Magische Stele des Anchefenchonsu, Sohn des Amunpefit, Prag P 2771

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Tschechien » Prag » Náprstkovo Muzeum (Náprstek Museum of Asian, African and American Cultures)

Inventarnummer: P 2771

Erwerbsgeschichte

Im Jahr 1939 (Bruyère 1952) oder im Januar 1940 (Onderka 2014, 37) durch J. Černý bei einem Einwohner von Gurna angekauft, der die Stele in seinem Haus verbaut oder genutzt hatte. Im Jahr 1965 aus Ägypten nach Prag ins Náprstek Muzeum verbracht (Onderka 2014, 35, 37).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben

Wiederverwendet in einem Haus im Dorf von Gurna in Theben-West aufgefunden. Das Amt des Begünstigten und seines Vaters in der Domäne des Amun (Gefolgsmann der ẖnm.t der Domäne des Amun) sowie die Bildungsstruktur ihrer Namen (Anchefenchonsu, Amunpayefit) bestätigen die thebanische Herkunft der Stele. Eine typologisch ähnliche Stele wurde allerdings in Edfu in einem ptolemäischen Haus entdeckt (heute Louvre E 12690).

Datierung
(Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Dritte Zwischenzeit

Die Datierung erfolgt nur indirekt und beruht auf einer Kombination von bildtypologischen und textlichen Merkmalen. Hauptargument ist die Anwesenheit der Streitwagenszene, die typischerweise auf dem Sockel der Horusstelen der Libyerzeit/Dritten Zwischenzeit belegt ist. Bruyère 1952, 145 datiert die Stele in die Saitenzeit, ohne dies genauer zu begründen. Er vermerkt (145, Anm. 1), dass Černý selbst seine Stele in die 21. Dynastie datiert. Sternberg-el Hotabi 1999, I, 83 klassifiziert die Stele in ihrer typologischen „Frühphase II“ (21.25. Dynastie) beim „Stelentypus I“, obwohl kein wirklicher Horuscippus, sondern eine echte Stele vorliegt. Argumente sind (1) das Vorhandensein der Streitwagenszene, (2) die Informationen zu den Stiftern/Begünstigten, die auf allen Stelen dieser Gruppe mit dem Tempel von Karnak zusammenhängen. Ein weiteres Argument, das zu eher frühen Stelen passt, ist der seitlich (nicht frontal) schreitende Kindgott auf den Krokodilen. Der Personenname Anchefenchonsu gehört zu einem Namenstypus, der in der späten 20. Dynastie auftaucht und bis in die 26. Dynastie geläufig ist, um danach seltener zu werden (Jansen-Winkeln 2016, 192). Sternberg-el Hotabi (1999, I, 84; II, 87 datiert die Stele in die 21./22. Dynastie, ohne dies im Einzelnen zu begründen. Jansen-Winkeln 2007 beschränkt sich auf eine Einordnung in die „22.-24. Dynastie insgesamt“. Die Datierung von Coppens 2007 in die „Ptolemaic Period“ ist zu korrigieren.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Es finden sich Inschriften auf der Vorderseite, der Schmalseite und der Rückseite. Die Inschriften in den Bildfeldern der Vorderseite sind Beischriften zu den dargestellten göttlichen Wesen, sowie eine Segensformel zugunsten des Stelenbesitzers Anchefenchonsu. Die erhaltene Zeile im Textfeld der Vorderseite ist der Anfang von Horusstelenspruch B. Auf der Rückseite hört dieser Spruch B in Z. 3 auf, anschließend fängt Spruch C an. Auf der erhaltenen Schmalseite findet sich eine Textkolumne mit dem Fragment einer Beschwörung zum Entfernen von Gift aus allen Gliedern des Stelenbesitzers.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Höhe 27+x cm; Breite 22+x cm; Dicke 7 cm (Coppens 2007; abweichend Bruyère 1952, 145: 26,5 x 22,5 x 9). Oben abgerundete Stele, von der der linke Rand (Betrachterperspektive) sowie der untere Bereich fehlen. Die ursprüngliche Breite könnte vielleicht 27 bis 28 betragen haben, sicherlich weniger als 30 cm. Die Vorderseite war mit zwei Bildfeldern und einem Textfeld ausgestattet. Im Bildfeld oben findet sich als eingeschnittenes Flachrelief eine Darstellung des Kindgottes auf den Krokodilen, der gefährliche Tiere in den Händen hält. Er wird von zwei Gottheiten (Harsiese und Isis) gefolgt. Alle drei Gottheiten sind nach links orientiert. Vermutlich hat sich vor dem Kindgott auf den Krokodilen keine weitere Gottheit befunden. Das zweite Register zeigte ursprünglich eine Streitwagenszene, in der zwei Greife einen Streitwagen mit einem bogenschießenden Kindgott ziehen. Pfeile werden auf Schlangen, eine Oryxantilope und einen Löwen abgeschossen. Der Bogenschütze oder sein Wagenlenker bändigen außerdem zwei Krokodile (nur eine erhalten). Der nicht erhaltene Streitwagen befand sich links, die Tiere rechts. Vom Textfeld haben sich nur die erste Textzeile und eine Hieroglyphe der zweiten erhalten (Anfang des Textes rechts). Die Rückseite ist oben mit einem Bildfeld, darunter mit einem Textfeld versehen. Das Bildfeld enthält eine Reihung von Schutzgottheiten, vom Text haben sich 8 Zeilen erhalten. Vom Bildfeld fehlen vermutlich drei Gottheiten: der Falke auf dem Oryx, Thoth und ein ithyphallischer Gott. Laut Bruyère 1952, 146 waren auch die Schmalseiten mit magischen Inschriften versehen.

Schrift
Hieroglyphen

Eingeschnitten.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch
Bearbeitungsgeschichte

Leibovitch hat die Greifendarstellung im Dezember 1942 vorgestellt. Ein Foto der Vorderseite sowie hieroglyphische Wiedergaben einiger Inschriften liefert Bruyère 1952. Aufrère 2013 hat die Namen der Schlangen der Streitwagenszene auf der Grundlage dieser beiden Publikationen untersucht. Jansen-Winkeln 2007 hat die genealogische Information aufgenommen. Eine Beschreibung mit Fotos der Vorder- und Rückseite findet sich bei Coppens 2007. Informationen zur Objektgeschichte liefert Onderka 2014.

Editionen

- Bruyère 1952: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el-Médineh (1935–1940). Fascicule III. Notes à propos de quelques objets trouvés en 1939 et 1940, Fouilles de l'Institut français d'archéologie orientale 20/3, (Le Caire 1952), 145–146 mit Abb. 21.

Literatur zu den Metadaten

- Aufrère 2013: S. H. Aufrère, Serpents, magie et hiéroglyphes. Études sur les noms d’ophidiens d’un ensemble de cippes d’Horus de Thèbes et d’ailleurs (époque libyenne), in: Égypte Nilotique et Méditerranéenne 6, 2013, 93–122, hier: 96, 101.

- Coppens 2007: F. Coppens, in: J. Mynářová/P. Onderka (Hrsg.), Théby. Mĕsto bohů a faraonů / Thebes. City of gods and pharaohs (Prague 2007), 310–311.

- Gerke 2014: S. Gerke, Der altägyptische Greif. Von der Vielfalt eines „Fabeltiers“, Beihefte zu den Studien zur altägyptischen Kultur 15 (Hamburg 2014), 204–205 (Nr. 134).

- Jansen-Winkeln 2007: K. Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit II: Die 22.–24. Dynastie (Wiesbaden 2007), 454 (Nr. 45.110). [Inventarnummer als Kairo JE 86115 ist falsch]

- Jansen-Winkeln 2016: K. Jansen-Winkeln, Zum Wandel der Personennamen von der Ramessidenzeit zur Spätzeit, in: H. Franzmeier – T. Rehren – R. Schulz (Hrsg.), Mit archäologischen Schichten Geschichte schreiben. Festschrift für Edgar B. Pusch zum 70. Geburtstag (= Forschungen in der Ramses-Stadt 10) (Hildesheim 2016), 191–199.

- Leibovitch 1943: J. Leibovitch, Quelques éléments de la décoration égyptienne sous le Nouvel Empire. I. Le Griffon, in: Bulletin de l'Institut d'Égypte 25, 1943, 183–203, hier: 196–197 mit Abb. 16.

- Onderka 2014: P. Onderka in: P. Onderka u.a. (Hrsg.), The Deir el-Medina and Jaroslav Černý Collections, Editio Monographica Musei Nationalis Pragae 19 (Prague 2014), 35–37 mit Abb. 4.8.

- PM I/22B. Porter  R. L. B. Moss: Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Painting I. The Theban Necropolis. Part 2: Royal Tombs and Smaller Cemeteries (Oxford 1927), 716.

- PM VIII/4: J. Málek et al.: Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Statues, Reliefs and Paintings VIII. Objects of Provenance Not Known. Part 4. Stelae: Dynasty XVIII to the Roman Period, 803-044-050 to 803-099-900 (Oxford 2012), 578579 (Nr. 803-093-100).

- Sternberg-el Hotabi 1999: H. Sternberg-el Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Horusstelen, 2 Bände, Ägyptologische Abhandlungen 62 (Wiesbaden 1999), Bd. I: Textband, 81, 84, 243 (Abb. 36b); Bd. II: Materialsammlung, 87.

- Pietri 2020: R. Pietri, „Horus-Shed hunting in his chariot“: two forgotten monuments, in: Studien zur altägyptischen Kultur 49, 2020, 179–190 und Taf. 8–9, hier: 179, Anm. 2.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Vorderseite, oberes Bildregister

Götteridentifikationen1

[bei Sched, A.x+1] ...] der Siedlung des/namens (?) Rahotep.
[über Harsiese] Horus, {Großer/Oberster}〈Sohn〉 der Isis.
[über Isis] Isis, die Große, die Gottesmutter, die Herrin des Himmels.
[hinter Isis] Möge er geben Leben, Wohlsein und Gesundheit 〈dem〉 Diener der ẖnm.t (Brunnen?)2 der Domäne des Amun Anchef-en-Chonsu3, dem Gerechtfertigten,
dem Sohn des Dieners der ẖnm.t (Brunnen?) der Domäne des Amun Amun-pef-it4, des Gerechtfertigten.

1 Beischriften zu einem Kindgott mit gefährlichen Tieren, gefolgt von einem falkenköpfigen Gott und einer Göttin, und zwei Textkolumnen hinter der Göttin.

2 PM I/2², 716 und Sternberg-el Hotabi 1999, I, 81 übersetzen den Titel mit „Attendant of the well in the temple of Amūn“ bzw. „Aufseher der Zisterne der Domäne des Amun“. J. Berlandini, Un monument magique du „Quatrième prophète d’Amon“ Nakhtefmout, in: Y. Koenig (Hrsg.), La magie en Égypte: à la recherche d’une définition. Actes du colloque organisé par le musée du Louvre les 29 et 30 septembre 2000 (Paris 2002), 83–148, hier: 131, Anm. 192 liest ähnlich „serviteur du puits du domaine d’Amon“. Sie schreibt, dass es eine seltene Bezeichnung („rare“) ist, nennt jedoch keine weiteren Belege. Sternberg-el Hotabi 1999, I, 81, Anm. 65 meint: „Mit ‚well‘ (ẖnm.t) ist offensichtlich die große Zisterne von Deir el-Medineh gemeint. Dass ein „Brunnen“ (ohne Determinativ!) einen „Gefolgsmann“ hat, wundert doch. In PM VIII/4, 578 wird stattdessen mit „Retainer of the ẖnmt temple in the domain of Amun“ übersetzt.

3 Die Wiedergabe des Namens als „Ankhenefkhonsu“ (Coppens 2007, 311) ist zu korrigieren.

4 Jmn-p(ꜣy)≡f-jt: Lesung gemäß Jansen-Winkeln 2007, 505 (Index). Vielleicht ist auch Pꜣy≡f-jt-Jmn zu lesen (vgl. Pꜣy≡j-jt-Ḫnsw: H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Band I. Verzeichnis der Namen (Glückstadt 1935), 420.4 und H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Band II. Einleitung. Form und Inhalt der Namen. Geschichte der Namen. Vergleiche mit andren Namen. Nachträge und Zusätze zu Band I. Umschreibungslisten (Glückstadt 1952), 403 und Jt≡j-Jmn: H. Ranke, Die ägyptischen Personennamen. Band I. Verzeichnis der Namen (Glückstadt 1935), 51.9). Die Lesung „Pouitef“ von Aufrère 2013, 101 und „Puitef“ von Pietri 2020, 179, Anm. 2 ist zu korrigieren, ebenso „Amenpayit“ bei J. Berlandini, Bès en aurige dans le char du dieu-sauveur, in: W. Clarysse – A. Schoors – H. Willems (Hrsg.), Egyptian Religion. The Last Thousand Years. Studies Dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur. Part I (= Orientalia Lovaniensia Analecta 84) (Leuven 1998), 31–55, hier: 41, Anm. 40.

Vorderseite, unteres Bildregister

Streitwagenszene1

[über einer Schlange, B.1] ḥfꜣw-Schlange.
[über einer Schlange] ḥṯ-Schlange.
[über einer Schlange] ḏdb-Schlange.
[über einer Schlange] Die [...]-Maul-Schlange.
[über einer Schlange, B.5] bšty-Schlange der (?) Ohren (?).
[zwischen dieser und der vorangehenden Schlange] Glatte (?) Stierschlange.
[vor bzw. über zwei Skorpionen] dḥꜣ-Schlange.
[rechts von den Tieren] [Ich bin Harachte, ... ... ...,] der dafür sorgt, dass die Barke [des Re bei dir] vorbeikommt, [oh Anchefenchonsu, ...]2

1 Gezeigt ist ein [Kindgott in einem Streitwagen] (links), der mit Pfeilen auf Schlangen, Skorpione, Gazellen und Löwen schießt.

2 Diese Zeichengruppe findet sich ebenfalls auf Horusstele JE 86115 (Horusstele „Hamza“) und auf Horusstele Turin Suppl. 18356 (L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), 156–157). Dort sind: "die Barke des Re bei dir" sowie der anschließende Personenname erhalten. Es ist anzunehmen, dass der Anfang des Textes sich auf der linken Seite hinter dem Streitwagen befand.

Vorder- und Rückseite

Anfang und Ende von Horusstelentext B = Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[Vorderseite, C.1] [Oh alter Mann, der] sich zu seiner Zeit [verjüngt, oh] G[reis, der ...
[... ... ...]
[Rückseite, D.1] [... ... ...]
Ein großes Schweigen1 ist bei jedem Gott und jeder Göttin.
Alle Götter sind 〈in〉 Klage wegen des/dieses Übels, [das dieser Rebell angerichtet hat], der Böses tut!
Siehe, Re tobt vor Wut deswegen. Er hat befohlen, [dass deine Zerstückelung durchgeführt wird.]
[Zurück mit dir,] (du) Rebell!
Hui!

1 sgr: so statt sgb: „Geschrei“: Siehe W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 228 (Versionen 13.41.c1–c2).

Rückseite

Anfang von Horusstelentext C

Hallo, hallo, (du,) der aus der Unterwelt gekommen ist, wobei er aufgeht im Nun, der erleuchtet (?) [den Himmel und die Erde mit seinem beiden Augen.
Siehe, deine Mannschaft] ist herbeigeeilt zu [deiner Barke] in Freude (?).1
Begrüße den, dessen Namen man nicht kennt!
Du sollst dein Voranschreiten bremsen, (oh) Maga!

1 Vgl. Horusstele Turin Suppl. 18356 (L. Kákosy, Egyptian Healing Statues in Three Museums in Italy (Turin, Florence, Naples), Catalogo del Museo Egizio di Torino. Serie prima. Monumenti e testi 9 (Torino 1999), 158).

Schmalseite

Fortsetzung des Anfangs von Horusstelentext C

...] entfernen des Giftes aus allen Gliedern {{des Gefolgsmannes der ẖnm.t}}1 der [Domäne] des Amun [Anchefenchonsu ...
...] versperre nicht2 (?) ... [...

1 Der Titel scheint absichtlich entfernt zu sein. Links von dieser Kolumne finden sich Reste von Hieroglyphen, die vielleicht nachträglich als Ersatz (?) eingraviert wurden.

2 Lesung unsicher.