Horusstele des Scheschonq Kairo JE 86778

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Egyptian Museum

Inventarnummer: Kairo JE 86778

Erwerbsgeschichte

Bei Grabungen im Jahr 1942 gefunden, im Januar 1944 ins Ägyptische Museum verbracht und dort mit der Inventarnummer JE 86778 versehen (Lenzo et al. 2023, 4).

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » zwischen Kairo und Fajjum » westliches Ufer » Memphis

Gefunden von Ahmed M. Badawi und Mustafa el-Amir im Jahr 1942 im Grab des Prinzen Scheschonq „D“, Sohn von König Osorkon II. und Hohepriester des Ptah in Memphis. Das Grab gehört zu einer Nekropole der Dritten Zwischenzeit, an der SW-Ecke aber außerhalb der Umfassungsmauer des Haupttempels von Ptah, in unmittelbarer Nähe von Kom el-Rabiꜥa. Angenommen wird, dass alle im Grab gefundenen Gegenstände in der Vertiefung/Aussparung im Boden, die für den Sarg vorgesehen war, gefunden worden sind (in der „cuve funéraire“: Lenzo et al. 2023, 111). Badawi (1956, 176177) listet die Horusstele bei den Grabbeigaben auf, die nach Abhebung einer wiederverwendeten großen Stele gefunden wurden, welche als Abdeckung der Aussparung im Boden genutzt wurde. Nicht dokumentiert ist, wo exakt innerhalb der Vertiefung die Horusstele entdeckt worden ist. Sternberg-el Hotabi 1999, II, 65 lokalisiert das Grab im Kom el-Fakhry, weil Badawi angibt, dass das Grab an der Stelle gefunden wurde, wo W. M. F. Petrie auf seiner Karte den Kom el-Fakhry einzeichnet. Nach moderner Toponymie handelt es sich jedoch um Kom el-Rabiꜥa (siehe den Plan bei Lenzo et al. 2023, 215, Taf. 3.a).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit » 22.–23. Dynastie » Osorkon II. Usermaatre-Setepenamun

Die Datierung basiert auf dem Fundkontext. Die Horusstele wurde zugunsten eines Verstorbenen namens Scheschonq erstellt. Es handelt sich hierbei um den Eigentümer des Grabes, in dem die Horusstele gefunden wurde: den Prinzen und Hohepriester des Ptah namens Scheschonq (mit dem modernen Identifikationszusatz „D“), der ein Sohn von König Osorkon II. und Königin Karomama war. Obwohl wahrscheinlich designierter Thronfolger, wurde er nicht selber König, sondern irgendwann nach der Thronbesteigung von König Scheschonq III. bestattet (ein Armband aus Täfelchen mit Neujahrswünschen und den Kartuschen von Scheschonq III. wurde im Grab von Scheschonq D gefunden: Lenzo et al. 2023, 126127, 188). Deshalb wird angenommen, dass er etwa zur gleichen Zeit wie Osorkon II. starb oder von einem Thronprätendenten beiseitegeschoben wurde (Lenzo et al. 2023, 188). Die absolute Chronologie der Regierungszeit Osorkons II. ist nicht ganz gesichert, nach älteren Berechnungen ca. 875850 v. Chr., nach neueren möglicherweise ca. 865830 v. Chr. Aston 2009, 78 (mit einer neueren Berechnung) nennt ca. 830820 als Todeszeitpunkt von Scheschonq D. Typologisch gehört die Stele zum Stelentypus II („unterägyptischer Typus“) der „Frühphase II“ (d. h. 21.25. Dynastie) von Sternberg-el Hotabi 1999 (I, 77). Anzunehmen ist, dass die Stele zu Lebzeiten von Scheschonq D angefertigt wurde, d. h. sicherlich noch während der Regierung von Osorkon II.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Die Horusstele ist mit zwei magischen Sprüchen versehen. Auf der Rückseite fängt eine abgekürzte Version von Horusstelentext B an, die auf der Unterseite der Stele endet. An der Stelle fängt Horusstelentext D an, der auf den beiden Schmalseiten fortgesetzt wird. Begünstigter des zweiten Spruchs ist Scheschonq. Beide Sprüche sind primär als Schutz des Osiris auf dem Wasser gegen Krokodile gedacht, Horusstelentext B gegen das Krokodil Nehaher, Text D gegen das Krokodil Maga.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Horusstele war eine Grabbeigabe und diente als Schutz für den Verstorbenen Scheschonq. Im Grab seines Enkelsohnes Horsaiset, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Grab von Scheschonq D und ebenfalls Hohepriester des Ptah, wurde eine weitere Horusstele gefunden (Inventarnummer: Kairo JE 86809; Lenzo et al. 2023, 160; Jurman 2020, 801803, D085j, Taf. 53, Taf. 176ae; Aston 2009, 80 gibt ca. 770 v. Chr. als Todesdatum von Horsaiset an).

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein, Nicht Organisch » Mineral » Peridot
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Höhe 16,5 cm; Breite 8,5 cm; Dicke 3,5 cm. Stele aus grünlichem kristallinem Kalkstein (Badawi 1956, 177) und grünbeigem Gestein, vielleicht Peridotit (Lenzo et al. 2023, 159), mit einem nackten Kindgott, frontal dargestellt, der auf zwei antithetisch angeordneten Krokodilen steht. Er hält zwei Schlangen und eine Oryxantilope in der rechten Hand, einen Skorpion und einen Löwen in der linken. Er trägt eine Seitenlocke am Kopf und über seinem Kopf steht eine große Besmaske. Der Kindgott wird seitlich von einem eingravierten Papyrusstängel mit Falkengott (links vom Kind) und von einem eingravierten Lotosstängel (des Nefertem) eingerahmt (rechts vom Kind). Es finden sich Inschriften auf der Rückseite (Z. 112) mit Fortsetzung auf der Unterseite der Basis (Z. 1315) sowie je zwei Textkolumnen auf den beiden Schmalseiten (Z. 1619). Über der Inschrift auf der Rückseite steht ein Bildregister mit Schutzgottheiten.

Schrift
Hieroglyphen

Eingraviert.

Bearbeitungsgeschichte

Die Horusstele wurde im Jahr 1957 in einem sehr kleinen Foto durch den Ausgräber Badawi publiziert. Darüber hinaus war sie jedoch unzugänglich, und so konnte sie nicht von Gutekunst 1995 für seine textgeschichtliche Studie von Horusstelentext B ausgewertet werden. Auch Sternberg-el Hotabi 1999 konnte die Stele, obwohl exakt datiert, nur begrenzt für ihre Typologie heranziehen. Erst die Veröffentlichungen von Jurman (2020) und Lenzo (2023) machen sie für die Forschung zugänglich. Lenzo et al. 2023 liefern Fotos, einen kurzen, einordnenden Kommentar sowie eine Abschrift in Computerhieroglyphen, eine Transkription und Übersetzungen der Texte.

Editionen

- Lenzo et al. 2023: G. Lenzo  R. Meffre – F. Payraudeau, La tombe memphite du prince héritier Chéchonq et son mobilier funéraire, Mémoires publiés par les membres de l'Institut français d'archéologie orientale 149 (Le Caire 2023), 159164 und Taf. 115118.

- Jurman 2020: C. Jurman, Memphis in der Dritten Zwischenzeit: Eine Studie zur (Selbst-)Repräsentation von Eliten in der 21. und 22. Dynastie (Hamburg 2020), Bd. I, 770774; Bd. II, Taf. 52, 166ae (Nr. D083ag). [non vidi]

Literatur zu den Metadaten

- Aston 2009: D. A. Aston, Burial Assemblages of Dynasty 2125: Chronology, Typology, Developments, Österreichische Akademie der Wissenschaften. Denkschriften der Gesamtakademie 54 (Wien 2009), 79.

- Badawi 1956: A. Badawi, Das Grab des Kronprinzen Scheschonk, Sohnes Osorkon’s II. und Hohenpriesters von Memphis in: Annales du Service des Antiquités de l'Égypte 54, 1956, 153177 und Taf. IXVI, hier: 177 und Taf. XV.C.

- Gutekunst 1995: W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 363.

- Jansen-Winkeln 2007: K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit. Teil II: Die 22.–24. Dynastie (Wiesbaden 2007), 185 (Nr. 22.18).

- Sternberg-el Hotabi 1999: H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Bd. I: Textband, 77–79, 85; Bd. II: Materialsammlung, 44, 64–65.

Eine ausführliche Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Rückseite und Unterseite

Horusstelentext B = Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[1] Oh alter Mann, der sich zu [seiner] Zeit verjüngt, (oh) [Greis], der als Jugendlicher agiert, mögest du veranlassen, dass Thoth 〈zu〉 mir auf meine Stimme hin kommt, damit er 〈für mich〉1 das Wildgesicht (Neha-her) vertreibt.
Osiris ist auf dem Wasser; das Horusauge ist bei ihm; der große Flügelskarabäus ist in seiner Faust.
Wenn man dem, der 〈auf〉 dem Wasser oder dem Land (?) ist, zu nahe tritt, dann tritt man dem Horusauge zu nahe.
Zurück mit euch, [5] (ihr) Wasserbewohner und Landbewohner, (du) Feind, Flamme/(Un)-Toter/Wiedergänger2, Widersacher, und so weiter!
Erhebt nicht eure Gesichter! Erspäht nicht 〈mit〉 euren Augen!
Euer Maul werde/wurde von Re verschlossen/versiegelt. Euer Schlund werde/wurde von Sachmet blockiert.
Eine 〈laute〉 Stimme ist im Großen-Haus, ein großes Gejammer ist im Mund des Katers (oder: der Katze).
Die Götter (sagen): „Was ist los? Was ist los?“ bezüglich (?) des Abdu-Fisches bei seiner Geburt.
Bekanntlich geht Osiris, der Fürst/Große3, über euch hinweg.Seht, 〈er〉 ist unterwegs nach Busiris.
Oh Re, [10] du mögest zu deiner Barke hinaufsteigen, um die Neunheit, die Herren von Babylon, zu betrachten.
Die/diese Herren der Unterwelt stehen bereit, das Neha〈her〉-Krokodil zu bestrafen.
Euer Maul werde/wurde von Re verschlossen/versiegelt. Euer Schlund werde/wurde von Thoth blockiert. Eure Augen werden/wurden von Heka geblendet. Deine (!) Zunge werde/wurde von Sachmet abgeschnitten.
Die Vierzahl von großen Göttern, die über die Majestät des Osiris wachen, sie sind es, die den, der im Wasser ist, abschirmen (?)5, wobei er wohlbehalten ist.
Der Schutz des Udjatauges ist der Schutz des Himmels für/des Re, (mit) Re [15] in ihm.
Der große Gott, der in seinem Sarg ist, ist der Schutz dessen, der im Wasser ist.

1 Auslassung des Dativs auch auf einer Horusstele in Ostia: Gutekunst 1995, 150–151 (Spruch 2.4, Variante a3).

2
 Lenzo et al. 2023, 163 übersetzen: „le mort“. 

3
 Lenzo et al. 2023, 163 übersetzen „le grand“. Auf CG 9402 (Z. 17) und BM EA 958 steht: "der große Fürst" (von Gutekunst 1995, 173 nur als "der Große" gelesen).

4
 Der Satz weicht von den üblichen Konstruktionen ab und steht an anderer Stelle (man erwartet: "bis/so dass Osiris an euch vorbeigeht/vorbeigegangen sein wird.").

5
 Lenzo et al. 2023, 163 übersetzen „qui protègent (?)“ (sie folgen Jurman 2020, 772, Anm. u).

Unterseite und Schmalseiten

Horusstelentext D

Hey, hey (du,) Feind, auf den gespuckt wird (?)1, Maga, Sohn des Seth!
Siehe, ich bin [... ...].2
Oh (du,) der herbeigekommen ist, dessen Steuerruder sein Schwanz ist, dessen Riemen seine [Arme sind, was den Gott angeht], der [dich] geschickt hat3, du bist (?) [... ... ...], um dich zu behindern.
Du kennst bekanntlich Sebeq und Sebeqet, [Tem und Temet, ...] Gott, [die 4] großen Ach〈s〉4, die über Osiris wachen.
(Und) du kennst/spürst/schmeckst die Bändiger/Fesseln (?)5, die auf deinem Rücken sind wegen des [großen (?) Ver]brechens, das du auf der (oder: gegen die) Barke dieses Gottes angerichtet hast.
Hüte dich 〈vor〉 dem Gottesleib (und vor dem Leib) des Scheschonq, des Gerechtfertigten, in gleicher Weise!

1 Siehe die Parallelen auf CG 9405, CG 9410, Horusstele Avignon A.58 und Moskau 4467.

2
 Dieser Satz ist bislang nicht in den Paralleltexten vertreten. Die Spur eine Zeichens ist noch erhalten. Man könnte an den Kopf eines Vogels denken, z.B.: „Siehe, ich bin [Horus-Sched(?)].“ Lenzo et al. 2023, 164 mit Anm. (g) transkribieren: „Vois! Je suis [Khnoum?]“.

3
 Das Foto bei Lenzo et al. 2023, Taf. 117 reicht nicht aus, um die dort vorgeschlagene hieroglyphische Abschrift zu verifizieren. Zum hiesigen Rekonstruktionsvorschlag siehe J. F. Quack, Eine magische Stele aus dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Inv. H 1049), Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 58 (Heidelberg 2018), 35–40.

4
 Ergänzt nach den Parallelen: Siehe J. F. Quack, Eine magische Stele aus dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Inv. H 1049), Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 58 (Heidelberg 2018), 35–40.

5
 nꜣ jtḥ: Lenzo et al. 2023, 163 transkribieren Nꜣḥty? und denken an eine göttliche Entität, aber die Hieroglyphen lassen das Verb jtḥ: "ziehen" vermuten. Die übrigen Textversionen (siehe J. F. Quack, Eine magische Stele aus dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Inv. H 1049), Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 58 (Heidelberg 2018), 39, Anm. 81) helfen hier nicht weiter.