Papyrus Carlsberg 200

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Dänemark » Kopenhagen » Carlsberg Papyrus Collection
Digitaler Katalog

https://pcarlsberg.ku.dk/

Erwerbsgeschichte

Da der Papyrus zur Carlsberg Collection gehört, ist anzunehmen, dass auch dieses Fragment im Jahr 1931 zusammen mit dem Konvolut aus Tebtynis angekauft worden ist, s. hierzu Hagen/Ryholt 2016, 178–180. Da die Schrift im Duktus allerdings eher pCarlsberg 475 nahesteht (Petrova 2020, 26), der paläographisch im Konvolut eine Ausnahme darstellt (Quack 2006, 53–54), und für diese beiden Papyri keine weiteren Fragmente im Material aus der Tempelbibliothek identifiziert werden konnten, besteht die Möglichkeit, dass pCarlsberg 200 eventuell ebenso wie pCarlsberg 475 aus früheren Ankäufen von H.O. Lange (Hagen/Ryholt 2016, 164–178) stammt und somit bereits früher nach Kopenhagen gekommen sein könnte (Quack 2006, 53).

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » Fajjum » Tebtynis

Da der Papyrus zur Carlsberg Collection gehört, ist anzunehmen, dass auch dieses Fragment im Jahr 1931 zusammen mit dem Konvolut aus Tebtynis angekauft worden ist. Petrova (Petrova 2020, 26) geht davon aus, dass der Papyrus nicht zur Tempelbibliothek gehört hat, sondern aus den Müllgruben außerhalb der Tempelmauern stammen dürfte, in denen aussortiertes Schriftmaterial abgelegt worden ist. Dies würde erklären, warum der Papyrus mindestens an einer Seite entlang der Klebung abgeschnitten ist (Petrova, ebd.).

Datierung
von: (Absolute Datierung: Jahrhunderte) » (Jahrhunderte v.Chr.) » 1. Jhdt. v.Chr. bis: (Absolute Datierung: Jahrhunderte) » (Jahrhunderte n.Chr.) » 1. Jhdt. n.Chr.

Die Datierung gründet sich in erster Linie auf die Paläographie der Schrift, s. Petrova 2020, 26.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Das stark beschädigte Papyrus-Fragment überliefert die Reste von zwei magischen Sprüchen zum Schutz des Königs.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Durch den stark beeinträchtigten Erhaltungszustand ist kaum eine Angabe zum ursprünglichen Verwendungskontext möglich. Möglicherweise handelt es sich um ein Blatt aus einer Sammelhandschrift oder aber um ein einzelnes Papyrusblatt, auf dem zusammengehörende Sprüche notiert worden sind. Mindestens auf der linken Seite, aber nach Petrova (Petrova 2020, 26) ebenfalls auf der rechten Seite, wurde vermutlich das Blatt entlang der Klebung abgetrennt. Auf der linken Seite finden sich Reste der Klebung auf dem Verso und der Bruch verläuft ziemlich gerade (Petrova 2020, 25).

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Technische Daten

Das erhaltene Fragment ist 12,5 cm breit und 29 cm hoch. Keine der vier Seiten ist im Original erhalten. Es sind Reste von zwei Kolumnen auszumachen, von denen die erste Kolumne im oberen Bereich bis auf die letzten Zeichen von vier Zeilen vollständig verloren ist. Im unteren Bereich sind von den acht letzten Zeilen zumindest einige Reste erhalten. Oberhalb dieser acht Zeilen wurde eine Zeile ausgelassen bzw. nur im rechten Bereich beschrieben. Durch den freigelassenen Raum ist das Ende des ersten sowie der Beginn des zweiten Spruchs gekennzeichnet. Von der zweiten Kolumne ist jeweils der Beginn (ca. 6 bzw. 8 Schriftquadrate) von insgesamt 12 Zeilen erhalten. Es gibt keinen Hinweis auf die ursprüngliche Breite der Kolumnen, daher ist es schwer abzuschätzen, wieviel vom Text verloren ist. Der zweite Spruch endet mit Zeile 12; der gesamte Rest der Kolumne wurde frei gelassen.

Schrift
Hieratisch » Späthieratisch

Der Text ist einem Späthieratisch geschrieben, das paläographisch in die späte Ptolemäische Zeit bis in die frühe Römerzeit einzuordnen ist. Die Schrift wird von Petrova (Petrova 2020, 26) als kursiv, klein und dick im Strich beschrieben, vergleichbar mit der Schrift von pCarlsberg 475, die im Konvolut der Carlsbergpapyri allerdings paläographisch eine Ausnahme darstellt, s. Quack 2006, 53–54.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustands des Textes sind keine näheren Angaben möglich.

Bearbeitungsgeschichte

Die Erstpublikation des Fragments wurde im Jahr 2020 von Dora Petrova im Band 15 der Publikationen der Carlsberg Papyri vorgelegt.

Editionen

- D. Petrova. A Spell for the Protection of Pharaoh. In: Kim Ryholt [Hrsg.]. The Carlsberg Papyri Vol. 15. Hieratic Texts from Tebtunis: including a Survey of Illustrated Papyri. CNI Publications 45. Kopenhagen 2020, 25–35, pls. 8–9.

Literatur zu den Metadaten

- Hagen/Ryholt 2016: F. Hagen und K. Ryholt. The Antiquities Trade in Egypt 1880-1930: The H.O. Lange Papers. Scientia Danica Serie H. Humanistica 4. Kopenhagen 2016.

- Petrova 2020: D. Petrova. A Spell for the Protection of Pharaoh. In: Kim Ryholt [Hrsg.]. The Carlsberg Papyri Vol. 15. Hieratic Texts from Tebtunis: including a Survey of Illustrated Papyri. CNI Publications 45. Kopenhagen 2020, 25–35, pls. 8–9.

- Quack 2006: J.F. Quack, Ein neuer Zeuge für den Text zum neunköpfigen Bes (P. Carlsberg 475), in: Kim Ryholt [Hrsg.]. The Carlsberg Papyri Vol. 7. Hieratic Texts from the Collection. CNI Publications 30. Kopenhagen 2006, 53–64.

Autoren
Dr. Anke Ilona Blöbaum
Autoren (Metadaten)
Dr. Anke Ilona Blöbaum

Übersetzung und Kommentar

Papyrus Carlsberg 200

[rto Kol. 1, Z. x+1] [...] gegen sie. [...] ⸢der Eine⸣ an seinem Kopf.1 [rto Kol. 1, Z. x+5] (spell x+II) [...] [S]⸢ei⸣ gegrüßt,2 Seneb-Pflanze [...]. [Sch]utz des Allherrn [...] im Himmel (und) jedem Land. Schutz aller Götter [...] [vor] allem bösen [Un]⸢h⸣eil (und) vor allem bösen Wüten. [...] [ein Körperteil] vor allen bösen Dingen [rto Kol. 1, Z. x+10] [...] ⸢Pharao⸣. Er ist der Eine von Zweien [...] [vor jedem] ⸢bösen⸣ [Zauberer] (und) vor jeder [bösen] Zauberin [...] [Pharao]. Er ist Chepri, der sich selbst erschaffen hat. Er ist Neith, [rto Kol. 2, Z. 1] die aus dem Nördlichen (Sanktuar) herausgekommen ist. Er ist der Atem in ihren Mündern ⸢für⸣ (?)3 [...] ⸢beim⸣ Halbmondfest in diesem Jahr und seinem Verlauf.4

Textverlust und Zeilenzählung: Petrova (pCarlsberg 200, 26) zählt im oberen Teil der ersten Kolumne, der bis auf wenige Zeichenreste am linken Rand völlig verloren ist, nur die Zeilen, in denen Zeichenreste zu erkennen sind. Daher stehen in ihrer Zählung vier Zeilen im oberen Teil der ersten Kolumne den 12 Zeilen in der nächsten Kolumne gegenüber, s. Petrova, pCarlsberg 200, pl 8–9 (NB: Auf den Tafeln ist ein falscher Autorenname genannt). So ergeben sich die widersprüchlichen Angaben bei der Zeilenzählung und der Beschreibung des Textverlustes.

2 [S]⸢ei⸣ gegrüßt ([j]:⸢nḏ⸣ ḥr=k snb): Die Satzabtrennung ist durch den Textverlust unklar. Es ist möglich, dass die Pflanze zu Beginn der nächsten Zeile noch näher spezifiziert wurde, wie dies z.B. in einer Parallele im Mammisi in Dendara belegt ist (Daumas, Mammisis de Dendara, 250; Petrova, pCarlsberg 200, 27–28).

3 ⸢für⸣ (n): Es ist unklar, ob das noch erkennbare n als Dativ oder als Genitiv aufzufassen ist, vgl. Petrova, pCarlsberg 200, 27.

4 ⸢beim⸣ Halbmondfest in diesem Jahr und seinem Verlauf ([m] ⸢rnp.t⸣ tn ẖr.t=s js): Petrova (pCarlsberg 200, 27) fasst diese Stelle etwas anders auf: „(in) this year of what belongs to it, indeed“. Mit Verweis auf einen Spruch der Pyramidentexte der Königin Neith (PT 726: Jéquier, Pyramides des reines Neit et Apouit, Nt 695 (PT 726); Allen, Pyramid Texts, 328 [Nt 251]; Topmann in: TLA, Satz-ID IBUBdwQN6eD2cEfelXTk0toQJV0) fasse ich ẖr.t=s als Substantiv „(Jahres)verlauf“ (Jéquier, ebd.; Lemma-ID 859365) und js als Partikel zur Koordinierung auf (Wb 1, 134.5; Lemma-ID 851441).

Pharao [...] jeder böse Zauber, der aus dem Mund von einem Zauberer5 herauskommt, [...] Böses und Abscheu6 in der Nacht am Tag (und) zu [jeder (?)] Zeit [...] [rto Kol. 2, Z. 5] [...] in ihm. S[ie] werden nicht [...] nahekommen [...] sie (?) [...] gegen ihn. Sie werden nicht gegen ihn sein (=handeln). Der Westen [...]. Er ist die mit der Haarflechte, die aus Dep hervorgekommen ist. [...] aus dem [heiligen (?)] Ei7. Er ist das Doppel-Salbgefäß, das als Fayence/Glas hervorgekommen ist,8 [...]. [Er ist (?)] das prächtige Geierweibchen, das vor [...] ruht, [...] [rto Kol. 2, Z. 10] jeder Zauber gegen Pharao. Er ist der (göttliche) Löwe ⸢in⸣ [...] ihre Macht (?)9. Niemals wird man Macht über ihn haben. Er ist der, der erschafft [...]. [Zu rezitieren über einer Seneb-Pflanze],10 ⸢werde⸣ 〈mit〉 24 Knoten ⸢ver⸣[sehen] (und) um den Hals von Pharao gelegt (wörtl. gegeben).

5 Zauberer (ḥkꜣ[.w]): Petrova (pCarlsberg 200, 27) geht davon aus, dass es sich um den Gott Heka handelt. Der von ihr in der Transliteration (ebd., pl. 9) angegebene Götterklassifikator ist absolut nicht erhalten, insofern macht es inhaltlich mehr Sinn, davon auszugehen, dass hier böser Zauber aus dem Mund eines bösen Zauberers gemeint sein dürfte.

6 Böses und Abscheu (⸢ḏw⸣ bw.t): Petrova (pCarlsberg 200, pl. 9 u. 27) gibt in den Hieroglyphen vor ḏw noch nb.t an und erwägt die Ergänzung von [jḫ.t nb.t] am Zeilenbeginn. Die Tintenspuren zu Beginn der Zeile sind aber so unspezifisch, dass ich dies nicht nachvollziehen kann.

7 [heiligen (?)] Ei (swḥ.t [⸮ḏsr.t?]): Petrova (pCarlsberg 200, 27) ergänzt zu swḥ.t [šps.t]. Die Zeichenspuren in der Lücke sind wenig eindeutig. Vergleicht man mit šps in der Zeile darunter, sind keine Gemeinsamkeiten zu erkennen. Ich lehne daher die Ergänzung ab. Mit Verweis auf eine Parallele im pBrooklyn 47.218.138, x+17,12 (§ 55) jnk Nj.t j:pri̯ m swḥ.t ḏsr(.t) jnk pꜣ b(ꜣ)s j:pri̯ ṯḥ⸢n⸣(.t) m tp=f „Ich bin Neith, die aus dem heiligen Ei herauskam, ich bin das Salbgefäß, [aus] dessen Kopf die Fayence hervorkam“ (Brose, in: TLA, Satz-ID ICICNFZgWhV0l0g1urAlYRWkAhQ; Goyon, Prophylaxie, 127; Quack, in: WdO 43, 2013, 271) plädiere ich für die Ergänzung von [ḏsr.t]. Vgl. hierzu ebenfalls swḥ.t-ḏsr.t als Bezeichnung für den vergöttlichten Amenhotep I., LGG VI, 222c.

8 das Doppel-Salbgefäß, das als Fayence/Glas hervorgekommen ist (b(ꜣ)s 2 pri̯ m ṯḥ[n.t]): Vgl. die Parallele im pBrooklyn 47.218.138, x+17,12 (§ 55) jnk Nj.t j:pri̯ m swḥ.t ḏsr(.t) jnk pꜣ b(ꜣ)s j:pri̯ ṯḥ⸢n⸣(.t) m tp=f „Ich bin Neith, die aus dem heiligen Ei herauskam, ich bin das Salbgefäß, [aus] dessen Kopf die Fayence hervorkam.“ (Brose, in: TLA, Satz-ID ICICNFZgWhV0l0g1urAlYRWkAhQ; Goyon, Prophylaxie, 127; Quack, in: WdO 43, 2013, 271). Zur Verbindung des Bas-Salbgefäßes und der Substanz ṯḥn.t, die gemeinhin als „Fayence“ oder „(Silizium)glas“ aufgefasst wird (Lemma-ID 176620), aber auch anders interpretiert werden kann (Goyon, Confirmation, 21 [1]; Meeks, Mythes, 89 [233]) s. Petrova, pCarlsberg 200, 31–32.

9 ihre Macht (?) (⸢sḫm=s⸣): Ergänzung nach Petrova (pCarlsberg 200, pl. 9), die gut mit den erkennbaren Zeichenspuren korrespondiert, jedoch weder in der Transkription noch in der Übersetzung berücksichtigt worden ist (ebd. 27).

10 [Zu rezitieren über einer Seneb-Pflanze] ([ḏd-mdw ḥr snb]): Ergänzung nach Petrova, pCarlsberg 200, 27.