Ostrakon Deir el-Medineh 1057

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Institut Français d'Archéologie Orientale

Inventarnummer: oIFAO 2065

Digitaler Katalog
Erwerbsgeschichte

Das Ostrakon stammt aus den Grabungen des Institut Français d’Archéologie Orientale in Deir el-Medineh von 1930 (Posener 1938, 15) und wurde später zum Studium nach Kairo transportiert.

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Deir el-Medineh

Das Ostrakon wurde laut Grabungsbeschriftung auf dem Objekt am 12. Januar 1930 in den Müllbergen der 18.–20. Dynastie am Südrand des Dorfes (genannt „Koms du sud“) von Deir el-Medineh gefunden (Posener 1938, 15; zu dem Fundort Koms du sud siehe Bruyère 1933, 6).

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 20. Dynastie

G. Posener datiert alle Ostraka in dem von ihm veröffentlichten Band zwischen die Mitte der 19. und der Mitte der 20. Dynastie (Posener 1938, VI). Die Paläographie sowie der Fundort dürften hierbei für eine Datierung in die Ramessidenzeit sprechen. Die Tatsache, dass die Präposition im Futur-III nicht geschrieben wurde, spricht eher für eine Datierung in die 20. Dynastie, obwohl die Präposition auch schon früher ungeschrieben bleiben kann.

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Der Zauberer wendet sich mit einem Gruß an einige Gottheiten und fordert sie auf, dafür zu sorgen, dass eine Frau dem Zauberer nachläuft wie ein Rind dem Gras, eine Dienerin ihren Kindern und ein Viehwächter seiner Herde. Er beschließt seine Aufforderung mit der Drohung, dass er die Stadt Busiris mit dem Gott Osiris in Brand setzen wird, falls die Frau ihm nicht nachlaufen wird.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Die Beschwörung ist eine Vorlage und kein angewandter Zauber, denn die anvisierte Frau hat keinen Namen, sondern ist „NN, die NN geboren hat“.

Material
Künstliche Materialien » Keramik
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Ostrakon
Technische Daten

Die Keramikscherbe hat eine Höhe von 10 und eine Breite von 13 cm. Vielleicht fehlt unten ein kleines Stück mit dem letzten Wort des Textes. Die Scherbe ist nur auf der Außenseite (konvexe Seite) mit 8 Zeilen beschrieben, quer zur Achse des ursprünglichen Gefäßes.

Schrift
Hieratisch

Hieratische Buchschrift mit einigen Ligaturen.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Neuägyptisch

Gemäßigtes Neuägyptisch mit einer Futur-III-Form und einem Konjunktiv, einer Relativkonstruktion mit n.tj statt eines Partizips und mit Verwendung der Definitartikel.

Bearbeitungsgeschichte

Das Ostrakon ist bei G. Posener im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Faksimile sowie hieroglyphischer Transkription publiziert (Posener 1938, 15, Taf. 31–31a). Wenig später lieferte P. Smither eine kommentierte Übersetzung. Weil es das einzige sichere Beispiel (Dieleman 2019, 110, Anm. 85) für einen Liebeszauber vor der griechisch-römischen Zeit ist, wurde es mehrfach neu übersetzt bzw. in Anthologien aufgenommen.

Editionen

- Posener 1938: G. Posener, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh I,3, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 1, Fasc. 3 (Le Caire 1938), VI, 15, Taf. 31–31a.

Literatur zu den Metadaten

- Borghouts 1978: J. F. Borghouts, Ancient Egyptian magical texts: translated, Nisaba 9 (Leiden 1978), 1 (Nr. 1).

- Bruyère 1933: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el Médineh (1930), Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 8, Fasc. 3 (Le Caire 1933).

- Colledge 2015: S. L. Colledge, The Process of Cursing in Ancient Egypt (Liverpool 2015), 98–101 (22.02.2022).

- Dieleman 2019: J. Dieleman, Egypt, in: D. Frankfurter (Hrsg.), Guide to the Study of Ancient Magic, Religions in the Graeco-Roman World 189 (Leiden/Boston 2019), 87–114, hier: 110–111.

- Fischer-Elfert 2005: H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Reclams Universal-Bibliothek 18375 (Stuttgart 2005), 78 und 150 (Nr. 59).

- Smither 1941: P. Smither, A Ramesside Love Charm, in: Journal of Egyptian Archaeology 27, 1941, 131–132.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Marc Brose

Übersetzung und Kommentar

Ostrakon Deir el-Medineh 10571

Sei gegrüßt, Re-Harachte, Vater der Götter!
Seid gegrüßt, ihr Sieben Hathoren, die geschmückt sind mit Bändern aus rotem Leinen.
Seid gegrüßt, alle Götter des Himmels und der Erde!
Kommt,2 auf dass die NN, die die NN geboren hat, hinter mir herkomme wie ein Rind hinter dem Gras, wie eine Dienerin3 hinter ihren Kindern, wie ein Hirte hinter seiner Herde.
Wenn man nicht bewirkt, dass sie hinter mir herkommt, so werde ich 〈Feuer an〉 Busiris legen und ich werde 〈Osiris〉 abfackeln4.

1 Die Transliteration des Textes von Posener wurde durch Smither 1941 entscheidend verbessert. Alle Korrekturen, die nicht eigens kommentiert worden sind, wurden von Smither übernommen.
2 mj jj.t: Dazwischen ist vielleicht noch jmm „veranlasst“ ausgefallen; vgl. Smither 1941, 131 Anm. c. Allerdings ist dies nicht unbedingt notwendig; vgl. die Übersetzung von Fischer-Elfert 2005, 78, die hier übernommen worden ist.
3 bꜣkj: Nach Smither 1941, 131 Anm. e könnte hier auch eine Verschreibung aus mw.t „Mutter“ vorliegen, weil beide Wörter im Hieratischen recht ähnlich aussehen.
4 Die Korrekturen am Ende des Satzes hat Smither 1941, 132 Anm. h nach W. Pleyte – F. Rossi, Papyrus de Turin (Leiden 1869), Taf. 135.10 = pTurin Cat. 1993/CGT 54051 vs. 3,10 (A. Roccati, Magica Taurinensia. Il grande papiro magico di Torino e i suoi duplicati, Analecta Orientalia 56 (Roma 2011), 76) vorgenommen. Dieselbe Drohung findet sich auf oDeM 1213, Z. 7-8.