wnm-znf „Blutfraß“
wnm-znf: Die Identität der Krankheit wnm znf: „Fressen des Blutes” ist umstritten; trotz scheinbar ähnlicher Wortbildung ist sie wohl nicht identisch mit dem koptischen Kompositum ⲟⲩⲁⲙⲥⲛⲟϥ, wörtl.: „das, was das Blut frisst“ (erwähnt bei W. C. Till, Die Arzneikunde der Kopten (Berlin 1951), 479a = Rossi, Papiri copti 1.4, S. 64c (Kap. 24), vgl. S. 99 = L.-T. Lefort, Les pères apostoliques en copte édités, Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 135 (Louvain 1952), 86a (Kap. VII.3)). Denn bei der Krankheit wnm (n) znf scheint das Blut selbst zu fressen (s. Eb 722: znf wnm.w m-ẖnw ḥꜥ.w: „Blut, das im Inneren des Leibes frisst“), es liegt Infinitiv + semantisches Subjekt/Agens vor. Das koptische ⲟⲩⲁⲙⲥⲛⲟϥ ist dagegen Participium coniunctum + Objekt.
B. Ebbell, Die ägyptischen Krankheitsnamen, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 63, 1928, 71–75 und 115–121, hier 118–119 denkt bei wnm (n) znf an Skorbut, vorrangig weil die Krankheit den jeweiligen Kontexten nach an verschiedenen Stellen der Körperoberfläche auftritt und einmal dezidiert an den Zähnen, und weil sie mit Blutaustritten verbunden ist. Dass in die ägyptische Krankheitsbezeichnung auch andere hämorrhagische Krankheiten eingeschlossen sein könnten, schließt er aber nicht generell aus. In B. Ebbell, The Papyrus Ebers. The Greatest Egyptian Medical Document (Copenhagen, London 1937), 102 übersetzt er dann „‚blood-eating‘ (i.e. scurvy)“. Auf seine Identifikation gehen die Hinweise auf Skorbut im Alten Ägypten zurück, hauptsächlich innerhalb der Medizingeschichte (vgl. explizit etwa G.H. Bourne, Vitamin C in the Animal Cell, in: L.V. Heilbrunn – F. Weber (Hrsg.), Protoplasmatologia. Handbuch der Protoplasmaforschung. Bd. II.B.2.b.α (Wien 1957), 71–161, hier 72 [= S. 2]), oder H. Zöllner – R. Giebelmann, Kulturhistorische Betrachtungen über Vitamin C, in: Ernährungslehre und Praxis 5, 2005, 17–20, hier 17), aber auch innerhalb der Ägyptologie (bspw. G. Keil, Der Papyrus Ebers und die Medizin des Abendlandes, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.), Papyrus Ebers und die antike Heilkunde. Akten der Tagung vom 15.-16.3.2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 11–39, hier 29 mit Bezug auf das Rezept Eb 749, das „Skorbut, Epulis oder Parulis“ bespreche). Die wenigen Informationen, die aus den Kontexten zu gewinnen sind, sind allerdings nicht ausreichend für eine sichere Identifikation des ägyptischen Begriffs wnm (n) znf mit Skorbut, auch wenn Skorbut durchaus an Mumien nachgewiesen ist (Pommerening, Krankheit und Heilung (Ägypten), 2009, in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/24048/ (zuletzt geprüft: 01.02.2019)). H. Grapow, Kranker, Krankheiten und Arzt. Vom gesunden und kranken Ägypter, von den Krankheiten, vom Arzt und von der ärztlichen Tätigkeit, Grundriß der Medizin der alten Ägypter III (Berlin 1956), 68 listet Skorbut unter den Termini auf, bei denen Vorsicht geboten ist, und H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ–r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 187 beschränkt sich bei der Übersetzung auf ein rein wörtliches „Blutfraß“. Weder T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte pharaonique, Penser le médecine (Paris 1995), noch W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36 (Leiden 1999), übersetzen wnm (n) znf mit Skorbut.
Dr. Lutz Popko