Papyrus London UC 32781

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Alternative Namen
Papyrus Rifeh Trismegistos 755047
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » Petrie Museum of Egyptian Archaeology

Inventarnummer: UC 32781

Erwerbsgeschichte

Wohl im Rahmen der Fundteilung an das Museum gekommen.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » zwischen Assiut und Abydos » westliches Ufer » Deir Rifeh

In der Grabungskampagne von 1906/07 auf dem „northern cemetery“ von Rifeh, im Grab 120, gefunden (Petrie 1907, 27, nicht eingezeichnet auf der Karte auf Taf. 8); der Friedhof ist „largely of the XIXth dynasty“ (Petrie 1907, 21).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 18. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie

Posener 1976, 6–7 datiert den Papyrus aus paläographischen Gründen an den Beginn der 19. Dynastie oder etwas früher, Fischer-Elfert 2013, 27 tendiert aus denselben Gründen eher „in die fortgeschrittene 18. Dynastie“.

Textsorte
Monographie/thematisches Handbuch
Inhalt

Die Vorderseite (auf dieser Website ausgelassen, Übersetzung hier) enthält, soweit erhalten, die sogenannte Loyalistische Lehre alias Lehre des Kairsu.

Die einzige erhaltene Kolumne der Rückseite enthält dagegen eine Liste von Todesarten und ähnelt damit dem „Osirisdekret“ auf pTurin CGT 54050, vso 2,5–5,1. Der Text des Londoner Papyrus ist mit „Glossar“ (jr.j) wohl des Balsamierers betitelt. Ob die Rückseite ausschließlich diesen Text enthielt und damit eine quasi thanatologische Monographie darstellt, oder ob sich thematisch abweichende Textteile anschlossen und das Verso insgesamt eher eine Sammelhandschrift darstellte, muss offenbleiben. Das letzte erhaltene Wort, šzp: „ergreifen“, lässt Fischer-Elfert 2013, 26 und 32–33 an eine „manuelle Instruktion“ an den Balsamierer denken, was ebenfalls noch in den Rahmen einer „thanatologischen“ Monographie passt, ihn aber um den Aspekt einer Handlungsanleitung erweitert.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Vorder- und Rückseite sind von derselben Person beschriftet worden, und die Kombination eines weisheitlich-literarischen und eines wissenschaftlichen Textes erinnert Fischer-Elfert 2013, 32 an die sogenannte Ramesseumsbibliothek (für die wissenschaftlichen Texte s. hier; zu den literarischen Texten s. hier und hier), in der ebenfalls – teilweise verteilt auf separate Textträger, aber in einer gemeinsamen Kiste gefunden – literarische und wissenschaftliche Texte miteinander kombiniert gefunden wurden. A.a.O. weist Fischer-Elfert sogar einen möglichen thematischen Link zwischen Vorder- und Rückseitentext des Londoner Papyrus hin: Falls die Vorderseite die ganze Lehre enthielt und mit ihr endete, könnte der am Ende der Lehre angesprochene Totenkult eine Klammer zum Text der Rückseite bilden.

Aufgrund der Nennung des Balsamierers auf dem Rückseitentext sieht Fischer-Elfert, a.a.O., 33 darüber hinaus einen funktionalen Unterschied zwischen diesem Text und dem Turiner „Osirisdekret“: Während der Londoner Text retrospektiv eben aus der Perspektive eines quasi forensisch (vgl. a.a.O., 20) arbeitenden Balsamierers berichte, sei das Turiner Dekret aus „fakultativ-prognostischer Perspektive“ geschrieben.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Nur noch ein kleines Fragment vom Beginn der Rolle und je einer Kolumne auf der Vorder- und der Rückseite ist erhalten. Für die Beschriftung der Rückseite wurde der Papyrus über die horizontale Achse gewendet: der obere Rand der Vorderseite ist der untere Rand der Rückseite. Daher ist auf Vorder- und Rückseite die jeweils erste Kolumne des Textes erhalten. 

Rechts ist ein unbeschrifteter breiter Rand erkennbar, der wohl Teil des Schutzstreifens der Rolle gewesen sein dürfte. Sowohl der obere als auch der untere Seitenrand sind erhalten. Allerdings ist sowohl die Kolumne auf der Vorderseite als auch diejenige auf der Rückseite nur in der rechten Hälfte erhalten; die jeweils linke ist zerstört. Dabei ist von der Kolumne auf der Rückseite noch mehr zerstört als von derjenigen auf der Vorderseite, weil diejenige auf der Rückseite weiter eingerückt war.

Das Papyrusfragment misst etwa 13 × 17 cm (B×H), Fischer-Elfert 2013, 15 und entspricht damit dem gängigen Halbformat dieser Epoche (Černý 1977 (= 1952), 16, vgl. Posener 1976, 7, Anm. 6).

Schrift
Hieratisch

Fischer-Elfert 2013, 16 bezeichnet die Handschrift als „äußerst geübte und geradezu kalligraphisch anmutende literarische Unziale“.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Der Rückseitentext ist zu stark zerstört, um ihn sprachhistorisch eindeutig zu klassifizieren. Das in Zeile 3 erhaltene Verbaladjektiv spricht für klassisches Mittelägyptisch, schließt aber eine Komposition in der 18. Dynastie nicht völlig aus, s. Fischer-Elfert 2013, 22.

Bearbeitungsgeschichte

Der Text auf der Vorderseite wird regelmäßig bei Studien zur Loyalistischen Lehre mitberücksichtigt, zu einer Bibliographie (bis 2014) s. hier.

Der Text auf der Rückseite wurde erstmals von Gardiner ins Hieroglyphische transliteriert und ins Englische übersetzt; diese Bearbeitung findet sich bei Petrie 1907, 27 und Taf. 27o publiziert. Eine eigenständige Studie zu diesem Text stellt Fischer-Elfert 2013, dar.

Editionen

- Fischer-Elfert 2013: H.-W. Fischer-Elfert, Anfang eines íry.w-Traktats des wtí-Umwicklers inclusive einer post-mortalen Thanatologie. (Pap. UCL 32781 verso), in: Chronique d'Égypte 88 (175), 2013, 15–34.

- Petrie 1907: W. M. F. Petrie, Gizeh and Rifeh (Double Volume), British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account 13 (London 1907).

Literatur zu den Metadaten

 - Černý 1977 (= 1952): J. Černý, Paper & Books in Ancient Egypt. An Inaugural Lecture Delivered at University College London, 29 May 1947 (London 1977 (= 1952)).

- Fischer-Elfert 2013: H.-W. Fischer-Elfert, Anfang eines íry.w-Traktats des wtí-Umwicklers inclusive einer post-mortalen Thanatologie. (Pap. UCL 32781 verso), in: Chronique d'Égypte 88 (175), 2013, 15–34.

- Petrie 1907: W. M. F. Petrie, Gizeh and Rifeh (Double Volume), British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account 13 (London 1907).

- Posener 1976: G. Posener, L’enseignement loyaliste. Sagesse égyptienne du Moyen Empire, Centre de Recherches d’Histoire et de Philologie de la IVe Section de l’Ecole pratique des Hautes Etudes II. Hautes Études Orientales 5 (Genève 1976).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Lutz Popko
Autoren (Metadaten)
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Liste mit Todesarten

[Vso. 1] Anfang eines Glossars1 des Balsamierers des (?) nsy-Dämons [und der nsy.t-Dämonin ---]:
[---] ein Balsamierer des nsy-Dämons und der nsy.t-Dämonin, des Widersachers [und der Widersacherin ---], der das Gesicht beugen wird2, wenn er jedes Ritual vollzieht.
[---], [Tod durch] irgendeine [Aktion] (der) Jahres(end)seuche (?)3, Tod durch [---], [Tod durch ...] [Vso. 5] seines Urins, Tod durch Verdursten, Tod [durch Trunkenheit] (?)4 [---], [Tod durch Knochen von] Vögeln, Tod durch (Erkrankung?) seiner Augen5, Tod [durch ---], [---], Tod durch (scil.: verdorbenes?) Fleisch vom Rind, Tod durch [---], [---], Tod durch den (Dämon) „Der von außen eindringt“, [Tod durch ---], [---], [Tod] durch (scil.: verdorbenes?) Fleisch vom Rind6, Tod durch [---], [---], [Vso. 10] Tod durch Pfeile, Tod [durch ---], [---], [Tod durch] Hin-/Herunterfallen, Tod durch Aufzucht des Kindes7, [---], [Tod durch] einen Skorpion, Tod durch Bier.
Nehmen/Empfangen [---]

1 Zur Bedeutung s. H.-W. Fischer-Elfert, Stolz auf seine Fachbibliothek oder Die thaumaturgischen Hände des Dr. Nefer, in: Die Welt des Orients 43, 2013, 106–113 und Fischer-Elfert 2013, 19–20.
Die genaue Art des Anschlusses der hier und in der folgenden Zeile genannten Krankheitsdämonen ist aufgrund der Lücken unsicher. Inhaltlich wird vielleicht die Balsamierung konkret eines von diesen dämonisch verursachten Krankheiten Betroffenen gemeint sein. Semantisch wäre die Formulierung aber auffällig kurz, so dass weiterhin die Frage besteht, wie die Überschrift genau zu verstehen ist und ob nicht auch andere Interpretationen denkbar wären. Das hier als wt: „Balsamierer“ gelesene  Zeichen erhält in der Spätzeit und der griechisch-römischen Zeit einen neuen Lautwert und ist im sogenannten Schlangenpapyrus als ẖr.j-dm.t, der „Gebissene“, zu lesen. Könnte man daher in Papyrus London UC 32781 vielleicht, alternativ zu wt: „Balsamierer“, an einen besonders frühen Beleg für diese Lesung denken, so dass eigentlich kein wt nsj: „Balsamierer des nsy-Dämons“, sondern ein ẖr(.j) nsj etc., ein „unter nsy-Dämonen etc. Leidender“, gemeint ist? 

2 Mit Fischer-Elfert 2013, 22 könnte hier auf den Balsamierer angespielt worden sein, der über dem Leichnam gebeugt ist.

3 Könnte man hier vielleicht mit den Formulierungen der Oracular Amuletic Decrees vergleichen, vgl. bspw. OAD T1, vso. 7–8 
(https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ICAAkE0UeS2Q4kpWodcBaYCqLFk, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 07.03.2024)?

4 So vielleicht nach der Sequenz in der vergleichbaren Liste von Todesarten auf pTurin CGT 54050 vso., konkret Zeile 3,10
(https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/DBOC7FVEYFCE7MJISLNEFJLAQE, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 07.03.2024)).

5 Zur Übersetzung mit „Tod durch (Erkrankung?) seiner Augen“ s. den Kommentar zu pTurin CGT 54050 vso. 2,8
(https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/VNFB5TVG4JCNXP53BSPYXHMZLE, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 07.03.2024)).

6 Warum Rindfleisch zwei Mal genannt ist, bleibt aufgrund der Zerstörungen unklar.

7 S. Fischer-Elfert 2013, 25. Wer (Kind oder aufziehende Mutter/Amme) und woran genau hier gedacht wird, muss freilich offenbleiben.