Metternichstele

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
MMA Inv.-Nr. 50.85 TM 113760
Aufbewahrungsort
Nordamerika » U.S.A. » (Städte L-P) » New York City (NY) » Metropolitan Museum of Art

Inventarnummer: 50.85

Erwerbsgeschichte

Mohammed Ali schenkte die Stele im Jahr 1828 Clemens Wenzel Lothar Nepomuk Prinz von Metternich-Winneburg-Beilstein-Ochsenhausen (1773–1859), vielleicht im Rahmen von diplomatischen Geschenken, die er am Ende der 1820er Jahren tätigte (Šedivý 2007, 251, Anm. 13). Metternich war in den Jahren 1801–1848 als österreichischer Diplomat und Politiker tätig, seit 1809 leitete er das Außenministerium, seit 1821 war er Kanzler von Österreich. Es ist denkbar, dass Anton Ritter von Laurin, Generalkonsul von Österreich in Alexandrien von 1824 bis 1849, die Verschiffung der Stele versorgte. Die Stele gelangte in das Familienschloss der Metternichs in Königswarth (heute Lázně Kynžvart in Westböhmen). Später, nach dem Ersten Weltkrieg (Information der Museumsverwaltung Kynžvart), verkaufte die Familie aus Geldsorgen die Stele an (den Antikenhändler, Schmuckhändler, Bankier?) Jean Lombard in Genf. Das Metropolitan Museum of Art erwarb die Stele im Jahr 1950 von Jean Lombard mit Mitteln des Fletcher Fund (benannt nach Isaac Dudley Fletcher, der seine Sammlung und eine große Summe Geld in seinem Testament dem Metropolitan Museum vererbte) (Homepage MMA).

Herkunft
Nildelta » nördliches Delta » Nordküste » Kom esch-Schugafa (Alexandria)

Die Stele wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Alexandrien „beim Baue eines Bassins in einem Franziskanerkloster gefunden“ (Golenischeff 1877, 1). An anderer Stelle steht, dass sie dort beim Graben eines Brunnens gefunden wurde (Scott 1951, 202: „a well“). Was die Quelle für Golenischeffs Angabe ist, ist unbekannt (vermutlich entweder Metternich selbst oder von Laurin). Das Franziskanerkloster ist sicherlich ein Vorgängerbau des Franziskanerklosters bei der katholischen Kathedrale der H. Katharina im Zentrum von Alexandrien, das Anton von Laurin kannte, weil er dort seine Kinder hat taufen lassen (mündliche Information Gottfried Hamernik). Alexandrien kann nicht der ursprüngliche Aufstellungsort eines Denkmals der 30. Dynastie gewesen sein, denn die Stadt war zu dieser Zeit noch nicht gegründet. Es wird vermutet, dass die Metternichstele ursprünglich in Heliopolis aufgestellt gewesen war, weil im Kolophon (Z. 87–88) steht, dass ein Priester namens Nesatum (der Name bedeutet: „Der zum (heliopolitanischen Schöpfergott) Atum Gehörige“) den Text im Tempel des Osiris-Mnevis beiseitegelegt vorgefunden und deshalb kopiert (wörtl.: erneuert) hatte. Der Bezirk des Osiris-Mnevis lag ein wenig nördlich des eigentlichen Zentrums von Heliopolis. Es lässt sich jedoch nicht beweisen, dass sich dieses Kolophon direkt auf die Herstellung der Stele bezieht, und nicht bloß als legendäre Beglaubigungsgeschichte der magischen Textsammlung zu verstehen ist. Als Argument zugunsten einer unterägyptischen bzw. möglicherweise heliopolitanischen Herkunft der Stele wird angeführt, dass die Texte inhaltlich nur Deltabezüge aufweisen (Scott 1951, 216; Kákosy 1982, 122), aber erneut könnte sich dies bloß auf die Herkunft (den Kompositionsort) der Textsammlung und nicht notwendigerweise auf den Aufstellungsort der Stele beziehen. Trotzdem ist zu bedenken, dass Denkmäler aus Heliopolis ab der Ptolemäerzeit nach Alexandrien umgesetzt wurden (u.a. Obelisken, Sphingen).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit » 30. Dynastie » Nektanebos II. Senedjemibre-Setepeniniheret

Die Datierung erfolgt aufgrund der Namensnennung Nektanebos’ II. in Kartuschen. Diese befinden sich sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite, beide Male im Giebelfeld, auf der Vorderseite ist der Pharao sogar in Verehrung abgebildet. Außerdem finden sich die Königsnamen auf der Oberseite des Sockels in Formeln mit Schutzwünschen als Zusätze zu den vorangehenden Sprüchen 10 und 12 (Z. 163–166).

Textsorte
Sammelhandschrift, magischer Spruch
Inhalt

Die Metternichstele ist komplett auf allen Seiten und auf dem Sockel dekoriert bzw. beschriftet. Auf Vorder- und Rückseite sowie auf den Schmalseiten gibt es jeweils Texte im Giebelfeld, darunter ein Bildfeld in mehreren Registern, darunter erneut Text. Oberseite und alle vier Seitenwände des Sockels sind nur mit Texten versehen. Golenischeff hat die Textzeilen durchnummeriert (Z. 1–249), angefangen auf der Vorderseite, dann auf der Rückseite, dann auf den beiden Schmalseiten und schließlich auf dem Sockel. Diese Nummerierung und die zugehörige Aufspaltung in 14 Sprüche wird bis heute aus pragmatischen Gründen beibehalten, sie kann jedoch nicht zutreffen, denn inhaltlich gehört der erste Text auf der Oberseite des Sockels (Spruch 13) noch zur Vorderseite (endet mit Spruch 4) und der letzte Text auf der Rückseite endet mit einem Kolophon (am Ende von Spruch 8), das man eigentlich am Ende des Gesamttextes erwartet. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Reihenfolge der Sprüche 1–14 eine andere ist: Vorderseite (Sprüche 1–4), Sockel (Sprüche 13–14), linke Schmalseite (Sprüche 9–10), rechte Schmalseite (Sprüche 11–12), Rückseite (Sprüche 5–8) (daher die abweichende Übersetzungsfolge bei Sternberg-el-Hotabi 1988 und bei Allen 2005).
Obwohl auf den verschiedenen Flächen einer Stele oder einer Statue geschrieben, sind die Texte der größeren Horusstelen und Heilstatuen mit Sammelhandschriften oder Handbüchern magischer Texte auf Papyrus zu vergleichen. Im Falle der Metternichstele ist das Oberthema Schutz vor gefährlichen Tieren, insbesondere vor Schlangenbissen und Skorpionstichen, sowie Heilung des Gebissenen. Die Texte der Metternichstele sind allgemeingültig für jedweden Patienten und nicht im Sinne angewandter Magie auf eine spezifische Person ausgerichtet. Die einzelnen Texte sind durch Trennstriche abgetrennt, die Titel der Texte sowie die Anwendungshinweise, die in Sammelhandschriften bzw. Handbüchern normalerweise jeweils am Anfang bzw. am Ende vorhanden sind, fehlen in den meisten Fällen. Ausgangspunkt ist der mythische Präzedenzfall, in der eine Gottheit geschützt oder gerettet wird. Diesem Narrativ oder Beschwörungshintergrund werden auf der Metternichstele nur selten den Schutz oder die Heilung fördernde Handlungen, Gegenstände oder Produkte hinzugefügt. Die in den Mythen zu schützenden Gottheiten sind der Sonnengott Re (Schutz vor dem Schlangengott Apophis), dessen Tochter, die Katzengöttin Bastet (Heilung von einem Schlangenbiss oder Skorpionstich), das Baby Horus (Heilung von einem Schlangenbiss oder Skorpionstich) und Osiris auf dem Wasser (Schutz vor Krokodilen). Die mit ihren magischen Kräften schützenden oder heilenden Gottheiten sind erneut der Sonnengott Re, die Muttergöttin Isis (Mutter des Horus-Babys), der Gott der Weisheit Thoth und der erwachsen gewordene und voll ausgebildete Horus oder Horus-Sched. Die meisten Texte werden reaktiv bzw. kurativ und nicht präventiv eingesetzt. Die Textform kann variieren bzw. mehrere Formen kombinieren und der Erzähler oder der Magier (bzw. die Magierin) kann auf verschiedene Arten mit dem Publikum, dem Patienten und der personifizierten Bedrohung interagieren: mit der mythologischen Erzählung; Beschwörungen in imperativischer, deskriptiver oder litaneiartiger Form; hymnischen Elementen; Gebeten; der Gliedervergottung; der Götterbedrohung.
Die Sammlung von (je nach gezählten Elementen) zwischen 280 und fast 400 Abbildungen/Motiven/Bildelementen in 38 Registern auf der Metternichstele sind bis auf den verehrenden Pharao alles göttliche Wesen und als Anspielungen auf Mythen zu erklären, die teils einzeln, teils in Gruppen zu betrachten sind. Bei den Bildern sind der Sonnengott und Gottheiten in Schutz- oder Feindvernichtungsthematik erkennbar, aber für viele Bilder ist der mythologische Hintergrund noch nicht identifiziert, u.a. weil die dargestellten Gottheiten hier alle anonym sind. Auch das Gesamtkonzept des Bildprogramms, apotropäisch (Schutz) oder kosmologisch (Thematik des Sonnenlaufs), ist noch umstritten (Sternberg-el-Hotabi 1987).

Spruch 1: Spruch zur Abwehr des Apophis bzw. Schutz des Sonnengottes vor der Apophisschlange: Apophis ist aufgetaucht und ein anonymer Zauberer zwingt die Schlange in direkter Rede und befehlendem Ton, zurückzuweichen. Apophis wird als „Nabelschnur des Re“ angesprochen.

Spruch 2: Spruch gegen Schlangengift: Ein Patient ist von einer Schlange gebissen worden. Ein anonymer Magier beschwört das Gift: Es soll ausfließen, denn es ist schwach, feige und blind. Der Magier beruft sich auf Horus, der seinerseits das Gift mit seiner Magie beschworen, bestraft und ausgespuckt hat. Horus ist hier nicht der hilfsbedürftige Patient, sondern der siegreiche Zauberer. Inhaltlich besteht der Spruch aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird das Gift angesprochen und als unschädlich beschworen. Im zweiten Teil wird der Patient angesprochen: Er soll sich geheilt wieder erheben. Zum Schluss wird das Gift noch einmal aufgefordert auszufließen.

Spruch 3: „Spruch“ zur „Beschwörung“ einer von einem Skorpion gestochenen Katze. Die Katze ist die Tochter des Re (Bastet). Ein Zauberer untersucht sie, erkennt das Gift und ruft Re zur Hilfe. Re kommt und rettet/heilt die Katze mittels einer Gliedervergottung (16 Körperteile werden mit Gottheiten identifiziert) und mittels einer von Isis und Nephthys gesponnenen Amulettbinde. Der Spruch ist effektiv gegen jegliches Gift einer Schlange, eines Skorpions oder anderen Ungeziefers, das die Katze befallen könnte. Der Übergang von der Katze als mythischer Patientin zum menschlichen Patienten, für den der Spruch eigentlich intendiert ist, wird nicht expressis verbis ausgedrückt.

Spruch 4: „Spruch“ zur Rettung einer von Schlangen- oder Skorpiongift befallenen Katze. Re, Schu und Isis werden angerufen, um die mythische Patientin, ihre Verwandte, zu retten.

Spruch 5 = Horusstelentext B: Der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen hat zum Ziel, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, der Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen wird das Gesicht umgedreht werden bzw. ihnen droht die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden beschützt. Der Zauberer identifiziert sich anschließend mit Chnum und befiehlt dem Angreifer zurückzuweichen, sonst wird er zerstückelt werden. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in der ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden ist und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen hat.

Spruch 6: Mythologische Erzählung von Isis und den sieben Skorpionen. Isis erzählt in der ersten Person, dass Thoth ihr empfohlen hat, mit dem Baby Horus zu fliehen. Isis flieht zu den Sümpfen von Chemmis und wird von sieben Skorpionen begleitet. Sie warnt die Skorpione, niemanden zu bedrohen, aber als eine reiche Frau die Tür vor Isis und Horus verschließt und nur eine arme Frau den beiden hilft, schlüpft einer der Skorpione unter der Tür hindurch und sticht das Baby der reichen Frau mit dem gesammelten Gift der sieben Skorpione. Isis bekommt Mitleid mit der Frau und macht als Zauberin mit einer Beschwörung das Gift unschädlich. Nachdem Isis das Baby gerettet hat, bringt die reiche Frau als Ausgleich für ihr Fehlverhalten ihren Besitz der armen Frau. Am Ende des Textes legt ein anonymer Erzähler eine Parallele zwischen der Rettung des Babys, der Rettung des Horus und der Rettung von jedem, der gebissen oder gestochen wurde. Einige Lebensmittel (Brot aus Emmer, Salz? und Zwiebeln/Knoblauch) werden schließlich als Heilmittel gegen das Gift und gegen die durch das Gift verursachte Entzündung genannt. In einer Handschrift (Papyrus Hay) hat die Erzählung eine Überschrift: „Spruch für die Beschwörung eines Skorpions.“

Spruch 7: Isis wird von den Bewohnern ihres Viertels herbeigerufen, um ihren Sohn Horus zu retten, der von einem Skorpion oder einer Tarantel (?) gestochen wurde. Sie rettet ihn, indem sie ihm Mut macht und seine göttliche Verwandtschaft sowie seine göttlichen Beschützer auflistet. Deshalb wird das Gift keine Macht über ihn haben. Am Ende des Textes steht, dass dasselbe für jeden menschlichen Patienten gilt, der gebissen oder gestochen wurde.

Spruch 8: Der Sonnengott wird zunächst in der 3. Person beschrieben, anschließend meldet er sich selbst in der 1. Person. Er ist auf die Stimme des Horus hin gekommen, der von einer Schlange gebissen wurde. Re befiehlt dem Gift, auszufließen, denn es hat nicht irgendein Baby befallen, es hat Min von Koptos befallen. Dieses reicht aus, damit das Gift verschwindet, denn zum Schluss wird Min von Koptos angerufen, um seinerseits jeden Patienten mit einer Biss- oder Stichverletzung zu retten.

Spruch 9: Als Horus im Feld bei Heliopolis gestochen oder gebissen wird, ruft er zum Horizont um Hilfe. Ein Gott hört dies und befiehlt dem Himmel(sgott), Horus wieder gesund zu machen. Daraufhin wird Thoth beauftragt, das Gift in Horus zu vernichten und ebenso das Gift in jedem menschlichen Patienten, der gebissen oder gestochen wurde.

Spruch 10 = Horusstelentext A: Ein von Thoth ausgesprochener Spruch zur „Verehrung“ des Horus, um ihn zu „verklären“. Thoth begrüßt den jugendlichen Horus und bittet ihn, dass er mit seiner Magie und seinen Zaubersprüchen kommen möge, um die gefährlichen Tiere in der Wüste, im Wasser und in den Höhlen abzuwehren und um das Gift im Patienten zu beschwören. Er möge den Patienten wiederbeleben, damit Horus’ Ansehen entsteht und er als Horus-Sched („der Retter“ oder „der Beschwörer“) angerufen wird.

Spruch 11: Ein anonymer Zauberer richtet sich an die Schlangen und anderes giftiges Getier in ihren Höhlen oder auf der Straße. Sie werden vorgewarnt, dass ein Gott (Mnevis, Skorpion, Re, Thoth, Nefertem, Horus) unterwegs ist und dass er nicht gebissen oder gestochen werden darf. Der Spruch sei viermal zu wiederholen.

Spruch 12: Thoth spricht als Zauberer in der 1. Person. Er ist aus dem Himmel gekommen, um das Gift in Horus, der von einem Skorpion gestochen wurde, zu vertreiben. Er redet zu Horus und sagt litaneiartig, dass alle Glieder (13 werden namentlich genannt) des Horus dem Horus gehören und mit unterschiedlichen Göttern in Verbindung stehen. Am Ende der Litanei wird gewünscht, dass man Horus erblicken möge wie man den Sonnengott erblickt und dass dies ebenso für jeden Patienten mit einer Biss- oder Stichverletzung gelten möge.

Spruch 13: „Spruch“ zur Rettung einer von Schlangen- oder Skorpiongift befallenen Katze namens Bastet. Der anonyme Zauberer macht Bastet Mut und befiehlt dem Gift, den Körper der Katze zu verlassen.

Spruch 14: Spruch 14 der Metternichstele ist kein Spruchtext im eigentlichen Sinn. Es ist eine mythologische Erzählung über das Baby Horus, das durch einen Schlangenbiss oder einen Skorpionstich vergiftet wurde und das durch Thoth im Auftrag des Sonnengottes Re-Harachte mit Zauberkraft und Beschwörungen geheilt wird. Die Protagonisten der Erzählung sind Isis (Mutter des Horus) und Thoth. Er fängt als Narrativ der Göttin Isis in der ersten Person Singular an und entwickelt sich dann zu Dialogen zwischen Isis und Thoth. Isis ist vor ihrem Bruder Seth, dem Mörder ihres Mannes Osiris, in die Sümpfe von Chemmis geflohen und hat dort ihren Sohn Horus geboren. Eines Tages kommt sie von einem Bettelzug (?) heim und findet das Baby reglos und apathisch vor. Sie befürchtet, dass Seth dem Baby etwas angetan haben könnte, aber eine weise Frau unter den herbeigeeilten Einwohnern von Chemmis beruhigt sie und meint, dass eine andere Ursache vorliegen muss. Isis untersucht das Baby und erkennt, dass es von einer Schlange gebissen oder einem Skorpion gestochen wurde. Sie hebt zu einer Klagelitanei mit dem wiederkehrenden Element „Horus wurde gebissen!“ an. Die Göttinnen Nephthys und Selkis kommen herbei und empfehlen Isis, den Sonnengott Re in der Sonnenbarke anzurufen. Isis schreit hinauf zum Himmel und verursacht so eine kosmische Störung: die Sonne bleibt in ihrer Bahn stehen und es wird oder bleibt dunkel. Re schickt Thoth hinunter auf die Erde, um nachzuschauen. Thoth kann Isis beruhigen und hebt zu einer Schutzlitanei an mit den wiederkehrenden Elementen „Der Schutz des Horus ist XY“ und „Der Schutz des Gebissenen (ist XY) ebenso.“ Dann ruft Thoth Horus auf, aufzuwachen, und das Gift, aus dem Körper zu weichen. Er beschreibt oder droht mit kosmischem Chaos (es bleibt dunkel; die Gottesopfer hören auf; die Jahreszeiten kommen nicht; die Überschwemmung bleibt aus) und endet jeden Absatz mit dem Refrain „bis Horus für seine Mutter Isis geheilt ist und bis der Gebissene für dessen Mutter gleichfalls geheilt ist.“ Als es ihm so gelingt, Horus zu heilen, und er die Einwohner von Chemmis heimschicken will, bittet Isis ihn darum, dass er die Einwohner beauftragt, in Zukunft für Horus zu sorgen und über das Baby zu wachen. Nachdem Thoth dies getan hat, will er zur Sonnenbarke zurückkehren. Die Geschichte endet damit, dass der anonyme Erzähler sagt, dass man Thoth deshalb für seine Taten preist, weil dieser dem Sonnengott berichten kann, dass Horus lebt. Eingeflochten in die Erzählung ist die Parallele zwischen Horus und einem menschlichen Patienten, aber der Textaufbau enthält keine konkreten Hinweise, wie die Erzählung in einer Heilungsprozedur eingebunden werden muss.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Stele war sicherlich in einer kleinen Kapelle im öffentlich zugänglichen Bereich eines Tempels aufgestellt. Hinweise auf die Existenz solcher Kapellen sind im Amun- und im Mutbezirk von Karnak erhalten (Traunecker 1983). Anzunehmen ist, dass die Stele auf einer großen Sockelfläche mit eingelassenem Wasserbecken stand, denn solche Kombinationen sind für Heilstatuen und auch für Horusstelen nachgewiesen. Man geht davon aus, dass Wasser über die Stele gegossen wurde, welches durch den Kontakt mit den Texten und Darstellungen magische Kraft erwarb, und dann vom Patienten getrunken wurde (Lacau 1921, 197–198).

Material
Nicht Organisch » Stein » Grauwacke
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Die Metternichstele ist ein steinerner Monolith, auch wenn sie optisch in eine Stele und einen Sockel aufzuteilen ist. Das gesamte Denkmal ist 83,5 cm hoch, 33,5 cm breit und 14,4 cm tief. Davon entfallen 14,4 cm der Höhe auf die Basis. Diese ist 14,4 cm tief/dick, während die darüber befindliche Stele nur 7,2 cm tief/dick und ca. 25,5 cm breit ist. Das Gestein wird in der Ägyptologie standardmäßig als Grauwacke beschrieben, obwohl es technisch-geologisch Metagrauwacke ist (Bloxam et al. 2014, 15).

Schrift
Hieroglyphen

Eingeschnitten.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch

Vorwiegend traditionelles Mittelägyptisch, mit einigen Neuägyptizismen sowie einigen spätägyptischen Schreibungen einzelner Wörter. An einigen Stellen finden sich auch Merkmale des Altägyptischen. Die 14 Sprüche wurden sicherlich zu unterschiedlichen Zeiten verfasst bzw. redaktionell überarbeitet. Einige Sprüche sind bislang ohne Parallelen (Sprüche 8–9, 11), andere sind ab der 19./20. Dynastie überliefert (Sprüche 2, 5, 6, 10), wieder andere ab der 22. Dynastie (Spruch 1) und der 26. Dynastie (Spruch 14). Spruch 10 in der Version aus der 19./20. Dynastie zeigt mehr Merkmale des Neuägyptischen als in späteren Versionen desselben Spruchs (d.h. es gibt hier mindestens zwei Redaktionsphasen). In einigen Fällen enthält die Orthographie der Version der Metternichstele viel mehr logographische Schreibungen als andere Versionen (z.B. Spruch 14, der in einer Version der 26. Dynastie [Mutbezirk] und einer Version der 30. Dyn. oder frühen Ptolemäerzeit [Socle Béhague] überliefert ist). Ob die Merkmale des Altägyptischen als Indiz für eine mögliche frühe Datierung mancher Sprüche (im Alten Reich?) oder als bewusster Archaismus zu bewerten sind, ist noch zu klären.

Bearbeitungsgeschichte

H. Brugsch präsentierte im Jahr 1856 als Erster Texte aus der Metternichstele, die er durch Vermittlung von Alexander von Humboldt als Papierabdruck (von Metternich selbst hergestellt) bekommen hatte und die er später in seinem hieroglyphisch-demotischen Wörterbuch (1867–1868) verarbeitete. Etwa zur gleichen Zeit wie Brugsch hat auch Emmanuel de Rougé in Paris die Texte bekommen, er zitiert jedoch nur den Anfang von Spruch 3 in Übersetzung (Chabas 1856). Die Erstpublikation des Denkmals in Zeichnungen mit hieroglyphischen Inschriften und einer deutschen Übersetzung (soweit damals möglich) nahm W. Golenischeff im Jahre 1877 vor. Seine Zeilenzählung der Texte und Registerzählung der Darstellungen wird bis heute verwendet und ist nur in den letzten Zeilen (Z. 244–249) korrekturbedürftig, auch wenn, inhaltlich gesehen, eine andere Zeilenzählung richtiger wäre. Golenischeff hat auch schon festgestellt, dass einige Sprüche ebenfalls auf anderen magischen Denkmälern überliefert sind. G. Möller hat den Text für das Projekt des Altägyptischen Wörterbuchs im Jahr 1905 bearbeitet, danach folgten komplette Übersetzungen durch A. Moret (französisch), G. Roeder (deutsch) und F. Lexa (französisch). Nach dem Ankauf der Stele durch das Metropolitan Museum of Art, wurde eine ausführliche Präsentation der Metternichstele mit ausgezeichneten Photos durch Nora E. Scott vorgenommen und 1951 publiziert. Sie nutzte eine unpublizierte englische Übersetzung von Steindorff für ihre Zitate. Anschließend erfolgte 1956 eine weitere Textpublikation mit deutscher Übersetzung durch C. Sander-Hansen, die die wichtigste moderne Edition des Textes bildet. Eine Auswahl an Sprüchen in englischer Übersetzung liefert Borghouts (1978). Eine Untersuchung der bildlichen Darstellungen hat H. Sternberg-el-Hotabi vorgenommen (1987, 1999). Sie hat auch eine neue Komplettübersetzung in deutscher Sprache publiziert (1988). Die neueste komplette Übersetzung, diesmal auf Englisch, zusammen mit guten Photos, stammt von J. Allen (2005).

Editionen

- Golenischeff 1877: W. Golenischeff, Die Metternichstele in der Originalgröße (Leipzig 1877).

- Sander-Hansen 1956: C. E. Sander-Hansen, Die Texte der Metternichstele, Analecta Aegyptiaca VII (København 1956).

- Scott 1951: N. E. Scott, The Metternich Stela, in: The Metropolitan Museum of Art Bulletin 9/Fasc. 8, April 1951, 201–217 (https://www.jstor.org/stable/3258024).

Literatur zu den Metadaten

- Allen 2005: J. Allen, The Art of Medicine in Ancient Egypt (New York/New Haven/London 2005), 49–63.

- Bloxam et al. 2014: E. Bloxam et al., Investigating the Predynastic origins of greywacke working in the Wadi Hammamat, in: Archéo-Nil 24, 2014, 11–30.

- Borghouts 1978: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978).

- Brugsch 1856: H. Brugsch, Aegyptische Studien. VI. Die Metternich-Stele, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 10, 1856, 649–690 und 799–801, hier: 677–690 und 799–801.

- Chabas 1856: F. Chabas, De quelques textes hiéroglyphiques relatifs aux esprits possesseurs, avec des notes par M. le Vicomte E. de Rougé, in: Bulletin archéologique de l’Athenaeum français 2.6, 1856, 43–46, hier: 46 (https://ia802702.us.archive.org/17/items/archathenfran00pari/archathenfran00pari.pdf); Nachdruck in: F. Chabas, Oeuvres diverses. Tome 1, Bibliothèque égyptologique 9 (Paris 1899), 81–93, hier: 92–93.

- Kákosy 1982: L. Kákosy, s.v. Metternichstele, in: Lexikon der Ägyptologie IV, 1982, 122–124.

- Lacau 1921: P. Lacau, Les statues „guérisseuses“ dans l’ancienne Egypte, in: Monuments et mémoires de la Fondation Eugène Piot 25.1-2, 1921, 189–209 und Taf. 15–16 (https://www.persee.fr/doc/piot_1148-6023_1921_num_25_1_1824).

- Lexa 1925: F. Lexa, La magie dans l’Égypte antique de l’Ancien Empire jusqu’à l’Époque copte II. Les textes magiques (Paris 1925), 66–82.

- Möller 1900: G. Möller, 1900: DZA 50.041.170 – 50.041.580 (120 Zettel).

- Moret 1915: A. Moret, Horus sauveur, in: Revue de l’histoire des religions 72, 1915, 213–287.

- Roeder 1915: G. Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Religiöse Stimmen der Völker (Jena 1915 (= 1923)), 82–97.

- Šedivý 2007: M. Šedivý, Metternich and Mehmet ꜥAlī, in: J. Holaubek – H. Navrátilová - W. B. Oerter (Hrsg.), Egypt and Austria III. The Danube Monarchy and the Orient. Proceedings of the Prague Symposium 2006 (Prag 2007), 249–259.

- Sternberg-el-Hotabi 1987: H. Sternberg-el-Hotabi, Die Götterdarstellungen der Metternichstele. Ein Neuansatz zu ihrer Interpretation als Elemente eines Kontinuitätsmodells, in: Göttinger Miszellen 97, 1987, 25–70.

- Sternberg-el-Hotabi 1988: H. Sternberg-el-Hotabi, Die Metternichstele, in: O. Kaiser (Hrsg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. II. Religiöse Texte, Rituale und Beschwörungen. II (Gütersloh 1988), 358–380.

- Traunecker 1983: C. Traunecker, Une Chapelle de magie guérisseuse sur le parvis du temple de Mout à Karnak, in: Journal of the American Research Center in Egypt 20, 1983, 65–92 und Taf. 19–24.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Verehrung des pantheistischen Sonnengottes (Vorderseite, Giebelfeld)

[A.1] Das Lobpreisen des Re-Harachte, des großen Gottes, des Herrn des Himmels, des getüpfelt Gefiederten, der am Horizont hervorkommt.
Das Lobpreisen des Re-Harachte, des großen Gottes, des Herrn des Himmels, des getüpfelt Gefiederten, der am Horizont hervorkommt.
Worte zu sprechen:
Thoth möge kommen, ausgestattet mit Zauberkraft, um das/dieses Gift zu beschwören – es wird keine Macht über irgendein Glied [A.5] des Gebissenen/Gestochenen haben –, so wie er die Rebellen in der Kammer der jungen Frauen (?)1 beschwört, wenn sie gegen Re rebellieren, für ewig und immer.
[A.10] Worte zu sprechen durch den Herrn der Beiden Länder 𓍹Der-das-Herz-des-Re-erfreut,-den-Onuris-auserwählt-hat𓍺:
Oh Herr der Glut, des Feuers, des Brandes: setze deine Flamme in die Ferne (oder: an die Grenze)2!
[A.15] Du mögest nicht gegen mich glühen (oder: Nicht ist deine Glut gegen mich).

1 ꜥ.t ⸮rnp.wt?: Möller 1900 (DZA 50.041.180): „in dem Gemach der Verjüngungen“; Roeder 1915, 83: „Kammer der jungen Frauen“; Lexa 1925, 66: „la maison de jeunes femmes“. Sternberg-el-Hotabi 1987, 38 übersetzt „die Feinde in der Kammer, (in der) sich die Götter verjüngen“. Allen 2005, 50 hat „the rebels in the youngsters’ room“.
2 m ḏr.w: Möller 1900 (DZA 50.041.180) „laß dein Feuer an der Grenze (d.h. fern?) sein“; Roeder 1915, 83: „Setze deine Flamme fern (von mir)“. Sternberg-el-Hotabi 1987, 38 hat „Lenke deine Flamme überall hin“ (ob dann nicht eher r-ḏr als Adverb?); Allen 2005, 50 übersetzt „give your firelight in my path“, was nicht möglich ist.

Horus auf den Krokodilen zwischen Isis und Thoth (Vorderseite, Bildfeld Mitte)

[B.1] Worte zu sprechen durch Isis, die Große, die Gottesmutter:
Habe keine Angst, habe keine Angst, (mein) Sohn Horus!
Ich bin hinter dir (oder: um dich herum) als dein Schutz.
Ich entferne jedes Fremdland (oder: Übel) von dir (und von) jedem Menschen, der einen Biss/Stich hat, ebenso.
Worte zu sprechen durch Thoth, den Herrn von Hermopolis:
Ich bin aus dem Himmel gekommen mit einem Dekret des Re, um deinen Schutz zu bereiten und um deine Protektion zu wiederholen; (und den von) jedem Menschen, der einen Biss/Stich hat, ebenso.

Inschriften zum linken und rechten Auge (Rückseite, Giebelfeld)

[C.1] Das rechte Auge ist gefüllt mit seinem Bedarf.
Seine Iris ist gefestigt und vollständig an ihrem Platz.
Der Uräus, sein Gesicht ist hell (oder: Der Uräus erstrahlt).
Der Westen des Himmels ist in Jubel über ihn (d.h. über das Auge).
Die Götter flehen (?) den lebenden Ba an (oder: Die Götter, ihre Gesichter sind hell/aufgehellt mit dem Licht des lebenden Bas).
Solange Re lebt, solange lebt [C.5] der König von Ober- und Unterägypten 𓍹Senedemibre-Setepenonuris𓍺, und umgekehrt.
Das linke Auge ist geschmückt/ausgestattet mit seiner Schönheit/Vollkommenheit, geregelt am 1. Mondmonatstag (Neulichtfest) und am 15. Mondmonatstag (Vollmondfest).
Atum, seine Hände sind hinter/um ihn (d.h. dem Auge) herum.1
Das bedeutet, dass Schu es (d.h. das Auge) trägt.
Die Sterne der Götter (?) [C.10] sind gemäß ihrem Lauf (wörtl. ihren Schritten/Bewegungen).
Solange es (das Auge) wohlbehalten ist, ist der Sohn-des-Re 𓍹Nechthorheb𓍺 wohlbehalten, und umgekehrt.

1 (J)tm ꜥ.wj =f ḥꜣ =f: Allen 2005, 50 übersetzt anders „He whose arms are complete about him is Shu lifting its boat and the stars and the gods in their course.“ Auf der Statue des Horchebis (Z. 13–15) steht jedoch Jtm ꜥ.wj=f ḥꜣ jr.t: „Atum, seine Arme sind um das Auge herum“.

Spruch 1: Abwehr des Apophis (Vorderseite Z. 1–3)

[1] Zurück, du (oder: Nach hinten mit dir), (oh) Apophis, jene Nabelschnur des Re, jene (schlangenförmige) Windung der Eingeweide (oder: des Embryos)1, der ohne Arme ist und der ohne Beine ist!
Nicht gibt es deinen Körper, in/aus dem du entstanden bist!2
Lang ist sein Schwanz3 vorn in seiner Höhle.
Jene Nabelschnur, weiche zurück vor Re!
Dein Kopf wurde abgehackt; deine Zerhackung/Zerstückelung wurde vollzogen.
Du wirst dein Gesicht nicht (mehr) erheben können.
(Denn) seine Flamme (d.h. die des Uräus des Re) ist in deinem Ba, (und) der Geruch seiner (d.h. des Re) Hinrichtungsstätte haftet an deinem Fleisch.
Deine Gestalt wurde gefällt in der Zerhackung/Zerstückelung (oder: mit dem šꜥd-Hackmesser)4 des Großen Gottes.
Selkis hat (dich) bezaubert, sie hat deine Kraft abgelenkt.
Bleib stehen! Bleib stehen!
Weiche du doch zurück vor ihrem Zauber!

1 jm.j-ẖ.t: Wird üblicherweise als „Eingeweide“ übersetzt. Die Bedeutung „Embryo“ würde hier aber auch gut passen. Dann wäre die „Windung“ nicht nur eine der vielen Windungen der Eingeweide, sondern die Bezeichnung „Windung des Embryos“ wäre erneut die Nabelschnur.
2 ḫpr.n=k jm=f: Bedeutet dies, dass Apophis als Schlange aus einem Ei kommt und nicht als Säugetier aus dem Mutterleib geboren ist? A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 99 fragt sich, ob der Satz sich auf die Häutung der Schlange bezieht, d.h. auf die Tatsache, dass die alte Haut nur noch eine leere Hülle und kein vollwertiger ḥꜥw-Körper ist. Zur Präposition m bei ḫpr als „in“ siehe H. Buchberger, Transformation und Transformat. Sargtextstudien 1, Ägyptologische Abhandlungen 52 (Wiesbaden 1993), 221–222 (ḫpr m + Lokalität). Für die Bedeutung „in“: Roeder 1915, 83: „Dein Leib, in dem du geworden bist, (lebt) nicht mehr.“ A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 59: „your body in which you are born“; Sander-Hansen 1956, 17: „Du hast keinen Körper, in dem du geboren warst“; Sternberg-el-Hotabi 1988, 361: „Du hast keinen Körper, in dem du entstanden bist“; Allen 2005, 53: „you have no body in which you have evolved“. Eine Übersetzung von m nach ḫpr als Instrumentalis ist nicht möglich (so jedoch bei Moret 1915, 221: „tu n’as pas de corps grâce auquel tu deviennes (grand)“). Lexa 1925, 67 berücksichtigt das Suffixpronomen =k nicht, weshalb seine Übersetzung nicht möglich ist: „sinon le corps n’existera plus, où tu as vécu.“ (Ist hier gemeint: der Körper, der angegriffen wurde, existiert nicht mehr? Oder bedeutet die Übersetzung: Apophis wird keinen Körper mehr haben, wenn er nicht zurückweicht?).
3 ꜣw sd=f: Man erwartet eigentlich ein Epitheton vom Typ nfr ḥr „der mit langem Schwanz ...“ und keinen Adjektivalsatz. Derselbe Text mit Suffixpronomen bei sd findet sich auf Horusstele CG 9431bis (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 38: Handschrift C5), aber der Satz steht nicht in derselben Reihenfolge. Auf den übrigen Paralleldokumenten ist die Stelle zerstört (Socle Behague), nicht vorhanden oder fehlgeschrieben als {msi̯}〈ꜣw〉 sd pri̯ m-ẖnw ṯpḥ.t=f: „der mit langem Schwanz, der aus dem Innern seiner Höhle herauskommt“ (pBremner-Rhind Kol. 29.23). Auf der Horusstele CG 9431bis steht der Satz im Anschluss an jw=j rḫ.kwj rn=k: „Ich kenne deinen Namen“. Vielleicht ist ꜣw sd=f m-ẖnw ṯpḥ.t=f ein Name oder Bezeichnung von Apophis.
Was der Satz bedeutet, ist umstritten. Bedeutet es, dass der Körper im Wesentlichen nur aus einem Schwanz besteht, oder dass der ganze Körper in einer Höhle liegt (oder den vorderen Bereich der Höhle ausfüllt) und nur der Kopf hinausschaut? A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 59 hat „long-tailed one in his hole“. Sander-Hansen 1956, 17 übersetzt, ausgehend von einer Schlange, „die (zu) lang ist an ihrem Schwanz in ihrer Höhle“. Sternberg-el-Hotabi 1988, 361: „dessen Schwanz lang ausgestreckt ist im Inneren seiner Höhle“ („im Innern“ ist m-ẖnw). A. Gasse, Les stèles d’Horus sur les crocodiles (Paris 2004), 25: „(toi) dont la queue s’étend jusque dans son antre“ (m-ḫnt bedeutet nicht „bis in“). Lexa 1925, 67 übersetzt nicht deskriptiv, sondern mit einer Drohung an die Adresse von Apophis, wenn er nicht zurückweicht: „sa queue couchera étendue dans son trou.“
4 Das Substantiv šꜥd wird generell als „Schwert“ übersetzt (Wb 4, 423.2–4 s.v. šꜥd; auf DZA 29.967.830 noch mit zwei Fragezeichen versehen: „Schwert??“; H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. VII (Leipzig 1882), 1882, 1169 differenziert noch nicht zwischen šꜥ.t und šꜥd: „Schwert, Messer“), aber unklar ist, welche Art von Schneidewerkzeug genau vorliegt (daher W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 529 s.v. štꜥ: „Schwert o.ä.“; R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 874: „e. Schwert“). Das ältere šꜥ.t wird hingegen als „Messer“ verstanden (Wb 4, 417.8–9; R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 262 „knife“; R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 872: „Messer“), u.a. weil es vor dem Neuen Reich noch keine Schwerter in Ägypten gab. Siehe A. H. Gardiner, A Grim Metaphor, in: Journal of Egyptian Archaeology 37, 1951, 29–31 für die ursprüngliche Bedeutung oder Assoziation von šꜥ und šꜥd über das alte Determinativ (Flachsbündel, nicht als hieroglyphisches Zeichen in der Zeichenliste, aber vgl. Y10 = IFAO 1983, Nr. 465, 8–10 fehlgedeutet?) als „das Köpfen von Flachs“, d.h. das Abschneiden, abreißen der Samenkapsel der Leinpflanze. Das normale Wort für „Schwert“ ist jedenfalls (tꜣ) sf.t vs. (pꜣ) sf „Messer“. Kopt ⲧⲥⲏϥⲉ entspricht mehrerer griechischer Wörtern für Schwerter unterschiedlicher Form und Länge (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 379a: ῥομφαία, ξίφος, μάχαιρα, ἐγχειρίδιον). In einer Pariser Skala (Codex Paris 44, Fol. 7 Vso, Z. 18–19: H. Munier, La scala copte 44 de la Bibliothèque Nationale de Paris, 2 Bände, Bibliothèque d’Études Coptes 2 (Le Caire 1930), 12) entspricht (fem.) ⲧⲥⲏϥⲉ arab. al-sayf „Schwert“, während (mask.) ⲡⲥⲏϥⲉ mit arab. al-sikīn „Messer“ übersetzt wird (Hinweis Sethe an M. Burchardt, Zwei Bronzeschwerter aus Ägypten, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 50, 1912, 6163, hier: 62–63, Anm. 4).

Spruch 2: Spruch gegen Gift (Vorderseite Z. 3–8)

Fließe aus, (oh) Gift!
Komm! Geh hinaus auf den Boden!
Horus hat dich beschworen, er hat dich zerstückelt, nachdem er dich ausgespien/ausgespuckt hat.
Du wirst nicht zum fernen Himmel (oder: nach oben) aufsteigen, (sondern) du wirst nach unten trampeln (oder: (du), der niedergetrampelt bist nach unten).
(Du Gift,) das schwach ist, du kannst nicht stark sein.
(Du Gift,) das feige ist, du kannst nicht kämpfen.
(Du Gift,) das blind ist, du kannst nicht sehen.
Dein Kopf hängt nach unten; dein Gesicht kann sich nicht erheben.
[5] Du sollst dich zurückziehen; du kannst den Weg nicht finden.
Du sollst gequält darniederliegen (? oder: du wurdest in Qualen versetzt)1; du kannst dich nicht freuen.
Du sollst behindert (?)2 sein (oder: dich verdrücken/zurückhalten?); dein Gesicht wird sich nicht öffnen (oder: nicht geöffnet werden, d.h. du wirst dich nicht zeigen)3, gemäß dem, was Horus, der mit nützlichem Zauber, gesagt hat.
Das/dieses Gift, das in Jubel war, dessentwegen das Herz der Leute gequält darniederlag (?)4: Horus hat es mit seinen wirkungsvollen Zaubersprüchen (oder: nützlichen Fähigkeiten) getötet.
Wer (zuvor) gequält darniederlag (?) ist (jetzt) in Freude.
Steh doch auf, der (du) gequält darniederliegst(?)!
Horus hat dich (wieder) ins Leben gesetzt.
Der als (auf der Trage) Aufgeladener gekommen ist, ist aus eigener Kraft (wörtl.: persönlich) hinausgegangen wegen des Fällens der beißenden Rebellen.
Alle Menschen (wörtl.: alle Augen), sie blicken auf Re und sie lobpreisen den Sohn des Osiris.
Wende dich ab, (oh) (männliche) Schlange!
Du sollst dieses dein Gift weg-/mitnehmen, das in jedem Glied eines Gebissenen ist.
Siehe, stark/siegreich ist der Zauber des Horus gegen dich.5
Du sollst ausfließen, (du) Feind!
Wende dich ab, (oh) Gift!

1 snqb: Ist ein Hapax legomenon, das als eine Kausativform von nqb/nqm analysiert werden kann. In allen Parallelversionen steht tatsächlich nqm, für das Wb 2, 344.4–5 die Bedeutung „traurig sein“ ansetzt. Wb 4, 175.4 gibt daher snqb ebenfalls mit der Bedeutung „trauern“ an. R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 141 s.v. nqm hat nicht die Bedeutung „traurig sein“ (vgl. Allen 2005, 53: „be saddened, be in sadness“), sondern „(to) suffer, be afflicted“. Dies geht auf A. H. Gardiner, A new letter to the Dead, in: Journal of Egyptian Archaeology 16, 1930, 19–22, hier: 21 zurück, der die Bedeutung „traurig sein“ infrage stellt. Sie passt zwar in dem Gegensatz von nqm und ršw (Metternichstele Z. 6), aber nicht in der parallelen Verwendung von nqm und mr/mḥr „be ill“ in den Pyramidentexten. Für Gardiner ist nqm fast synonym mit mr/mḥr, weshalb er mit „to be afflicted“ übersetzt. R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 461 gibt s.v. nqm „*erstarrt darniederliegen; *geplagt sein, leiden“ (* = unsicher). Tatsächlich steht an einer weiteren Stelle der Metternichstele (Z. 6) p(ꜣ) n.tj nqm, was pꜣ n.tj nmꜥ: „der (im Todesschlaf) darniederliegt/schläft“ in der Parallelstelle im pTurin CGT 54051 Rto, Kol. 2.4–5 entspricht. Dies würde zu der von Hannig vorgeschlagenen Bedeutung passen. Auch das Determinativ des Totenbettes (Q19) bei snqb auf der Metternichstele passt dazu.
2 ḥnḥn: Auf der Metternichstele mit vorwärts gerichteten Beinchen (D54) als Determinativ, auf Horuscippus Kairo JE 47280 aus Karnak (G. Daressy, Description des monuments épigraphiques trouvés à Karnak en 1921-1922, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 22, 1922, 261–268, hier: 267) mit rückwärts gerichteten Beinchen (D55). Wb unterscheidet zwischen ḥnḥn mit rückwärts gerichteten Beinchen (D55: Wb 3, 115.8–9) „zurückgehalten werden; in der Bewegungsfreiheit behindert werden“ (passivisch) und ḥnḥn mit vorwärts gerichteten Beinchen (D54: Wb 3, 115.10–11), ohne Übersetzung, u.a. im Gegensatz zu wn ḥr (der Beleg der Metternichstele DZA 26.974.640 ist unter Wb 3, 115.11 eingeordnet). H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 608 listet die transitive Bedeutung „behindern“ (mit D54 und D55). R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 172 listet ebenso beide Determinative unter demselben Verb ḥnḥn für (transitiv, aktiv) „hinder, detain“. R. van der Molen, A Hieroglyphic Dictionary of Egyptian Coffin Texts, Probleme der Ägyptologie 15 (Leiden/Boston/Köln 2000), 339: „detain“ (vorwärts gerichtete Beinchen). R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 579 trennt erneut zwischen ḥnḥn (mit D54) als {20979} (ohne Bedeutung) und ḥnḥn (mit D55) als {20980} (mit der transitiven, aktiven Bedeutung) „zurückhalten, behindern, freie Beweglichkeit nehmen“. Die Textstelle auf der Metternichstele (Z. 5) wird von Roeder 1915, 84 als „sich abwenden“ übersetzt (gemäß der Übersetzung von Möller auf DZA 26.974.640: „du wendest dich ab, nicht enthüllst du dein Gesicht“); Sternberg-el-Hotabi 1988, 361 orientiert sich an Wb 3, 115.8–9 und hat „zurückgehalten werden (?)“. Der Kontext setzt jedenfalls eine Behinderung in der Bewegung voraus. In einigen Parallelhandschriften (ramessidisch) zum Metternichtext steht hier das Verb tnm: „herumirren, in die Irre gehen“, was die Übersetzung von Sander-Hansen 1956, 18 als „du sollst herumirren“ (ebenso Borghouts 1978, 76 „you will go stray“; Allen 2005, 53 hat „(to be) lost“) erklärt. Sofern das anschließende wn ḥr „sich/jem. zeigen“ bedeutet, würde „(sich) zurückhalten“ oder „sich verdrücken“ als Antonym passen.
3 n(n) wn ḥr: Borghouts 1978, 76: „you will not be guided“.
4 nqm: Wird in Wb 2, 344.4–5 als „traurig sein“ übersetzt, vor allem wegen des Antonyms „sich freuen“ (wnf, ršrš, m ršw.t). Die Bedeutung müsste jedenfalls weiter gefasst werden, als nur in Zusammenhang mit „Trauer“ bei einem Todesfall (vgl. nqm.t: Wb 2, 344.6: „Traurigkeit o.ä.“). In einer Feindbeschwörung entspricht mittelägyptisch nqm jb=k neuägyptisch hrp ḥꜣ.tj=k (S. Schott, Urkunden mythologischen Inhalts. VI,1–144, 2 Bd., Urkunden des Ägyptischen Altertums VI (Leipzig 1929–1939), 79.14–15; A.-K. Gill, The Hieratic Ritual Books of Pawerem (P. BM EA 10252 and P. BM EA 10081) from the Late 4th Century BC, Studien zur spätägyptischen Religion 25 (Wiesbaden 2019, 221; mit einem unklaren Determinativ: ob eine trauernde Frau?). A. Kucharek, Die Klagelieder von Isis und Nephtys in Texten der Griechisch-Römischen Zeit, Altägyptische Totenliturgien. Band 4, Supplemente zu den Schriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 22 (Heidelberg 2010),, 376 schlägt für nqm jb die Übersetzung „niedergeschlagen sein“ vor (hrp ḥꜣ.tj: das Herz ist versunken/unterdrückt). R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 141 s.v. nqm bietet nicht die Bedeutung „traurig sein (o.ä.)“ (vgl. Allen 2005, 53: „be saddened, be in sadness“), sondern „suffer, be afflicted“. Dies geht zurück auf A. H. Gardiner, A new letter to the Dead, in: Journal of Egyptian Archaeology 16, 1930, 19–22, hier: 21, der die Bedeutung „traurig sein“ infrage stellt. Sie passt zwar in dem Gegensatz von nqm und ršw.t (Metternichstele Z. 6), aber nicht in der parallelen Verwendung von nqm und mr/mḥr „be ill“ in den Pyramidentexten. Gardiner betrachtet nqm als fast synonym mit mr/mḥr, weshalb er die Bedeutung „to be afflicted“ wählt. R. O. Faulkner, The Bremner-Rhind papyrus – IV, in: Journal of Egyptian Archaeology 24, 1938, 41–53, hier: 50 (zu pBremner-Rhind, Kol. 30.26) meint, dass nqm ursprünglich „to be bald“ o.ä. bedeutete (in den Pyramidentexten; separates Lemma in Wb 2, 344.3 und bei R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 141), aber später weiter gefasst „to suffer“ wurde (akzeptiert von J. F. Borghouts, The magical texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 51 (Leiden 1970), 100, Anm. 179). R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 461 gibt als Übersetzung: „*erstarrt darniederliegen; *geplagt sein, leiden“ (* = unsicher). Tatsächlich steht an einer weiteren Stelle der Metternichstele (Z. 6) p(ꜣ) n.tj nqm, was pꜣ n.tj nmꜥ: „der (im Todesschlaf) darniederliegt/schläft“ in der Parallelstelle im pTurin CGT 54051 Rto, Kol. 2.4–5 entspricht. Dies würde zu der von Hannig vorgeschlagenen Bedeutung passen. Auch das Determinativ des Totenbettes (Q19) bei snqb auf der Metternichstele passt dazu. Im magischen pBudapest 51.1961 (Z. 2.6 und 2.7) hat nqm transitive oder kausative Bedeutung „krank machen (o.ä.)“, bezogen auf die Schläfe (L. Kákosy, Selected Papers (1956–73), Studia Aegyptiaca 7 (Budapest 1981), 241 mit Anm. (y) auf S. 244, der als Alternative an „be bald“ denkt). A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 165 übersetzt pTurin CGT 54051 Rto, Kol. 2.4 (parallel zur Metternichstele!) transitiv: „Se il veleno si rallegra, affliggendo il cuore della moltitudine, lo ucciderà Horo con la sua magia.“ J.-C. Goyon, Le recueil de prophylaxie contre les agressions des animaux venimeux du Musée de Brooklyn. Papyrus Wilbour 47.218.138, Studien zur spätägyptischen Religion 5 (Wiesbaden 2012), 36 übersetzt nqm mit (transitiv) „priver de connaissance“, d.h. „(jemanden) bewusstlos machen“ und (intransitiv/passiv) „être sans connaissance“, d.h. „bewusstlos sein“, aber das passt nicht als Antonym von wnf.
5 nḫt ... r=k: Sander-Hansen 1956, 19 übersetzt mit „die Zauberkraft ist siegreich gegen dich“ (ebenso Allen 2005, 53). Grammatisch gesehen kann auch ein Komparativ vorliegen: „die (Zauber-)Macht des Horus ist stärker als du“ (so Roeder 1915, 84; Sternberg-el-Hotabi 1988, 362), aber das würde voraussetzen, dass die böse Schlange nicht nur über Gift, sondern auch über Heka-Zauberkraft verfügen würde.

Spruch 3: Beschwörung einer gestochenen Katze (Vorderseite Z. 9–35)

Spruch zur Beschwörung einer (von einem Skorpion gestochenen) Katze.
Worte zu sprechen:
Oh Re, komme zu deiner Tochter!
Ein [10] Skorpion hat sie auf einsamem Wege (oder: als sie allein war)1 gestochen.
Ihr Geschrei, es erreicht den fernen Himmel, (mit dem Ergebnis, dass es) gehört (wird) auf deinen Wegen.2
Gift ist in ihrem Körper vorhanden (wörtl.: eingegangen).
Nachdem es ihr Fleisch durchwandert hat, setzte sie (die Katze?) ihren Mund daran/gegen sie/es;3 (aber) siehe, das/dieses Gift ist in ihrem Körper.
Komme, du, doch mit deiner Macht, mit deinem Zorn und mit deiner Röte (für: Blutrünstigkeit?)!
Siehe, {er}〈es〉 (das Gift) ist verborgen vor dir (wörtl.: unterhalb deiner Stirn), (aber) es ist vorhanden (wörtl.: eingegangen) im ganzen Körper dieser Katze, 〈die〉 unter meinen (untersuchenden) Fingern ist.
Habe keine Angst! Habe keine Angst, meine herrliche Tochter!
Siehe, ich bin um dich herum (oder: (als Schutz) hinter dir)!
Ich bin es, der das/dieses Gift zu Fall gebracht hat (oder: für mich zu Fall bringe), [15] das in jedem Glied dieser Katze ist.
(Du), diese Katze! Dein Kopf ist der Kopf des Re, des Herrn der Beiden Länder, der die Untertanen und die Krumm〈herzigen〉 (oder: die Untertanen mit krummen 〈Gedanken〉) niederschlägt; die Furcht vor ihm ist in allen Ländern und in allen Lebenden/Lebewesen ewiglich.
(Du), diese Katze! Deine beiden Augen sind das Auge des Herrn des Glanzauges, der die Beiden Länder mit seinem Auge erhellt und der das Gesicht auf dem Weg der Dunkelheit erhellt.
(Du), diese Katze! Deine Nase ist die Nase des Thoth, des zweimal Großen, des Herrn von Hermopolis, des Chefs der Beiden Länder des/für4 Re, der Atemluft gibt für die Nase eines jeden Menschen.
(Du), diese Katze! Deine beiden Ohren sind die beiden Ohren des Allherrn, der die Stimme eines jeden Menschen hört, wenn sie rufen,5 und der im ganzen Land [20] richtet.
(Du), diese Katze! Dein Mund/Maul ist der Mund des Atum, des Herrn des Lebens, der Opfergaben erhält (oder: und des Erhaltens von Opfergaben).
Er hat das Erhalten-der-Opfergaben veranlasst und er hat dich gerettet vor jedem Gift.
(Du), diese Katze! 〈Dein〉 Hals ist der Hals des Nehebkau, der an der Spitze des (oder: im) Großen-Haus ist, der die Menschen mit der Arbeit seiner Arme belebt.
(Du), diese Katze! Dein ḥꜣtj-Herz ist das ḥꜣtj-Herz des Thoth, des Herrn der Maat.
Er hat dir die Atemluft gegeben, um deine Kehle zu öffnen, (damit) Atemluft gegeben wird an das, was in ihr ist.6
(Du), diese Katze! Dein jb-Herz ist das jb-Herz des Ptah.
Er hat dein jb-Herz wieder vollkommen gemacht wegen des/dieses bösen Giftes, das in jedem Körper(glied) von dir ist.
(Du), diese Katze! Deine beiden Hände/Vorderpfoten7 [25] sind die Hände der Großen Neunheit und der Kleinen Neunheit.
Sie ha〈ben〉 deine Hand/Vorderpfote gerettet vor dem Gift einer jeden Ra-Schlange.
(Du), diese Katze! Dein Leib ist der Leib des Osiris, des Herrn von Busiris.
Nicht wird das Gift8 irgendetwas, was es wünscht/liebt, in deinem Leib tun/anrichten.
(Du), diese Katze! Deine beiden Oberschenkel/Hinterschenkel sind die beiden Oberschenkel des Month.
Er hat deine beiden Oberschenkel aufgerichtet und er hat das/dieses Gift auf den Boden gebracht/geholt.
(Du), diese Katze! Deine beiden Unterschenkel sind die beiden Unterschenkel des Chons, der die ganzen Beiden Länder täglich durchstreift.
Er hat das/dieses Gift zu Boden springen lassen9.
(Du), diese Katze! Deine beiden Füße [30] sind die beiden Füße des Amun, des Älteren, des Horus (?)10, des Herrn von Theben.
So wie er deine beiden Füße auf dem Boden bleiben lässt, so fällt er das/dieses Gift.
(Du), diese Katze! Deine Oberarme/Vorderschenkel sind die Oberarm〈e〉 des Horus, der rächend für seinen Vater Osiris einsteht, der Seth dem Bösen übergibt, das er (d.h. Seth zuvor) angerichtet hat.
(Du), diese Katze! Deine beiden Fußsohlen sind die beiden Fußsohlen des Re.
Er hat das/dieses Gift in Richtung Boden gewendet11.
(Du), diese Katze! Deine Eingeweide sind die Eingeweide der Mehetweret.
Das/dieses Gift der Eingeweide wurde zu Fall gebracht und zerstückelt in jedem Glied von dir, in den Gliedern der Götter im Himmel und in den Gliedern der Götter auf Erden, (damit) sie (d.h. die Götter) jegliches Gift in dir zu Fall bringen.
Es gibt kein Glied von dir, das ohne einen Gott ist.
Sie ha〈ben〉 zu Fall gebracht und sie ha〈ben〉 zerstückelt das/dieses Gift jeder männlichen Schlange, jeder 〈weiblichen〉 Schlange, jedes Skorpions und jedes giftigen Gewürms, das in irgendeinem Glied dieser Katze ist, die einen Stich/Biss hat.
Siehe, Isis hat gesponnen (?) und Nephthys hat gezwirnt/gewebt (?) gegen das/dieses Gift.
Möge diese (Amulett)-Binde12 (das Gift) vertreiben/beenden und möge dieser Zauber effektiv sein gemäß dem, [35] was Re-Harachte, der Große Gott in den beiden Reichsheiligtümern, gesagt hat:
(Oh) böses Gift, das in irgendeinem/jedem Glied dieser Katze ist, die einen Stich/Biss hat: Komme und gehe hinaus auf den Boden!

1 wꜣ.t wꜥ(.t)/wꜥi̯(.tj): Die meisten Bearbeiter gehen von einem einsamen Weg aus (Möller 1900, Roeder 1915, Moret 1915, Sander-Hansen 1956, E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), Borghouts 1978, P. I. Kousoulis, Spell III of the Metternich Stela. Magic, Religion and Medicine as a Unity, in: Göttinger Miszellen 190, 2002, 53–63). Sternberg-el-Hotabi 1988, 362 meint, dass die Tochter allein unterwegs ist: „als sie allein war“. Auch die Übersetzung von Allen 2005, 53–54 „for a scorpion has bitten her on the path alone“ spricht für eine Deutung als wꜥi̯(.tj). Es stellt sich die Frage, ob wꜣ.t wꜥ(.t) mit dem Adjektiv wꜥ eine „einsame, menschenleere Straße“ bedeuten kann, statt bloß „eine Straße“ oder „die einzige Straße“. Eine „einsame Straße“ wäre vielleicht die Genitivverbindung wꜣ.t wꜥ(ꜥw) „Straße des Alleinseins“. Der Beleg Wb 1, 277.12 s.v. wꜥi̯ „einsam sein: vom Abgeschiedenen“ ist nicht zutreffend (DZA 22.175.200, 22.175.290 und 22.175.310 sind nicht adjektivisch verwendet). Auf der Heilstatue des Djedher (Z. 163) steht psḥ.n s(j) ḏꜣr.t m wꜥ. Hier kann das Substantiv wꜥw/wꜥꜥw „das Alleinsein, die Einsamkeit“ vorliegen. G. Vittmann, Altägyptische Wegmetaphorik, Veröffentlichungen der Institute für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität Wien 83. Beiträge zur Ägyptologie 15 (Wien 1999) listet die Kombination von wꜣ.t mit der Wurzel wꜥi̯ nicht auf in seinem Index.
2 sḏm n wꜣ.wt=k: An dieser Stelle hat die Heilstatue des Djedher (Z. 164) erneut mj n zꜣ.t=k:„Komme zu deiner Tochter!“ Liegt in einer der beiden Versionen ein Hör- oder Lesefehler vor? sḏm wird von Sander-Hansen 1956, 29 als Pseudopartizip gedeutet (vermutlich ähnlich Allen 2005, 54); Roeder 1915, 84 übersetzt mit einem Imperativ (ebenso Sternberg-el-Hotabi 1988, 362).
3 rḏi̯=s rʾ=s r=s: Sander-Hansen 1956, 29 nimmt an, dass die Katze das Gift aussaugen will (so schon Moret 1915, 228, und Roeder 1915, 84; mit der Katze als Subjekt auch Borghouts 1978; Sternberg-el-Hotabi 1988, 362 und P. I. Kousoulis, Spell III of the Metternich Stela. Magic, Religion and Medicine as a Unity, in: Göttinger Miszellen 190, 2002, 53–63). Allen 2005, 54 scheint das Gift oder den Skorpion weiterhin als Subjekt zu behalten: „It has given its mouth to her.“ Gegen Allen spricht, dass das Gift selbst keinen Mund hat und dass der Skorpion mit dem Stachel sticht; von einer Schlange ist hier nicht die Rede. Auf der Heilstatue des Djedher (Z. 166) steht rḏi̯=s rʾ=s r tꜣ: „sie hat ihr Maul auf den Boden gelegt“ (Verwechselung des Land-Zeichens und des Riegel-z in die eine oder die andere Richtung), vielleicht für „sie (die Katze) lässt ihren Kopf hängen“. Die Redewendung rḏi̯ rʾ n/ḥr: „sich äussern zu jem./über etwas“ im Sinne von „sie äußerte sich dazu“ passt wohl nicht im Kontext und ist mit einer anderen Präposition gebildet.
4 ḥr.j-tp tꜣ.wj n/n(.j) Rꜥw: Wird normalerweise als „das Oberhaupt der beiden Länder des Re“ übersetzt (Roeder 1915, 85; ebenso Moret 1915, 228; Sander-Hansen 1956, 28; Borghouts 1978; Sternberg-el-Hotabi 1988, 363; P. I. Kousoulis, Spell III of the Metternich Stela. Magic, Religion and Medicine as a Unity, in: Göttinger Miszellen 190, 2002, 53–63; Allen 2005, 54). Sind es die beiden Länder des Re, oder ist es das Oberhaupt des/für Re? Auf der Heilstatue des Djedher (Z. 169) steht nichts zwischen tꜣ〈.wj〉 und Rꜥw. Vielleicht ist daher n als m-Identikum aufzufassen: „der Chef der Beiden Länder als/in der Funktion der Re“. In C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, 7 Bände (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002) finden sich nur 2 Belege für die Verbindung tꜣ.wj n Rꜥw, einmal ḥr.j-tp tꜣ.wj n(.j) Rꜥw (unsere Textstelle) und einmal sšm.t tꜣ.wj n.t Rꜥw (n.t ist nur n geschrieben).
5 ꜥš =sn wḏꜥ mdw: Auf der Heilstatue des Djedher (Z. 170) steht sḏm spr n(.j) z nb ꜥš=sn n=f wḏꜥ mdw: „der die Bitte aller Menschen erhört, wenn sie zu ihm rufen, und der richtet ...“. Roeder 1915 hat wḏꜥ mdw als das Objekt von ꜥš =sn verstanden (85: „wenn sie das Gericht anrufen“; ebenso Moret 1915, 228), was wenig wahrscheinlich ist. Sander-Hansen 1956, 28 übersetzt gemäß der Statue des Djedher: „der die Stimme jedes Mannes hört, wenn man (zu ihm) ruft, der im ganzen Land richtet“ (ebenso Sternberg-el-Hotabi 1988, 363). Laut Wb 1, 227.4–8 kann „jemanden rufen“ sowohl mit direktem Objekt als auch mit Präposition gebildet werden. Eventuell könnte man also übersetzen „wenn sie den rufen, der im ganzen Land richtet“ (so P. I. Kousoulis, Spell III of the Metternich Stela. Magic, Religion and Medicine as a Unity, in: Göttinger Miszellen 190, 2002, 53–63, hier: 54).
6 rḏi̯ ṯꜣw r jm.j=s: Auf der Heilstatue des Djedher (Z. 171) steht fast dasselbe, aber Sander-Hansen 1956, 23 hat den ersten Satz in seiner Textsynopse vergessen. Der zweite Satz lautet auf der Statue rḏi̯.n=f ṯꜣw r jm.jw-ẖ.t n.t mjw.t tn: „er hat Atemluft gegeben für die Eingeweide dieser Katze“. Sander-Hansen 1956, 28 übersetzt, als ob auf der Metternichstele rḏi̯.n=f vorliegt bzw. ergänzt werden muss: „(Er hat) ihrem Innern Luft gegeben“. Eventuell ist rḏi̯ ṯꜣw r jm.j=s ein zweiter Infinitiv, der von r abhängt: „um deine Kehle zu öffnen und Atemluft zu geben an das, was in ihr (d.h. der Kehle) ist.“ Es kann auch ein passives sḏm=f sein: „so dass Atemluft gegeben wird für das, was in ihr ist“ (so Sternberg-el-Hotabi 1988, 363; Allen 2005, 54). Auffällig ist die Verwendung der Präposition r. Normalerweise wird der Begünstigte von rḏi̯ ṯꜣw mit der Präposition n eingeführt, während r für den Ort oder Gegenstand steht, an dem Atemluft gegeben wird (z.B. r fnḏ). Kann jm.j=s „das, was in ihr ist“ als Euphemismus für das Gift stehen, genau so wie jm.jw ẖ.t n.t mjw.t tn: „das, was im Leib dieser Katze ist“ auf der Heilstatue des Djedher, und ist das Geben von Luft also ein Heilmittel gegen (r) das Gift?
7 ḏr.t: J. H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 326, Anm. 16 vermutet, dass die „Hände“ hier fehl am Platz sind und eigentlich ḏr.wj: „die beiden Seiten des Rumpfes“ stehen müsste. Auch auf der Statue des Djedher steht „Hände“.
8 n(n) jri̯ mtw.t: Man erwartet, dass Osiris die handelnde Person ist. Auf der Heilstatue des Djedher (Z. 172) steht tatsächlich n rḏi̯.n=f jri̯ tꜣ mtw.t sḫm=s nb m ẖ.t n(.t) mjw(.t) tn: „er lässt nicht zu, dass das Gift irgendetwas von seiner Macht ausübt im Leib dieser Katze“. Sander-Hansen 1956, 28 und Sternberg-el-Hotabi 1988, 364 folgen für den Anfang der Version der Heilstatue des Djedher. Weil die umgebenden Konstruktionen überwiegend mit sḏm.n=f gebildet sind, ist vielleicht auch n jri̯ perfektisch zu verstehen: „das Gift hat nicht ... angerichtet“ (so P. I. Kousoulis, Spell III of the Metternich Stela. Magic, Religion and Medicine as a Unity, in: Göttinger Miszellen 190, 2002, 53–63). Allen 2005, 54 übersetzt präsentisch „poison cannot do anything...“.
9 nhp: Wird überwiegend intransitiv als „springen“ verwendet, in der Spätzeit auch transitiv „niederwerfen o.ä.“ DZA 25.179.520 (unsere Stelle) klassifiziert nhp bei der transitiven Bedeutung. Die sḏm.n=f- und sḏm=f-Konstruktionen in den umliegenden Sätzen und das generell aktive Eingreifen des Schutzgottes sprechen tatsächlich dafür, dass nhp transitiv ist. Ältere Belege für die transitive Verwendung stehen schon im magischen Papyrus Harris (Kol. 5.3 und eventuell 5.9). Ansonsten könnte man übersetzen: „der, für den das Gift zu Boden springt“.
10 ⸮Ḥr.w?: Sander-Hansen 1956, 28 und 29, Anm. zu Z. 30 vermutet, dass die Hieroglyphe G6 (Falke mit Flagellum) Determinativ ist (ebenso E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 83; Borghouts 1978; Sternberg-el-Hotabi 1988, 364; Allen 2005, 54; P. I. Kousoulis, Spell III of the Metternich Stela. Magic, Religion and Medicine as a Unity, in: Göttinger Miszellen 190, 2002, 53–63), aber er könnte es eventuell auch als „Falke“ lesen, weil auf der Heilstatue des Djedher (Z. 174) ebenfalls ein Falke (G5, ohne Flagellum) steht. Roeder 1915, 85 liest „Horus“. Moret 1915, 229 hat „le dieu“.
11 pẖr: Die transitive Verwendung ist im DZA unter „(etwas) umwenden, umdrehen“ (DZA 23.468.460) hinter Wb 1, 544.13 „den Nacken umdrehen“ bei „das Gesicht, den Nacken, das Herzen umwenden“ angegeben, aber ist nicht als ein besonderer Kontext markiert (diese Stelle = DZA 23.468.490). Roeder 1915, 86 setzt eine Bedeutung „(etw. zu Boden) eilen (lassen)“ an. Sander-Hansen 1956, 28 hat „Er hat das Gift zur Erde gekehrt“.
12 mrw: Diese Binde bzw. dieses Band ist sicherlich das Ergebnis der Tätigkeiten sšn bzw. msn von Isis bzw. Nephthys. Der Begriff mrw ist auch anderswo als magische Binde belegt (M. Alliot, Les rites de la chasse au filett, aux temples de Karnak, d’Edfou et d’Esneh, in: Revue d’égyptologie 5, 1946, 57–118, hier: 69, Anm. 1 verweist auf W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Taf. 131.8 und 11 = pCGT 54051 Rto 2.8 und 2.11). Als Kleidungstück ist es eine Art Schärpe (J. J. Janssen, Commodity Prices from the Ramessid Period. An Economic Study of the Village of Necropolis Workmen at Thebes (Leiden 1975), 286–287). Kopt. noch als ⲡ-ⲙⲟⲩⲣ „Band, Fessel, Gürtel, Bündel“ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 181b; W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 1965–1977), 99; W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 119 s.v. ⲙⲁⲣ) erhalten.

Spruch 4: Beschwörung einer gestochenen Katze (Vorderseite Z. 35–37)

Ein weiterer Spruch. Worte zu sprechen:
(Oh) Re, komme zu deiner Tochter!
Schu, komme zu deiner Frau!
Isis, komme zu deiner Schwester/Tante!
Rette/Rettet sie vor diesem bösen Gift, das in jedem Glied von ihr ist.
Oh (ihr) diese Götter, kommt, (damit) ihr das/dieses böse Gift fällt, das in jedem Glied dieser Katze ist, die einen Stich/Biss hat!

Spruch 5: Text B, Beschwörung von Wassertieren (Rückseite Z. 38–48)

Oh alter Mann, der sich zu seiner Zeit verjüngt, (oh) Greis, der als Jugendlicher agiert (wörtl.: den Jugendlichen spielt), mögest du veranlassen, dass Thoth zu mir auf meine Stimme hin kommt, damit er für mich das Wildgesicht (Neha-her) vertreibt.
Osiris ist auf dem Wasser, das Horusauge ist bei ihm.
Der große Flügelskarabäus steht mit gespreizten Flügeln (schützend) über ihm.
(Oh du), der mit seiner Faust groß ist, der die Götter (schon) als nḫn-Kind geboren/aufgezogen/gebildet hat, möge der, der auf dem Wasser ist, wohlbehalten hervorkommen.
Wenn man dem, der auf dem Wasser ist, zu nahe tritt, dann tritt man dem weinenden/verfinsterten (?)1 Horusauge zu nahe.
Zurück [40] mit euch, (ihr) Wasserbewohner, Feind, jener/Feindin, (Un)-Toter/Wiedergänger, (Un)-Tote/Wiedergängerin, Widersacher, Widersacherin und so weiter!
Erhebt nicht eure Gesichter, (ihr) Wasserbewohner, bis Osiris an euch vorbeigegangen sein wird!
(Denn) siehe, er ist auf dem Weg nach Busiris.
Versperrt wurde 〈euer〉 Maul, blockiert/verstopft wurde euer Schlund!
Zurück mit dir, (du) Rebell!
Erhebt eure Gesichter nicht gegen d〈ie〉, d〈ie〉 auf dem Wasser 〈sind〉!
(Denn) sie sind Osiris.
Re besteigt seine Barke, um die Neunheit von Babylon zu sehen (d.h. zu besuchen?)2, (während) diese Herren der Unterwelt bereit stehen, dich zu tö〈ten〉(?).
Falls das Wildgesicht (Neha-her) gegen Osiris vorgeht, wenn er (= Osiris) auf dem Wasser und das Horusauge (als Schutz) über ihm (= Osiris) ist, dann wird euer Gesicht umgedreht werden,3 das (entsprechend) auf euren Rücken gestellt wird/wurde.4
Oh (ihr) Wasserbewohner, euer Maul wurde von Re verschlossen; eure Kehle wurde von Sachmet verstopft/versperrt; eure Zunge wurde von Thoth herausgeschnitten; eure Augen wurden von Heka geblendet.
Diese Vierzahl jener großen Götter,5 die den Schutz des Osiris bereiten, sie sind es, die den Schutz dessen bereiten, der auf dem Wasser ist, (und den Schutz / d.h.) aller Menschen und allen (Klein)-Viehs, das auf dem Wasser ist heute (wörtl.: an diesem Tag).
Der Schutz derer, die im (!) Wasser sind, ist der Schutz des Himmels, mit Re in ihm.
Der Schutz des Großen Gottes, der im Sarg ist, ist der Schutz dessen, der auf dem Wasser ist.
Der Klang6 eines heftigen Schreis7 ist im Haus-der-Neith; eine hohe/laute Stimme ist im Großen-Haus; ein großes Gejammer [45] ist im Mund des Katers (oder: der Katze)8.
Die Götter und Göttinnen sagen „Was ist los? Was ist los?“ bezüglich (?) des Abdu-Fisches, als er geboren wird (oder: 〈bei〉 seiner Geburt).9
Wende deinen Schritt ab von mir (oder: meinetwegen), (du) Rebell!
(Denn) ich bin Chnum, der Herr von Herwer.
Hüte dich davor, die Verletzung (oder: das Leid) ein zweites Mal zu wiederholen, wegen dessen, was mit dir gemacht wurde (?; oder: was du getan hast) in Anwesenheit der Großen Neunheit!
Wende dich doch ab!
Du sollst von/vor mir zurückweichen!
(Denn) ich bin ein Gott.
Hui! Hui!10
Oh 〈Re〉11!
Bekanntlich hast du den Klang eines (so) heftigen Schreis nicht (mehr) gehört seit dem Abend auf dem Ufer von Nedit.
Der Klang des heftigen Schreis aller Götter und aller Göttinnen ist eine Klage wegen des Übels, das du angerichtet hast, (du) böser Rebell! (oder: (Es ist) die heftig schreiende Stimme aller Götter und aller Göttinnen in der Art einer Klage wegen des Übels, das du angerichtet hast, (du) böser Rebell!)
Siehe, Re tobt vor Wut deswegen.
Er hat befohlen, dass deine Zerstückelung durchgeführt wird.
Zurück mit dir, (du) Rebell!
Hui, hui!

1 jḥ(.t): Wb 1, 120.13 hat dieses seltene Verb als „weinen(?)“ lemmatisiert, zweifellos wegen des Determinativs des weinenden Auges (D9). Das ist jedenfalls die Begründung für die Bedeutung „weinen“ bei H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. I (Leipzig 1867), 106 (Quelle = Metternichstele). Sander-Hansen 1956, 33 übersetzt mit „das weinende Horusauge“, hat aber an anderer Stelle (S. 10) „das geweint hat“ (Partizip Perfekt?, oder Stativ im Sinne von „verweint“). Das/ein Verb jḥ existiert auch mit dem geschminkten Auge (Dendara V, 51.6; Edfou IV, 111.7; Edfou VIII, 39.11). Ob auf der Metternichstele eine Graphie des Verbs jwḥ: „weinen“ bzw. eine Verwirrung mit diesem Verb vorliegen könnte? Es gibt ein weiteres Verb ꜥḥ (mit dem Netz als Determinativ), das Wb 1, 214.2 mit „(Feuchtes) abwischen: (Tränen) abwischen“ wiedergibt. Dieses berücksichtigt H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 46, 1965, 10–33, hier: 15 möglicherweise in seiner Formulierung von Text B als: „das tränentrockene Horusauge“ (laut P. Vernus, Études de philologie et de linguistique, in: Revue d’égyptologie 32, 1980, 117134, hier: Anm. 68 ist ꜥḥ ein anderes Verb). P. Vernus, Études de philologie et de linguistique, in: Revue d’égyptologie 32, 1980, 117134, hier: 131–132, Anm. (h) stellt zum einen die Bedeutung „weinen“ infrage, zum anderen betrachtet er jḥ als Pseudopartizip zu tw: „si on s’attaque à celui qui est sur l’eau, on s’attaque à l’oeil d’Horus avec pour résultat d’être jḥ“. Seiner Meinung nach bedeutet jḥ eher (reflexiv) „s’obscurcir“, (transitiv) „obscurcir“ und (intransitiv) „être plongé dans l’obscurité du sommeil“ und notfalls „éblouir“, d.h. „blenden“. R. Herbin, Le livre de parcourir l’éternité, Orientalia Lovaniensia Analecta 58 (Leuven 1994),, 197 übersetzt in pLeiden T 32, Kol. 5.7 mit „somnoler“, d.h. „nicken, dösen, vor sich hin schlummern“, denn es wird als Synonym von qdd: „Schlaf“ in Edfou IV, 111.7 verwendet (er verweist auf Vernus). B. Ventker, Der Starke auf dem Dach. Funktion und Bedeutung der löwengestaltigen Wasserspeier im alten Ägypten, Studien zur spätägyptischen Religion 6 (Wiesbaden 2012), 164 mit Anm. (a) versteht Edfou IV, 111.7 als Substantiv „Schlaf“ (und nicht als Infinitiv). P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 102–103 listet ein Lemma jḥ mit dem nicht-weinenden Auge auf, das sie als „schlafen“ ansetzt, und sie fragt sich, ob es dasselbe Verb wie Wb 1, 120.13 „weinen(?)“ ist. D. Meeks, Dictionnaires et lexicographie de l’Égyptien ancien. Méthodes et résultats, in: Bibliotheca Orientalis 56, 1999, 570–594, hier:, 576 hat ähnlich in seiner Rezension von Wilson: „dormir, sommeiller“ statt „pleurer“ und verschiebt alle Belege von Wb 1, 120.13 „weinen(?)“ hierhin (DZA 21.198.840 = N. de Garis Davies, The temple of Hibis in el Khārgeh Oasis Part III. The decoration, Publications of the Metropolitan Museum of Art Egyptian Expedition 17 (New York 1953), Taf. 32, mittleres Register, Hymnus Z. 7). Dann würde der Text der Metternichstele lauten: „das dösende Horusauge“ oder „das (durch Schlaf) geblendete Horusauge“ (Partizip oder Stativ zu jr.t-Ḥr.w) oder „dann tritt man dem Horusauge zu nahe, mit dem Ergebnis, dass man hinüberdämmert“ (Stativ zu tw). W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 161–162 und 167–168 listet die verschiedenen Varianten von „Text B“ mit und ohne jḥ auf. Er lehnt die Interpretation von Vernus ab, u.a. weil es Varianten mit jr.t-Ḥrw jḥ(.t) mj.tt gibt, in denen mj.tt als „ebenso“ zu verstehen ist und jḥ hier nicht zu tw gehören kann, und weil die Varianten ohne jḥ gegen eine Qualifizierung des Angreifers (d.h. tw) sprechen. S. Hodjash – O. Berlev, The Egyptian Reliefs and Stelae in the Pushkin Museum of Fine Arts, Moscow (Leningrad 1982), 249, Anm. (x) schreiben „the weeping Eye is somewhat of a mystery“ und sie liefern Quellen für weitere Forschung. Auf mindestens einer Horusstele wird jḥ zu jꜥḥ „Mond“ umgedeutet (J. S. Karig, Die Göttinger Isisstatuette, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 87, 1962, 54–59, hier: 59 und Taf. 4).
2 r mꜣꜣ psḏ.t: Dies wird von Borghouts 1978, 85 als „to visit“ gedeutet (so auch schon Roeder 1915, 87).
3 r pnꜥ ḥr=tn: Fast allgemein wird angenommen, dass in ḥr=tn das Substantiv „Gesicht“ steckt und nicht die Präposition ḥr, die mit dem Verb pnꜥ auch nicht üblich ist (vgl. aber Sternberg-el-Hotabi 1988, 375: „dann ist das Horusauge über ihm, um euch umzudrehen, so daß ihr auf eurem Rücken liegt.“). Die Darstellungen der Krokodile mit umgewendetem Kopf sprechen jedenfalls für ḥr als das Substantiv „Gesicht“. Die Konstruktion r + pnꜥ wird allgemein als Finalsatzkonstruktion mit Infinitiv angesehen (z.B. Sander-Hansen 1956, 33: „so wird das Horusauge über ihm sein, um eure Gesichter abzuwenden“.). Allerdings kommt die Präposition r vor pnꜥ vielleicht nur auf der Metternichstele vor und W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 192 fragt sich, ob r nicht für die Partikel jw stehen könnte (d.h. jw sḏm=f Passiv). In den Fällen, in denen kein r vor pnꜥ steht, ist pnꜥ (1) ein Imperativ oder (2) ein sḏm=f Passiv als Hauptsatz oder (3) ein sḏm=f Passiv als Nebensatz. Übersetzungen mit einem Imperativ: K. C. Seele, Horus on the Crocodiles, in: Journal of Near Eastern Studies 6, 1947, 43–52, hier: 47: „avert your face(s, so that they are) placed on your back(s)“; E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 53 (für die Statue des Djedher): „Renversez-vous! Mettez-vous sur vos dos!“; H. Jacquet-Gordon, Two Stelae of Horus-on-the-crocodiles, in: The Brooklyn Museum Annual 7, 1968, 53–64, hier: 63 für die Version Brooklyn 60.73: „Turn yourselves upside down. Place yourselves on your backs“; Sternberg-el Hotabi, Horusstele des Anchpachered, Sohn des Djeheriuefanch. Museum of Fine Arts Boston (Nr. 05.90), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 16, 1989, 275–287, hier: 278: „dann dreht euer Gesicht um, auf daß ihr auf euren Rücken gegeben werdet.“ Übersetzungen mit einem sḏm=f Passiv als Hauptsatz lauten: Borghouts 1978, 85: „your face will be averted and you will be laid on your backs!“; H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), 42: „dann sollen eure Gesichter gewendet sein, indem ihr auf eueren Rücken gedreht seid“; L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), 26 mit Anm. 150: „the Eye of Horus is over him, your faces will be averted and will be placed on your backs.“; C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 302: „your face(s) are averted, (you) being placed on your backs.“ Übersetzungen mit einem sḏm=f Passiv als Nebensatz lauten: H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 46, 1965, 10–33, hier: 15: „sodaß euer Gesicht gewendet und es auf euren Rücken gegeben wird“.
4 ḏḏ ḥr ꜣ.t=ṯn: Die Verbform ḏḏ ist ein Partizip Passiv. Die Übersetzungen divergieren, je nach dem, ob das Partizip auf vorangehendes ḥr „Gesicht“ oder auf =tn „ihr“ bezogen wird. Ist das Gesicht in die Richtung des Rückens gedreht worden, oder liegen die Personen auf ihren Rücken und sind unschädlich? Außerdem gibt es in Parallelhandschriften auch noch die Version ḏi̯=tn ḥr jꜣ.t=tn (z.B. Statue des Djedher). (1) Bezogen auf =tn: Sander-Hansen 1956, 33: „... um eure Gesichter abzuwenden, sodaß ihr auf eurem Rücken lieget.“ Sternberg-el Hotabi, Horusstele des Anchpachered, Sohn des Djeheriuefanch. Museum of Fine Arts Boston (Nr. 05.90), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 16, 1989, 275–287, hier: 278: „dann dreht euer Gesicht um, auf daß ihr auf euren Rücken gegeben werdet.“ H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), 42: „dann sollen eure Gesichter gewendet sein, indem ihr auf eueren Rücken gedreht seid“. C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 302: „your face(s) are averted, (you) being placed on your backs.“ Allen 2005, 60: „Horus’s eye is on him to capsize your face so that you are put on your back.“ (2) Andere Bearbeitungen beziehen ḏḏ auf ḥr „Gesicht“: K. C. Seele, Horus on the Crocodiles, in: Journal of Near Eastern Studies 6, 1947, 43–52, hier: 47: „avert your face(s, so that they are) placed on your back(s)“; H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 46, 1965, 10–33, hier: 15: „sodaß euer Gesicht gewendet und es auf euren Rücken gegeben wird.“ L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), 26 mit Anm. 150: „the Eye of Horus is over him, your faces will be averted and will be placed on your backs.“ A. Gasse, Les stèles d’Horus sur les crocodiles (Paris 2004), 24 „l’oeil d’Horus sera sur lui pour retourner vos têtes, placées (ainsi) sur votre dos“. Nicht länger akzeptabel, weil sie von keiner Handschrift bestätigt wird, ist die Übersetzung von Roeder 1915, 87: „so steht das Horus-Auge über ihm, um euer Gesicht zurückzuwenden und (die Lanze) in euern Rücken zu werfen.“
5 pꜣ 4 nṯr.w ꜥꜣ.w jpn: S. Hodjash – O. Berlev, The Egyptian Reliefs and Stelae in the Pushkin Museum of Fine Arts, Moscow (Leningrad 1982), 249, Anm. (ac) erkennen nicht die vier zuvor genannten Götter (Re, Sachmet, Thoth, Heka), sondern die vier Horussöhne.
6 ḫrw: Es ist unsicher, welches mythische Ereignis hier thematisiert wird. Sind es Schmerzensschreie der Gebärenden, wenn der Abdju-Fisch geboren wird? Sind es Freudenschreie über die Geburt? Oder wird der Tod des Osiris beklagt? Siehe Moret 1915, 259–260 (mit zwei Erklärungen); E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 54, Anm. 1 und 2: „les cris annonçant la naissance du ‚Sauveur‘“; H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), 44, Anm. (m) spricht von der Wiederbelebung des Re-Osiris.
7 ḫrw sgb ꜥꜣ: Sander-Hansen 1956, 33 übersetzt „eine schreiende, gewaltige Stimme“, d.h. er erkennt zwei Adjektive oder Partizipien und nicht das Adverb ꜥꜣ(w). H. Jacquet-Gordon, Two Stelae of Horus-on-the-crocodiles, in: The Brooklyn Museum Annual 7, 1968, 53–64, hier: 63: „a great wailing voice“. Allen 2005, 60: „a great crying sound“. Als Adverb bei E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 54: „une voix hurlait grandement“ (Pseudoverbalkonstruktion mit Stativ gemäß der Statue des Djedher). Statt für sgb von einem Partizip auszugehen, könnte es auch ein Substantiv sein „das Geräusch/der Klang eines großen Schreis“. Der Beleg der Metternichstele ist im Wörterbuch tatsächlich als Substantiv eingetragen (Wb 4, 321.4 s.v. sgb), auch wenn Möller 1900 (DZA 29.659.620) mit „eine laut tönende Stimme“ übersetzt hat. Borghouts 1978, 86: „The sound of loud wailing“; L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), 26 hat „A voice of great lamentation“. C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 302 übersetzt ḫrw sgb mit „the sound of wailing“. Y. Koenig, Le Papyrus Boulaq 6. Transcription, traduction et commentaire, Bibliothèque d’étude 87 (Le Caire 1981), 53: „bruit de voix“. In den Zaubersprüchen für Mutter und Kind (Spruch M: pBerlin P 3027, Kol. 8.4) steht ḫrw bgꜣ ꜥꜣ m-ꜥ=⸮j?, was N. Yamazaki, Zaubersprüche für Mutter und Kind: Papyrus Berlin 3027, Achet 2 (Berlin 2003), 32 als „Die Stimme des großen Geschreis ist bei mir(?)“ übersetzt.
8 mjw oder mjw.t: Kommt das Gejammer von einem Kater, d.h. von Re, der durch den Abdju-Fisch vor der Gefahr durch Apophis gewarnt wird und der die Aufständischen bei einem Isched-Baum in Heliopolis tötet (CT 335 = CT IV, 282–288; vgl. CT VI, 303l; und Tb. 17: M. Broze, Le chat, le serpent et l’arbre-ished (Chapitre 17 du Livre des Morts), in: L. Delvaux – E. Warmenbol (Hrsg.), Les divins chats d’Égypte. Un air subtil, un dangereux parfum (Leuven 1991), 109–115; J. Málek, The Cat in Ancient Egypt (London 1993), 79 und 84–87; M. S. H. G. Heerma van Voss, De oudste versie van dodenboek 17 a. Coffin texts spreuk 335a (Leiden 1963), 44–45, 81–82)? Oder ist es die Katze, d.h. die Tochter des Sonnengottes, die von einem Skorpion gestochen wurde, was anderswo auf den magischen Stelen thematisiert wird, oder die ebenfalls bei der Vernichtung der Aufständischen beim Isched-Baum von Heliopolis zugegen war (Mutritual pBerlin P 3014+3053, Kol. 17.1–2)? Zumindest auf der ramessidischen Horusstele CG 9403 ist mj(w).t in unserem Spruch B mit Femininendung ausgeschrieben. W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 207 hat „Katze (Bastet)“, aber schreibt auf den nächsten Seiten 208–213 (sic!) mjw〈.t〉 und „Kater/Katze“. (1) Meistens wird von einer weiblichen Katze ausgegangen: Moret 1915, 258: „la Chatte“; Roeder 1915, 87: „Katze“; W. D. van Wijngaarden - B. H. Stricker, Magische Stèles, in: Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 22, 1941, 6–389: „dochter van Re“; K. C. Seele, Horus on the Crocodiles, in: Journal of Near Eastern Studies 6, 1947, 43–52, hier: 47 mit Anm. 52: „heiliges Tier der Bastet“; E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 54 „la chatte“. Borghouts 1978, 109, Anm. 244 spricht von der Göttin Bastet. Sternberg-el Hotabi, Horusstele des Anchpachered, Sohn des Djeheriuefanch. Museum of Fine Arts Boston (Nr. 05.90), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 16, 1989, 275–287, hier: 278 und 280: „Katze“, d.h. Bastet. S. Hodjash – O. Berlev, The Egyptian Reliefs and Stelae in the Pushkin Museum of Fine Arts, Moscow (Leningrad 1982), 249, Anm. (ah): „the Sun-God’s daughter“; C. Andrews, A Stone Vessel with Magical Scenes and Texts, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I, Orientalia Lovaniensia Analecta 84 (Leuven 1998), 297–310, hier: 302 und 310, Anm. 83 erkennt Bastet. A. Gasse, Les stèles d’Horus sur les crocodiles (Paris 2004), 26, Anm. 52: „chatte“, Bastet. (2) Bearbeitungen mit „Kater“: Sander-Hansen 1956, 34: „Kater“; H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 46, 1965, 10–33, hier: 30: „Kater“. H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), 42 und Anm. (n) spricht von einer Manifestation des Re. H. te Velde, The Cat as Sacred Animal of the Goddess Mut, in: M. Heerma Van Voss et al. (Hrsg.), Studies in Egyptian religion. Dedicated to Professor Jan Zandee, Studies in the History of Religions. Supplements to Numen 43 (Leiden 1982), 127–137 und G. Pinch, Votive offerings to Hathor (Oxford 1993), 190–196 äußern sich nicht zu dieser Textstelle. In einer Höhle in der 8. Stunde des Amduats wird ein Geräusch gehört, vergleichbar mit ḫrw sbḥ mjw ṯꜣy: „der Klang des Geschreis des Katers“ (Amduat, 8. Stunde, unteres Register, 6. Höhle: E. Hornung, Das Amduat. Die Schrift des verborgenen Raumes. 1, Ägyptologische Abhandlungen 7 (Wiesbaden 1963), 148; E. Hornung, Das Amduat. Die Schrift des verborgenen Raumes. 2, Ägyptologische Abhandlungen 7 (Wiesbaden 1963), 148: „wie das Schreien eines männlichen Katers“ = DZA 23.903.960 = Wb 4, 90.18 s.v. sbḥ: „auch vom Geschrei des Katers(?)“); „cry of a tomcat“ (J. Málek, The Cat in Ancient Egypt (London 1993), 79). Die Orthographie mit w (ohne Determinativ) und nachfolgendem Phallus (für ṯꜣy?) spricht für „Kater“ und gegen „Katze“ (s. E. Hornung, Texte zum Amduat. Teil 2: Langfassung, 4. bis 8. Stunde, Aegyptiaca Helvetica 14 (Genève 1992), 628: ohne Determinativ). Aus rmj n(.j) my/mj(w.t): „das Weinen des Katers / der Katze“ (pChester Beatty IV, Vso 5.6 = DZA 23.904.000 = A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum. Third Series. Chester Beatty Gift (London 1935), 42: „the wailing of a cat“) lässt sich nicht abzuleiten, ob es sich um eine Katze oder einen Kater handelt.
9 Der Satz steckt voll mit Schwierigkeiten und ist weder in der Version der Metternichstele noch in anderen Versionen leicht erklärbar. J. F. Borghouts, The magical texts of Papyrus Leiden I 348, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 51 (Leiden 1970), 51, Anm. 42 und 212–213 spricht von einer „crux“.
10 hy: Laut W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 225 hat die Partikel hy, Var. hꜣy zum Zweck, den Feind in Schrecken zu versetzen. Es ist für ihn ein zurückweisender Schreckensruf. A. Gasse, Les stèles d’Horus sur les crocodiles (Paris 2004), 26, Anm. 54 erkennt einen „cri d’acclamation et de jubilation“.
11 j 〈Rꜥw〉: Die vielen Belege für die Formulierung j Rꜥw (s. W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 225–226) bestätigen, dass „Re“ auf der Metternichstele fälschlicherweise ausgefallen ist. Die Übersetzung von Allen 2005, 60 „‘Hey, hey,’ he says“ wird durch keine andere Handschrift bestätigt.

Spruch 6: Isis und die sieben Skorpione (Rückseite Z. 48–71)

Ich bin Isis.
Ich bin aus der Weberei (o.ä.) weggegangen, in die mein Bruder Seth mich gesteckt hatte.1
Es war ja so: Thoth, der große/alte Gott, der Vorsteher der Maat im Himmel und auf Erden, hat zu mir gesagt:
„Komme du doch, Isis, (du) Göttliche!
Es ist ja/wahrlich etwas Gutes, zuzuhören.
(Denn/damit) Einer (d.h. Isis oder Horus) lebt, wenn ein Anderer (d.h. Thoth) ihn führt.2
Verstecke (dich) doch mit dem nḫn-kindlichen Sohn (oder: den kleinen Sohn tragend)!
[50] Er soll (erst) zu uns kommen, wenn sein Körper fest ist und seine ganze Kraft sich manifestiert/entwickelt hat.
(...,) damit du (dann) veranlassen kannst, dass er auf dem Thron seines Vaters ruht, nachdem ihm das Amt des Herrschers der Beiden Länder verliehen/bestätigt wurde.“
Ich (d.h. Isis) kam hinaus zur Zeit der Abenddämmerung.
(Mein?) Herauskommen bedeutete (?), dass sieben Skorpione hinter mir waren, wobei sie mich führten (wörtl.: sie nahmen mich beim Arm). (oder: (Das bedeutete (?)) das Herauskommen der sieben Skorpione hinter mir, wobei sie mich führten.)
Tefen(et) und Befen(et) waren ganz kurz (?, oder: die eine und die andere) hinter mir; Mestet und Mestetef waren unter meinem/r {Schlafzimmer} 〈Trage(?)-Bett/Sänfte〉; Petet, Tschetet und Matet hielten mir den Weg frei (oder: schirmten für mich den Weg ab).
Ich befahl ihnen eindringlich (wörtl.: in großem Maße), (mit dem Ergebnis, dass) meine Stimme (oder: meine Worte) Eingang fand in ihre Ohren.
„Kennt keinen Schwarz(haarigen) (sexuell?)!
Sprecht keinen Rot(haarigen) an!
Gewinnt keine Erkenntnisse über den Sohn eines (wohlhabenden) Mannes, nicht eher als (über den Sohn) eines Armen/Geringen!
Eure Gesichter nach unten auf den Pfad!
Hütet euch, den, der mich (oder: das Meinige?) sucht, herbeizuführen, so dass wir Per-sui (Das Haus des swy-Krokodils) erreichen können, die Stadt der beiden Schwestern, (zwischen? dem) Anfang der Deltasümpfe (und dem) pḥww-Gewässer (oder: Ende) von Deb (Buto?).“
Als ich dann tatsächlich die Häuser der/von verheirateten Frauen/Müttern erreicht hatte, da hatte mich eine Edeldame (schon) von Weitem bemerkt/beobachtet, (und) sie hatte ihre Türflügel vor/wegen mir zugezogen (wörtl.: eingeholt).
Es/Das war schmerzlich/verletzend nach Meinung derer, die bei mir waren.
Sie (d.h. die begleitenden Skorpione) berieten sich deswegen (oder: über sie).
Sie legten ihr Gift alle zusammen oben auf dem Stachel (wörtl.: Horn) von (dem Skorpion) Tefen(et).
Ein „Schlammmädchen“ öffnete mir ihr Tor, damit man in ihr heruntergekommenes/schäbiges (wörtl.: „mattes“) Haus (oder: in das Haus des Unglücks) eintreten konnte.
[55] Als Tefenet unter den beiden Türflügeln des Tores eingetreten war, stach sie zugleich den Sohn der reichen/mächtigen Frau.
Als Feuer aus dem Haus der reichen/mächtigen Frau heraustrat (oder: im Haus ausgebrochen war), gab es dort kein Wasser, um es zu löschen.
Der Himmel, er gewitterte/regnete im Haus der reichen/mächtigen Frau, (obwohl) es nicht die betreffende Jahreszeit war.
(Weil/Indem) sie mir nicht (die Tür) geöffnet hatte, war ihr Herz (jetzt) betrübt (oder: traurig, krank vor Sorge), indem/wobei (man/sie) nicht wusste, ob er (über)leben würde.
Als sie ihre Stadt im Wehklagen durchstreift hatte, gab es keinen, der auf ihre Stimme herbeigekommen ist.
Mein Herz, das bezüglich des Kleinen deshalb/ihretwegen betrübt (oder: traurig, krank vor Sorge) war, strebte danach, den, der unschuldig (wörtl.: ohne sein Verbrechen) war, wiederzubeleben.
Ich rief zu ihr (mit den Worten):
„Komme zu mir, komme zu mir!
Siehe, mein Mund enthält das Leben (oder: mein (Zauber?)-Spruch ist voller Leben).
Ich bin die Tochter einer Heilerin/Wahrsagerin (wörtl.: eine Wissende) in ihrer Stadt, die die bṯw-Giftschlange (oder: unheilbare Krankheit/Vergiftung) mit ihren Formulierungen vertreibt.
(Und) mein Vater hat mich zum Wissen erzogen.
Ich bin seine geliebte, leibliche Tochter.“
Isis hat ihre Hände auf das nḫn-Kind gelegt, um den mit beengter Kehle (d.h. der in Atemnot war) wiederzubeleben.
(Sie sprach:)
(Oh) Gift der Tefnet, komme!
Geh hinaus auf den Boden!
Du wirst nicht herumziehen und du wirst nicht (in einen Körper) eintreten! (oder: Nicht gibt es dein Herumziehen, nicht gibt es dein Hineingehen.)
(Oh) Gift der Befenet, komme!
Geh hinaus auf den Boden!
Ich bin Isis, die Göttliche, die Herrin der Zauberkraft, die Zauberkraft ausübt, wirksam/effektiv im Sprechen und zutreffend mit Worten.
Auf mich hört jede beißende Ra-Schlange.
Falle hinunter, (oh) Gift der Mestet!
Du wirst nicht herumeilen, (oh) Gift der Mestetef!
Du wirst dich nicht erheben, (oh) Gift der Petet und Tschetet!
Du wirst nicht (irgendwo) hinreisen, [60] 〈(oh) Gift der〉 Matet!
Falle hinunter, Mund der/des Beißenden (?)!
〈ist (?)〉 das (oder: 〈gemäß〉 dem), was Isis, die Göttliche, die mit großer Zauberkraft an der Spitze der Götter, der Geb seine Verklärungssprüche gegeben hat, um das Gift mit ihrer/seiner Macht abzuwehren, gesagt hat.
„Wende dich ab! Ziehe dich zurück! Weiche! Nach hinten mit dir, (oh) Gift!
Springe nicht hinauf!“ gemäß dem (oder: ist das), was die Geliebte des Re, das Ei der Nilgans, die/der aus der Sykomore hervorgegangen ist, sagt.
Siehe also, meine Worte sind in Kraft (wörtl.: angeordnet und gültig) seit der Dunkelheit.
(Und) Ich habe zu euch gesagt:
„Ich bin allein(stehend).
Zerstört/tilgt nicht unseren Namen (d.h. unseren guten Ruf) in den Gauen!
Erkennt keine Schwarz(haarige) sexuell!
Sprecht keine Rot(haarige) an!
Späht keine Edelfrauen in ihren Häusern aus!
Eure Gesichter nach unten auf den Pfad, so dass wir [65] die Verstecke in Chemmis erreichen können!
Oh, es lebe das nḫn-Kind, es sterbe das Gift!
Es lebe Re, es sterbe das Gift!
Dann wird [70] Horus (zwangsläufig) wieder gesund werden für seine Mutter Isis; dann wird der, der einen Biss/Stich hat, ebenfalls (zwangsläufig) wieder gesund werden.
Das Feuer ist (jetzt) gelöscht, der Himmel ist zufriedengestellt/beruhigt wegen des Ausspruchs der Isis, der Göttlichen.
Die reiche/mächtige Frau ist gekommen, damit sie mir ihre Sachen bringt, nachdem sie das Haus (oder: die Totenstiftung?) des „Schlammmädchens“ für den Ka des „Schlammkindes“ (?) gefüllt hat, die mir ihren Stall geöffnet hatte.
Aber die reiche/mächtige Frau leidet an Kummer in der Nacht, während sie allein(gelassen) ist.
Nachdem sie ihren Spruch (bzw. deren Folgen) gespürt (wörtl.: gekostet) hat, indem ihr Sohn gebissen wurde, bringt sie ihre Sachen als Ausgleich für die Tatsache, dass sie mir nicht geöffnet hat.
Oh, es lebe das nḫn-Kind, es sterbe das Gift!
Dann wird Horus (zwangsläufig) wieder gesund werden für seine Mutter Isis; dann wird ein jeder, der einen Biss/Stich hat, ebenfalls (zwangsläufig) wieder gesund werden.
Es ist das Brot aus Emmer, das das/dieses Gift vertreiben wird, damit es sich zurückzieht.
Es ist 〈Salz?〉 und der Gluthauch von Zwiebeln/Knoblauch, der die Flamme/Hitze im Körper vertreiben wird.

1 rḏi̯.n wj sn=j: Laut A. Kucharek, Die Klagelieder von Isis und Nephtys in Texten der Griechisch-Römischen Zeit, Altägyptische Totenliturgien. Band 4, Supplemente zu den Schriften der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 22 (Heidelberg 2010),, 267 ging Isis in die Weberei/Spinnerei, um die Mumienbinden für Osiris herzustellen. Seth hätte sie nicht dorthin „verbannt“, sondern er bzw. seine Tat wäre nur der Auslöser dafür, dass sie dort hineinging.
2 nfr gr pw sḏm: Schon Moret 1915, 260, Anm. 2 hat erkannt, dass hier ein Sprichwort vorliegt. A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 69, Anm. zu M 49 verweist für das Sprichwort auf die Maximen des Ptahhotep (pPrisse 16.5) und auf den Lebensmüden (Z. 67). „Hören“ hat dann die Bedeutung „zuhören“ oder sogar „gehorchen“. ꜥnḫ wꜥ sšm s(w) ky erklärt das Sprichwort und ist als separater Satz zu verstehen. Die Übersetzung von Sternberg-el-Hotabi 1988, 376: „Es ist gut zu hören, daß einer leben wird, wenn ein anderer ihn leitet.“ wird nicht zutreffen. Assmann versteht hingegen ꜥnḫ wꜥ sšm s(w) ky als das Sprichwort und hat es als Überschrift für einen Aufsatz verwendet: J. Assmann, Der Eine lebt, wenn der Andere ihn geleitet. Altägyptische Konzepte vom konnektiven Leben, in: K.-P. Köpping – M. Welker – R. Wiehl (Hrsg.), Die autonome Person – eine europäische Erfindung? (München 2002), 15–28. Auch E. Drioton, Le théâtre égyptien (Le Caire 1942), 83 erkennt in ꜥnḫ wꜥ sšm s(w) ky das Sprichwort (oder in dem Doppelsatz nfr gr pw sḏm/ꜥnḫ wꜥ sšm s(w) ky?).

Spruch 7: Spruch gegen Skorpiongift (Rückseite Z. 71–83)

„(Oh) Isis, Isis, komme zu deinem Horus!1
(Oh) Die, die ihren Spruch kennt, komme zu deinem Sohn!“
– so sagten sie, nämlich die Götter in ihrer (d.h. der Isis) Straße (oder: in ihrem Viertel), so wie, wenn / weil ein ḏꜣr.t-Skorpion ihn gestochen hat (ḏdb Alliteration), ein wḥꜥ.t-Skorpion ihn gepiekst/aufgelöst/eingefangen (?)2 hat (wḥꜥ Alliteration), eine jntš-Tarantel (?)3 ihn abgepasst/aufgelauert (?)4 hat (sjn/sjni̯ Alliteration mit Metathese).
Isis kam heraus, ein msd.t-Kleidungstück (?)5 auf ihrer Brust, indem/nachdem sie ihre Arme ausgebreitet hatte.
Hier bin ich, hier bin ich, mein Sohn [75] Horus!
Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht, (du) Sohn der/einer zaubermächtigen/tüchtigen Frau!
Nicht wird irgendetwas Böses dir geschehen.
(Denn) der Lebenssame (wörtl.: das Wasser)6 in dir gehört Dem, der das, was ist, gemacht hat (d.h. Osiris als Schöpfergott).
Du bist der Sohn Dessen, der in der msq.t-Region (Schwelle zwischen Himmel und Unterwelt) ist,7 der aus dem Nun hervorgekommen ist.
Du wirst nicht sterben in/wegen/an der Hitze des/dieses Giftes.
Du bist der große Phönix, der oben auf den Weiden8 im großen Fürstenhaus in Heliopolis9 geboren wurde.
Du bist der Bruder des Abdju-Fisches, der das, was geschehen wird, ankündigt.
Die Katze(ngöttin) hat dich im Innern des Hauses der Neith aufgezogen.
Die Nilpferdgöttin/Reret und (die Zwergin) Hit bilden den Schutz deines Körpers.
Dein Kopf wird nicht dem Unheil (oder: der Widersacherin)10 [80] in dir zufallen! (oder: Dein Kopf wird nicht herunterfallen wegen der Widersacherin [80] in dir!)11
Dein Körper wird nicht die Hitze deines Gifts aufnehmen!
Du wirst nicht zurückweichen auf dem Land.
Du wirst nicht schwach/elend sein auf dem Wasser.
Keine beißende Ra-Schlange wird Macht über dich haben.
Kein mächtiger Löwe wird sich auf (?) dir abstützen (?, über dir aufbäumen?)12.
Du bist der Sohn des heiligen/abgeschirmten Gottes, der aus Geb hervorgekommen ist.
Du bist Horus.
Das Gift wird keine Macht über deinen Körper haben.
Du bist der Sohn des heiligen/abgeschirmten Gottes, der aus Geb hervorgekommen ist.
Derjenige, der unter einem Biss/Stich (leidet), (ist das) ebenso.
Die vier Schepset-Göttinnen sind (als) der Schutz für deinen Körper.

1 Textparallelen (bislang nur eine Parallele): M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380), 53–55 (Statue Moskau Pushkin Inv. I.1.a.5319, Z. 121–135).
2 wḥꜥ: Verb, das mit dem Messer und dem schlagenden Arm determiniert ist. Bislang nur im Spruch VII der Metternichstele und dort in einer Alliteration zum wḥꜥ.t-Skorpion verwendet. H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. IV (Leipzig 1868), 1708, schlägt „stechen, verwunden“ vor, wobei er das wḥꜥ.t-Tier noch nicht hat bestimmen können: „Scorpion? Tarantel?“. Wb 1, 351.3 gibt keine Übersetzung, sondern umschreibt: „vom stechen des Skorpions“. Ein ähnlich determiniertes Verb wird in Wb 1, 351.4 separat aufgenommen und umschrieben als „vom zerstören eines Grabes“ (verwendet in Edfou I, 173.13–14; von P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 250 mit „to destroy (a tomb)“ übersetzt). Borghouts 1978, 69 übersetzt mit „to sting“ (in der Alliteration „since a stinger had stung him“). Geht das Verb auf dieselbe Wurzel zurück wie die Verben wḥꜥ „lösen“ oder „(Fische und Vögel) fangen“? Sander-Hansen 1956, 45 übersetzt „damit ihretwegen der Skorpion abläßt“, d.h. er erkennt wḥꜥ n=s wḥꜥ.t (mit wḥꜥ als „(sich) lösen (von)“), obwohl der Satz vom Aufbau genau wie ḏdb.n s(w) ḏꜣr.t aussieht. Allen 2005, 62 denkt an das Verb wḥꜥ „(Fische und Vögel) fangen“, denn er übersetzt „a spiny scorpion has hunted him.“
3 jntš: Ein beißendes oder stechendes, giftiges Tier, weder ein Skorpion (Tierfelldeterminativ auf der Metternichstele, Z. 73, kein Skorpiondeterminativ, wie die beiden vorangegangenen Tiere ḏꜣr.t und wḥꜥ.t), noch eine Schlange (Metternichstele, Z. 133: Tierfelldeterminativ, kein Schlangendeterminativ). Es gehört zu den Tieren, die mit ihrem Mund beißen (pzḥ) oder mit ihrem Schwanz stechen (ḏdb) (Metternichstele, Z. 133). Laut pChester Beatty XI, Rto, Fragm. E.1 (jntš mit Tierfelldeterminativ) gibt es Gift (mtw.t) von seinem Stich/Biss (ḏdb). Auf dem Brooklyner Schlangenpapyrus hat j〈n〉tš ein Tierfelldeterminativ, so wie dort auch der wḥꜥ.t-Skorpion (S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989), 53, § 39, Z. 2.17). Auf einem anderen Brooklyner Papyrus (pWilbour 47.218.138) ist jntš mit Schlangendeterminativ versehen, so wie die ḥfꜣ-Schlange und das ḏdf.t-Gewürm, und hat der Magier das Maul () dieser Tiere verschlossen (J.-C. Goyon, Le recueil de prophylaxie contre les agressions des animaux venimeux du Musée de Brooklyn. Papyrus Wilbour 47.218.138, Studien zur spätägyptischen Religion 5 (Wiesbaden 2012), 53, Z. x+VIII, 20). Diese Informationen reichen nicht aus, um das Tier genauer zu identifizieren. Deshalb sind alle Übersetzungsvorschläge nur unbewiesene Hypothesen: A. H. Gardiner, The library of A. Chester Beatty. Description of a hieratic papyrus with a mythological story, love-songs, and other miscellaneous texts, The Chester Beatty Papyri 1 (London 1931), 119 hat an eine Tarantel oder einen Hundertfüßer gedacht („possibly a tarantula or centipede“). Letzteres würde zum Schlangendeterminativ für wurmähnliche Tiere passen. S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989), 54, Anm. 5 erwägt auf der Grundlage von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Autoren und Reisenden sowohl eine spezielle Art von Skorpion namens djerrarah (s. dazu J. Théodoridès, Les sciences naturelles et particuliérement la zoologie dans le „Traité des Poissons“ de Maimonide, in: Revue d’histoire de la médecine hébraïque 31, 1956, 87104 = G. Freudenthal – S. Kottek, Mélanges d’histoire de la médecine hébraïque. Etudes choisies de la „Revue d’histoire de la médecine hébraïque“ (1948–1985) (Leiden 2003), 62–63) als auch eine der vielen Arten von Spinnen („araignée“), z.B. die Tarantel (beide vorgeschlagenen Arten gehören zur Klasse der Arachniden/Spinnentiere). Sauneron hat auch an einen Tausendfüßer gedacht, aber meint, dass dieser schon unter dem Namen spꜣ belegt ist. Für J.-C. Goyon, Le recueil de prophylaxie contre les agressions des animaux venimeux du Musée de Brooklyn. Papyrus Wilbour 47.218.138, Studien zur spätägyptischen Religion 5 (Wiesbaden 2012), 55, Anm. 6 ist es ein Spinnentier („un insecte venimeux de la famille des arachnides“). Borghouts 1978, 69 übersetzt mit „spider (?)“. W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I 36,1 (Leiden/Boston/Köln 1999), 251: „Tarantel“ (ohne Fragezeichen). H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. I (Leipzig 1867), 93 hat als Erster das Wort in einem Wörterbuch aufgenommen, nach der Quelle der Metternichstele: „ein giftiges Thier, dessen Wirkung der Mensch ausgesetzt war und das mit dem Scorpion zusammengestellt wird“. Wb 1, 102.12: „ein böses Tier (neben Schlange und Skorpion)“.
4 sjni̯: Ist mit den Beinchen determiniert, d.h. es ist ein Bewegungsverb. Es wird analog zu ḏdb ~ ḏꜣr.t und wḥꜥ ~ wḥꜥ.t in der (weniger gelungenen) Alliteration =s jn(tš) oder in der Alliteration mit Metathese sjn ~ jntš verwendet. Es gibt zwei mit den Beinchen geschriebene Verben: sjn: „eilen“ und s:jni̯ „warten“ (kaus. III-Inf.). Wb 4, 38.6 hat die Stelle der Metternichstele beim Verb s:jni̯ „warten“ eingetragen, mit der kontextuellen Angabe „vom Skorpion der auf den Vorbeigehenden lauert“ (von „warten“ > „auf jem. warten“ > „auflauern“). Ähnlich Borghouts 1978, 69: „since a spider (?) had lain in waiting for him“. Andere Forscher arbeiten mit dem Verb „eilen“. Sander-Hansen 1956, 45 übersetzt „damit ihretwegen Inteschet sich schnell davonmacht“, d.h. er erkennt sjn n=s jntš mit dem Verb sjn „eilen“, obwohl der Satz vom Aufbau genau wie ḏdb.n s(w) ḏꜣr.t aussieht. Auch Moret 1915, 265 scheint irgendwie mit sjn „eilen“ zu arbeiten: „(celui) que l’animal Intesh a fait s’enfuir“ („eilen“ > „eilen weg von“ = „fliehen“). Noch andere Übersetzungen arbeiten mit „sich nähern“ oder „herbeikriechen“, was nicht als Übersetzung von sjn „eilen“ in den Wörterbüchern registriert ist: Sternberg-el-Hotabi 1988, 379: „ein Intesch-Tier hat sich ihm genähert.“ („eilen“ > „herbeieilen“ > „sich nähern“?). Das gleiche gilt für E. Drioton, Le théâtre égyptien (Le Caire 1942), 89: „sur qui un insecte venimeux a rampé.“ An ein ganz anderes Verb denkt Allen 2005, 62: „an insect has rubbed him“, d.h. er erkennt das Verb zjn: „reiben“, das normalerweise nicht mit den Beinchen determiniert ist.
5 msd: Ist mit einem Messer und dem schlagenden Arm determiniert, was zu einem Verb passt. Allerdings gibt es kein entsprechendes Verb (nur msd, Wb 2, 152.13 „bekleiden“ mit dem Strick V6 nach Edfou I, 176.11–12: 4 jnp.w msd ḥꜥ.w n.j Bꜣ-dmḏ: „vier Anubisgötter, die den Körper des Vereinten Bas bekleiden“). Die Textparallele auf einer Statue in Moskau hat die Determinative Kreuz, Strick und schlagenden Arm (M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380), 50, Z. 125: Aa15:O34:D46-Z9*V6:D40). Sander-Hansen 1956, 45 kommentiert: das Messer-Determinativ könnte von mds: „gewalttätig“ (Verwirrung msd ~ mds) stammen, aber eine solche Bedeutung passt nicht zu der Präposition ḥr. Er vermutet eher, dass etwas „auf“ der Brust liegt, weshalb er statt eines Verbs an das Substantiv msd.t „ein Kleidungsstück“ (Wb 2, 152.12) denkt: „Möge Isis kommen, das msd(.t)-Kleid auf ihrer Brust“. DZA 30.176.780 bietet keine Lesung an. Alle jüngeren Übersetzungen folgen Sander-Hansen: Borghouts 1978, 69: „Isis went forth with a msḏ-cloth on her breast.“ Sternberg-el-Hotabi 1988, 379: „Isis (aber) trat hervor mit dem Mesedet-Tuch an ihrer Brust.“ Allen 2005, 62: „Isis came, a mesh shirt on her chest.“ Das msd.t-Gewand wird von J. P. Allen, The Ancient Egyptian Pyramid Texts, Writings from the Ancient World 23 (Atlanta/Leiden 2005), 2005, 52 mit „tailed kilt“ übersetzt („der mit einem Stierschwanz versehene Schurz“ – m-Instrumentalis + sd „Schwanz“).
In den frühen Übersetzungen wird in Präposition m und Verb oder Substantiv sd aufgespalten. H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung und Folge den Wortschatz der heiligen- und der Volks-Sprache und -Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung der einzelnen Stämme und der davon abgeleiteten Formen unter Hinweis auf ihre Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. IV (Leipzig 1868), 1402 s.v. šnb.t hat aufgespalten in Präposition m und Verb sd: „es zeigte sich Isis indem sie öffnete den Anblick ihres Leibes.“ (Brugsch denkt an das Verb sḏ „zerbrechen“, das er noch als „öffnen“ übersetzt). Golenischeff 1877, 10 geht ähnlich vor, aber übersetzt sd ein wenig anders: „es kommt Isis, sich ausstreckend in ihrem Leibe.“ (ebenfalls mit einer veralteten Bedeutung von sḏ „zerbrechen“). Moret 1915, 265 hat: „Et Isis sort avec un couteau (?) sur sa poitrine“, was zu einer Lesung m ds (und nicht m sd) passen würde. Bei E. Drioton, Le théâtre égyptien (Le Caire 1942), 89 findet man: „Isis sort comme blessée à la gorge.“ Wb 4, 365.13 hat ein eigenes Lemma śd mit dem Kommentar „in der Verbindung m śd ḥr šnb.t: von der betrübten Isis“ (Beleg DZA 28.791.340: „unklar“).
6 mw: Die Übersetzung „Same“ schon bei Golenischeff 1877, 10; Möller 1900 (DZA 23.949.590); Moret 1915, 265; Wb 2, 52.11 (DZA 23.949.590). Borghouts 1978, 69: „the seed embodied in you is of the one who created that which exists“. Allen 2005, 62: „The water of him who made what exists is in you.“
7 ntk zꜣ: Abweichend: Borghouts 1978, 70: „You are my son in the heavenly region (msq.t).“ Ebenso Sternberg-el-Hotabi 1988, 379: „Du bist mein Sohn, der sich in der Meseket-Himmelsgegend aufhält“.
8 ṯr.t: Sander-Hansen 1956, 45 liest „Röhricht“, d.h. twr. Ebenso Allen 2005, 62–63: „You are the big heron that was born on top of the reeds“. Für die Identifikation von ṯr.t als „Weide“ und für den Zusammenhang mit dem Phoenix in Heliopolis, siehe u.a. L. Keimer, L’arbre ṯr.t Tr.t2 est-il réellement le saule égyptien (Salix safsaf Forsk.)?, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 31, 1931, 117–237, hier: 190. Vgl. in einem Buch vom Atmen: bnw nṯr.j ḥr.j-tp ṯr.wt: F.-R. Herbin, Une nouvelle page du Livre des Respirations, in: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 84, 249–302, hier: 258 und 280–281.
9 Ḥw.t-sr wr(.t) m Jwn.w: Borghouts 1978, 70 übersetzt „the house of the Great Magistrate in Heliopolis“, d.h. ḥw.t sr wr m Jwn.w. Allen 2005, 63: „the great Official’s Enclave in Heliopolis.“ D. Raue, Heliopolis und das Haus des Re. Eine Prosopographie und ein Typonym im Neuen Reich, Abhandlungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo. Ägyptologische Reihe 16 (Berlin 1999), 346, Anm. 4: „großes Ḥw.t-sr in Heliopolis“.
10 ḏꜣi̯ oder ḏꜣ.t: Sander-Hansen 1956, 45 übersetzt mit „Widersacherin“. Allerdings vermerkt Wb 5, 518 dass ḏꜣy.t „Widersacherin“ nur in Verbindung mit dem männlichen „Widersacher“ vorkommt, weshalb hier eher das Substantiv „Widersetzlichkeit; Unheil, Böses“ vorliegen wird. Das feminine Substantiv würde sich dann auf mtw.t „Gift“ beziehen, das implizit im gestochenen Kind vorhanden ist. Andere Übersetzungen gehen von einem Maskulinum oder einem substantivierten Partizip aus: Wb 5, 514.17 (DZA 31.536.970) selbst trägt den Beleg unter dem Lemma ḏꜣi̯ ein: „sich feindlich einer Person (mit m) in den Weg stellen“, d.h. Partizip + Präposition m. Allen 2005, 63: „your head will not fall to one who crosses you.“ M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380), 55: „Dein Kopf soll niemandem, der sich dir in den Weg stellt, anheimfallen.“ (n(n) ḫr tp =k n ḏꜣi̯ jm=k). Abweichend mit Substantiv + Präposition m „in“. Borghouts 1978, 70: „Your head will not sink down on account of an opponent in you.“ Sternberg-el-Hotabi 1988, 379: „Dein Kopf wird nicht durch den Feind fallen, der in dir ist.“
11 ḫr n: Bedeutet laut Wb „fallen wegen“; „fallen zu/an“ wäre ḫr r. Borghouts 1978, 70: „Your head will not sink down on account of an opponent in you.“ Anders Allen 2005, 63: „your head will not fall to one who crosses you“ und M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380), 55: „Dein Kopf soll niemanden, der sich dir in den Weg stellt, anheimfallen.“ (n(n) ḫr tp =k n ḏꜣi̯ jm=k).
12 rhn: Borghouts 1978, 70 nimmt das gängige Verb rhn „sich stützen auf“, daher „to stoop over“: „no powerfull lion will stoop (? rhn) over you“. Ähnlich Sternberg-el-Hotabi 1988, 379: „kein mächtiger Löwe wird dich überwältigen (?).“ Laut Wb 2, 440.4–6 wäre die erforderliche Präposition jedoch ḥr und nicht m. Wb 2, 440.11 trägt den Beleg unter einem anderen Lemma rhn ein: „(keinen) Erfolg haben bei ... (?)“ = DZA 26.001.500 (Möller: „Nicht macht irgend ein Löwe, der śḫm ist, rhn mit dir“). Sander-Hansen 1956, 46 nennt rhn einen Schreibfehler für dhn, aber zugleich meint er, dass die gängigen Bedeutungen von dhn als „einsetzen, ernennen“ hier nicht passen. Daher seine Übersetzung: „Kein Löwe soll Macht über dich behaupten“. Entsprechend hat Allen 2005, 63: „no lion will exercise control of you.“ Außerdem nimmt Sander-Hansen an, dass sḫm nicht Attribut von „Löwe“ (sḫm als attributives Partizip) sein kann, weil das problematische rhn/dhn nicht mit m gebildet wird, sondern Objekt von dhn sein muss (sḫm als Substantiv); dagegen ist einzuwenden, dass mꜣy nb sḫm parallel zu rʾ nb pzḥ konstruiert ist. Auf der Statue von Moskau ist der Satz anders formuliert: M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380), 55: nn {hs}〈ḥsꜣ〉 ḥr n(.j) mꜣy nb 〈m〉 ḫsf〈=k〉: „Kein Löwe ist grimmig, wenn er dich trifft“.

Spruch 8: Spruch des Sonnengottes gegen einen Schlangenbiss (Rückseite Z. 83–86)

Er geht auf am Himmel, er geht unter in die Unterwelt; seine Gestalt befindet sich im Hohen(?) Haus1.
Öffnet er sein Auge, so entsteht das Licht.
Schließt er es, so entsteht die Dunkelheit.
Die Flut (geschieht) gemäß seinem Befehl. (oder: Hapi/Die Überschwemmung fließt gemäß seinem Befehl.)
(Und doch:) Die Götter kennen seinen Namen nicht.
Ich bin der, der die Beiden Länder erhellt, der die Dunkelheit vertreibt, der täglich (wieder) aufgeht.
Ich bin der Stier des Ostgebirges, der Löwe des Westgebirges, der den (fernen) Himmel täglich überquert, ohne dass er angehalten/zurückgewiesen wird (wörtl.: ohne dass es sein Aufhalten gibt).
Ich bin wegen [85] der Stimme des Sohnes der Isis gekommen.2
Siehe, die (glatte) kꜣ-nꜥw-Schlange / Stierschlange3 hat zugebissen.
{Erblinde} 〈Fließ aus〉4, (du) Gift!
Weiche aus jedem Glied des Gebissenen (wörtl.: dessen mit dem Biss)!
Komme auf den Boden!
Der mit der Stich-/Bissverletzung ist nicht (wirklich) der, den du gebissen hast.
Min, der Herr von Koptos, der Sohn der Weißen Sau, die in Heliopolis ist, ist derjenige, der gebissen wurde.
Oh Min, Herr von Koptos, gib Atemluft dem, der eine Stich-/Bissverletzung hat, damit man (auch) dir Atemluft gibt.

1 ḥw.t-qꜣ: Sander-Hansen 1956, 48 erkennt „das Haus des Urhügels“ („Urhügel“ = qꜣy/qꜣꜣ/qꜣ.w) (gefolgt von Sternberg-el-Hotabi 1988, 379). Borghouts 1978, 71 mit Anm. 250 liest ḥw.t-ḳꜣ.t „the High House“, das für ihn eine Bezeichnung des Himmels ist (die Übersetzung „Hohes Haus“ schon bei Golenischeff 1877und Moret 1915). D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 2. 1978, 2. Auflage (Paris 1998), 78.2533 übernimmt die Angabe von Borghouts, setzt aber bei „Himmel“ ein Fragezeichen. Auf dem geographischen Papyrus von Tanis wird ein ḥw.t-qꜣy „Haus des Hochackers“ als Name des Fruchtlandes des 14. (?) Gaues von Unterägypten genannt: C. Leitz, Die Gaumonographien in Edfu und ihre Papyrusvarianten, Studien zur spätägyptischen Religion 9, 2 Bände (Wiesbaden 2014), 470. H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques IV (Le Caire 1927), 135 listet ein ḥw.t-qꜣ(.t) im 20. Gau von Unterägypten (dem Ostgau). Seine Quelle ist Dendara X, 90.12 mit Taf. 42 (zitiert nach der älteren Edition von J. Dümichen, Geographische Inschriften altägyptischer Denkmäler III (Leipzig 1885), Taf. 51). Hier bringt Sopdu, der Herr des Ostens, als Vertreter des Ostgaus (20. u.äg. Gau) Türkis aus ḥw.t-qꜣ(.t) für Osiris, was von Cauville als „le Temple-haut“ übersetzt wird. H. Brugsch, Dictionnaire géographique de l’ancienne Égypte. Contenant par ordre alphabétique la nomenclature comparée des noms propres géographiques qui se rencontrent sur les monuments et dans les papyrus, notamment les noms des préfectures et de leurs chefs-lieux, des temples et sanctuaires, des villes, bourghs et nécropoles, des mers, du Nil et de ses embouchures, des lacs, marais, canaux, bassins et ports, des vallées, grottes, montagnes, des îles et îlots, etc (Leipzig 1879–1880), 815 hatte diesen Ort ursprünglich als Name für Dendara eingestuft, aber er korrigierte dies in H. Brugsch, Dictionnaire géographique de l’ancienne Égypte. Contenant par ordre alphabétique la nomenclature comparée des noms propres géographiques qui se rencontrent sur les monuments et dans les papyrus, notamment les noms des préfectures et de leurs chefs-lieux, des temples et sanctuaires, des villes, bourghs et nécropoles, des mers, du Nil et de ses embouchures, des lacs, marais, canaux, bassins et ports, des vallées, grottes, montagnes, des îles et îlots, etc (Leipzig 1879–1880), 1339 (Korrektur zu 815): Ḥw.t-qꜣ.t ist der Name eines Ortes im Arabischen Gau, „probablement près des mines des pierres vertes (mafek) du Mont Sinaï“. In einem Tempel von Taharqa in Karnak (R. A. Parker – J. Leclant – J. C. Goyon, The edifice of Taharqa by the sacred lake of Karnak, Brown Egyptological Studies 8 (Providence 1979), 67, Anm. 32 und Taf. 26.11) wird ein Semati-Priester des ḥw.t-qꜣ.t im Zusammenhang mit dem Gott Sopdu genannt (I. W. Schumacher, Der Gott Sopdu. Der Herr der Fremdländer, Orbis Biblicus et Orientalis 79 (Freiburg, Göttingen 1988), 141 und 301). Ein Toponym im Osten würde zum Entstehen des Sonnengottes passen (~ ḫpr als Verb, ḫpr.w „Gestalt“).
2 ḫrw zꜣ Ꜣs.t: „die Stimme des Sohnes der Isis“: so Golenischeff 1877, Möller 1900, Moret 1915, Roeder 1915, Lexa 1925, Sander-Hansen 1956. Seit Borghouts 1978 findet sich in den jüngeren Übersetzungen (Sternberg-el-Hotabi 1988, Allen 2005): „Ich bin auf die Stimme meiner Tochter Isis gekommen“, aber dann müsste zu ḫrw zꜣ〈.t=j〉 Ꜣs.t emendiert werden. Die anschließende direkte Rede passt tatsächlich besser aus dem Mund der Isis als aus dem Mund des Horus.
3 Eine kꜣ-nꜥy-Schlange wird im Brooklyner Schlangenpapyrus in einem zerstörten Zusammenhang und in einem Rezept gegen ihren Biss erwähnt (pBrooklyn 47.218.48+85, Kol. 1.15 und 4.4): S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989), 7, § 14; 83, § 57; 147–148. S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989), 147–148 versucht die kꜣ-nꜥy-Schlange zu identifizieren, aber die Quellen erlauben nur die Definition „une variété de cobra“ und „un élapidé de grande taille, à la morsure dangereuse“. Er möchte den Namen kꜣ-nꜥy aufspalten als „der Stier (d.h. das Männchen) der nꜥy-Schlange“. Sauneron erwähnt die Textstelle der Metternichstele nicht. C. Leitz, Die Schlangennamen in den ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse 6 (Stuttgart 1997), 138, § 31 übersetzt und kommentiert § 14 von Sauneron, er behandelt die zweite Textstelle jedoch nicht und liefert keinen Identifikationsvorschlag. Allerdings stellt er (indirekt) die Identifikation als eine Art Kobra in Frage, denn die Symptome passen nicht und der Biss ist nicht tödlich. D. Meeks, Mots sans suite ou notations rituelles? (O. DeM 1696 et O. Petrie 36), in: R. J. Demarée – A. Egberts (Hrsg.) Deir el-Medina in the Third Millennium AD. A Tribute to Jac. J. Janssen, Egyptologische Uitgaven 14 (Leiden 2000), 235–249, hier: 243 übernimmt die Definition von Sauneron: „une variété de cobra de bonne taille et à la morsure redoutable; (...) légendaire longevité“.
M. Massiera, Les divinités ophidiennes Nâou, Néhebkaou et le fonctionnement des „kaou“ d’après les premiers corpus funéraires de l’Égypte ancienne, Archéologie et Préhistoire. Université Paul Valéry – Montpellier III (Montpellier 2013), nennt zwar Z. 85 der Metternichstele in ihrem Index (p. 421), sie behandelt jedoch nur die Nehebkau-Schlange aus Z. 21. In ihrem Kapitel zur nꜥy-Schlange weicht sie von der Definition von Sauneron (und Meeks) ab. Sie misst den nꜥw-Belegen zum Thema „umkreisen“ (šni̯) sowie einem Zusammenhang mit Wasser eine größere Bedeutung als Sauneron zu und erwägt die Identifikation als wasserliebende Würgeschlange, konkret Python Sebae. Diese ist aber nicht in Ägypten belegt bzw. wäre dort schon am Ende der Prädynastischen Zeit verschwunden und nur noch in Nubien zu finden (M. Massiera, Les divinités ophidiennes Nâou, Néhebkaou et le fonctionnement des „kaou“ d’après les premiers corpus funéraires de l’Égypte ancienne, Archéologie et Préhistoire. Université Paul Valéry – Montpellier III (Montpellier 2013), 94–104). Erwägungen zur Identifikation als Python finden sich schon bei Sethe (Übersetzung und Kommentar zu den altägyptischen Pyramidentexten 1. Spruch 213 – 260 (§§ 134 a – 322 a/b) (Hamburg 1935), 175) und Faulkner (The Ancient Egyptian Pyramid Texts, 2 Bd. (Oxford 1969), 53). S. H. Aufrère, Serpents, magie et hiéroglyphes. Études sur les noms d’ophidiens d’un ensemble de cippes d’Horus de Thèbes et d’ailleurs (époque libyenne), in: Égypte Nilotique et Méditerranéenne 6, 2013, 93–122, hier: 107–109, 113 erwähnt die kꜣ-nꜥi̯-Schlange auf einer Horusstele, wo das Element nꜥi̯ mit den Beinchen determiniert ist, und liefert einige weitere Belege für die kꜣ-nꜥy-Schlange in Texten von Edfu und auf der Statue Tyszkiewicz, aber er versucht keine Identifikation.
4 šp: „blind sein; blind machen“. In den älteren Übersetzungen ist šp ein Adjektiv zu nꜥw: „die blinde nꜥw-Schange“ (so Golenischeff 1877, Möller 1900, Moret 1915, Roeder 1915, Lexa 1925), aber die nꜥw-Schange wird in keinem anderen Text geblendet. Sander-Hansen 1956 erwägt deshalb eine andere Übersetzung „Oh Schlange, werde blind.“ Eine Alternative ist, šp: „blind sein; blind machen“ als einen Schreibfehler für šp: „ausfließen“ aufzufassen. In den magischen Texten wird oft vom Gift gesagt, dass es ausfließen muss (z.B. in der Metternichstele Z. 3: šp.t tꜣ mtw.t mj.t pri̯ ḥr tꜣ „Fließ aus, (du) Gift! Komm, geh hinaus auf den Boden!“; Z. 8: šp=k ḫft.j ꜥn.t tꜣ mtw.t „Du sollst ausfließen, (du) Feind. Wende dich ab, (du) Gift!“)? Diese Lösung bei Borghouts 1978, 71 („Break out, poison“) und Sternberg-el-Hotabi 1988, 380 („Fließ aus, Gift!“).

Kolophon (Rückseite Z. 87–88)

Es ist der Gottesvater und Prophet des (Gottes) Nebwen1 (namens) Nesatum, Sohn des Gottesvaters und Propheten des Nebwen1, des Schreibers der Flut (oder: Schreiber dessen, was die Flut bewässert), Anch-Psammetichos, den die Hausherrin Tanethutnebu geboren hat, der dieses Schriftstück erneuert hat, nachdem er es aus dem Tempel des Osiris-Mnevis entfernt vorgefunden hat, aus dem Wunsch heraus, den Namen eines Mannes wiederzubeleben (oder: am Leben zu erhalten), den der Tod oder jegliches/irgendein göttliches Unheil erreicht hat2, (sowie) dem, der in Atemnot ist, Atemluft zu geben, (und) aus dem Wunsch heraus, die Verwandtschaft aller Götter wiederzubeleben (oder: am Leben zu erhalten).
Daraufhin verlängerte sein Herr, Osiris-Mnevis, seine Lebensdauer in Freude.
(Und er gab ihm) ein schönes Begräbnis nach dem Alter wegen dessen, was er für den Tempel des Osiris-Mnevis getan hatte.

1 Nb-wn: Sonst unbekannter Gott (C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002), 613a), dessen Name wegen der Kurzschreibung unterschiedlich interpretiert werden kann. Borghouts 1978, 71 übersetzt mit „the master of the light“ (d.h. nb-wnj/wyn), Allen 2005, 63 mit „the Lord of Existence“ (etwa nb-wnn). Sander-Hansen 1956, 49 denkt, dass es ein Name für Osiris-Mnevis ist.
2 spḥ: Das Verb spḥ wird in Wb 4, 105.16 versuchsweise als „(den Tod) hinausschieben o.ä.“ übersetzt (so schon Möller, DZA 50.041.380 [mit Fragezeichen]; ähnlich Sander-Hansen 1956, 48: „damit ihr Name erhalten werde, damit ihr der Tod und jedes Leid, dass Gott verhängt, hinaufgeschoben werde“). Es findet sich schon im Grab des Rechmire und wird dort ganz anders übersetzt: R. O. Faulkner, A Consice Dictionary of Middle Egyptian (Oxford 1962), 223: „to attain“ (Ref.: K. Sethe, Urkunden der 18. Dynastie [IV,937-1226], Urkunden des Ägyptischen Altertums IV/13-16 (Leipzig 1908–1909), 1091.13 = DZA 29.150.700 = E. Dziobek, Denkmäler des Vezirs User-Amun, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 18 (Heidelberg 1998), 61); R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 750: „gelangen zu (n)“.

Spruch 9: Thoth rettet den gestochenen Horus (linke Schmalseite Z. 89–100)

Horus wurde im Feld von Heliopolis1 an der Nordseite von (dem Ort/Viertel) [90] Hetepet2 gebissen, während seine Mutter Isis in (dem Ort/Viertel) „Die Oberen Häuser“3 war und eine Libation für ihren Bruder Osiris machte.
Horus erhob (wörtl.: stieß) seine Stimme zum Horizont.
„Hört auf mich, (ihr,) die beim Phönix seid!“ (oder: Es hörte der, der ein Phönix war (und er sagte:))4
Springt doch auf, (ihr) Torwächter, die (ihr) beim prächtigen Ischedbaum seid, wegen der Stimme des Horus!
Stoßt seinetwegen einen Klageschrei aus!
Befehlt dem Himmel, damit Horus gesund wird [95] und damit er im Leben geschützt wird.
Veranlasst, dass man meinem 〈Herrn〉 (?) Isden5, der in Hügel-des-Bauens6 ist, sagt:
„Liegst Du denn (jetzt) im Bett? (oder: Schläfst Du denn (jetzt)?)
Tritt ein beim Herrn des Schlafes!“, (denn) man zerquetscht (?) meinen (?) Sohn Horus. Zweimal.
Hole dir alle Sachen dort, um das Gift abzuschlachten, das in jedem Glied des [100] Horus, Sohn der Isis, ist, und das ebenfalls in jedem Glied des Gebissenen/Gestochenen ist.

1 sḫ,t Jwn,w: Laut J. Vandier d’Abbadie, Les singes familiers dans l’ancienne Égypte (Peintures et bas-reliefs). II. Le Moyen Empire, in: Revue d’égyptologie 17, 1965, 177188, hier: 164 vielleicht eine andere Bezeichnung von Šn-qbḥw; H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques V (Le Caire 1928), 51: „terrain du nome Héliopolite, situé au nord de la ville Ḥtp.t et sur lequel Horus avait été piqué par un scorpion“ (nur Metternichstele = H. Brugsch, Dictionnaire géographique de l’ancienne Égypte. Contenant par ordre alphabétique la nomenclature comparée des noms propres géographiques qui se rencontrent sur les monuments et dans les papyrus, notamment les noms des préfectures et de leurs chefs-lieux, des temples et sanctuaires, des villes, bourghs et nécropoles, des mers, du Nil et de ses embouchures, des lacs, marais, canaux, bassins et ports, des vallées, grottes, montagnes, des îles et îlots, etc (Leipzig 1879–1880), 1101–1102).
2 Ḥtp.t: J. Vandier, Iousâas et (Hathor)-Nébet-Hétépet. Revue d'égyptologie 16, 55–146, hier: 61–65; J. Vandier d’Abbadie, Les singes familiers dans l’ancienne Égypte (Peintures et bas-reliefs). II. Le Moyen Empire, in: Revue d’égyptologie 17, 1965, 177188, hier: 122, 141–150, 164–166; R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 1174 {42194}: Hetepet (e. Ort bei Heliopolis). Die Textstelle der Metternichstele ist Quelle B.XX von J. Vandier, Iousâas et (Hathor)-Nébet-Hétépet. Revue d'égyptologie 16, 55–146, hier: 65; er wertet die geographischen Angaben kurz aus in: J. Vandier d’Abbadie, Les singes familiers dans l’ancienne Égypte (Peintures et bas-reliefs). II. Le Moyen Empire, in: Revue d’égyptologie 17, 1965, 177188, hier: 164. F. Gomaà, Die Besiedlung Ägyptens während des Mittleren Reiches II. Unterägypten und die angrenzenden Gebiete, Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Beihefte 66.2 (Wiesbaden 1987), 190: in unmittelbarer Nähe von Heliopolis und vermutlich mit dem Ortsnamen Jw=s-ꜥꜣ=s identisch. K. Zibelius, Ägyptische Siedlungen nach Texten des alten Reiches, Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Beihefte 19 (Wiesbaden 1978), 29 und 175–176; H. Brunner, s.v. Iu(e)s-aes, in: Lexikon der Ägyptologie III, 1980, 217–218, hier: 217; G. Björkman, s.v. Hetepet, in: Lexikon der Ägyptologie II, 1977, 1171–1172.
3 pr.w-ḥr.jw: Wb I, 515.13: „Bez. einer heiligen Stätte bei Heliopolis (mit Bezug auf Osiris)“; H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques II (Le Caire 1925), 68; C. Kuentz, Le chapitre 106 du Livre des Morts. A propos d’une stèle de basse époque, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 30, 1931, 817–880, hier: 849–850; F. Gomaà, Die Besiedlung Ägyptens während des Mittleren Reiches II. Unterägypten und die angrenzenden Gebiete, Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Beihefte 66.2 (Wiesbaden 1987), 189–190; R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 1143 {41525}: „die oberen Häuser“ (vielleicht Kultstätten in der Nähe von Heliopolis). Ist laut J. Vandier d’Abbadie, Les singes familiers dans l’ancienne Égypte (Peintures et bas-reliefs). II. Le Moyen Empire, in: Revue d’égyptologie 17, 1965, 177188, hier: 164 identisch mit den beiden Orten Menset.
4 sḏm n jm.jw bnw: Es gibt unterschiedliche Lesungen:
(1) sḏm.n jm.j-wbn (Möller, DZA 50.041.390: „es hörte der im wbn“; ebenso Sander-Hansen 1956, 50: „es hörte der ı͗mj-wbn“; Allen 2005, 59: „and He in the Rising heard“);
(2) sḏm.n jm.j.w bnw (Roeder 1915, 91: „und die Bewohner des Himmels hörten (ihn)“);
(3) sḏm n=j jm.j.w bnw/〈w〉bn〈.t〉 (Borghouts 1978, 70: „Listen to me (Anm. 113: Isis), you who belong to the heron (ı͗my.w bnw)!“ und Anm. 247: „who are in the place of rising (ı͗my.w 〈w〉bn〈.t〉)“.
5 pꜣy =j Jstn: Borghouts 1978, 70 denkt, dass nb „Herr“ ausgefallen ist, weil Isden normalerweise als Göttername kein Possessivpronomen bekommt. Er bezieht =j in sḏm n=j (Z. 92) laut Anm. 113 auf Isis und das würde hier von der Orthographie mit Hieroglyphe B7C auch gut passen.
6 m jꜣ.t-⸮ḫwsi̯?: Erst Sander-Hansen 1956, 50 hat eine Lesung für diese Ortsbezeichnung vorgeschlagen: ı͗ꜣ.t ḫws.t und „im Distrikte ḫws“. Die Bearbeiter vor ihm haben den Satz mit jꜣ.t beendet und mit der nächsten Hieroglyphe, die wie A10 (aber mit einem langen Ruder) oder A34 aussieht, den nächsten Satz angefangen. Sander-Hansens Lesung wird gefolgt von Borghouts 1978, 70: „in I͗ꜣ.t-ḫwsı͗“; Sternberg-el-Hotabi 1988, 372: „in Iat-Husi“; Allen 2005, 59: „in Builder’s Mound“.

Spruch 10: Text A, Anbetung des Horus zur Beschwörung von gefährlichen Tieren (linke Schmalseite Z. 101–125)

Das Verehren des Horus, um ihn zu verklären/verherrlichen.
Zu sprechen auf dem Wasser und auf dem Land.
Worte zu sprechen durch Thoth, den Retter dieses Gottes (oder: der für? diesen Gott bespricht/beschwört)1.
Sei gegrüßt, du Gott, Sohn eines Gottes.
Sei gegrüßt, du Erbe, Sohn eines Erben.
Sei gegrüßt, du Stier, Sohn eines Stieres, den die [105] göttliche Kuh geboren hat.
Sei gegrüßt, du Horus, der aus Osiris hervorgegangen ist, den Isis, die Göttliche/Göttin, geboren hat.
Rezitiere für mich mit deiner Magie!
Besprich für mich mit deinen Zaubersprüchen2!
Beschwöre für mich mit deinen Worten, die dein Herz erschaffen hat!
Es sind deine/alle Formeln, die aus deinem Mund hervorgekommen sind, [110] die dein (Groß)-Vater Geb dir anvertraut hat, die deine (Groß)-Mutter Nut dir gegeben hat.
Deine Majestät wurde in Letopolis unterrichtet (?),3 um deinen zꜣ-Schutz zu bereiten, um deine mk.t-Protektion/Sicherheit zu wiederholen, um das Maul von jedem giftigen Gewürm zu verschließen, das in der Luft (wörtl.: im Himmel) ist, das auf dem Land ist, das im Wasser ist, um die Menschen wiederzubeleben, um die Götter zufriedenzustellen, um Re [115] mit deinen Lobpreisungen/Gebeten zu verklären.
Komme zu mir, schnell, schnell, an diesem Tag (oder: heute), so wie es für dich derjenige tut, der im Gottesschiff rudert.4
Mögest du für 〈mich〉 jeden Löwen in der Wüste, alle Krokodile im Fluss, jedes beißende (Schlangen)Maul in seiner Höhle abwehren.
Mögest du sie mir machen wie einen Kieselstein des Gebirges (oder: im Gebirge), wie das Bruchstück eines Topfes (= eine Topfscherbe) auf/entlang der Straße.
Mögest du mir das/dieses (hier vorliegende) aufgesprungene/pulsierende (?)5 Gift beschwören6, [120] das in jedem Glied des Gebissenen/Gestochenen (Patienten) ist.
Hüte dich, dass deine Worte deswegen (oder: wegen ihm, d.h. das Gift) lächerlich gemacht (oder: weggelacht)7 werden.
Siehe, dein Name wird heute gerufen.
Mögest Du dein Ansehen entstehen lassen (oder: Lass dein Ansehen entstehen), indem es für dich mittels deiner wirksamen Zaubersprüche erhöht ist.
Mögest du für mich wiederbeleben den, der eine beengte Kehle hat.
Möge dir Lobpreis gegeben werden durch die Untertanen (oder: damit dir Lobpreis durch die Untertanen gegeben wird).
Mögen die beiden Wahrheiten in deiner Gestalt gepriesen werden, mögen alle Götter [125] ebenso wie du gerufen werden.
Siehe, dein Name wird heute angerufen (als:)
Ich bin Horus, der Retter/Beschwörer.

1 šd: Die Deutung von šd als „Retter“ (so viele Bearbeitungen seit Moret 1915, 249) statt als „Rezitierer, Beschwörer“ ist nicht sicher. Vgl. vorhin r sꜣḫ=f und die Kollokation šdi̯ sꜣḫ.w: „Verklärungen rezitieren“. Die Textstelle ist in Wb 4, 563-564 s.v. šdi̯ „rezitieren“ als Beleg abgelegt (DZA 30.284.150), wird aber nicht als Belegstelle zitiert. Unterschiedliche Übersetzungen mit diesem Verb sind: Möller (DZA 50.041.390): „Rede des Thot, die dieser Gott recitiert“ (mit šdi̯ n als sḏm.n=f); E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 58, Anm. 1: „Réciter par Thot qui a conjuré pour ce dieu“ (mit n als Dativ). R. K. Ritner, Horus on the Crocodiles: A Juncture of Religion and Magic in Late Dynastic Egypt, in: J. P. allen et al. (Hrsg.), Religion and Philosophy in ancient Egypt, Yale Egyptological Studies 3 (New Haven 1989), 103–116, hier: 109 = R. K. Ritner, Gleanings from Magical Texts, in: Enchoria 14, 1986, 95106, hier: 103–104 (mit Anm. 28): „I am Thoth who recites (šd) for this god“. Sander-Hansen 1956, 53 erwägt auch eine Übersetzung von šd/šdi̯ als „Erzieher“. Für die spezifische Bedeutung „(jem.) besprechen, beschwören“ (E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956): „conjurer“), abgeleitet von šdi̯ „rezitieren“ siehe G. Vittmann, Ein Zauberspruch gegen Skorpione im Wadi Hammamat, in: H.-J. Thissen – K.-T. Zauzich (Hrsg.), Grammata Demotika. Festschrift für Erich Lüddeckens (Würzburg 1984), 245-256, hier: 246; R. K. Ritner, Gleanings from Magical Texts, in: Enchoria 14, 1986, 95106, hier: 103–104; R. K. Ritner, Horus on the Crocodiles: A Juncture of Religion and Magic in Late Dynastic Egypt, in: J. P. allen et al. (Hrsg.), Religion and Philosophy in ancient Egypt, Yale Egyptological Studies 3 (New Haven 1989), 103–116, hier: 109; J. F. Quack, [Review:] H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), in: Orientalische Literaturzeitung, 2002, 713–729, hier: 717.
2 ꜣḫ.t: Für die Übersetzung „Zaubersprüche“, siehe R. K. Ritner, The mechanics of ancient Egyptian magical practice, Studies in Ancient Oriental Civilization 54 (Chicago 1993), 22, 24, 30–35: „spells“; J. F. Quack, [Review:] H. Sternberg-El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), in: Orientalische Literaturzeitung, 2002, 713–729, hier: 718 hat „Strahlkraft“.
3 sbꜣ.t(w) ḥm =k ḫnt Ḫmw: Der Satz liegt in vielen unterschiedlichen Varianten vor. Für eine Auflistung siehe W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 130 (Nr. 4.4). Auf Horusstele CG 9401 steht sbꜣ n=k ḥm n.j Ḫntj-Ḫm: „die dich die Majestät des Vorstehers-von-Letopolis gelehrt hat“. Auf weiteren Horusstelen ist es leicht entstellt: Horusstele CG 9402: sbꜣ 〈n〉=k ḥm n.j Ḫntj-Ḫm, ebenso auf Horusstele CG 9405: {dwꜣ}〈sbꜣ〉 n=k ḥm n.j Ḫntj-Ḫm; CG 9409: sbꜣ n=k ḥm n.j Rꜥw {k} Ḫntj-Ḫm. Auf der Statue des Djedhor steht: sbꜣ n=k ḫr ḥm n.j Ḫntj-Ḫm: „qui te fut enseigné auprès de la Majesté du Premier de Létopolis“ (E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 59). Die Version der Metternichstele könnte als sbꜣ t〈w〉 ḥm {=k}〈n.j〉 Ḫnt.j-Ḫ: „die Majestät des Vorstehers von Letopolis hat dich belehrt“ emendiert werden. Sander-Hansen 1956, 54 übersetzt nach Emendation zu „den dich dein Bruder Ḫntj-ḫm gelehrt hat“ (etwa: sbꜣ t(w) {ḥm}〈sn〉=k Ḫntj-ḫm?).
4 ẖni̯(.w) m dp.t-nṯr: In (allen?) anderen Versionen steht (jri̯) ḥm(w) „das Steuerruder (bedienen)“ oder (jri̯) ḥm(w)/ḥm(y) „Steuermann (spielen)“ statt ẖni̯: „fahren, rudern“ oder ẖn.t: „Ruderfahrt“. In beiden Versionen stellt sich das Problem, ob jri̯ ein separates Verb ist oder in jri̯ ẖn.t „eine Ruderfahrt machen“ bzw. jri̯ ḥm.w „das Steuerruder bedienen“ eingebunden ist. Übersetzungen von mj als Konjunktion, gefolgt von einem sḏm.n=f, sind grammatisch unklar:
- Möller, DZA 50.041.400: Komm schnell, schnell zu mir heute, wie du die Fahrt der Götterbarke ausführst.
- Roeder 1915, 91: Komm heute eilends zu mir, während du ja im Götterschiff fährst,
- E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), 60: Que tu viennes vers moi! Dépêche-toi, deux fois, en ce jour où tu as fait la navigation dans la barque divine.
- A. Gasse, Les stèles d’Horus sur les crocodiles (Paris 2004), 25: Viens en moi! Dépêche-toi, dépêche toi, en ce jour, puisque tu as fait la navigation dans la barque divine.
- M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380), 65: Komm doch schnell (zweimal) zu mir an diesem Tag, / gleichwie du im Gottesboot steuerst.
5 nhp: H. von Deines – W. Westendorf, Grundriss der Medizin der alten Ägypter. VII. Wörterbuch der medizinischen Texte, 2 Bände (Berlin 1961–1962), 469: „schnellen; springen“: Wird von wḫdw-Schmerzstoffen gesagt.
6 šdi̯: Ist ohne Determinativ, wie zuvor schon in Kol. 102 und 106 und später in Kol. 125. Die Übersetzungen lauten entweder „beschwören“ (von šdi̯: „rezitieren“) (Roeder 1915, S. Bosticco, Un cippo di Horus sui coccodrilli inedito, in: Rivista degli studi orientali, 1955, 189–206, Sander-Hansen 1956, Borghouts 1978, Sternberg-el-Hotabi 1988, A. Gasse, Les stèles d’Horus sur les crocodiles (Paris 2004), M. Panov, Die Statue des Horchebe (Novosibirsk 2014) (https://www.academia.edu/9821380)) oder šdi̯: „wegnehmen“ (Golenischeff 1877, Möller 1900, Moret 1915, Lexa 1925, W. D. van Wijngaarden - B. H. Stricker, Magische Stèles, in: Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 22, 1941, 6–38, E. Jelínková-Reymond, Les inscriptions de la statue guérisseuse de Djed-ḥer-le-Sauveur, Bibliothèque d’étude 23 (Le Caire 1956), H. Altenmüller, Der „Socle Béhague“ und ein Statuentorso in Wien, in: Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden 46, 1965, 10–33, hier:, L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), Allen 2005). Auf dem ramessidischen Papyrus von Wien Inv. 3925, Z. 8 ist šdi̯ mit dem schlagenden Mann determiniert, was für „wegnehmen“ spricht. Allerdings ist vermutlich in der letzten Zeile des pWien erneut šdi̯ zu lesen (phonetische Elemente verloren, Determinativ: schlagender Mann) im Satz [šd]i̯.tw rʾ pn r ḫsf rʾ [nb] p[z]ḥ: „Dieser Spruch werde [rezitiert], um jede beißende Schlange abzuwehren“. Auch auf oDeM 1680, Z. 3 ist das Verb „(einen Zauberspruch) rezitieren“ mit dem schlagenden Mann determiniert.
7 fjṯ: G. Takács, Etymological dictionary of Egyptian. II. b-, p-, f-, Handbuch der Orientalistik I 48.2 (Leiden 2001), 564; J. Osing, [Review:] G. Takács, Etymological dictionary of Egyptian. II. b-, p-, f-, Handbuch der Orientalistik I 48.2 (Leiden 2001), in: Bibliotheca Orientalis 60, 2003, 551–569, hier: 568 „verlachen“ (Rez. Takács); J. Osing, Das Grab des Nefersecheru in Zawyet Sulṭan, Archäologische Veröffentlichungen 88 (Mainz am Rhein 1992), 48 und 53, Taf. 35 (Z. 22).

Spruch 11: Spruch gegen Gifttiere (rechte Schmalseite, Z. 126–137)

(Oh du,) der du im Loch bist, der du im Loch bist!
(Oh du,) der du am Eingang des Loches bist!
(Oh du,) der du auf dem Weg bist, der du auf dem Weg bist!
(Oh du,) der du an der Mündung des Weges bist!
〈Er da (d.h. der zu Schützende) ist〉 Mnevis.
Er wird sich auf den Weg machen (oder: sich nähern o.ä.); und jeder Mensch und jedes Stück Vieh ebenso.
Er ist Sepa; er ist unterwegs nach Heliopolis.
Er ist [130] der (männliche) Skorpion; er ist unterwegs zum Großen(?)-Haus (oder: zum Haus-des-Phönix)1.
Ihr werdet ihn nicht beißen!
(Denn) Er ist Re.
Ihr werdet ihn nicht stechen!
(Denn) Er ist Thoth.
Ihr werdet euer Gift nicht gegen ihn verspritzen (wörtl.: schießen oder ausgießen).
(Denn) Er ist Nefertem.
(Oh) jede (männliche) Schlange, jede (weibliche) Schlange, jede Tarantel (?), die mit ihrem Maul beißt (oder) die mit ihrem Schwanz sticht, [135] ihr werdet ihn nicht mit eurem Maul beißen, ihr werdet ihn nicht mit eurem Schwanz stechen!
Ihr werdet ihm fern bleiben! (oder: Haltet euch fern von ihm!)
Ihr werdet nicht eure (Gift)-Glut gegen ihn machen!
(Denn) Er ist der Sohn des Osiris.
Ihr werdet/solltet ausfließen! Zweimal (zu wiederholen)! Viermal (zu wiederholen)! (oder: Ihr werdet ausfließen, ihr werdet ausfließen! Viermal (zu wiederholen, d.h. in jede Windrichtung)!)

1 Ḥw.t-⸮wr(.t)?: Alle Bearbeiter lesen ḥw.t-wr.t (Golenischeff 1877, Möller 1900, Moret 1915, Roeder 1915, Lexa 1925, Sander-Hansen 1956, Sternberg-el-Hotabi 1988, Allen 2005). Der Vogel in der Haus-Hieroglyphe ist laut Photo keine eindeutige Schwalbe (die Zeichnung von Golenischeff ist hier ungenau). Er hat den Kopf eines Schmutzgeiers, aber nicht dessen Schwanz. Es könnte ein hochbeiniger Watvogel sein, aber mit zu kurzem Schnabel. Ob man ḥw.t-bnw oder ḥw.t-bꜣ lesen sollte?

Spruch 12: Spruch gegen Gift mit Gliedervergottung (rechte Schmalseite, Z. 138–162)

Ich bin Thoth.
Ich bin aus dem Himmel gekommen, um den Schutz des Horus zu bereiten, um das/dieses Gift des Skorpions, das in jedem Glied des [140] Horus ist, zurückzutreiben.
Dein Kopf gehört dir, Horus!
Er wird dauerhaft die Wereret-Krone tragen (wörtl.: unter der Wereret-Krone bleiben).
Dein Auge gehört dir, Horus!
Du bist Horus, der Sohn des Geb, der Herr der beiden Augen inmitten der (Götter)-Neunheit.
Deine Nase gehört dir, Horus!
Du bist Haroeris, der Sohn des Re.
Du wirst nicht die heiße Luft (des Giftes) einatmen (oder: den Hauch der Biss-Entzündung riechen).1
Dein Oberarm (oder: Brustbein?)2 gehört dir, Horus!
[145] Groß ist deine Kraft, um die Feinde deines Vaters zu töten.
Deine beiden Arme gehören dir, Horus!
Mögest du das/dieses Amt deines Vaters Osiris in Empfang nehmen.
Ptah hat für dich deinen Anspruch (oder: Aussage) richterlich entschieden am Tag, als du geboren wurdest.3
Dein ḥꜣ.tj-Herz gehört dir, Horus!
Die Sonnenscheibe, sie bereitet deinen Schutz.
Dein Auge4 gehört dir, Horus!
Dein rechtes Auge4 [150] ist Schu, dein linkes Auge4 ist Tefnut.
Das sind die Kinder des Re.
Dein Bauch (oder: deine Eingeweide)5 gehört/gehören dir, Horus!
Die Kinder der Götter, die in ihm (d.h. dem Bauch?) sind, sie werden das (Gift)-Wasser des Skorpions nicht aufnehmen.
{Deine Kraft} 〈dein After〉6 gehört dir, Horus!
Nicht wird die Kraft des Seth gegen dich entstehen.
Dein Phallus gehört dir, Horus!
Du bist der Stier-seiner-Mutter (Kamutef), der [155] seinen Vater rächt, der für seine Kinder7 eintritt an jedem einzelnen Tag.
Deine Oberschenkel gehören dir, Horus!
{Daraufhin wird deine Kraft die Feinde deines Vaters töten} Deine Kraft 〈existiert〉, um die Feinde deines Vaters zu töten.8
Deine beiden Unterschenkel/Schienbeine gehören dir, Horus, welche Chnum gebildet hat, wobei sie von Isis bekleidet worden sind.
Deine beiden Füße/Fußsohlen gehören dir, [160] Horus!
Die Neun-Bögen-Völker sind unter deine Fußsohlen gefallen, (seitdem) du den Süden, den Norden, den Westen und den Osten leitest (oder: seitdem du angefangen hast, zu leiten)9.
Mögest du erblickt werden wie Re. Viermal (zu wiederholen)!
(Und) der, der einen Biss/Stich hat ebenso.

1 ṯꜣw šmm oder ṯꜣw šmm(.t): Auf dem Socle Béhague und auf Horusstele CG 9402 steht ṯꜣw n(.j) šmm(.t): „die Luft der Entzündung (an der Biss-/Stichwunde)“.
2 gb(ꜣ) oder qbḥ: Auf der Metternichstele steht gb(ꜣ) oder g(ꜣ)b(.t): „Oberarm“ (J. H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 277: „upper arm, humerus“), auf dem Socle Béhague und auf Horusstele CG 9402 steht qbḥ.w. Sander-Hansen 1956, 58 und J. H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 328 übernehmen nach den Varianten die Version mit qbḥ. Allerdings übersetzt Sander-Hansen 1956, 58 mit „Oberarm“; ebenso J. H. Walker, Studies in Ancient Egyptian Anatomical Terminology, Australian Centre for Egyptology. Studies 4 (Warminster 1996), 328 „upper arms“, was eigentlich zu gꜣb.wj gehört (s. S. 303, 320), während Walker an anderer Stelle (S. 277) qbḥ als „lower leg including foot“ übersetzt (s. A. H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica (London 1947), 255*, Nr. 607). Jedenfalls passt qbḥ nicht in der normalen Reihenfolge der Körperteile. Im Falle von gb(ꜣ) erwartet man allerdings einen Dual. Die Übersetzung „Eingeweide“ (so Möller 1900, Roeder 1915, Lexa 1925) geht auf eine Lesung q(ꜣ)b: „Darm“ zurück, die hier von der Reihenfolge der Körperteile auch nicht stimmen kann. Dasselbe gilt für q(ꜣ)b.t: „Brustbein“. Normalerweise folgen in Gliedervergottungen die Schultern und Arme auf die Körperteile von Kopf und Gesicht, sofern die Reihenfolge nicht durcheinander geraten ist. Aber die Reihenfolge ist zumindest bei der Wiederholung des Auges (Z. 141 sowie 149–150) fehlerhaft.
3 wḏꜥ rʾ: Auf dem Socle Béhague und auf Horusstele CG 9402 steht wḏꜥ sw n=k Ptḥ n/m rʾ=f m hrw n.j msi̯.tw=k: „Ptah hat es (das Amt: sw = sj) für dich mit seinem (Richter)spruch am Tag deiner Geburt bestimmt/zugewiesen.“
4 jr.t: „Auge“. Ist auf der Metternichstele mit wnm.t „rechtes Auge“ und jꜣb.t „linkes Auge“ konsequent auf die Augen bezogen, obwohl das von der Reihenfolge der Körperteile her nicht passt. Auf dem Socle Béhague und auf Horusstele CG 9402 stehen ḏr.tj: „die beiden Hände“ und folgen wnm.j „rechter Arm“ und jꜣb.j „linker Arm“. Für Schu und Tefnut und ihre Zuweisung zum rechten. resp. linken Auge vgl. N. Grässler, Konzepte des Auges im alten Ägypten, Studien zur Altägyptischen Kultur. Beihefte 20 (Hamburg 2017), 308.
5 ẖ.t: Steht in allen drei erhaltenen Versionen. Allerdings müsste sich ms.pl nṯr.pl n.tj jm=f oder ms.w-Ḥr.w n.tj jm=f auf ẖ.t beziehen, was grammatisch problematisch ist. Deshalb ist vielleicht ursprünglich das Wort 〈m〉ẖt〈.w〉: „Eingeweide“ anzusetzen (vgl. Sander-Hansen 1956, 59).
6 pḥ.tj „Kraft“ oder pḥ.wj „After“: In allen drei erhaltenen Versionen steht pḥ.tj, aber man erwartet hier pḥ.wj „After“ in Anbetracht der Episode der Vergewaltigung von Horus durch Seth.
7 ms.pl=f: Auf dem Socle Béhague und auf Horusstele CG 9402 steht msw.t: „Nachkommenschaft“.
8 wn.jn pḥ.tj=k r smꜣ: Auf dem Socle Béhague steht wnn=k m ph.tj smꜣ: „du existierst als Löwe (oder: als Starker), der tötet“, auf Horusstele CG 9402 findet sich wn n=k pḥ.tj r smꜣ: „dir gehört die Kraft, um zu töten“. Eine Konstruktion wn.jn=f r sḏm passt hier nicht und ist außerdem sehr ungewöhnlich.
9 ḫrp.n=k rsj ...: Auf dem Socle Béhague und auf Horusstele CG 9402 steht ḫrp.n=k tꜣ.wj rsj ...: „du hast angefangen, die Beiden Länder, den Süden, ... zu leiten“.

Spruch 13: Beschwörung einer gestochenen Katze (Sockel, Oberseite, vordere Kante, Z. 167–168)

Ein anderer/weiterer Spruch derselben Art (wörtl.: sein Gleicher).
Fürchte dich nicht! Fürchte dich nicht, (oh) Bastet, (du) mit starkem Herzen an der Spitze des Abgeschirmten/Heiligen Feldes1.
Du hast Macht über alle Götter, (und) keiner wird (wörtl.: man wird nicht) Macht über dich haben.
Komme nach draußen auf meinen (Zauber)-Spruch hin, (du) böses Gift, das in irgendeinem Glied der Katze2 ist, die einen Biss/Stich hat (oder: in irgendeinem Glied der Katze und eines Gebissenen 〈ebenso〉)!

1 sḫ.t-ḏsr.t: Wahrscheinlich eine Bezeichnung für das Fruchtland von Bubastis. Nicht in H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques V (Le Caire 1928), 60. Ist laut Kurth (s. D. Kurth, Edfou VIII. Übersetzungen, Die Inschriften des Tempels von Edfu 1.1 (Wiesbaden 1998), 117, Anm. 2; D. Kurth, Edfou VI. Übersetzungen, Die Inschriften des Tempels von Edfu 1.3 (Gladbeck 2014), 440) als Toponym bzw. Anbaugebiet im Bereich von Dendara belegt in Edfou VIII, 63.11 und Edfou VI, 246.7. In Edfou VII 79.2 gibt es laut Kurth einen Zusammenhang mit Bubastis. Die Stelle Edfou V, 91.9 möchte er nicht als Toponym, sondern als eine poetische Bezeichnung für den Stabstrauß verstehen (D. Kurth, Edfou V. Übersetzungen, Die Inschriften des Tempels von Edfu 1.4,1 (Hützel 2019), 174, Anm. 2). C. Leitz, Die regionale Mythologie Ägyptens nach Ausweis der geographischen Prozessionen in den späten Tempeln. Soubassementstudien IV, Studien zur spätägyptischen Religion 10 (Wiesbaden 2017), 564–565 bezieht Edfou VIII, 63.11 jedoch auf das Gebiet von Bubastis im 18. u.äg. Gau und nennt als weitere Belege: unsere Stelle der Metternichstele, Edfou IV, 335.7–8 und Edfou IV, 36.11. Auch die übrigen von Kurth gelisteten Stellen bezieht Leitz auf das Fruchtland (w) des 18. u.äg. Gaues. Für ihn ist sḫ.t-ḏsr.t eine andere Bezeichnung für sḫ.t-nṯr, den gängigen Namen des Fruchtlandes des 18. u.äg. Gaues. C. Leitz, Die Gaumonographien in Edfu und ihre Papyrusvarianten, Studien zur spätägyptischen Religion 9, 2 Bände (Wiesbaden 2014), 237 nennt außerdem sḫ.t-ḏsr.t noch als Name eines heiligen Hügels im 6. u.äg. Gau (Quelle T1 = pCarlsberg 182.1: J. Osing, The Carlsberg Papyri 2. Hieratische Papyri aus Tebtunis I, 2 Bände, CNI Publications 17 (Copenhagen 1998), 240 und Taf. 24a, Fragm. L.18.11), der in anderen Quellen jꜣ.t-ḏsr.t genannt wird.
2 mjw(.t): Bezieht sich auf Spruch III, in der die katzengestaltige Tochter des Re gebissen oder gestochen wird, und nicht auf den Kater von Z. 45. Der Spruch auf der Heilstatue Neapel 1065 hat mjw(.t) tn n.t(t) [ẖr dm.t].

Spruch 14: Rettung des Horus vor Schlangen- und Skorpiongift (Sockel, Z. 168–251)

Ich bin Isis, die mit ihrem „Küken“ schwanger war, die guter Hoffnung mit dem göttlichen Horus war.
Im Vogelsumpf des Deltas (oder: von Chemmis)1 habe ich Horus, den Sohn des Osiris, geboren.
Darüber freute ich mich wirklich sehr, weil/als (?) ich den, der für seinen Vater eintritt, erblickte (oder: mit den Worten: „Ich werde den sehen, der für seinen Vater eintritt!“).
Ich verbarg ihn, ich versteckte ihn aus Angst vor Jenem-dort (d.h. vor Seth).
Ich durchstreifte (das Gebiet der Stadt) Tell Nebescheh2 〈unter〉 (?) den Bettlern (?),3 aus Angst vor dem, der Böses/Übles tut.
Ich verbrachte den Tag damit, das Kind zu suchen (oder: mich nach dem Kind zu sehnen?) und für seinen Bedarf zu sorgen.
Als ich zurückgekehrt bin, um Horus in meine Arme zu schließen (oder: zu suchen?), da fand (ich) ihn, den schönen Horus [170] aus Gold, das unmündige Kind ohne Vater, (folgendermaßen) vor:
Nachdem er die Ufer mit dem Wasser seines Auges und mit dem Speichel seiner Lippen begossen hatte, war sein Leib (jetzt) kraftlos/müde, war sein Herz (jetzt) matt/ermattet; (und) die mt.w-Stränge/Gefäße seines Körpers pochten (wörtl.: flatterten) nicht (mehr).
Ich stieß einen Schrei aus mit (den Worten:)
„Ich (bin es), ich (bin es)!“
(Aber) das Kind war (zu) erledigt, um zu reagieren (wörtl.: antworten).
Die Brüste (der Isis) waren angeschwollen/überquellend; der Bauch (des Kindes) war geleert; (und) der Mund (des Kindes) war voller Verlangen nach seinem Essen.
Der Brunnen war zum Überlaufen voll; (und trotzdem:) das Kind hatte Durst.
Mein Herz wollte kommen wegen seines Schutzes (d.h. um es zu schützen).
Das Leid/Unglück stellte sich als groß heraus:
Das unmündige Kind verweigerte die mnsꜣ-Flasche4: (zu) groß war die Dauer/Verlängerung des Alleinseins.
Wie groß war (meine) Angst in Ermangelung von jemanden, der auf meine Stimme herbeikommen würde (um zu helfen)!
Mein Vater (= Geb) ist in der Unterwelt; meine Mutter (= Nut) ist im Reich-der-Stille; mein älterer Bruder (= Osiris) ist im Sarg; der andere (Bruder) (= Seth) ist ein Widersacher, der ausdauernd in Bezug auf die Aggressivität seines Herzens gegen [175] mich ist; Die-jünger-als-ich-ist (wörtl.: die Kleine im Vergleich zu mir = Nephthys) ist in seinem (des Bruders) Haushalt.
Zu wem unter den Menschen soll ich also rufen, dass ihre Herzen sich mir daraufhin (zwangsläufig) zuwenden werden?
Ich werde also zu denen rufen, die in den Deltasümpfen wohnen, damit sie sich mir auf der Stelle zuwenden.
Die tꜣḥ-Leute („Schlammmenschen“) kamen zu mir aus ihren Häusern; Sie sprangen meinetwegen auf meine Stimme hin auf.
Sie alle trauerten/wehklagten (oder: Sie trauerten/wehklagten entsprechend) (mit mir) und (sagten): „(Wie) groß ist dein (wörtl.: mein) Schmerz!“ (oder: „Wie sehr leidest Du!“)
[180] (Aber) es gab dort keinen, der ihn (den Schmerz?, Horus?) mit seinem Spruch beschwören konnte.
Ein jeder von ihnen jammerte sehr; (aber) es gab dort keinen Weisen, um (jemanden) wiederzubeleben.
Eine Frau kam zu mir, eine Heilerin/Wahrsagerin (wörtl.: eine Wissende) in ihrer Stadt, eine Edelfrau an der Spitze ihres Bezirks.
Sie kam zu mir, (indem) ihr Mund/Spruch (?) das Leben (in sich) trug.
Sie war voller Vertrauen (wörtl.: ihr Herz war entsprechend voll) bezüglich ihrer Sache5. (oder: Die betreffende Frau hatte Vertrauen in ihre Sache.) (oder: Alle Frau〈en〉 hatten Vertrauen in ihre Sache.)
Habe keine Angst, habe keine Angst, (du) Sohn, Horus!
Verzweifle nicht, verzweifle nicht, (du) Gottesmutter!
Das Kind ist unbefleckt/unbehelligt vom Bösen seines Onkels (wörtl.: „Bruder“).
[185] Das Dickicht liegt versteckt; der Tod wird nicht hineingehen.
Die Magie des Atum, des Vaters der Götter, dessen, der im Himmel ist, ist das, was dein Leben ermöglicht (oder: meine Lebenskraft bewirkt).
Seth wird diesen Bezirk nicht betreten; er kann Chemmis nicht durchstreifen.
Horus ist unbefleckt/unbehelligt vom Bösen seines Onkels (wörtl.: „Bruder“) (= Seth).
Die, die in seinem (des Seth) Gefolge sind, werden ihn nicht {verbergen} 〈schädigen〉6 können.
Suche die Angelegenheit (d.h. die Ursache), dass dieses ihm passiert (oder: weswegen dieses passiert)!
(Dann) wird Horus für seine Mutter leben.
Vielleicht ist ja ein Skorpion dabei, ihn zu stechen, (oder) ist eine Habgierige (Schlange) dabei, [190] ihn zu beißen7.
Isis legte ihre Nase an seinen Mund und erkannte den zugehörigen Geruch im Innern seines „Kastens“8.
Sie diagnostizierte das Leiden des göttlichen Erben, nachdem sie 〈ihn〉 voller Gift vorgefunden hatte.
Sie nahm 〈ihren Sohn〉9 eiligst in die Arme und hüpfte (?)10 mit ihm herum, wie Fische, die auf die Holzkohle gelegt sind.
Horus wurde gebissen!
(Oh) Re, dein Sohn wurde gebissen!
Horus wurde gebissen, der Erbe deines Erben, der das Königtum des Schu fortführt (wörtl.: anknüpft)11.
[195] Horus wurde gebissen, der Jugendliche von/in Chemmis, das Kind vom/im Fürstenhaus.
〈Horus〉 wurde gebissen, das schöne Kind aus Gold, der unmündige Wicht, der keinen Vater hat.
Horus wurde gebissen, der Sohn des Onnophris, den die (wasserspendende/weinende) Klagefrau geboren hat.
Horus wurde gebissen, der ohne Sünde/Verbrechen ist, der jugendliche Sohn der (oder: unter den) Götter(n).
Horus wurde gebissen, der, dessen Bedarf ich dauerhaft einrichtete beim Anblick dessen, der für seinen Vater einstehen wird.
Horus wurde gebissen, der, um den man sich (schon) im [200] Mutterleib12 Sorgen machte13 und der (schon) im Leib seiner Mutter gefürchtet wurde13 (oder: Horus wurde gebissen, der, um den man sich im Mutterleib kümmerte und um den man im Bauch seiner Mutter Angst hatte).
Horus wurde gebissen, auf dessen Anblick ich gewartet habe und um dessentwillen ich das Leben herbeiwünschte.
Der Unmündige jammerte beim Ertrinken14 (d.h. wie ein Ertrinkender, in großer Not?) (oder: Der Unmündige jammerte tränenreich (wörtl.: beim voll Wasser sein)), (während) die Betreuer/Gefährten des Kindes sprachlos/ohnmächtig waren.
Nun kam Nephthys weinend herbei, ihre Schreie durchzogen die Deltasümpfe.
Selkis (sagte): „Was ist los? Was ist los?
Wer ist denn gegen den Sohn Horus? (oder: Was ist denn mit dem Sohn Horus los?)
Isis, lobpreise/bete du doch zum Himmel, [205] damit ein Stillstand/Anhalten unter den beiden Mannschaften des Re entsteht, ohne dass die Barke des Re weiterfährt, während (d.h. solange) der Sohn Horus (krank) auf seiner Seite liegt!“
Isis schickte ihre Stimme zum Himmel, ihren Klageschrei (oder: und sie schrie klagend) zur Barke-der-Millionen.
Die Sonnenscheibe hielt an {als sie eintraf} 〈gegenüber von ihr〉15; sie bewegte sich nicht von ihrem Platz.
Thoth war angekommen, ausgestattet mit seiner Zauberkraft, das große Dekret der Rechtfertigung16 tragend. (oder: Thoth war angekommen. Der mit seiner Zauberkraft Ausgestattete trug das große Dekret der Rechtfertigung.)
„Was ist los? Was ist los, (oh) Isis, (du) Göttin/Göttliche, (du) Wirkungsmächtige, die ihren (Zauber)-Spruch kennt?
Es gibt (doch) nichts Böses gegen den Sohn Horus?
Sein Schutz ist (der Schutz) der Barke des Re.
[210] Aus der Götterbarke bin ich heute gekommen:
(Denn) die Sonnenscheibe ist (noch) an ihrem Platz von gestern.
Die Dunkelheit ist eingetreten und das Licht (oder: die Helligkeit) ist vertrieben, bis dass Horus für seine Mutter Isis gesund wird – und jeder Mann, der einen Biss/Stich hat, ebenso.“
Isis, die Göttliche/Göttin, sagte:
„(Oh) Thoth, wie groß17 ist dein Herz, (aber) wie zögerlich/verspätet17 ist das, was dazu gehört, (nämlich) dein Plan/Verhalten (oder: wie zögerlich/verspätet ist allerdings dein Plan/Verhalten).
Bist du gekommen, indem du mit deiner Zauberkraft ausgestattet bist und das große Dekret der Rechtfertigung trägst?
Sache stapelt sich (wörtl.: ist) auf Sache,18 ohne dass man ihre Anzahl kennt.
Siehe, [215] Horus ist in Bedrängnis/Not wegen des Giftes (oder: in der Bedrängnis des Giftes).
Das Böse ist die Angelegenheit seines Gefährten19 (d.h. des Seth). (oder: Es ist eine böse Sache, die Angelegenheit seines Gefährten (d.h. des Seth).)
Der Tod ist die Zerstörung/Vernichtung insgesamt.
Wenn er/ich (?) doch (schon) mit 〈dem Großen/Ältesten〉 seiner Mutter zusammen wäre!20
Dann würde ich (Isis) nicht das, was bei/hinter ihm (Horus) ist, sehen.
Dann wäre mein Herz damit von Anfang an zufrieden. (oder: (Aber) mein Herz war von Anfang an damit zufrieden/einverstanden.)
Ich eilte21, um (für ihn) einzutreten (oder: Ich wartete21 darauf, um zu reagieren) (mit den Worten:) „Horus, Horus, bleib auf der Erde!“, seit dem Tag, als ich ihn empfangen habe (d.h. mit ihm schwanger wurde).
Ich wünschte, dem Ka seines Vaters Ansehen zu verleihen (?)22, (aber jetzt) ist das Kind an etwas erkrankt.“
(Thoth spricht:) „Habe keine Angst, habe keine Angst, (oh) Isis, (du) Göttliche/Göttin!
Nephthys, gib kein Jammern!
[220] Um das Kind für seine Mutter zu reinigen/aufzuheitern, bin ich aus dem Himmel mit dem Atem des Lebens gekommen.
Horus, (oh) 〈Horus〉, dein Herz ist gefestigt; es wird nicht wegen der Hitze (des Giftes) ermatten.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz dessen,) Der-in-seiner-Sonnenscheibe-ist, seitdem er die Beiden Länder mit seinen Glanzaugen angezündet (d.h. erhellt) hat.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz des) Alten/Ältesten im nw.t-Himmel, der Führung erteilt an das, was ist, und das, was nicht ist.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) jenes großen Zwerges, der die Beiden Länder in der Dämmerung durchstreift.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des Löwen in der Nacht, der im Manu-Gebirge fährt.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
[225] Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des großen, verborgenen Ba/Widders, der in seinen Udjataugen herumzieht.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des großen Falken, des Götterbildes des Himmels, der Erde und der Unterwelt (oder: ... des großen Falken, der in Himmel, Erde und Unterwelt fliegt).
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des herrlichen Skarabäus, des großen Flügelskarabäus im nw.t-Himmel.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des geheimnisvollen Leichnams in seiner Mumiengestalt in seinem Sarg.23
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des Unterwelt〈lichen〉 (?) der Beiden Länder, der herumzieht in/vor den Gesichtern und (trotzdem) geheimnisvoll an Sache ist.24
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus ist (der Schutz) des göttlichen Phönix, der in/vor seinen Udjataugen emporsteigt.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus [230] ist sein eigenes Wesen25.
Die Zauberkraft seiner Mutter Isis ist sein Schutz.
〈(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.〉
Der Schutz des Horus sind die Namen seines Vaters in dessen Kultbildnis in den Gauen.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus sind das Wehklagen seiner Mutter (d.h. liegt im ...) und das Gebrüll/Geschrei seiner Geschwister.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Der Schutz des Horus sind sein Name und sein Herz.
Die Götter wenden sich ihm zu und bereiten seinen Schutz.
(Das ist) ebenso der Schutz dessen, der einen Biss/Stich hat.
Wache auf, (oh) Horus!
Dein Schutz ist bleibend.
Mögest du das Herz deiner Mutter Isis aufmuntern (wörtl.: verschönern).
Die Worte des Horus werden die Herzen erheben, nachdem er die, die in Trauer/Trübsal war, beruhigt hat.
Mögen eure Herzen sich freuen, ihr, die (ihr) im nw.t-Himmel seid!
Horus, [235] er hat seinen Vater gerächt.
Weiche du zurück, (oh) dieses Gift hier!
Siehe, du wurdest (?) beschworen (oder: bist beschworen) mit dem Spruch des Re.
Die Zunge des Großen Gottes wehrt dich ab.
Die (Sonnen)barke steht still, sie kann nicht fahren.
Die Sonnenscheibe ist an ihrem gestrigen Platz, bis Horus für seine Mutter Isis gesund wird, bis der Gebissene/Gestochene ebenfalls für seine Mutter gesund wird.
Komme auf den Boden, (...) damit die (Sonnen)barke sich (wieder) fortbewegt, damit die Mannschaften (wieder) den nw.t-Himmel befahren!
(Denn) ohne Schiff (wörtl.: bootlos, gestrandet) sind die (Gottes)mahle, versperrt/blockiert ist das Heiligtum (oder: Letopolis)26, bis Horus für seine Mutter Isis gesund wird, bis [240] der Gebissene/Gestochene ebenfalls für seine Mutter gesund wird.
Das Leiden, das dort (im Jenseits?) ist, marschiert vorbei; das Chaos ist zurück an seiner Position von Gestern, bis Horus für seine Mutter Isis gesund wird, bis der Gebissene/Gestochene ebenfalls für seine Mutter gesund wird.
Das Böse geht herum; es gibt kein Unterscheiden der Jahreszeiten; es gibt kein Beobachten der Gestalten wegen des Schattens des Re (?) (oder: täglich)27, bis Horus für [Gol. 246b/S.-H. 244]28 seine Mutter Isis gesund wird, bis der Gebissene/Gestochene ebenfalls gesund wird.
Die beiden Quelllöcher sind verstopft; die Vegetation ist trocken; (so dass) das Leben von den Lebenden weicht, bis Horus für seine Mutter Isis gesund wird, [Gol. 244/S.-H. 245]29 bis der Gebissene/Gestochene ebenfalls gesund wird.
Komme auf den Boden, (du) Gift!
(Dann) werden die Herzen (wieder) froh; (dann) werden die Strahlen der Sonnenscheibe (wieder) herumgehen.
Ich bin Thoth, der Ältere, der Sohn des Re.
Atum, der Vater der Götter, hat mir befohlen, Horus für seine Mutter gesund zu machen und den Gebissenen/Gestochenen ebenfalls gesund zu machen.
Horus, Horus, dein Ka ist dein Schutz!
Dein Prozessionsbild (?; oder: dein geheimes Wesen?) bereitet deinen Schutz.
Dieses Gift hier ist tot; sein Gluthauch ist vertrieben, weil es den Sohn der Mächtigen gestochen hat.
[Gol. 245a/S.-H. 246]30 Begebt euch zu euren Häusern!
(Denn:) Horus ist am Leben für seine Mutter und der Gebissene/Gestochene ebenfalls.“
Isis, die Göttliche/Göttin sagte:
„Mögest du also sein (d.h. Horus) Gesicht denen zeigen (oder: Mögest du die Aufmerksamkeit richten auf die), die in Chemmis sind, den Ammen/Aufzieherinnen, die in Pe und Dep sind.
[Gol. 245b/S.-H. 247]31 Mögest du ihnen stärkstens anweisen (oder: sie stärkstens beauftragen)32, das Kind für seine Mutter wohlbehalten sein zu lassen, und den Gebissenen/Gestochenen ebenfalls wohlbehalten sein zu lassen.
Lasse nicht zu, dass sie meinen Ka (physische Persönlichkeit)33 in Chemmis erkennen als (den einer) Bürgerin (oder: armen Frau), die aus ihrer Stadt geflohen ist!“
Thoth, [Gol. 246a] er sprach zu den Göttern, (und) er redete zu denen, die in Chemmis sind:34
„Oh (ihr) Ammen/Aufzieherinnen, die (ihr) in Pe seit, die sich mit den Händen schlagen und die sich mit den Armen treffen (als Trauergesten) wegen jenes Großen, der aus ihrer Mitte hervorgekommen ist (oder: ihnen [ins Jenseits] vorausgegangen ist?)35.
Wachet ihr [Gol. 248b/S.-H. 248]36 über dieses Kind, indem (ihr) seinen (richtigen) Weg unter den Gesichtern (= den Menschen) sucht!
Führt die Pfade derer, die gegen ihn rebellieren, in die Irre, bis er den Thron der Beiden Länder ergriffen haben wird!
Re im Himmel tritt für ihn ein, [Gol. 249a] sein Vater wacht über ihn.
Die Zauberkraft seiner Mutter ist sein Schutz, indem (sie) seine Beliebtheit verbreitet; die Ehrfurcht vor ihm wird in die Gesichter gesetzt.
Man wartet auf mich, um [Gol. 249b/S.-H. 249]37 die Abendbarke zu befehligen (oder: abzustoßen), um dafür zu sorgen, dass die Morgenbarke weiterfährt.
Horus gehört euch, (indem er wieder) dem Leben übereignet/zugerechnet (ist).
Ich werde [Gol. 247/S.-H. 250]38 seinem Vater über das Leben (oder: den Lebenden) berichten; ich werde denen, die in der Abendbarke sind, Freude bereiten, so dass die Mannschaft (wieder) fährt.
„Dieses bedeutet, dass Horus am Leben ist für seine Mutter Isis; und der Gebissene/Gestochene ist ebenfalls am Leben für seine Mutter.
Das/Dieses Gift ist etwas, das keine Kraft hat.“
Daraufhin wird man den (in der Magie fähigen) Künstler [Gol. 248a/S.-H. 251]39 vom Dienst (wörtl.: in seiner Stunde) loben/begünstigen, indem (er) dem eine Meldung zurückerstattet, der ihn geschickt hat.
„Möge dein Herz erfreut werden, (oh) Re-Harachte!
Dein Sohn Horus ist dem Leben zugerechnet.“
〈Alle Menschen und alle Tiere, die unter Gift sind, sind ebenso am Leben.〉40

1 zš n(.j) Mḥ.w oder zš n(.j) Ꜣḫ-bj.t: Ist nur auf der Metternichstele und auf der Version des Mutbezirks erhalten, einmal mit M15, einmal sicherlich mit M139 geschrieben. Es wurde anfänglich als „Nest von Papyrus“ übersetzt (Golenischeff 1877, Möller 1900, Moret 1915, Roeder 1915). Lexa 1925 hat „marécage du delta“. Die Kombination zš Mḥ.w ist seit dem Alten Reich einige Male belegt (z.B: Saqqara, Grab des Mehu; auch Mammisi Edfou 119 = DZA 28.778.310); vgl. ein Nest im Sumpfland Unterägyptens (ẖꜣ.t n.t Tꜣ-mḥw in Neferti). In unserem Fall ist jedenfalls das Sumpfgebiet von Chemmis gemeint, das als zš n.j Ꜣḫ-bj.t überliefert ist (Nauri-Dekret, Z. 19 = K. A. Kitchen, Ramesside Inscriptions. Historical and Biographical. I (Oxford 1975), 49.2). Weitere Belege für zš n.j Ꜣḫ-bj.t sind DZA 28.778.330 (Hatschepsut, Deir el-Bahari = K. Sethe, Urkunden der 18. Dynastie [IV,1-314], Urkunden des Ägyptischen Altertums IV/1-4 (Leipzig 1907), 239.10), DZA 28.778.350 (W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), ramessidisch = pCGT 54050 Rto 4.5–6, A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 25) und DZA 28.778.360 (Edfou I, 133). Wb 3, 484.17 nennt weitere genitivische Verbindungen: „Nest von Chemmis, Nest des Falken u.ä. als Bez. des Ortes, wo Horus im Delta aufwuchs“. Seit E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199, hier: 174 wird unsere Textstelle mit „Chemmis“ übersetzt (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952) [mit Begründung auf S. 83], Sander-Hansen 1956, Borghouts 1978, Sternberg-el-Hotabi 1988, Allen 2005).
2 Jm〈ꜣ.w〉 oder Jm.t/Jm.tj/Jmm.t: Auf der Metternichstele steht Jm mit Stadtdeterminativ, auf der Version des Mutbezirks steht Jmm.t. Die verkürzte Schreibung der Metternichstele könnte eine defektive Schreibung von Jꜣmw/Jmꜣw „Tell el-Hisn“ sein, das nicht allzu weit von Chemmis/Buto entfernt liegt (so A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952)). Die ausführlichere Schreibung des Mutbezirks passt besser zu der Stadt Jm.t „Tell el-Faraun/Tell Nebescheh“ im Ostdelta (so Traunecker 1983). Dann wäre Isis, aus Angst, dass Seth über sie ihren Sohn finden könnte, weit weg gewandert. Für den Zusammenhang zwischen Wadjet von Imet (Tell el-Faraun) und Buto bzw. ihren Schutz des Horus in Chemmis, s. D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 125 (Le Caire 2006), 34–36 und 302–307. Andere Autoren, die die Mutversion noch nicht kannten, meinen, dass das Stadtdeterminativ ein Fehler für die Pupille ist (so E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199, hier: 175: für das Verb jri̯), für die Präposition ḥr (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 83: ḥr twꜣ: „begging“) oder für zp (Sander-Hansen 1956, 74: šmꜣ=j m zp-twꜣ: „ich vagabundierte auf Bettlerweise“). Weder die erste noch die dritte Lösung sind überzeugend und die zweite erübrigt sich im Lichte der Mutversion.
3 šmꜣ=j Jm.t twꜣ.w: Die genaue Lesung des Satzes ist nicht gesichert. Das Bewegungsverb šmꜣ oder auch šm wird normalerweise mit der Präposition r gebildet, aber sowohl auf der Metternichstele als auf der Version des Mutbezirks fehlt sie (für šmi̯ ohne Präposition als „einen Ort durchziehen“ siehe Wb 4, 464.21–22).
4 mnzꜣ: Die Version des Mutbezirks weicht ab und hat zumindest m mn.t: „vor Leiden“ statt m mnzꜣ (davor beschädigt).
5 jḫ.t=s: A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 88 versteht jḫ.t als „Wissen“ und verweist auf rḫ jḫ.t als „der Weise“. Sander-Hansen 1956, 74 vermutet, dass eine Emendation erforderlich sei (etwa von jḫ.t zu rḫ?), verweist aber zugleich auf pEdwin Smith, Kol. 15.15 n (j)ḫ.t pw „Es gibt nichts“ im Sinne von „Es liegt kein Wissen (über diesen Krankheitsfall bzw. seine Behandlung) vor.“
6 tḫn: Inhaltlich ist das Verb tḫn: „verletzen, schädigen“ gemeint, von der Orthographie her liegt tḫn: „verbergen“ vor.
7 ḫwn: Die Bedeutung geht aus dem zweisprachigen Papyrus pBM EA 10252, Kol. 5.22 hervor: MÄg. ḫwn entspricht NÄg jri̯ pzḥ: „stechen, beißen“ (K. Sethe, Urkunden der 18. Dynastie [IV,1-314], Urkunden des Ägyptischen Altertums IV/1-4 (Leipzig 1907), 81.9–10). Die Verletzung wird sowohl von Schlangen (ꜥwn-jb) und ähnlichem giftigen Getier (ḏdf.t: DZA 27.720.690 = pTurin P&R 132 und 133 = CGT 54051 Rto 4.4 = A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 70) als auch von den Hörnern eines Stiers verursacht.
8 m-ẖnw hn=f: Dieser „Kasten“ kann sich in übertragener Bedeutung sowohl auf den Sarg, als auch auf die Schädelhöhle und das Leibesinnere beziehen. Sander-Hansen 1956, 74 liest n(.j) ẖnw(.j)-hn=f als „(der Geruch) dessen, der in seinem Sarg ist“ (mit m für n.j) als Euphemismus für „Toter“ (vgl. schon Golenischeff 1877, Möller 1900, Lexa 1925; ebenso Allen 2005). Nisben mit dem Substantiv ẖnw „Innern“ sind jedoch selten. Moret übersetzt mit „l’odeur qu’il y avait dans son naos“. E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199, hier: 180, Anm. (c) erkennt den Zusammenhang zwischen hn „Kasten“ und hn „Schädel“ oder „Kopf“ (gefolgt von A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), Sternberg-el-Hotabi 1988). Borghouts 1978 entscheidet sich für „body“.
9 ḥpt =s 〈zꜣ〉 〈=s〉 ꜣs: Lesung und Emendation gemäß Socle Béhague, Z. c.3.
10 prpr: Wb 1, 532.5–6 listet zwei Verben prpr auf, beide ohne Determinativ geschrieben und jeweils nach dem Textzusammenhang gedeutet: „herumspringen o.ä.“ (die Metternichstele) und „(Speisen) geniessen o.ä.“ (Edfou Mammisi, 10.2). Vgl. das Bild des Fisches, der aus der Bratpfanne hüpft.
11 ṯ(ꜣ)z: Laut Wb 5, 397.23–24 eine Bedeutungsableitung von ṯ(ꜣ)z: „knoten, verknüpfen“. Die Übersetzung von Allen 2005 „who raises the kingship of Shu“ passt eher zum Verb ṯsi̯.
12 štꜣ.t: Wird hier als Parallele zu ẖ.t n.t mw.t verstanden, d.h. als das Substantiv „Mutterleib“ oder „Ei“ (ebenso Borghouts 1978, Sternberg-el-Hotabi 1988); so schon A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 90 mit Anm. 146 „womb“, der aber mit dem weniger spezifischen „hidden place“ übersetzt (wegen des Hausdeterminativs auf dem Socle Béhague). Andere Forscher erkennen den Ausdruck m štꜣw „im Verborgenen“ (Allen 2005) oder štꜣ.t/šṯy.t „la cachette“ (E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199).
13 mḥi̯ und snḏ: A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 90 übersetzt mit „anxious“ und „afraid“, bezogen auf Horus (so auch Roeder 1915, Lexa 1925, E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199), aber laut Sander-Hansen 1956, 75 ist Horus nicht der Bekümmerte und Ängstliche, sondern kümmern andere sich um ihn und haben Angst um ihn (= Isis) bzw. vor ihm (= Seth).
14 ḥr mḥi̯: Wird hier als Infinitiv verstanden, mit einer abgeleiteten Bedeutung von „beim Ertrinken.“ Sander-Hansen 1956, 75 übersetzt „wegen des Ertrunkenen“, d.h. wegen Osiris (mit mḥ.w als Substantiv). Auf dem Socle Béhague steht mḥ mit den Determinativen von „sich sorgen um“, daher „beim Sorgen, Kummer haben“. Entsprechend die Übersetzungen z.B. „the innocent one wailed in distress“ (Borghouts 1978, ähnlich A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199), „das unmündige Kind jammerte benommen“ (Sternberg-el-Hotabi 1988).
15 m ꜥq=s oder m-ꜥqꜣ=s: Auf der Metternichstele steht m ꜥq=s „als sie eintraf; bei ihrem Eintreffen“, auf dem Socle Béhague steht m-ꜥqꜣ=s. Die Graphie ꜥq der Metternichstele ist durch lautliche Verwirrung zu erklären, denn Isis hat sich nicht zum Himmel begeben und weder ḫrw=s noch sbḥ=s sind feminine Substantive.
16 mꜣꜥ-ḫrw: Wurde in den frühen Übersetzungen als „der Gerechtfertigte“ verstanden (Möller 1900, Roeder 1915, Lexa 1925), in den späteren als „die Rechtfertigung“. Ist dies ein Dokument, dass gegen Gift hilft, oder ist es die Rechtsprechung gegen Seth zugunsten von Horus oder Osiris (letzteres Borghouts 1978, 108, Anm. 230; mit Fragezeichen!)?
17 wr.pl und wḏf.pl: Zwei Adjektive mit Admirativendung .wj. Die Redewendung wr jb wird als „großmütig“ (Möller 1900, Sternberg-el-Hotabi 1988), als „groß an Wille/Absicht“ (Golenischeff 1877, Moret 1915, Allen 2005) oder als „self-confident“ (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952)) übersetzt.
18 (j)ḫ.t ist polysem und es liegt vermutlich eine Redewendung vor. Bringt Thoth endlos viele magische Hilfsmittel mit, die aber alle nichts bringen, um Horus zu helfen? Oder stapelt sich Problem auf Problem ((j)ḫ.t im Sinne von „eine schlechte Sache, etwas Schlechtes“: Belege bei A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 93; vgl. unten Z. 219: Horus ist an etwas erkrankt mr (j)ḫ.t)? Man vergleiche die Übersetzungen:
- Möller, DZA 50.041.510: Bist du gekommen ... Sache auf Sache, unbekannt ist ihre Zahl?
- Moret 1915, 239: Es-tu venu ... avec charmes sur charmes (litt.: choses sur choses), dont on ne connaît point le nombre?
- E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199, hier: 185: Viens-tu ... avec ... toutes sortes de choses (c) dont on ne sait pas le nombre?
- A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 56: Misery upon misery, the number whereof is not known.
- Sander-Hansen 1956, 72: Mittel auf Mittel, ohne daß ihre Zahl zu erkennen wird?
- Borghouts 1978, 65: Mishap on mishap, the number of which cannot be kept up!
- Sternberg-el-Hotabi 1988, 368: Bist du denn nicht gekommen ... mit Mitteln über Mittel, deren Anzahl man nicht kennt!
- Allen 2005, 57: Though you have come equipped with ... one thing after another without number (...).
19 zp sn.nw=f: Auf der Metternichstele steht die Ordinalzahl sn.nw „zweite“, auf dem Socle Béhague das Substantiv sn: „Bruder“. Sander-Hansen 1956, 72 übersetzt „sein Unheil ist ein so Schlimmes, daß der ganz Notleidende sterben wird“. Er verweist auf das zusammengesetzte Substantiv zp-sn: „Böses, Missetat, Unrecht“ (Wb 3, 437.14). Die Textparallele von Socle Béhague hat die Genitivverbindung zp sn=f: „die Angelegenheit seines Bruders“ (vgl. A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952)und Borghouts 1978: „the deed of his brother“). Laut Sander-Hansen 1956 ist in diesem Fall jedoch die Version von Socle Béhague fehlerhaft und die Version der Metternichstele (ausnahmsweise) richtig. Vgl. den Kommentar von A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 93, Anm. zu f.1–2.
20 m-ꜥb n mw.t=f: Auf dem Socle Béhague steht m-ꜥb wr n.j mw.t=f: „zusammen mit dem Großen/Ältesten seiner Mutter“. wr n.j mw.t=f ist mit einem Frauendeterminativ hinter =f versehen, als ob das ganze EIN Ausdruck ist. Entweder ist der „Große seiner Mutter“ Osiris, bezogen auf Isis als Ehefrau des Osiris, oder der „älteste (Sohn) seiner Mutter“ ist Osiris als ältester Sohn der Nut. Falls man das n in m-ꜥb {n} tilgt, würde der Satz den unerfüllten Wunsch beschreiben, dass Horus mit seiner Mutter zusammen gewesen wäre (so Sander-Hansen 1956, Sternberg-el-Hotabi 1988, Allen 2005).
21 sjn: Entweder das Verb „warten (auf), abwarten, erwarten“ (E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199, A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), Borghouts 1978 „yearn“, Allen 2005 „hesitate“) oder das Verb „eilen“ (Möller 1900, Sander-Hansen 1956).
22 nḥb: Auf dem Socle Béhague, Z. f.4–5 steht ꜣbi̯ nḥi̯ n kꜣ n.j jt=f: „ich wünschte, den Ka seines Vaters anzuflehen“. Laut Wb 2, 291.12–13 bedeutet nḥb kꜣ: „jemandem Ansehn verleihen“. A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 56 übersetzt mit „I yearned to rehabilitate his father“ (ebenso Borghouts 1978, 65, aber mit einem Fragezeichen bei „rehabilitate“). Allen 2005, 57: „I have wished to bestow the life force of his father“. Sander-Hansen 1956, 75 hält nḥi̯=j: „ich bete“ auf Socle Béhague für den besseren Text „wünschte ich den Ka seines Vaters anzuflehen“.
23 ẖꜣ.t štꜣ.t m ⸮sꜥḥ? =f ḫnt ⸮qrs.w? =f: Auf dem Socle Béhague (Z. f.13–14) steht ẖꜣ.t štꜣ.t šps.j sꜥḫ=f ḫnt qrs.w=f: „der geheimnisvolle Leichnahm, dessen Mumiengestalt in seinem Sarg erhaben ist“
24 dwꜣ.t〈j〉 tꜣ.du pẖr m ḥr.pl štꜣ (j)ḫ.t: Auf dem Socle Béhague (Z. f.14–15) steht dwꜣ.t〈j〉 tꜣ.wj pẖr ḥr.w [štꜣ] (j)ḫ.t: Das Verb pẖr ist dort phonetisch komplementiert, wird aber mit direktem Objekt verwendet. In keiner der beiden Textversionen ist dwꜣ.t als dwꜣ.tj ausgeschrieben. Als „Unterweltliche“ übersetzen Sander-Hansen 1956 und Allen 2005 (vgl. zuvor schon Lexa 1925: „les habitants du douat“, als unsicher markiert). Eine ganz andere Interpretation, die in der Version des Socle Béhague ohne die Präposition m möglich ist, lautet: „die Unterwelt, das Doppelland, umgewandt an Gesichtern und geheim an Sachen“. Vgl. „l’Hadès, le pays où les visages sont retournés, où les objets sont invisibles“ (E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199); „the Netherworld, the lands where faces are reversed, secret of contents“ (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952)) (ähnlich Borghouts 1978, Sternberg-el-Hotabi 1988).
25 ḏ.t=f ḏs=f: Findet sich sowohl auf der Metternichstele als auch auf dem Socle Béhague. Ist in C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Band VII. š, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven/Paris/Dudley, MA 2002) nicht als Götterbezeichnung aufgenommen; laut Sander-Hansen 1956, 75 ist es in der späten Version von Tb 17 ein Name des Sonnengottes.
26 jw šb.w ḏbꜣ ḫm/sḫm: Ist auf dem Socle Béhague klar ausgeschrieben, allerdings ebenfalls mit dem Stadtdeterminativ, das zu Ḫm „Letopolis“ gehört.
27 jr.w.pl r šw.t: A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), 96 bezieht „die Formen des Schattens“ auf Socle Béhague auf die verschiedenen Positionen einer Sonnen-/Schattenuhr, die man nicht länger beobachten (mꜣꜣ) kann. Laut Sander-Hansen 1956, 76 wären Mumie und Buchrolle auf der Metternichstele allerdings nicht als jr.w, sondern als šsp/sšp.w r šw.t: „Licht mehr als Schatten“ zu lesen (sšp „Licht“ geschrieben wie šzp „Statue, Sphinxstatue“).
28 Obere horizontale Zeile auf derselben rechten Sockelseite.
29 Obere horizontale Zeile auf der Vorderseite.
30 Obere horizontale Zeile auf der linken Sockelseites.
31 Obere horizontale Zeile auf der Rückseite des Sockels.
32 ḥn ... r: Auf dem Socle Béhague (Z. f.31) steht ḥn ... ḥr, was eher bedeutet „Mögest du ihnen stärkstens Anweisungen geben, indem du das Kind wohlbehalten sein lässt.“
33 kꜣ=j: Wird übersetzt als „my position“ (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952)), „meine Würde“ (Sander-Hansen 1956), „Identität“ (Borghouts 1978, Sternberg-el-Hotabi 1988), „life force / Lebenskraft“ (Allen 2005).
34 Früher wurde Ḏḥw.tj ḏd=f n nṯr.w ꜥꜣ.w n(.w) jm.jw Ꜣḫ-bj.t „Thoth sprach zu den großen Göttern der Einwohner von Chemmis“ gelesen.
35 wr pfj pri̯ m-ḫnt=sn: Mit „jenem Großen“ ist sicherlich Osiris gemeint und nicht Horus, denn pfj ist für die Ferndeixis. Für pri̯ m-ḫnt=sn findet sich sowohl die Übersetzung „unter sie treten“ (Sander-Hansen 1956), „aus ihrer Mitte hervorgehen“ („emerge at their fore“, „apparaître au milieu de“) (Sternberg-el-Hotabi 1988, Allen 2005, E. Drioton, Une scène des mystères d’Horus, in: Revue de l’Égypte ancienne 2/3-4, 1929, 172–199) als auch „go away from among them“, „depart from them“ (A. Klasens, A magical statue base (socle behague) in the Museum of Antiquities at Leiden (Leiden 1952), Borghouts 1978).
36 Untere horizontale Zeile auf der Rückseite.
37 Untere horizontale Zeile auf der rechten Sockelseite.
38 Untere horizontale Zeile auf der Vorderseite.
39 Untere horizontale Zeile auf der linken Sockelseite.
40 Auf dem Socle Béhague endet der Text mit rmṯ nb ꜥw.t nb.t n.tj ẖr mtw.t ꜥnḫ mj.tt. Dieser Satz fehlt auf der Metternichstele, möglicherweise nur wegen Platzmangels am Ende des Sockels.

Schutz des Nektanebos (Sockel, Oberseite, rechte Kante, Z. 163–164)

Der gute Gott, 𓍹Senedjem-ib-Re,-auserwählt-von-Onuris𓍺, der Sohn des Re, 𓍹{{Nechthorheb}}𓍺 (Nektanebos II.).
Dein Schutz ist der Schutz der Götter und Göttinnen. Und umgekehrt.1

1 Die Zeilen 163–164 schließen an bei Spruch XII, der, anders als Z. 165 zu Z. 125 (Spruch X), keinen direkten Bezug zum Spruchende (Z. 162) von Spruch XII hat.

Schutz des Nektanebos (Sockel, Oberseite, linke Kante, Z. 165–166)

[165] Der gute Gott, 𓍹Senedjem-ib-Re,-auserwählt-von-Onuris𓍺, der Sohn des Re, 𓍹Nechthorheb𓍺 (Nektanebos II.).
Dein Schutz ist der 〈Schutz des〉 Horus-Sched, des großen Gottes (oder: Dein Schutz ist Horus-Sched, der große Gott). Und umgekehrt.1

1 Die Zeilen 165–166 schließen an bei Spruch X, der mit jnk Ḥr,w-šd endet (Z. 125).