Mittlerer Sarg des Montuhotep, T2Be

Metadaten

Wissensbereiche
Schlagwörter
Aufbewahrungsort
Europa » Deutschland » (Städte A-G) » Berlin » Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Inventarnummer: ÄM 10

Erwerbsgeschichte

Die Grabkammer des Montuhotep, in dem sich der Sarg befand, wurde am 4. Dezember 1823 im Asasif von Giuseppe Passalacqua (1797–1865) geöffnet (Passalacqua 1826, 119). Dieser wohnte von 1822 bis 1825 in Theben-West, führte auf eigene Rechnung Ausgrabungen durch und baute sich so eine Sammlung auf. Im Jahr 1826 stellte er seine Sammlung in Paris zum Verkauf. Sie wurde 1828 von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen angekauft und in Schloss Monbijou aufgestellt. Nach Fertigstellung des Neuen Museums wurde die Sammlung dahin verbracht. Die Objekte aus dem Grab des Montuhotep gehören zu den zuerst inventarisierten im Neuen Museum. Die drei Särge tragen die Inventarnummern ÄM 9 (äußerer Sarg), ÄM 10 (mittlerer Sarg) und ÄM 11 (innerer Sarg). Der äußere Sarg ist Kriegsverlust (Germer 1998, 138).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Scheich Abd-el-Gurna » Asasif

Das Grabensemble wurde von G. Passalacqua 1823 im Asasif gefunden. Die Beschreibung des Ortes, wo er gegraben hat, ist in Passalacquas Bericht von 1826 nicht leicht zu erkennen. Deshalb kann die genaue Position der Grabkammer des Montuhotep nicht mehr festgelegt werden. Allerdings lässt ein Aquarell von Passalacqua von der Landschaft (Steindorff 1896, 1: Stich nach dem Aquarell) darauf schließen, dass es östlich der Grabanlagen von Montuemhet und Pabasa im Asasif war, am Fuß des Nordhangs (Steindorff 1896, 2; Winlock 1915, 8–9 [Plan mit ungefähr eingezeichneter Lage]; Porter – Moss 1964, Plan V mit eingezeichneter Lage, sicherlich nach Winlock), anders formuliert „in the northern slopes of Asasîf, in the foothills of Dirâʿ Abû n-Nagâʿ“ (Willems 1988, 114), vielleicht bei oder nördlich der sogenannten Anhöhe 104. Ein Graboberbau war nicht mehr vorhanden, nur noch ein untiefer Schacht von ca. 3,6 m mit einer geplünderten Grabkammer in der Südwand und geringfügig tiefer der unberührten Grabkammer des Montuhotep in der Nordwand. Diese Grabkammer war gerade groß genug (ca. 2,80 × 1,60 × 1,20 m: Tiefe × Breite × Höhe), um die drei ineinander passenden rechteckigen Särge des Montuhotep mit seiner Mumie sowie zwei Schiffsmodellen, zwei Dienerfiguren, einigen Gefäßen, einer Kopfstütze, zwei Stäben und Teilen eines geopferten Rindes aufzunehmen, außerdem noch eine kleine Holzfigur des Montuhotep neben der Mumie im Innensarg (Passalacqua 1826, Frontispiz mit Fundsituation; Steindorff 1896; Germer 1998, 138, Abb. 143 [Aquarell Passalacqua in Farbe]; Germer – Kischkewitz – Lüning 2009, 79, Abb. 107 [Aquarell Passalacqua in Farbe]).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Mittleres Reich » 12. Dynastie

Der Majordomus (jm.j-rʾ-pr) und Kanalvorsteher (jm.j-rʾ-mr) Montuhotep hat eine Grabausstattung, die für das Mittlere Reich typisch ist. Die frühen Ägyptologen benutzten die Onomastik mit mehr oder weniger Erfolg, um das Grab zu datieren. Lepsius erkannte im Namen Montuhotep einen Zusammenhang mit dem Namen von „verschiedenen Königen der 11. und noch früherer Dynastien“ und deshalb gehöre das Grab in dieser Zeit (Lepsius 1867, 23). Steindorff beobachtete, dass 9 von 23 Personen in den beiden Modellboten von Montuhotep mit „Sobek“ gebildete Namen trugen und eine solche „Modeerscheinung“ passe zur Blütezeit des Sobekkultes im Fayum unter Königen wie Amenemhet III. in der Mitte und am Ende der 12. Dynastie. Kombiniert mit der Stilistik optierte Steindorff für die Särge für die Mitte der 12. Dynastie (Steindorff 1885, 78–80). Später wies Steindorff den Sarg allgemein der 12. Dynastie zu und vermerkte die Ähnlichkeit mit dem Sarg des Ḫpr-kꜣ-Rꜥw in Kairo (CG 28036 = Sq2C), der wegen seines Namens nicht früher als die Zeit Sesostris’ I. sein kann (Steindorff 1901, v). Willems ordnet die Dekoration der drei Särge typologisch in seinen Außenseitentypus VI (Palastfassade) und Innenseitentypus 2 ein (Willems 1988, 32 [Nr. T1Be und T2Be] und 40 [Nr. T20]), die ab der Zeit Sesostris’ III. oder eventuell noch dem Ende der Regierung Amenemhets II. (Außenseitentypus) bzw. ab Amenemhet II. (Innenseitentypus) belegt sind (Willems 1988, 121, 161–164, 190). Die Orthographie und Formulierungen der dekorativen Schriftbänder sind nicht früher als Sesostris I. und normalerweise aus der Zeit von Amenemhet II. oder später belegt (Willems 1988, 115, Anm. 264). Die Statuette des Montuhotep aus seinem Sarg (Berlin ÄM 4650) ist schwer innerhalb der 12. Dynastie zu datieren. Die Perücke ist typisch für den Anfang oder die erste Hälfte der 12. Dynastie, aber die Ausarbeitung des Gesichts kann laut Vandier kaum älter als die Zeit Sesostris’ III. sein (Vandier 1958, 273). Alle diese Argumente bringen Willems zu einer Datierung in die „late XIIth Dynasty“, kaum früher als Sesostris III. (Willems 1988, 115). Auch der schreinförmige Deckel des äußeren Sarges gehört ans Ende des Mittleren Reichs (Willems 1988, 171). Lapp setzt die drei Särge typologisch in seinen Typ der 12./13. Dynastie, wobei ein Terminus ante quem non für ihn die Scheintürverzierung auf der Außenseite ist, die in der Residenz erst mit Sesostris III. aufkommt; der Typus wird irgendwann in der 13. Dynastie von seinem Typus der 13. Dynastie abgelöst (Lapp 1993, 169–174, 176, 179, 308).

Textsorte
Inhalt

Der uns hier interessierende Schlangenbeschwörungsspruch 640 (Kol. 64–80) befindet sich auf der hinteren Längswand (Kol. 31–98) in Höhe des Beckens und der Oberschenkel (Lesko 1979, 99).

Übersicht der Schlangenbeschwörungssprüche auf T2Be:
Spruch 640 = CT VI, 261 = Kol. 64–80 (Stegbauer 2015, 173–176, Spruch 15)

Material
Organisch » Holz
Objekttyp
Artefakt » Behälter » Sarg
Technische Daten

Der mittlere Sarg des Montuhotep hat die Maße 220 × 63 × 76 cm (Länge × Breite × Höhe: Website Berlin) bzw. 220 × 62 × 75 cm (Steindorff 1896, 7). Die Innenbemalung und -beschriftung hat seit der Entdeckung durch Passalacqua starke Beschädigungen davon getragen (Steindorff 1896, 25). Die Sargaußenseiten sind durchgehend mit dem Palastfassadenmotiv versehen. Um die Innenseiten herum laufen Gerätefriese, darunter befinden sich die Sargtextsprüche (Steindorff 1896, 24–31 und Taf. 4–5).

Schrift
Hieroglyphen » Kursivhieroglyphisch

Der hier übersetzte Text ist in Kolumnen, von rechts nach links zum Kopfende hin orientiert, angeordnet. Der Titel ist rubriziert, der Rest in schwarzer Tinte aufgemalt (Faksimile bei Lepsius 1867, Taf. 22–23, Kol. 34–50).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Passalacqua hat eine ausführliche Beschreibung der Grabung publiziert (Passalacqua 1826) und Aquarelle der Fundstücke angefertigt, die jedoch unveröffentlicht blieben (Steindorff 1896, 1; Germer 1998, 139, Abb. 144 [in Farbe]). Richard Lepsius hat 1867 die Gerätefriese und Sargtextsprüche im Innern des äußeren und mittleren Sarges publiziert, von den Texten im Inneren des inneren Sarges war schon damals kaum noch was vorhanden und sie blieben undokumentiert (Lepsius 1867, 23). Steindorff veröffentlichte 1896 teilweise den äußeren und mittleren Sarg (mit Farbtafeln des Zeichners Lütke) sowie einige Grabfunde, ließ aber die großen Textpartien von Lepsius außen vor. Die Inschriften wurden für das Sargtextprojekt durch Gardiner und de Buck neu kopiert, wobei sie auf die Abschrift von Passalacqua zurückgreifen konnten. Sie wurden von de Buck unter der Sigle T2Be ediert (Spruch 640 in de Buck 1956, der bei T2Be fälschlicherweise vom „inner coffin“ spricht; der äußere Sarg hat die Sigle T1Be; der innere Sarg wurde nicht berücksichtigt weil nicht länger leserlich). Lapp 1993 benutzt nicht die Publikationsnummer T2Be der Sargtextpublikation, sondern in seiner Nummerierung ist der Sarg T11b. Übersetzungen der Sprüche finden sich u.a. bei Faulkner (1977), Barguet (1986) und Carrier (2004). Stegbauer (2015) segmentiert den Schlangenspruch in Strophen und Verse und kommentiert ihn.

Editionen

- de Buck 1956: A. de Buck, The Egyptian Coffin Texts. VI. Texts of Spells 472-786, Oriental Institute Publications 81 (Chicago/Ill 1956), VI 261a–n.

Literatur zu den Metadaten

- Barguet 1986: P. Barguet, Les textes des sarcophages égyptiens du Moyen Empire (Paris 1986), 204.

- Carrier 2004: C. Carrier, Textes des sarcophages du Moyen Empire égyptien. Tome II: spells [355] à [787] (Monaco 2004), 1464–1465.

- Faulkner 1977: R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Coffin Texts. Volume I Spells 1–354 (Warminster 1977), 218.

- Germer 1998: R. Germer, Das Geheimnis der Mumien. Ewiges Leben am Nil. Zweite, erweiterte Auflage (München/New York 1998), 137–141.

- Germer – Kischkewitz – Lüning 2009: R. Germer – H. Kischkewitz – M. Lüning, Berliner Mumiengeschichten. Ergebnisse eines multidisziplinären Forschungsprojektes (Berlin/Regensburg 2009).

- Lapp 1993: G. Lapp, Typologie der Särge und Sargkammern von der 6. bis 13. Dynastie, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 7 (Heidelberg 1993), Kat.-Nr. T11b.

- Lepsius 1867: R. Lepsius, Aelteste Texte des Todtenbuchs nach Sarkophagen des altaegyptischen Reichs im Berliner Museum (Berlin 1867), Taf. 16–29.

- Lesko 1979: L. H. Lesko, Index of the Spells on Egyptian Middle Kingdom Coffins and Related Documents (Berkeley 1979).

- Passalacqua 1826: J. Passalacqua, Catalogue raisonné et historique des antiquités découvertes en Égypte (Paris 1826), 117–138 und Frontispiz.

- Porter – Moss 1964: B. Porter – R. L. B. Moss, Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings. I. The Theban Necropolis. Part 2. Royal Tombs and Smaller Cemeteries, 2. Auflage (Oxford 1964), 622.

- Stegbauer 2015: K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015), 173–176 (Spruch 15 = CT 640) (doi.org/10.11588/propylaeum.529).

- Steindorff 1885: G. Steindorff, Bemerkungen zu den Berliner Särgen des Menθuḥôtep, in: Études archéologiques, linguistiques et historiques, dédiées à Mr. C. Leemans (Leiden 1885), 78–80.

- Steindorff 1896: G. Steindorff, Grabfunde des Mittleren Reichs in den königlichen Museen zu Berlin. I. Das Grab des Mentuhotep, königliche Museen zu Berlin. Mittheilungen aus den Orientalischen Sammlungen 8 (Berlin 1896), 7–10, 24–31 und Taf. 4–5.

- Steindorff 1901: G. Steindorff, Grabfunde des Mittleren Reichs in den königlichen Museen zu Berlin. II. Der Sarg des Sebk-O. Ein Grabfund aus Gebelên. Mittheilungen aus den Orientalischen Sammlungen 9 (Berlin 1901).

- Vandier 1958: J. Vandier, Manuel d’archéologie égyptienne. III. Les grandes époques. La statuaire, Paris 1958.

- Willems 1988: H. Willems, Chests of Life. A Study of the Typology and Conceptual Development of Middle Kingdom Standard Class Coffins (Leiden 1988).

- Winlock 1915: H. E. Winlock, The Theban Necropolis in the Middle Kingdom, in: The American Journal of Semitic Languages and Literatures 32/1, 1915, 1–37.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Online-Ressourcen
Autoren
Dr. Katharina Stegbauer
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

CT 640

[Übersetzung nach Stegbauer 2015, 173–176 (Spruch 15 = CT 640)]

Überschrift

Spruch, um nicht in die Richt[stätten im] Totenreich einzutreten:1
Zu sprechen von [Titel]
2 Montuhotep.

1. Strophe

Rezitiere ich, dann ist der [Knoten] um mich herum im Himmel und die Erde wird von Re täglich bewacht, indem er den Knoten an dem, der müde auf seinen Schenkeln ist, befestigt,3 an jenem Tag des Abschneidens der Trauerfrisur.

2. Strophe

Der Knoten um mich herum ist geknotet durch Seth, als die Neunheit in ihrer uranfänglichen Macht stand,4 als der Aufruhr noch nicht entstanden war.
Möget ihr mich wohlbehalten sein lassen vor/als diesem/r, der den Vater getötet hat.
Ich bin (ja) der, der [die beiden Länder] ergriffen hat!

3. Strophe

Der Knoten um mich herum ist geknotet [durch] Nun, der [das Erste Mal] sah, als Götter und [Menschen noch] nicht geboren waren.5
Ich bin Penti!
Ich bin der Erbe der [großen]6 Götter!

1 Ergänzung nach Faulkner 1977, 218. Die Ergänzung ist durch die Parallele im Totenbuch abgesichert (TB 50, TB 121,14, TB 122,8).
2 Vor dem Namen ist genug Platz für den Titel (vgl. de Buck 1956, 261, Anm. 1).
3 Vgl. die Übersetzung von TB 50 bei E. Hornung, Das Totenbuch der Ägypter (Zürich/München 1990), 122.
4 Laut der CT-Version hat Seth Macht über die Neunheit. Hier weicht die Totenbuchversion, z.B. pBM EA 10793, TB 50, vgl. die Übersetzung von Backes im TLA, erheblich ab, die statt =f =s schreibt, so dass die uranfängliche Macht nicht bei Seth, sondern bei der Neunheit selbst liegt! In Anbetracht des bekannten Mythos ist die Totenbuchversion sicher vorzuziehen, wobei die CT-Variante sich theoretisch auch auf eine ursprüngliche Thronusurpation des Seth beziehen könnte. Dann bezöge sich die „Unruhe“ wohl darauf, dass Horus den Thron zurückfordert, was ich für äußerst unwahrscheinlich halte. Daher emendiere ich hier zu =s, zumal M2Ny kein Suffixpronomen schreibt.
5 Ergänzung nach TB 122,16. Mit den Spuren, die de Buck 1956, 261, n. 14 u. 16, wiedergibt, ist wenig anzufangen.
6 Ergänzung von ꜥꜣ „groß“ nach TB 123,2 (vgl. Faulkner 1977, 123, Anm. 2).