mnj „Rötel (?)“

mnj: Eine unbekannte Droge, vielleicht Rötel?

(1) In den medizinischen Texten bislang nur in Eb 325 belegt. L. Stern, Glossarium, in: G. Ebers (Hrsg.), Papyros Ebers. Das hermetische Buch über die Arzeneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift. Vol. 2 (Leipzig 1875), 1–63, hier 23 nennt als weiteren Beleg pEbers 68,10 (= Eb 490). Dieser ist jedoch zu streichen, denn das dort stehende Wort ist mnḥ: „Wachs“, vgl. explizit J.R. Harris, Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichungen 54 (Berlin 1961), 172, Anm. 7. Ein möglicher weiterer Beleg in Totenbuchspruch 64 in der Version auf dem Papyrus des Juya (pCairo CG 51189; TM 134267; I. Munro, Die Totenbuchhandschriften der 18. Dynastie im Ägyptischen Museum Cairo, Ägyptologische Abhandlungen 54 (Wiesbaden 1994), Taf. 59, Z. 477; vgl. hier im TLA) mit leicht variierender Schreibung bringt keine zusätzlichen, für die Identifizierungen nützlichen Informationen: Er steht in der Verbindung pr-mnj: „Haus des ...“ im Zusammenhang von Epitheta, mit denen der Verstorbene sich vor Osiris rechtfertigt.
H.L.E. Lüring, Die über die medicinischen Kenntnisse der alten Ägypter berichtenden Papyri verglichen mit den medicinischen Schriften griechischer und römischer Autoren (Leipzig 1888), 29, Anm. 1 vermutet in mnj eine Schreibvariante des Produkts mnnn, das bei der Balsamierung und als Bestandteil von Harzen genannt wird, und er vermutet in beidem „eines der aromatischen Harze“. É. Chassinat, Le mot [U7:D21-V28-X1:W22] dans les textes médicaux, in: Anon. (Hrsg.), Recueil d’études égyptologiques: dédiées à la mémoire de Jean-François Champollion à l’occasion du centenaire de la lettre à M. Dacier relative à l’alphabet des hiéroglyphes phonétiques, lue à l’Académie des inscriptions et belles-lettres le 27 septembre 1822, Bibliothèque de l’École des hautes études, Sciences historiques et philologiques 234 (Paris 1922), 447–465, hier 463, Anm. 8 und É. Chassinat, Le manuscrit magique copte No 42573 du Musée Égyptien du Caire, Bibliothèque d’études coptes 4 (Le Caire 1955), 65–74, der Lürings Gleichsetzung von mnj mit mnnn folgt (und noch mit Stern Eb 490 für einen zweiten Beleg hält), bespricht die Belege für mnnn. Aufgrund der Verwendung v.a. bei der Balsamierung, die er mit der angeblichen Verwendung von Bitumen in den Berichten der klassischen Autoren vergleicht, sowie aufgrund der in den Texten genannten schwarzen Farbe und der festen Konsistenz kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um Bitumen handeln könnte. Auf dieser Gleichsetzung von mnj mit mnnn beruht Ebbells Übersetzung (B. Ebbell, The Papyrus Ebers. The Greatest Egyptian Medical Document (Copenhagen, London 1937), 132) von mnj mit „bitumen?“, die E. Iversen, Some Ancient Egyptian Paints and Pigments. A Lexicographical Study, Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab. Historisk-filologiske Meddelelser 34.4 (København 1955), 40, Anm. 2 für „very doubtful“ hält. Aber auch die Vorschläge im H. von Deines – H. Grapow – W. Westendorf, Übersetzung der medizinischen Texte, Grundriß der Medizin der alten Ägypter IV.1 (Berlin 1958), 166 („mnj-Harz (?)“) und im H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 239 („mnj ist unbekannt. Vielleicht ist es ein Harz“), T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995), 300 („résine-men“) und S. Aufrère, L'univers minéral dans la pensée égyptienne, Bibliothèque d’étude 105 (Le Caire 1991), 657 gehen letztlich hierauf zurück.

J.R. Harris, Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichungen 54 (Berlin 1961), 173 und 234 zweifelt die Bedeutung „Bitumen“ für mnnn jedoch an, weil in der vorpersischen Zeit kein Bitumen bei der Mumifizierung verwendet wurde und mnnn in vorpersischen Belegen daher etwas anderes bezeichnen muss. Er vermutet eher Holzteer oder ein Koniferenharz (Aussage leicht modifiziert, aber nicht grundlegend geändert im Nachtrag S. 234). Die Gleichsetzung mit dem mnj des pEbers schließt er implizit aus, was man daran erkennt, dass er dieses an anderer Stelle diskutiert.

(2) Ein Wort mn.y, geschrieben wie in Eb 325, nur mit doppeltem Schilfblatt anstelle der doppelten diagonalen Linie (Gardiner, Sign-list Z 4), ist im Liebeslied Nr. 43, pChester Beatty I, Recto 17,3, belegt. A. H. Gardiner, The Library of A. Chester Beatty. Description of a Hieratic Papyrus with a Mythological Story, Love-Songs, and Other Miscellaneous Texts, The Chester Beatty Papyri 1 ([Oxford], London 1931), 37, Anm. 1 verbindet es explizit mit dem mnj des pEbers. Der Beleg steht im Kontext der Brandmarkung von Rindern und parallel zu ḫtm: „Siegel“; Gardiner vermutet die Bedeutung „ruddle“. M. V. Fox, The Song of Songs and the Ancient Egyptian Love Songs (Madison 1985), 73 emendiert dagegen zu mn.tj: „die beiden Beine“, was B. Mathieu, La poésie amoureuse de l’Égypte ancienne. Recherches sur un genre littéraire au Nouvel Empire, Bibliothèque d’étude 115 (Le Caire 1996), 50, Anm. 134 wiederum ablehnt, weil der Klassifikator und die verwendete Possessivkonstruktion pꜣy=f mn.y gegen einen Körperteil sprächen; man würde dann mn〈.tj〉=f erwarten. Als weiteren Beleg für dieses Wort führt R.A. Caminos, Literary Fragments in the Hieratic Script (Oxford 1956), 34 die Geschichte vom „Sporting King“, Zl. C2,2, an; der Beleg ist mit Gardiner Z 4 geschrieben und mit den gekreuzten Linien (Gardiner Z 9) klassifiziert.

(3) Einen weiteren möglichen Beleg für Nr. 2 findet J.J. Janssen, Commodity Prices from the Ramessid Period. An Economic Study of the Village of Necropolis Workmen at Thebes (Leiden 1975), 309–310 auf oDeM 579, Zl. 16. Die Bedeutung „ruddle“ lehnt er allerdings ab und vermutet ein Metall-, konkret: Schmuckobjekt, weil das Wort innerhalb einer Aufzählung von Metallobjekten steht und mit der Quantität „1“ sowie einem Preis von einem Deben gelistet ist. Ob er die Bedeutung „Rötel“ nur für das Lemma dieses Ostrakons ablehnt oder generell, wird nicht klar. Im Kontext von Liebeslied Nr. 43 würde ein Metallobjekt weniger gut passen; ganz auszuschließen ist es allerdings nicht.

(4) B. Mathieu, La poésie amoureuse de l’Égypte ancienne. Recherches sur un genre littéraire au Nouvel Empire, Bibliothèque d’étude 115 (Le Caire 1996), erwähnt noch einen angeblichen weiteren Beleg auf oBM EA 5631 Recto, Zl. 7 (vgl. J. Černý – A.H. Gardiner, Hieratic Ostraca. Volume I (Oxford 1957), Taf. 88). Dort steht aber nicht mn.y, sondern die Gewichtseinheit mnn: „Mine“, vgl. J.E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994), 127, Nr. 162.

Dr. Lutz Popko