionnaires et lexicographie de l’Égyptien ancien. Méthodes et résultats, in: Bibliotheca Orientalis 56, 1999, 570–594, hier: 576 hat ähnlich in seiner Rezension von Wilson: "dormir, sommeiller" statt "pleurer" und verschiebt alle Belege von Wb. 1, 120.13 "weinen(?)" hierhin (DZA 21.198.840 = N. de Garis Davies, The temple of Hibis in el Khārgeh Oasis Part III. The decoration, Publications of the Metropolitan Museum of Art Egyptian Expedition 17 (New York 1953), Taf. 32, mittleres Register, Hymnus Z. 7). Dann würde der Text der Metternichstele lauten: "das dösende Horusauge" oder "das (durch Schlaf) geblendete Horusauge" oder "dann tritt man dem Horusauge zu nahe, mit dem Ergebnis, dass man hinüberdämmert". Gutekunst 1999, 161–162, 167–168 listet die verschiedenen Varianten von "Text B" mit und ohne jḥ auf. Er lehnt die Interpretation von Vernus ab. S. Hodjash – O. Berlev, The Egyptian Reliefs and Stelae in the Pushkin Museum of Fine Arts, Moscow (Leningrad 1982), 249, Anm. (x) schreiben "the weeping Eye is somewhat of a mystery" und sie liefern Quellen für weitere Forschung. Auf mindestens einer Horusstele wird jḥ zu jꜥḥ "Mond" umgedeutet (J. S. Karig, Die Göttinger Isisstatuette, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 87, 1962, 54–59, hier: 59 und Taf. IV).

3 m nw(ꜣ): Zur möglichen bewussten Verwendung des Wahrnehmungsverbs nw(ꜣ) als Anspielung auf nw: "jagen", vgl. Gutekunst 1995, 265 mit Anm. 618.

4 In der Kurzfassung von Spruch B fehlen die zu Sachmet gehörige Aktion sowie der komplette Satz mit Heka als vierter der im Anschluß genannten Vierergruppe (siehe Gutekunst 1995, 262263).

5 Für diese varianten Formulierungen siehe Gutekunst 1995, 265266.

Rückseite, Unterseite und Vorderseite

Horusstelentext D

[Rückseite] Hui, hui! (Du), der, auf den gespuckt wird, (du) Maga, Sohn des Seth, oh (du), der sich mit seinem Schwanz vorwärts zieht (?)1, dessen Ruder/Paddel seine Arme sind:
Falke (?)2, was den/diesen Gott angeht, der dich mit einer Botschaft 〈ausgeschickt〉 hat, er ist derjenige, der [10] mir befohlen hat, dich zu behindern.
Hast du dich also nicht vertraut gemacht mit Sebeq, Sebeqet, Tem und Temet, (mit) der Vierzahl an großen Achs, die über die Majestät des Osiris wachen?
Hast du dich also nicht vertraut gemacht mit den Schlächter(?)-Göttern3, die auf deinem Rücken sind wegen des großen Verbrechens, das du getan hast [Unterseite] in/an der Barke dieses Gottes, als deine Zunge auf dem Rumpfbrett (oder: der Reling)4 dieser Barke abgeschnitten wurde, wobei du mit [15] dem großen Pflock5 des Osiris vernichtet worden bist?
Hüte dich vor dem Gottesleib! Hüte dich vor dem Leib 〈des NN〉!
Ansonsten werde ich sagen:
Hui, hui!
〈Sch〉erdesched 〈ist dein Name.〉Berqer ist dein Name. Iriry ist dein Name. Amun-na-tjek Amun-na-ka-in7 〈ist dein Name.〉
Siehe, auf [der Flut] hat der göttliche Falke [Vorderseite, 20] sich abgewandt (?).
[Der Gefallene/Phre (?)]8 in seinem großen Haus (ist?) der, der gekentert ist. Zweimal!

1 Auf den Horusstelen Kairo CG 9405 und Avignon A.58 steht: "der mit seinem Schwanz fährt" (die Textabschriften von Daressy 1903 und A. Moret, Monuments égyptiens du Musée Calvet à Avignon, in: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l'archéologie égyptiennes et assyriennes 35, 1913, 48–59 sind zu korrigieren).

2 Steht nicht in den übrigen Textvertretern.

3 nꜣ ḥtj.w: Vgl. ḥttjw, das eine Graphie von ḥntjw sein kann, vgl. ḥnṯtjw: "die Schlächter". Quack, 39, Anm. 81 verzichtet in seiner synoptischen Bearbeitung von Spruch D auf eine Übersetzung . Er fragt sich, ob mit ḥtḥt.w(?) (so seine Transkription auf S. 37) die Feder auf dem Rücken des Krokodils gemeint sein könnte, die u.a. von dem Gauzeichen von Dendara bekannt ist. Er denkt an kopt. ϩⲧⲏ: "Lanzenschaft" und ḥtyt: "spitzer Gegenstand". D. Meeks, in: M.-P. Foissy-Aufrère – S. Aufrère – Chr. Loury (Hrsg.), Egypte & Provence. Civilisation, survivances et “Cabinetz de curiositez” (Avignon 1985), 137 übersetzt: "l’Agrippeur (?)". Auf Horusstele Moskau Nr. 182 (I.1.a.4467) steht nwḥtḥt o.a., auf den Horusstelen Kairo CG 9405 und Avignon A.58 steht nḥḥ,tj mit dem Feind als Determinativ. Die verständlichste Schreibung steht auf Kairo JE 86778: nꜣ jtḥ: "die Schlingen, Fesseln".

4 R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 723: "*e. Rumpfbrett (des Holzboots); *Reling; *Schanzkleid"; Wb. 4, 43.1 "Bordbrett des Schiffes"; N. Dürring, Materialien zum Schiffbau im Alten Ägypten, Abhandlungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo. Ägyptologische Reihe 11 (Berlin 1995), 64, 215: s.v. sꜥꜣ: "a) Holzteil, Balken; b) Schanzkleid, Reling". R. O. Faulkner, A Concise Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 2002 (Repr. 1962)), 213: "gunwale"; R. A. Caminos, Late-Egyptian Miscellanies, Brown Egyptological Studies 1 (London 1954), 161: "thole-board, gunwale"; G. Jéquier, Essai sur la nomenclature des parties de bateaux, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 9, 1911, 3782, Taf. 1–3, hier: 51–52: "agrandisseur" (Bezeichung von zwei Sockeln auf dem Deck der Sonnenbarke, die wḏ.t-Holzpfosten unterstützen); P. Montet, Les scènes de la vie privée dans les tombeaux égyptiens de l’Ancien Empire (Strasbourg 1925), 341: "bastingage" (d.h. "Reling"); D. Jones, A Glossary of Ancient Egyptian Nautial Titles and Terms (London/New York 1988), 183-184: "gunwale, thole-board".

5 nꜥy.t: Wb. 2, 207.17: "ein Pflock oder Pfahl am Vorderteil des Schiffes, mit dem es an Land festgemacht wird"; W. K. Simpson, Papyrus Reisner II; Accounts of the Dockyard Workshop at This in the Reign of Sesostris I. (Boston 1965), B 23: "mooring block, cleat, stake at bow for mooring"; F. Ll. Griffith, The Teaching of Amenophis the Son of Kanakht. Papyrus B.M. 10474, in: Journal of Egyptian Archaeology 12, 1926, 191–231, hier: 199, Anm. 3 "mooring post"; R. O. Faulkner, A Concise Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 2002 (Repr. 1962)), 126: "mooring-post"; Dürring, Materialien zum Schiffbau, 86: „ein Rundholz“; Jones, A Glossary of Ancient Egyptian Nautial Titles and Terms, 199: "mooring-post"; kopt. ⲛⲁⲉⲓⲱ: W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 218b: "peg, stake for ship’s hawsers"; W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 2008 (Repr. 1965–1977)), 120: "Pfahl, Haltepflock (für Schiffe)".

6 Ergänzung nach den Horusstelen Kairo CG 9405 und Avignon A.58.

7 Auf den Horusstelen Kairo CG 9405 und Avignon A.58 steht eher Amun-na-ka-intek (siehe Quack 2018, 39), was hier verschrieben oder umgedeutet wurde.

8 Ergänzt nach den Horusstelen Kairo CG 9405 und Avignon A.58. Die Deutung ist mangels Determinativ unklar. Ist dort eine Ableitung von ḫr: "Feind" gemeint, eventuell als Euphemismus, oder liegt eine Schreibung von Pꜣ-Rꜥw: "Phre; der Re" vor?

Vorderseite

Spruch, um das Maul zu verschließen

Spruch, um das Maul eines jeden Kriegtieres und eines jeden Löwen (?) zu verschließen 〈...〉