Papyrus Kairo JdÉ 52000

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
pWeill
Aufbewahrungsort
Afrika » Ägypten » Kairo » Egyptian Museum

Inventarnummer: JdÉ 52000

Erwerbsgeschichte

Weill hat das von ihm publizierte Fragment im Sommer 1918 bei einem Händler in Kairo gekauft, s. Weill 1922, 651. Laut dem Journal d’Entrée wurde der Papyrus im März 1928 dem Ägyptischen Museum Kairo durch C. M. Firth übergeben, der zu dieser Zeit Inspektor in Sakkara war, s. Sturtewagen 1983, 241.

Da beide Angaben mehr als nur Jahreszahlen bieten („pendant l’été de 1918“ vs. „March 1928“) sowie mit expliziten Namen verbunden sind („le marchand où nous avons trouvé le morceau“ bzw. „brought ... by Cecil M Firth“), wird bei Sturtewagen sicherlich kein Schreibfehler „1928“ für „1918“ vorliegen. (Der umgekehrte Fall, „1918“ für „1928“, ist aufgrund von Weills Publikationsdatum ohnehin ausgeschlossen.) Daraus lässt sich schließen, dass die Fragmente tatsächlich im Abstand von 10 Jahren und auf verschiedenen Wegen ins Museum gelangten.

Herkunft
Niltal von Kairo bis Assiut » zwischen Kairo und Fajjum » westliches Ufer » Saqqara

Herkunft aus Sakkara ist zu vermuten, da ein Teil des Papyrus von C. M. Firth, dem damaligen Inspektor von Sakkara, übergeben wurde, s. Sturtewagen 1983, 241.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 18. Dynastie bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Neues Reich » 19. Dynastie

Sturtewagen 1983, 242243 datiert den Papyrus aus paläographischen Gründen in den Übergang 18./19. Dynastie. Dafür deute ihm zufolge auch die Papyrusgröße hin, die an die „transition period of the XVIIIth and early XIXth dynasties“ passe. Dazu verweist er auf Černý 1977 (= 1952), 16, der jedoch keine solche Übergangszeit kennt, sondern zwischen Papyri der 18. und beginnenden 19. Dynastie einerseits und der Ramessidenzeit (d.h. 19./20. Dynastie) andererseits unterscheidet.

Etwas früher, nämlich in die erste Hälfte oder sogar den Beginn der 18. Dynastie, datiert Weill 1922, 652654 den Papyrus. Dafür sprächen ihm zufolge sowohl die Paläographie, die auf die Zeit Amenophis’ II. verweise, als auch das Layout und das Papyrusformat. Er sieht v.a. Ähnlichkeiten mit pBerlin P 3027, den sogenannten „Zaubersprüchen für Mutter und Kind“.

Wb hat aus unbekannten Gründen die Belege aus diesem Text in die „Sp[ätzeit]“, d.h. die Zeit nach dem Neuen Reich, datiert, bspw. Wb 2, 220.13; 2, 357.1; 5, 522.6; 5, 632.11. Vgl. dagegen Wb 4, 281.1, wo dieser Papyrus in die Zeit des „N[euen] R[eiches]“ datiert wird. Eine Spätdatierung ist paläographisch tatsächlich auszuschließen.

Textsorte
Sammelhandschrift
Inhalt

Der Papyrus JdÉ 52000 enthält eine Reihe von Zaubersprüchen und fällt daher in die Kategorie der Sammelhandschriften. Dementsprechend ist der Patient nie namentlich angesprochen, sondern bleibt immer anonym bzw. wird mit dem Platzhalter „NN, Sohn der NN“ benannt. Der Inhalt ist „still obscure“ (Borghouts 1974, 12), nicht zuletzt aufgrund der unvollständigen Publikation, des suboptimalen Fotos in der Hauptedition und der Zerstörungen der publizierten Partien.

Der publizierte Teil beginnt mit einer Anspielung auf die auch aus anderen Texten bekannte Vergewaltigung des Horus durch Seth, die hier als Teil einer sogenannten Historiola, d.h. eines mythischen Präzedenzfalles, zitiert wird – sie ist Teil einer Beschwörung eines Giftes, dessen Herkunft zwar unbekannt ist, aber aufgrund des Kontextes vielleicht auf einen Skorpion eingegrenzt werden kann. Auch die folgenden Sprüche richten sich gegen giftige Tiere, aller Wahrscheinlichkeit nach Skorpione, sowie wohl gegen Krokodile. Auf letzteres deutet v.a. die Nennung der krokodilgestaltigen Gottheiten Maga und Sobek hin. Auch „der, der den Tod bringt“ in Zeile 4,4 könnte eine Anspielung auf ein Krokodil sein. Dieser Diesen und der den folgenden Spruch könnte man vielleicht sogar, wenn richtig übersetzt, als „Arbeitsschutzmaßnahme“ klassifizieren, denn es wird der „Wachdienst“ angesprochen sowie „alle meine Tage“, mit denen vielleicht konkrete Diensttage gemeint sind. In diesen beiden Sprüchen scheint es zudem Anspielungen auf die Initiation des Heilers oder sogar des Patienten zu geben, d.h. auf dessen Zugang zu (vertieftem) magischen Wissen.

Danach, ab Zeile 4,8, beginnt eine lange Reihe mit Besänftigungen einer Gottheit, deren Name bislang nicht gelesen werden kann. Diese Besänftigung geschieht zum einen mithilfe einer längeren Liste von Nahrungsopfern, und zum anderen mithilfe von Anrufungen an verschiedenste Gottheiten, deren Zugehörigkeit von Urgöttern (wie Nun oder Neith) über Gottheiten des heliopolitanischen bzw. Osiris-Kreises (Schu, Tefnut, Geb, Nut, Horus der Ältere, Isis, Nephthys, Horus Sohn der Isis) und allgemeine Schutzgottheiten (bspw. die „77 Götter“) bis hin zu kleineren(?) Dämonen reicht.
Die untere Hälfte der zweiten publizierten Verso-Kolumne bleibt noch immer sehr kryptisch. Sie beginnt mit der Identifizierung des Magiers bzw. Patienten mit bestimmten göttlichen Entitäten, deren Namen jedoch nicht ausgeschrieben sind, sondern in Gestalt von Vignetten oder vignettenähnlichen Zeichnungen codiert sind. Darunter wechselt der Schreiber in ein tabellenförmiges Layout, indem er die Kolumne in mehrere nebeneinanderstehende Kolumnen aufspaltet. Der Grund für diesen Layoutwechsel ist unklar. Ein Verständnis dieser Passagen und hauptsächlich der Rolle des mehrfach genannten Gottes Chnum steht noch aus.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Wie alle Sammelhandschriften magischer Natur wird es sich um eine Zusammenstellung von magischen Sprüchen entweder zur späteren Übertragung auf individuell und auf Bedarf angefertigte Amulette handeln und/oder umgekehrt eine Zusammenstellung und Anonymisierung verschiedener Amulett-Texte. Der inhaltliche Fokus der verständlichen Passagen auf Sprüche gegen giftige Tiere und Krokodile lässt an einen Skorpionbeschwörer als Anwender des Papyrus denken.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus besteht aus zwei großen und ungefähr 20 kleineren Fragmenten. Die zwei großen Fragmente joinen mehr oder weniger direkt und enthalten die dritte und vierte Kolumne der Vorderseite bzw. die erste und zweite Kolumne der Rückseite, vgl. Sturtewagen 1983, 243. Das hintere, bereits von Weill publizierte Fragment misst 23,14 × 12,8 cm (B×H), das vordere, zuerst von Griffiths bekanntgemachte Fragment misst 20 × 1,4 cm (B×H). Die Abmessungen der kleineren Fragmente sind unbekannt.

Legt man beide Fragmente zusammen, sind die darauf enthaltenen Kolumnen über ihre gesamte Breite erhalten (Kolumne rto. 3 endet auf dem hinteren Fragment). Hinter Kolumne 4 ist ein größerer Freiraum vorhanden, der das Ende des Rectos markiert.

Danach hat der Schreiber den Papyrus, horizontal, d.h. über die lange Seite, gedreht und auf dem Verso beschrieben, die Oberkante des Rectos ist identisch mit der Oberkante des Versos. Vom Versotext ist die erste Kolumne über die gesamte Kolumnenbreite erhalten. Von der zweiten Kolumne ist auf Weills Fragment nur etwa die vordere Hälfte erhalten. Deren hintere Hälfte wird auf Griffiths‘ Fragment erhalten sein, aber von diesem existiert kein Foto.

Beide Fragmente sind oben und unten abgebrochen, so dass unbekannt ist, wie viele Zeilen bis zum oberen und unteren Kolumnenrand fehlen. Sturtewagen 1983, 242 vermutet, dass es nur wenige waren und der Papyrus ursprünglich das Halbformat der Papyri der 18. bis frühen 19. Dynastie, ungefähr 18 cm Höhe, hatte (vgl. Černý 1977 (= 1952), 16). Weill 1922, 654, der den Papyrus eher mit pBerlin P 3027 vergleicht (s. oben zur Datierung), schätzt die ursprüngliche Höhe auf etwa 16 cm.

Bei dem Händler habe Weill das Blatt sechs Mal vertikal zusammengefaltet in einem Papierumschlag vorgefunden. Er vermutet aber, dass der Papyrus ursprünglich gerollt und am oberen und unteren Ende der Rolle versiegelt war. Die Zerstörungen des oberen und unteren Randes seien dann vermutlich durch ein unsachgemäßes Entfernen dieser Versiegelung entstanden. S. Weill 1922, 651.

Auf Weills Foto ist zwischen den Kolumnen rto. 3 und 4 noch eine Kordel erkennbar, vermutlich die, mit der der Papyrus zusammengebunden war.

Schrift
Hieratisch
Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » spätes Mittelägyptisch mit neuägyptischen Einflüssen

Im Großen und Ganzen ist der Text mittelägyptisch gehalten: Die Satzstruktur ist meist mittelägyptisch, abgesehen von einer periphrastischen Verbalform in rto 3,6 sind die Verben sonst analytisch, die Genitiv-Nisbe flektiert noch, die Besitzanzeige erfolgt durch Suffixpronomina und nicht durch Possessivpronomina. In den formelhaften Wendungen und Überschriften werden die älteren Demonstrativpronomina pn, tn, nn verwendet; außerhalb davon findet sich aber auch die Reihe pꜣ, tꜣ, nꜣ. Sturtewagen 1983, 242 urteilt: „The language wants to be an imitation of Middle Egyptian“, genauer gesagt wird man den Text als Mittelägyptisch mit einigen sporadischen Neuägyptizismen bezeichnen können.

Bearbeitungsgeschichte

Das Hauptfragment ist von Weill 1922 mit Foto, hieroglyphischer Umschrift, Übersetzung und Kommentar ediert worden. Daher wird Papyrus JdÉ 52000 auch als pWeill bezeichnet, ist jedoch nicht zu verwechseln mit pLouvre E 15594, der mitunter denselben Namen trägt (s. Bellion 1987, 326).

B. Gunn, der zwischen 1928 und 1931 Assistant Keeper des Ägyptischen Museums Kairo war (Barns 1950, 104), erwähnt diesen Papyrus knapp in Gunn 1929, 95 und stellte P. C. Smither Fotos davon zur Verfügung, der seinerseits eine hieroglyphische Abschrift mindestens eines bis dahin unpublizierten Fragments anfertigte, die wiederum in den Besitz von J. G. Griffiths gelangte und nach Smithers Tod in Griffiths 1960, 4445 abgedruckt wurde. Sturtewagen 1983, 241242 erkannte wiederum, dass dieses von Griffiths publizierte Fragment direkt an das zuvor von Weill publizierte, weit größere Fragment anpasste, und druckte auf S. 244 eine neue, tlw. verbesserte hieroglyphische Umschrift in Bleihieroglyphen ab, wobei ein Abgleich mit Griffiths' bzw. Smithers Handkopie ein paar kleinere Kopierfehler finden lassen.

Sturtewagen kündigte a.a.O. an, dass er die Erlaubnis zur Neuedition des Papyrus erhalten habe. Diese ist jedoch bislang nicht erschienen.

Das kleinere, von Griffiths publizierte Fragment findet immer wieder Interesse bei denjenigen, die sich mit der Vergewaltigung des Horus durch Seth beschäftigen (bspw. te Velde 1967, 3839, Amenta 2004, 9, Schukraft 2007, 311), und die ersten sieben Zeilen von Kolumne rto 4 sind von Rogers 2021, 188 in seiner Studie um Gott Maga zitiert, wo dieser Papyrus dessen jüngsten Beleg zu Maga bildet. Seine Übersetzung ist jedoch keine Neuedition dieser Passage, sondern basiert im Wesentlichen auf der Übersetzung von Weill.

Editionen

- Griffiths 1960: J. G. Griffiths, The Conflict of Horus and Seth from Egyptian and Classical Sources. A Study in Ancient Mythology, Liverpool Monographs in Archaeology and Oriental Studies (Liverpool 1960), 4445.

- Sturtewagen 1983: C. Sturtewagen, Some observations concerning P. Cairo JE 52000, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 69, 1983, 241245.

- Weill 1922: R. Weill, Un recueil magique du début du Nouvel Empire, in: Anon. (Hrsg.), Recueil d’études égyptologiques: dédiées à la mémoire de Jean-François Champollion à l’occasion du centenaire de la lettre à M. Dacier relative à l’alphabet des hiéroglyphes phonétiques, lue à l’Académie des inscriptions et belles-lettres le 27 septembre 1822, Bibliothèque de l’École des hautes études, Sciences historiques et philologiques 234 (Paris 1922), 651–671.

Literatur zu den Metadaten

- Amenta 2004: A. Amenta, Some Reflections on the ‘Homosexual’ Intercourse between Horus and Seth, in: Göttinger Miszellen 199, 2004, 721.

- Barns 1950: J. W. Barns, Battiscombe George Gunn, in: Journal of Egyptian Archaeology 36 (1), 1950, 104105.

- Bellion 1987: M. Bellion, Égypte ancienne. Catalogue des manuscrits hiéroglyphiques et hiératiques et des dessins, sur papyrus, cuir ou tissu, publies ou signalés (Paris 1987).

- Borghouts 1974: J. F. Borghouts, Magical Texts, in: S. Sauneron (Hrsg.), Textes et langages de l’Égypte pharaonique: Cent cinquante années de recherches 1822 – 1972. Hommage à Jean-François Champollion. Bd. 3, Bibliothèque d’étude 64.3 (Le Caire 1974), 719.

- Černý 1977 (= 1952): J. Černý, Paper & Books in Ancient Egypt. An Inaugural Lecture Delivered at University College London, 29 May 1947 (London 1977 (= 1952)).

- Griffiths 1960: J. G. Griffiths, The Conflict of Horus and Seth from Egyptian and Classical Sources. A Study in Ancient Mythology, Liverpool Monographs in Archaeology and Oriental Studies (Liverpool 1960).

- Gunn 1929: B. Gunn, Additions to the Collections of the Egyptian Museum during 1928, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 29, 1929, 8996.

- Rogers 2021: J. Rogers, The Demon-Deity Maga. Geographical Variation and Chronological Transformation in Ancient Egyptian Demonology, in: P. Mora Riudavets, et al. (Hrsg.), Current research in Egyptology 2019. Proceedings of the Twentieth Annual Symposium, University of Alcalá, 1721 June 2019 (Oxford 2021), 183203.

- Schukraft 2007: B. Schukraft, Homosexualität im Alten Ägypten, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 36, 2007, 297331.

- Sturtewagen 1983: C. Sturtewagen, Some observations concerning P. Cairo JE 52000, in: Annales du Service des Antiquités de l’Égypte 69, 1983, 241245.

- te Velde 1967: H. te Velde, Seth, God of Confusion. A Study of his Role in Egyptian Mythology and Religion, Probleme der Ägyptologie 6 (Leiden 1967).

- Weill 1922: R. Weill, Un recueil magique du début du Nouvel Empire, in: Anon. (Hrsg.), Recueil d’études égyptologiques: dédiées à la mémoire de Jean-François Champollion à l’occasion du centenaire de la lettre à M. Dacier relative à l’alphabet des hiéroglyphes phonétiques, lue à l’Académie des inscriptions et belles-lettres le 27 septembre 1822, Bibliothèque de l’École des hautes études, Sciences historiques et philologiques 234 (Paris 1922), 651671.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko
Autoren (Metadaten)
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Abschnitt A

[Rto. 1,1-3,4] [---] [---] [---]1
[Rto. 3,5] [---]
Der Same des Seth ist im Körper des Horus, weil Seth ihn auf ihn geworfen hatte. Zu Wasser wurde/n es/sie in den Händen.2
Wende dich doch ab, wende dich doch ab, um diese (Dinge) zu beseitigen, die du gegen NN, Sohn der NN, getan hast, so wie es der Speichel (schon immer) tat, nachdem er sich abgewendet hatte3, um4 seit der Urzeit ihr4 Unheil in seinem Körper zu beseitigen!“
Dieser Spruch werde über ꜥꜣ.t-Mineral gesprochen, das in frischem Olivenöl5 zermahlen wurde. Werde vom (betroffenen) Mann getrunken.

1 Zum Umfang des Verlorenen s. Sturtewagen 1983, 242, demzufolge das von Weill publizierte Fragment die vierte Recto-Kolumne darstellt.
Ob sich der Beginn von Weills „Section A“ an den Beginn von Kolumne 1 vorverlegen lässt, oder ob vor Weills Section A eine oder mehrere weitere, inhaltlich abweichende Abschnitte standen, kann verständlicherweise erst nach einer vollständigen Publikation sicher gesagt werden.
Wie viele Zeilen oberhalb der Papyrusbruchkante zerstört sind, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Zeilenzählung folgt aus pragmatischen Gründen Weill und Sturtewagen.

2 Inhaltlich liegt es zunächst nahe, in mtw.t n.t Stẖ: „Same des Seth“ das Bezugswort des pluralischen Personalpronomens =sn zu sehen. Dieses mtw.t: „Same“ wird jedoch, obwohl eine Flüssigkeit, im vorigen Satz als feminin singulares Wort konstruiert. Selbst in pLeiden I 343+I 345 = AMS 28 + CI 11b, Zeile Verso 7,10, wo es als zusätzliches Attribut das Adjektiv ꜥšꜣ: „zahlreich“ erhält und als grammatischen Pluralen konstruierten mtw.t-Giften anderer Götter zur Seite gestellt wird, bekommt mtw.t den femininen Artikel tꜣ, s. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcCKOlCFAgyA0EemcRYSG90tiQ, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 26.02.2024). Das Pronomen =sn auf den Samen des Seth zu beziehen, wäre daher nur möglich, wenn man einen Fehler für =s(t) konstatiert, den man eventuell durch die folgende Präposition m: „in“ erklären könnte.

3 Es ist nicht ganz sicher, ob das zweite r dr: „um“ parallel zum ersten ist, oder ob es ꜥnn.n=s: „nachdem er sich abgewendet hatte“ untergeordnet werden sollte. Der Wechsel der Pronomina spricht vielleicht für Letzteres.

4 Vergleichbar zum vorigen Satz könnte man zunächst denken, dass sich das pluralische Suffixpronomen =sn auf den „Speichel“ bezieht. Doch auch dieser wird, wie mtw.t: „Same“, als grammatischer Singular behandelt und nicht als scheinbar pluralische Flüssigkeit, wie der Rückbezug bei ꜥnn.n=s: „er hatte sich abgewendet“ zeigt.

5 Wenn die hieroglyphische Transliteration von Sturtewagen 1983, 244 korrekt ist, spricht der Gefäßklassifikator nach dem Baum eher für die hier gegebene Übersetzung statt für Sturtewagens „branch of a imꜣ-tree and fresh oil“. Die Präposition ḥr: „in“ davor ist dann sicherlich lokal gebraucht und nicht komitativ. Vgl. dazu die zahlreichen Belege in den medizinischen Texten, H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 494, s.v. nḏ II.a.2.aa.

[---] wie ... [---]
[Rto. 4] [---]
[---] [___]-Göttin [---].
Der Ausgespiene (?)1 möge NN, Sohn der NN, ebenso retten!
Dieser Spruch werde gesprochen über [---].

1 ꜣšš: Weill liest hier und in Zeile 4,9 Ꜣššk. Eine solche Gottheit ist sonst unbekannt. Vergleicht man zudem die Form von Weills k mit den anderen k-Zeichen im Text, kommen Zweifel an dieser Lesung auf. Die Schreibung sollte am Original mit derjenigen von ꜣšš: „ausspeien“ (als Schreibung von jšš) weiter oben verglichen werden, von der bislang nur Griffiths’ und Sturtewagens hieroglyphische Umschriften publiziert sind.
C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd I. ꜣ– y, Orientalia Lovaniensia Analecta 110 (Leuven 2002), 562b563a kennt eine Handvoll Gottesbezeichnungen, die vom Verb jšš abgeleitet sind, u.a. auch eine einmal belegte Bezeichnung Jšš für eine Gottheit, die von Horus gefällt wird und daher sowie aufgrund des Klassifikators eine Umschreibung für Seth ist. Im vorliegenden Fall muss jedoch eine helfende Instanz gemeint sein, so dass Seth nicht infrage kommt. Man denkt an Schu, der von Atum ausgespuckt wurde. Schu spielt in den magischen Texten sonst keine besondere Rolle, wird aber immerhin später im Papyrus neben anderen Gottheiten angerufen.

Ich bin NN, Sohn1 der NN.
Du (?) hast (zwar) zugestochen, als ich an deiner (?) Seite vorbeiging2, (aber) ich bin der Sohn des Seth, (d)er nicht erlaubte, dass du (?) ihn3 stichst.
Dieser Spruch werde über Eselskot4 gesprochen, auf die Armbeuge (?) des (betroffenen) Mannes gegeben5, zusammen mit dem / und den Zweig6 eines Perseabaumes, gekocht und fein zermahlen. Das Auge(numfeld)7 werde damit gefüllt.

1 Weill 1922, 657, Anm. d vermutet den krokodilgestaltigen Gott Maga als Sprecher, weil dieser in späteren Sprüchen genannt wird. Die für den folgenden Satz vorgeschlagenen Emendationen machen es jedoch wahrscheinlicher, dass hier der Magier bzw. der Geschädigte spricht.
Die Filiationsangabe mittels unzweifelhaftem zꜣ: „Sohn“ ist hervorzuheben, denn üblicherweise lautet die Formel mn msi̯.n mn.t: „NN, den NN geboren hat“. 

2 Vgl. Weill 1922, 657, Anm. e, demzufolge der Spruch „extrêmement obscure, confondant pêle-mêle“ sei. Er übersetzt diesen Satz mit: „je morde celui qui passe à côté de moi“ und merkt an, dass sich der Magier in diesem Text anders, als sonst üblich, mit dem schädigenden Tier bzw. der schädigenden Gottheit zu identifizieren scheine statt mit einer schützenden Gottheit.
Der in der vorigen Kolumne genannte „Same des Seth“ sowie der „Speichel“ sprechen nun dafür, dass zumindest einige der Sprüche dieses Papyrus gegen giftige Tiere gerichtet sind. Falls der vorliegende Spruch, noch konkreter, gegen einen Skorpion gerichtet ist und man hier v.a. an das feminine wḥꜥ.t: „Skorpion“ oder die weiter unten genannte, sonst nicht belegte feminine Bezeichnung ḏdb.t denken kann, ließe sich überlegen, ob das erste und letzte Personalpronomen dieses Satzes eigentlich das Suffixpronomen der 2. Person Sg. fem. ist. Damit würde sich die Perspektive des Spruches ändern und sich üblichen magischen Sprüchen annähern: Der Skorpion versuchte zuzustechen, aber weil sich der Betroffene mit dem Sohn des Seth identifiziert und daher für ein Gifttier tabu ist, bleibt dieser Versuch am Ende wirkungslos. Ob vielleicht das psḥ: „stechen“ dieses Satzes deswegen auch kein direktes Objekt hat, weil das Zustechen am Ende kein Ziel findet? 

3 Vgl. den Kommentar zum vorigen Satz. Das Pronomen sw: „ihn“ bezieht sich nicht auf Seth, sondern auf den „Sohn des Seth“, d.h. den Sprecher.

4 Wie auch in anderen magisch-medizinischen Texten ist nicht auszuschließen, dass mit dem „Kot“ eigentlich ein Harz oder ein ähnlicher Aromastoff gemeint ist, vgl. dazu generell J. F. Quack, Rez. zu: W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Handbuch der Orientalistik I.36, Leiden 1999, in: Orientalistische Literaturzeitung 94 (4–5), 1999, 455–462, hier: 460 und J. F. Quack, Methoden und Möglichkeiten der Erforschung der Medizin im Alten Ägypten, in: Medizinhistorisches Journal 38 (1), 2002, 3–15, hier: 9. Dass hier konkret der „Kot“ eines Esels verschrieben wird, liegt sicherlich im sethianischen Aspekt dieses Tieres begründet.

5 Die folgende Anweisung „Das Auge werde damit gefüllt“ zeigt an, dass die Armbeuge des Patienten nicht der finale Ort der Applikation ist. Daher kann nur gesagt werden, dass der Spruch über den beiden Ingredienzien Eselskot und Perseazweig gesprochen werden soll, aber es ist nicht klar, ob der Zweig ebenfalls zuvor auf die Armbeuge gelegt werden soll. Das heißt, es sind zwei Übersetzungsoptionen denkbar. Option 1: Der Eselskot wird „zusammen mit“ dem Perseazweig auf die Armbeuge gelegt und (dort?) magisch besprochen, und beides kommt dann am Auge zur Anwendung. Oder Option 2: Nur der Eselskot wird in die Armbeuge gelegt, danach werden dieser „und“ ein Perseazweig besprochen und ans Auge geführt.

6 qs: Die Bedeutung „Zweig“ oder „Ast“ ist bislang für dieses Wort nicht belegt, liegt aber angesichts der Grundbedeutung „Knochen“ nahe. Da das Heilmittel erfolgreich gekocht wird, ist eher an einen Zweig als einen Ast zu denken. Die Anweisung „fein zermahlen“ würde dagegen bei einem Ast ebenso passen.
Prinzipiell wäre ein Zweig ein gut geeignetes Werkzeug, um das Heilmittel am Auge aufzutragen. Der Kotext ließe eine solche Interpretation aber nur unter erheblichen Eingriffen in den Text zu; vielmehr ist auch der Zweig eindeutig ein Bestandteil des Mittels.

7 Es ist notierenswert, dass das Auge bzw. wohl eher der Bereich um die Augen herum der finale Applikationsort dieses Mittels gegen einen Biss oder Stich ist. Könnte man hier an einen Analogzauber denken, in dem das Auge des Betroffenen implizit mit dem von Seth verletzten und zu heilenden Horusauge gleichgesetzt wird? Oder liegt dem eine andere, noch unbekannte Verbindung zwischen Biss-/Stichwunden und den Augen als Applikationsort zugrunde? In dem Zusammenhang sei daran erinnert, dass im pEbers die Gruppe von Rezepten gegen Bisswunden unmittelbar auf das sogenannte Augenbuch folgt und von diesem auch nicht durch eine eigene Einleitung abgetrennt ist.
H.-W. Fischer-Elfert (E-Mail vom 21.02.2024) überlegt, ob die Verbindung von Bissen und Augen in einem verstärkten Tränenfluss infolge mancher Bisse oder in einer anderweitig durch Bisse und Stiche verursachte Einschränkung des Visus begründet sein könnte. 

Ein anderer (Spruch):
Du (?) sollst mich (?) ignorieren1, (weil?) ich (?) zu einem (mit Wasser) Benetzten2 geworden bin (?). Ich bin Sobek, ein Genosse dessen, der auf mich (los)geht. (?)3

1 Weill 1922, 656 und 658, Anm. h und i übersetzt mit „Je suis ignoré“. Jedoch ist nicht sicher, dass in pKairo JdÉ 52000 eine passive Aussage vorliegt. 
Ungeachtet der Frage, ob die Form aktivisch oder passivisch ist, wäre die Aussage auf jeden Fall präterital aufzufassen, vgl. W. Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift (Tübingen 2012), 236 oder M. Brose, Grammatik der dokumentarischen Texte des Mittleren Reiches, Lingua Aegyptia, Studia Monographica 13 (Hamburg 2014), § 248. Nun ist die vorliegende Passage nicht etwa Teil einer Historiola, sondern würde bei einer passiven Bedeutung bereits die Identifizierung des Betroffenen oder des Magiers (Letzteres: Weill) einleiten. In dem Falle stellte sich die Frage, warum und von wem der Sprecher ignoriert wird.
Aus diesen Gründen wird hier die Lesung als aktivische Form vorgeschlagen. Angesprochen wäre das Gifttier. Zweifel an diesem Vorschlag sind zugegebenermaßen angebracht, da im vorherigen Spruch ein grammatisch feminines Gifttier als Adressat vorgeschlagen wurde, während nun hier ohne explizite Markierung in der Überschrift ein grammatisch maskulines Gifttier vorausgesetzt wird.

2 Weill 1922, 656 übersetzt ebd. mit „ceux qui barbotent“. In der zugehörigen Anm. h auf Seite 658 gibt er an, dass er das Wort als Beleg für ntš: „éclabousser“ sehe (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/90100, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 04.01.2024)) und dass man hier wohl an „éclabousser dans la fange, en marchant“ denken sollte. Rogers 2021, 188: „those who dabble“. Beide vermuten, dass der Sprecher unter diesen Personen entstehe oder in diesen Personenkreis gerate, d.h. sie denken bei der Präposition m in dieser Wendung am ehesten an Wb 3, 261.1518: „zu (einer Person x) werden“ oder an Wb 3, 262.5: „an einen Ort geraten“.
Wb hat dagegen dieses Wort ntš.w als eigenes Lemma aufgenommen (2, 357.1; die Datierung „Sp[ätzeit]“, die Wb diesem und anderen Wörtern aus diesem Text gibt, ist irreführend) und vermutet „Ohnmachtszustand o.ä.“.
Dessen ungeachtet bleibt die Aussage des Satzes unklar. Das „Besprengen“ des Hauses mit verschiedenen Ingredienzien ist in spätzeitlichen Texten ein Mittel zur Abwehr von Schlangen und Skorpionen. In älterer Zeit ist dagegen bislang nur das Besprengen des Hauses zur Abwehr von Flöhen im Rezept Eb 840 belegt. In einer leider partiell zerstörten und daher unklaren Stelle im Rezept L6 des London Medical Papyrus wird der Patient im Zuge seiner Behandlung „besprengt“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd6NK5TxJbUaAhNWFoY39C30, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 03.02.2024)).
Weiter unten in pKairo JdÉ 52000 dürfte mit „Ich bin aus dem Wasser gekommen.“ eine Anspielung auf die Initiation des Heilers oder des Patienten vorliegen (s. den Kommentar zur Stelle). Könnte das ntš hier in denselben Kontext gestellt werden? So, wie die Aussage „Ich bin aus dem Wasser gekommen.“ das Ende dieses Aktes der Initiation anspricht, könnte „(weil?) ich (?) zu einem (mit Wasser) Benetzten2 geworden bin (?).“ auf dessen Anfang anspielen. Gleichzeitig ergäbe sich damit ein inhaltlicher Link zu der anschließenden Identifizierung des Heilers/Patienten mit dem krokodilgestaltigen und daher im Wasser befindlichen Gott Sobek.

3 Übersetzung unsicher. Weill 1922, 656 vermutet eine Inversion ehrenhalber und übersetzt: „Je suis un compagnon de Sebek. J’ai cheminé ...“.
Könnte in diesem Satz derselbe Mechanismus greifen wie im vorigen Spruch? Dort identifiziert sich der Betroffene mit dem Sohn des Seth und unterliegt damit einem Tabu für Gifttiere. Hier scheint sich, wenn richtig übersetzt, der Betroffene mit Sobek zu identifizieren und als Gefährte dessen, der ihn anzugreifen gedenkt. Die Wahl eines weniger zielgerichteten šmi̯ n=j: „der auf mich (los)geht“ statt eines idiomatischeren pḥ wj: „der mich angreift“ (vgl. Wb 1, 534.7) könnte erneut darin begründet sein, dass der Versuch letzten Endes erfolglos ist oder sein soll. Aber das muss, nicht zuletzt aufgrund der anschließenden kurzen Lücke, selbstverständlich reine Spekulation bleiben.

[---]1, was zu tun ist bei dem, der den Tod bringt (gleich) am ersten Tag (?)2 des Wachdienstes.
Folglich machst du es (so) beim beständigen3 Umhereilen und beim Tragen einer Last4. [Rto. 4,5] Die Stadt des Seth und des Horus5 verletzt ihn. Die Stadt des Horus und des Seth verletzt ihn.
Dieser Spruch werde über Gummiharzlösung6 und Früchten der Seyal-Akazie7 gesprochen. Werde vom (betroffenen) Mann getrunken.

1 Die Lücke am Anfang der Zeile ist so kurz, dass sie nur entweder eine kurze Adverbiale zum vorigen Satz oder eine kurze Einleitung zum folgenden Spruch enthalten haben kann. Könnte darin ein weiteres Mal „ein anderer (Spruch)“ gestanden haben?

2 Weill 1922, 656 liest dagegen: „Mal“.

3 m ꜣ.t r ꜣ.t: Zur Bedeutung „von Augenblick zu Augenblick = immer“ s. Wb 1, 1.19.

4 Welcher Art die Last ist, ist unklar, zumal der vorherige Satz einen „Wachdienst“ anzusprechen scheint.

5 Wo die „Stadt des Seth und des Horus“ bzw. die „Stadt des Horus und des Seth“ liegt, kann nicht beantwortet werden. Die Genitivverbindung nʾ.t (n.t) GN: „Stadt des (Gottes) NN“ ist im Allgemeinen gut belegt, s. Wb 2, 211.914. Dies gilt jedoch nicht für die an sich naheliegenden Bezeichnungen nʾ.t (n.t) Ḥr.w: „Stadt des Horus“ und nʾ.t (n.t) Stẖ: „Stadt des Seth“ für Edfu und Ombos. Es gibt zumindest ein mythisches nʾ.t Ḥr.w: „Stadt des Horus“ in den Pyramidentexten, s. H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques. Bd. 3 (Le Caire 1926), 80. Außerdem gibt es noch eine nʾ.t n Ḥr.w-nbw: „Stadt des goldenen Horus“, die wohl identisch ist mit der nʾ.t n.t bjk: „Stadt des Falken“ und mit Ḏw-f(y).t und Pr-Nmt.y, dem lateinischen Hieracon, s. H. Gauthier, Dictionnaire des noms géographiques contenus dans les textes hiéroglyphiques. Bd. 3 (Le Caire 1926), 78 und A. H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. II (Oxford 1947), 68*70*. Jedoch hilft keiner dieser Namen bei der Identifizierung der Ortschaft im vorliegenden Papyrus weiter. Da zudem unwahrscheinlich ist, dass ein realer oder mythischer Ort gleichzeitig dem Horus und dem Seth zugeordnet ist, sei die Überlegung erlaubt, dass nʾ.t: „Stadt“ hier übertragen ganz Ägypten meint, das seinerseits durchaus zu gleichen Teilen Horus (Unterägypten) und Seth (Oberägypten) zugeordnet werden kann. Zum Bedeutungsspektrum von nʾ.t vgl. bspw. O. Goelet, “Town” and “Country” in Ancient Egypt, in: B. A. Levine – M. Hudson (Hrsg.), Urbanization and Land Ownership in the Ancient Near East. A Colloquium Held at New York University, November 1996, and The Oriental Institute, St. Petersburg, Russia, May 1997, Peabody Museum Bulletin 7 (Cambridge, MA 1999), 65116, hier: 65116 und J. C. Moreno Garcia, Ḥwt et le milieu rural égyptien du IIIe millénaire. Économie, administration et organisation territoriale, Bibliothèque de l’École des hautes études, Sciences historiques et philologiques 337 (Paris 1999), 117127. Vgl. insbesondere Letzterer, S. 124: „nwt est un concept abstrait qui désigne l’espace habité, aménagé et organisé“. Bei einer solchen Definition könnte man diesen Begriff durchaus auf ganz Ägypten beziehen – sozusagen als einziger zivilisierter Ort der Welt.

6 qm(y).t: Keine „grains“ (so Weill 1922, 656 und ihm folgend Rogers 2021, 188), sondern Gummiharz. Zu mw n.w qmy.t: „Gummiharzlösung“ s. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 517, s.v. ḳmj.t, B.II.

7 ꜥr.w: Eher so zu lesen als Weills ꜥm.w. Zu pr.t-Früchten dieses Baumes s. H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 105, s.v. ꜥrw, B. Zur Identifizierung mit der Seyal-Akazie s. P. Koemoth, Osiris et les arbres. Contribution à l’étude des arbres sacrés de l’Égypte ancienne, Aegyptiaca Leodiensia 3 (Liège 1994), 179193, gefolgt von T. Pommerening, Bäume, Sträucher und Früchte in altägyptischen Listen – eine Betrachtung zur Kategorisierung und Ordnung, in: S. Deicher – E. Maroko (Hrsg.), Die Liste. Ordnungen von Dingen und Menschen in Ägypten, Ancient Egyptian Design, Contemporary Design History and Anthropology of Design 1 (Berlin 2015), 125166, hier: 133 mit Anm. 28. Im Balsamierungsritual wird konkret qmy.t-Harz dieses Baumes verwendet, so dass dieser Baum im vorliegenden Spruch nicht nur Lieferant der Früchte ist, sondern zusätzlich als Lieferant des zuvor genannten Harzes infrage kommt.

„Ich bin NN, Sohn der NN. Thot übt Schutz für mich aus. Maga hält inne, sein Maul ist gewichen!1 Die sieben Uräen des Re üben Schutz für mich aus an jedem meiner (?)2 Tage. Die Belästigung(?)3 ist niedergedrückt(?).“4
Was zu sagen ist bei(?) diesem Heilmittel(?):
„Ich bin Thot. Ich bin aus dem Wasser gekommen.5 Dass ich den (göttlichen) ‚Schutz‘ an seiner (richtigen) Stelle stehend gefunden habe, ist (so, wie) er den Stier der (göttlichen) ‚Mutter‘ gefunden hat, die an (ihrer) Stelle brennt.“6

1 Weill 1922, 656 und 657 schlägt mit abweichender Lesung „la bouche écumante(?)“ vor.

2 Gehört dieser Spruch, wie der vorige, noch in den Kontext des „Arbeitsschutzes“, so dass „meine Tage“ die Diensttage des Sprechers meint? Eine engere Verbindung beider Sprüche würde auch erklären, warum dieser keine Einleitung besitzt.

3 ꜣtp.w: Vgl. dazu vielleicht das Rezept Eb 200a, worin ein Leiden des Verdauungstrakts mit der ꜣtp.w-Last eines „Gebissenen“ verglichen wird (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBdQ9thGhvDUwDhveDTjIfF34, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 08.01.2024)). Eine solche Bedeutung von „Last“ als Leiden konkret eines Gebissenen würde im hiesigen Kontext gut passen.

4 Syntaktisch dürfte dieser Satz parallel zu „Maga hält inne, sein Maul ist gewichen!“ aufzufassen sein.

5 Mit dem Herauskommen aus dem Wasser liegt vielleicht weniger eine Anspielung auf die Rolle des Thot in der Kosmogonie von Hermopolis „dans sa forme originale“ vor, wie Weill 1922, 659, Anm. l annimmt, sondern eine Anspielung auf die Initiation des Heilers. Vgl. dazu die Einleitung des Papyrus Ebers, konkret Eb 2 und hier den Satz https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd16Ki95NzEGxu91yjH484zg, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 02.02.2024) mit dem zugehörigen Kommentar sowie H.-W. Fischer-Elfert, Pap. Ebers Nr. 13. Reflexion eines altägyptischen Heilers über seine Initiation?, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.), Papyrus Ebers und die antike Heilkunde. Akten der Tagung vom 15.16.3.2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 133147, hier: 140-141. Dazu passt auch dessen Identifizierung mit Thot im vorigen Satz, da dieser Gott in Eb 1 als Verfasser (medizinischer) Sammelwerke erscheint und als derjenige, der den Gelehrten und Ärzten Wirkungsmacht verleiht.

6 Die „Stelle“, an der die Göttin Mut „brennt“, dürfte die Stirn des Sonnengottes sein: Mut erscheint hier als Form des Sonnenauges bzw. der Uräusschlange. Die Bezeichnung kꜣ n mw.t: „Stier der (göttlichen) ‚Mutter‘“ wirkt dagegen wie eine Anspielung auf die Gottesbezeichnung kꜣ-mw.t=f: „Stier seiner Mutter“ als Bezeichnung hauptsächlich für Amun.
Wer mit dem Gott „Schutz“ gemeint ist und wo sich dessen Stelle befindet, muss offenbleiben. Sicherlich liegt diese Stelle dort, wo er den Betroffenen schützen kann.

Abschnitt B

(Gott) ...1 gnädig stimmen:
3 snw-Brote, 3 Weißbrote, 3 (Portionen) Geflügel(fleisch), 3 (Portionen) Rind(fleisch), 1 Hin-Maß frische jꜣm-Baum(-Früchte?)2, 7 Skorpione(?)3, 4 pꜣ.t-Brote, 1 Hin-Maß Gersten- und ebenso Emmermehl (seien) auf (einem) Feuerbecken, oder (auf) 9 oder 19 oder 244.

1 Die Lesung des Gottesnamens ist völlig unsicher. Weill 1922, 662664 mit Anm. a lässt die Lesung offen. Sturtewagen 1983, 243244 vermutet die Gottesnamen Jꜥḥ: „Iah“, Ḏḥw.tj: „Thot“ oder Jꜥḥ-Ḏḥw.tj: „Iah-Thot“, gibt aber zu bedenken, dass die Anordnung der beiden Zeichen ungewöhnlich sei. Weitere Zweifel ergeben sich dadurch, dass diese Entität weiter unten als nšni̯: „rasend, wütend“ charakterisiert wird, was untypisch für Thot oder Jah ist. Ein solches Attribut würde eher zu Seth passen oder zu anderen sethianischen Göttern. Angesichts der vorangegangenen Sprüche könnte man sich fragen, ob man an Sobek oder Maga denken könnte. Allerdings gibt es keine Schreibungen des Krokodils, die einer solch reduzierten Form nahekommen.
Könnte man den Gottesnamen als Jgꜣ.j: „Igai“ lesen? Eine im Ansatz vergleichbare Schreibung in C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd I. ꜣ– y, Orientalia Lovaniensia Analecta 110 (Leuven 2002), 570c genannt (Zeit Sesostris’ III.). Allerdings wirkt die Form bei Möller, Paläographie I, 43, Anm. 1 (6. Dynastie) viel elaborierter als auf pKairo JdÉ 52000.

2 jꜣm wꜣḏ: Für die Lesung vgl. A. H. Gardiner, Egyptian Grammar. Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, 3rd, rev. edition (Oxford 1957 (Repr. 2001)), S. 478, s.v. M1 und H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 30, s.v. jmꜣ
Die Tatsache, dass jꜣm hier als „frisch“ bezeichnet wird, und noch mehr der Umstand, dass es in Gefäßen gemessen wird (s. die folgende Anmerkung), spricht dafür, dass nicht etwa das Holz dieses Baumes, sondern dessen Früchte gemeint sind. 

3 ḏdb.t: Nur hier belegt, dem eindeutigen Klassifikator zufolge ist es ein Skorpion. Was allerdings ein Skorpion – oder genauer gesagt sieben davon – in einer Liste mit Lebensmitteln zu suchen hat, ist unklar.
Insgesamt werden neun Produkte aufgeführt: snw-Brote, Weißbrote, Vögel, Rinder, frisches jꜣm, Skorpione, pꜣ.t-Brot, Gerstenmehl und Emmermehl. Wie schon Weill 1922), 665 festgestellt hat, passt all dies schwerlich auf einen Altar, sodass er an „représentations quelconques“ denkt. Denkbar wären auch Substitute oder speziell im Fall der Rinder, die zweifellos am unwahrscheinlichsten in Gänze auf einen Altar passen, auch die Annahme, dass nur Teile davon gemeint sind. Es wäre auch noch eine weitere Option denkbar: Könnten auch die Tierbezeichnungen eigentlich Brote sein? Die Typen šꜥy.t jḥ/kꜣ und šꜥ.yt : „rinder(förmiges) šꜥy.t-Brot“ und „gänseförmiges šꜥy.t-Brot“ sind textlich aus der Zeit Thutmosis’ III. und Ramses’ III. belegt. Brot in Gestalt von Rindern ist zudem auch bildlich belegt, etwa in TT 89 und in KV 11, s. C. Schwechler, Les noms des pains en Égypte ancienne. Étude lexicologique, Studien zur Altägyptischen Kultur, Beihefte 22 (Hamburg 2020), 114 und 116, A. Weber, ÜBERlebensmittel (2020), Bd. 1, 6970 mit Abb. 8 (TT 261), 7374 mit Abb. 12 (TT 89), Taf. I (KV 11), Bd. 3, 12, I. Rosellini, I monumenti dell’Egitto e della Nubia. Disegnati dalla Spedizione Scientifico-Letteraria Toscana in Egitto. 4.2 Atlas: Monumenti civili (Pisa 1834), Taf. 85 (KV 11). Weiterhin sind bildlich antilopen- und nilpferdförmige Brote belegt, die als Substitute bei der rituellen Feindvernichtung verwendet wurden, s. Schwechler, a.a.O., 116, Weber, a.a.O., 7374 mit Abb. 11 und 12. Könnte dann auch der ḏdb.t-Skorpion von pKairo JdÉ 52000 in die gleiche Kategorie fallen, so dass eigentlich ein Brot gemeint ist? Es ist jedenfalls auffällig, dass die Liste mit Broten und Getreideprodukten beginnt und nach dem Skorpion zu dieser Lebensmittelkategorie zurückkehrt. Würde man die drei Tierbezeichnungen als Bezeichnungen für tierförmiges Brot ansehen, erhielte man eine Liste mit vier Brotsorten am Beginn und zwei Brotsorten + zwei Mehlsorten am Ende, mit einem einzigen nichtbrotartigen jꜣm-Topf genau in der Mitte der Auflistung.

4 Die Bedeutung dieser alternativen Zahlenangaben ist unsicher. Weill 1922, 665 wies darauf hin, dass die Summe der Mengenangaben insgesamt 24 ergebe, so dass man zumindest an einen Zusammenhang mit der letzten Zahl denken könne – wie auch immer dieser Zusammenhang gemeint sei. Allerdings hatte er die Mengenangabe hinter dem Gerstenmehl nicht mitgezählt (s. oben), so dass die Summe der Mengenangaben insgesamt 25 ergibt statt 24. Daher ist nicht einmal diese eine partielle Verbindung gegeben. Die üblichen Konstruktionsweisen von -pw: „oder“ machen zudem einen Zusammenhang mit den unmittelbar zuvor genannten Altären wahrscheinlicher. Doch auch hier ist die Bedeutung der Zahlen – abgesehen natürlich von der „9“ als Symbol für Gesamtheit und Vollständigkeit – unklar.

Du sollst ... (?)1, (Gott) ...! Ich will dich gnädig stimmen. Ich will dich erheben. Nun und Nut(?)2 sollen dich damit(?) gnädig stimmen. (Gott) ... und der Ausgespiene (?)3 sollen dich gnädig stimmen. K... und ... sollen dich gnädig stimmen. [---] [Vso. 1] [---] [(Gott) ... und] (Göttin) [... sollen dich gnädig stimmen (?)]. ⸢(Gottheit) ... und (Gottheit)4 ...⸣, [---] sowie alle Göttinnen, ‚Die in Heliopolis sind‘ und ‚Die Angehörigen von Memphis‘ sollen dich gnädig stimmen.

1 ḏꜣb: Die Bedeutung ist unbekannt. Weill 1922, 664 und 665, Anm. d vermutet „être hostile“, wegen des Wortes ḏꜣbꜣ: „combattants“ im pAnastasi I, 23.9 (d.h. ḏbj: „Heer“, https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/183410, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 23.01.2024)) und wegen des koptischen Qualitativs ϫⲏⲃ, den er mit griechisch ὀξύς vergleicht, d.h. „scharf, spitz; durchdringend“ u.ä. (vgl. H. G. Liddell – R. Scott – H. S. Jones, A Greek-English Lexicon. Revised and augmented throughout (Oxford 1940), 1236). Tatsächlich ist ϫⲏⲃ aber der Qualitativ von ϭⲱⲡⲉ: „fassen, ergreifen“, s. W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, 2. Auflage (Heidelberg 2008), 413 und 463.
Im gegebenen Kontext würde insgesamt ein Verb der Befriedigung besser passen. Sicherlich aufgrund einer ähnlichen Überlegung schlägt Wb 5, 522.6 „begrüßen o.ä.“ vor, allerdings nur mit pKairo JdÉ 52000 als Beleg (die Wb-Belegzeitangabe „Sp[ätzeit]“ ist falsch). Diesen Vorschlag aufgreifend, vermutet Sturtewagen 1983, 243 darin ein teilweise syllabisch geschriebenes semitisches Lehnwort und vergleicht es mit arabisch gwb: „antworten“ sowie hebräisch gab(b), das am ehesten als „Argumentation, Verteidigung“ zu verstehen sei. Sturtewagens Vermutung schlägt sich weder bei J. E. Hoch, Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and Third Intermediate Period (Princeton, NJ 1994) noch in den zugehörigen Rezensionen nieder.
Ein Wort ḏꜣb ist auch als Bildungselement von Personennamen belegt, tlw. als einziges Element, tlw. in zusammengesetzten Namen (Ḏꜣb-m-nṯr). Vgl. M. Römer, Die Ostraka der frühen 18. Dynastie aus Deir el-Bahri und dem Asasif, Bibliothèque générale 73 (Le Caire 2023), Bd. 2, 248 mit Belegliste und weiterer Literatur (Hinweis Fischer-Elfert). Allerdings ist auch bei diesem Wort die Bedeutung unklar. 
Aufgrund all dieser Unsicherheiten muss auch offenbleiben, ob das Verb transitiv ist, wie Wb vermutet, oder ob der anschließende Gottesname vokativisch aufgefasst werden muss.

2 Mit dem Falken auf Standarte geschrieben, wohingegen der Name dieser Göttin im zweifelsfreien Epitheton zꜣ Nw.t: „Sohn der Nut“ in der folgenden Götterliste mit der Kobra klassifiziert ist. Tatsächlich scheint der vorliegende Papyrus in der Klassifizierung von Gottheiten im Prinzip zwischen maskulinen (Falke auf Standarte) und femininen Entitäten (Kobra) zu unterscheiden. Jedoch wird diese Unterscheidung nicht konsequent durchgehalten: Mit Falke auf Standarte werden auch die Namen von Tefnut und Neith (zu Neith als androgyner Gottheit s. W. Westendorf, Götter, androgyne, in: W. Helck – W. Westendorf (Hrsg.), Lexikon der Ägyptologie. Bd. II. Erntefest-Hordjedef (Wiesbaden 1977), 633635, hier: 634) sowie von Isis und Nephthys klassifiziert. Daher sind die zwei Optionen denkbar, dass entweder hier und in der Götterliste sowie einer weiteren Stelle gar nicht die Göttin Nut, sondern Nu, das (göttliche) „Chaos“, gemeint ist – zumal in der Götterliste die fragliche Gottheit an erster Stelle, noch vor Nun, dem Urgewässer, steht –, oder dass eben in allen Fällen die Göttin Nut gemeint ist, deren Namen zwei Mal nur ausnahmsweise mit Kobra klassifiziert wurde. Eine Erklärung, warum gerade in den beiden Fällen, muss jedoch zunächst ausbleiben. Im Fall des Epithetons zꜣ Nw.t: „Sohn der Nut“ könnte man an die Betonung der Mutterrolle, d.h. eines dezidiert weiblichen Aspekts, denken. Doch erstens greift diese Erklärung nicht im zweiten Fall, und zweitens wird auch Isis im parallelen Epitheton zꜣ Ꜣs.t: „Sohn der Isis“ mit Falke auf Standarte geschrieben. Vielleicht ist die Variabilität auch nur reiner Zufall: Letztlich sind in den erhaltenen bzw. publizierten Fragmenten dieses Papyrus auch die Namen von Neith und Nephthys nur je einmal genannt, und die Namen von Tefnut und Isis nur je zwei Mal (Tefnut evtl., aber unsicher, noch ein drittes Mal). Es könnte also auch nur reiner Zufall sein, dass von einer oder mehreren dieser Göttinnen nicht auch Schreibungen mit Kobra erhalten sind.

3 Vgl. zum Namen der Gottheit den Kommentar oben.

4 Weill 1922, 662 ergänzt die Zeichenreste zu den Namen von Schu und Tefnut. Während der Name der Tefnut einigermaßen passen könnte, sind davor mehr Zeichen vorhanden, als für Schu notwendig.

Was über dem Feuerbecken zu sprechen ist:
Du sollst ... (?), (Gott) ...! Meine Stimme ist gerechtfertigt vor(?) (Gott) ..., und so wird er meine Rede hören. Nut, Nun, Geb, Schu, Tefnut, Horus, Sohn der Nut (d.h. Haroëris)1, Horus, Sohn der Isis (d.h. Harsiesis), die sieben Hathoren2, der eine Gott (?) und die 77 Götter3 sollen ihn mir gnädig stimmen.

1 Als Beiname des zuvor genannten Horus aufgefasst schon von Weil 1922, 664 und, ihm folgend, J.-C. Goyon, Les dieux-gardiens et la genèse des temples (d’après les textes de l’époque gréco-romaine). Les soixante d’Edfou et les soixante-dix-sept dieux de Pharbaetos, Bibliothèque d’étude 93 (Le Caire 1985), 195. Laut C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. VI. ẖ–s, Orientalia Lovaniensia Analecta 115 (Leuven 2002), 82b83b ist diese Verbindung sonst erst in ptolemäischen Texten belegt, wohingegen im Neuen Reich mit „Sohn der Nut“ eher Osiris oder Seth gemeint ist. Aber in der vorliegenden Stelle wäre eine Nennung des Seth, selbst in einer so indirekten Form, erstaunlich, weshalb ein Bezug zu Horus tatsächlich näherliegt. Zudem werden, wenn „Sohn der Nut“ ein Epitheton des Horus ist, insgesamt sieben individuelle Götter genannt, bevor die Aufzählung mit der Göttergruppe der sieben (!) Hathoren fortfährt.

2 So mit A. Massart, The Leiden Magical Papyrus I 343 + I 345, Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden: Supplement to n.r. 34 (Leiden 1954), 70 und Sturtewagen 1983, 244 (bzw. Roccati, s. Sturtewagen, a.a.O., Anm. 3) zu lesen. Dieser Lesung folgt auch M. Rochholz, Schöpfung, Feindvernichtung, Regeneration. Untersuchung zum Symbolgehalt der machtgeladenen Zahl 7 im alten Ägypten, Ägypten und Altes Testament 56 (Wiesbaden 2002), 6768 und 250. Die Götterbezeichnung Ḳrrtywt-sfḫt in C. Leitz, Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. VII. š–ḏ, Orientalia Lovaniensia Analecta 116 (Leuven 2002), 224b mit dieser Passage als einzigem Beleg ist daher ein Ghostword.

3 Wenn an dieser Stelle ursprünglich tatsächlich nur eine einzelne Göttergruppe genannt war, würden in diesem Spruch insgesamt sieben individuelle Gottheiten, die Gruppe der sieben Hathoren und die Gruppe der 77 Götter angesprochen. Damit läge nicht nur ein Fokus auf der Zahl sieben, sondern es lägen dann insgesamt neun Entitäten vor, womit die Zahlen sieben und neun vereint wären.

Du sollst ... (?), (Gott) ...! [Vso. 1,5] Horus und Seth sowie Isis und Nephthys sowie Nun und Nut sowie (alle?) Götter und Göttinnen sollen dich gnädig stimmen. Sie sollen mir (Gott) ... gnädig stimmen, weil er rasend ist. Sie sollen mir seine Ohren öffnen, und so wird er all das hören, was ich sage.
Du sollst ... (?), (Gott) ...! Ich will dich gnädig stimmen. Ich will dich erheben. Die Götter und Göttinnen, die im Himmel sind [und die auf] Erden [sind] (?), sollen dich gnädig stimmen. Wenen-Nefer soll dich gnädig stimmen. Geb, Schu, Nun, Nut(?), Neith, Tefnut und ... (?)1 sollen dich gnädig stimmen. 
[---] 
[---]
[Vso. 2,1] [Ich/NN] will/soll [dich] gnädig stimmen. [---] singen/loben [---] Ich will dich gnädig stimmen. Ich will dich erheben. Ia[---], [---], ..., ... und Djabt(i) sollen dich [gnädig] stimmen. (?)
Du sollst ... (?), (Gott) ...! [Ich] will dich gnädig stimmen. [Ich] will [dich] erheben. (?)2 [NN soll dich gnädig stimmen.] (?) Apis, der die Köpfe abschneidet, soll dich gnädig stimmen [---].

1 Die Lesung des letzten Gottesnamens muss offenbleiben. Der Vorschlag von Weill 1922, 663–664 und 666, Anm. g, Jm-ḫnt-jnb=f mit der Übersetzung „celui à la tête de son mur“, lässt sich weder paläographisch noch syntaktisch verifizieren.

2 Ergänzung basierend auf der vorigen Kolumne. Der Vorschlag ist allerdings unsicher.

Abschnitt C

[Vso. 2,a]1 Ich bin ... (?). Ich bin der Gelobte/Lobende (?). Ich bin ... (?)2. Ich bin der Vollkommene (?)3. Ich bin ... (?)4.

1 Die Zeile enthält eine Reihe von Substantivalsätzen, in denen sich der Redner mit Göttern oder vergleichbaren überirdischen Entitäten identifiziert. Alle sind nach dem Schema jnk X: „Ich bin X“ aufgebaut, wobei X eher emblematisch oder vignettenhaft codiert denn in normalem Hieratisch ausgeschrieben ist. Konkret im ersten Satz ist das jnk in die Vignette hineingeschrieben. Diese lässt sich nicht identifizieren, scheint aber, wie schon Weill vermutet, aus einer elaborierten Standarte mit irgendeinem Aufsatz zu bestehen.

2 Erneut ist die Vignette nicht zu identifizieren. Gemäß der Lesung bei Weill 1922, 667 könnte man an šw.t: „Schatten“ oder allenfalls den Gott Ḥp.wj: Hepwi (Gott des Wedels?) denken.

3 Die Lesung ist völlig unsicher, jedoch könnte auch „Ich bin der Tausendfache“ o.ä. gelesen werden.

4 Die Vignette dieses Satzes ist ein komplexes Gebilde, das von einem nahezu quadratischen Rahmen umschlossen ist: Im Zentrum steht der Horusfalke mit Kopfbedeckung (Krone mit Uräus oder Sonnenscheibe mit Uräus). Hinter ihm stehen zwei Hieratogramme bzw. Hieratogrammgruppen, die Weill 1922, 667 als Nephthys und Nut sowie Isis und Geb identifiziert. Als Inspiration für diese Stelle dient ihm pSalt 825, Zeile x+11,7, wo von den vier Gebäudeteilen des Lebenshauses von Abydos die Rede ist, die als Isis, Nephthys, Geb und Nut bezeichnet werden (s. https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBUBd2pRE9NzcUa6tibcwJXT3WI, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 25.01.2024)), mit Osiris im Zentrum, vgl. auch die Vignette unter https://www.britishmuseum.org/collection/object/Y_EA10051-5 (Zugriff am: 25.01.2024).
Auf Weills Foto von pKairo JdÉ 52000 sieht es allerdings so aus, als könne statt Isis und Geb auch Osiris und Isis gelesen werden.
Wie man diese Vignette insgesamt aufzulösen hat – als einen einzigen komplex geschrieben Götternamen oder als Göttergruppe –, muss vorerst offenbleiben.

[Vso. 2,b,1] Ich enthielt Chnum das vor1, was er (gewöhnlich) NN antut (???). Ich kümmerte mich um die Kreationen des (Schöpfergottes) Chnum (???). Ich werde nicht zulassen, dass er es NN (?) antut. Ich flehte das Herz des Chnum an (?); [---] flehte [Vso. 2,b,5] [---] an (?).
[Vso. 2,c,1] [---] ihr Mund/Spruch bezüglich Chnums. Er wird sich nicht (?) zu NN gesellen. Ich bin der (göttliche) „Schutz“. [Vso. 2,c,5] [---] [---] [Vso. 2,d,1] dauernd (?) [---] [---] Chnum zu ihm / gegen ihn [---] [---] an der Stelle [---] [---] Chnum; er möge [Vso. 2,d,5] das Herz von NN, [Sohn der NN (???)], leicht werden lassen.... [---]
[Vso. 3] [---]3

1 Die bekannten Bedeutungen des Verbs (s. W. A. Ward, Some Remarks on the Root gbi/gbgb, „To Be Weak, Lame, Deprived“, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 113, 1986, 79–81, J. F. Quack, Die Lehren des Ani. Ein neuägyptischer Weisheitstext in seinem kulturellen Umfeld, Orbis Biblicus et Orientalis 141 (Freiburg (Schweiz), Göttingen 1994), 103, Anm. 65) ermöglichen keine verständliche Übersetzung. Man darf sicher eine Anspielung auf eine bislang unbekannte mythologische Anekdote annehmen, doch ohne sie zu kennen, ist kaum zu beurteilen, ob Chnum hier Subjekt oder Objekt der Handlung ist. Die Satzübersetzung versucht nur, die Wörter auf eine grammatisch sinnvolle Weise zu verbinden.
Man könnte überlegen, ob statt dem Suffixpronomen 1. Person Sg. hier wieder das der 2. Person Sg. fem. zu lesen ist, so wie weiter oben vorgeschlagen. Dann ließe sich der Satzbeginn als ungewöhnlich formulierte Götterdrohung verstehen: „Chnum möge dir vorenthalten, was er gegen NN tut.“ Aber auch das ginge nur, wenn man jri̯ r: „agieren gegen“ einer Litotes gleich positiv auffasst, weil es der Handlung dem „du“ gegenüber entgegensetzt wird: „Chnum möge dir vorenthalten, was er (normalerweise Gutes) für NN“ tut. Und ob der ägyptische Stil dies zulässt, ist fraglich.

2 Ergänzung nach Sturtewagen 1983, 244.

3 Zum Umfang des Zerstörten bzw. Unpublizierten s. Sturtewagen 1983, 242, demzufolge das von Weill publizierte Fragment auf dem Recto die vierte Kolumne trägt und das von Griffiths publizierte Fragment die dritte Kolumne. Eine dritte Verso-Kolumne erwähnt Sturtewagen explizit auf S. 244, und die durch seine Beobachtung implizierte Länge des Papyrus dürfte noch Platz für mindestens eine weitere, vierte Verso-Kolumne ergeben.