Heilkunde (Medizin und heilende Magie)
Dokumente zu diesem WissensbereichDie Texte, die Auskunft über das medizinische Wissen der Alten Ägypter geben, sind auf verschiedenen Textträgern überliefert: Papyri und Ostraka (Ton-/Kalksteinscherben). Das Korpus der medizinischen Texte umfasst dabei eine Zeitspanne vom Beginn des 2. Jt. v. Chr. (Mittleres Reich) bis in die griechisch-römische Zeit. Entsprechend ihrer chronologischen Verortung können die Texte den jeweiligen Schrift- und Sprachstufen des Ägyptischen zugeordnet werden. Die ältesten medizinischen Texte sind in kursiv-hieroglyphischer Schrift verfasst worden, während die Mehrzahl der Schriftstücke in Hieratisch geschrieben wurde. Erst ab dem 1. Jh. v. Chr. finden sich auch Texte medizinischen Inhalts, die in demotischer Schrift verfasst wurden. Von besonderem Interesse ist die Parallelverwendung von Schriftformen. So weist der Papyrus Wien D. 6257 sowohl hieratische als auch demotische Schriftzeichen auf.
Fig. 1: Verteilung der verwendeten Schriftformen innerhalb des Korpus der medizinischen Wissenstexte
Fig. 2: Verteilung der verwendeten Textträger innerhalb des Korpus der medizinischen Wissenstexte
Insgesamt lassen sich zwei verschiedene Arten von medizinischen Texten voneinander unterscheiden: Das Fachbuch widmet sich in Form von Lehrtexten, Diagnosen und Rezepten nur einer einzigen medizinischen Fachrichtung, während die medizinische Sammelhandschrift ein Kompendium von Texten zu Krankheitsfällen unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen darstellt. Innerhalb eines Gesamttextes können die Einzeltexte einem medizinischen Ordnungssystem entsprechen oder scheinbar unstrukturiert aneinandergereiht stehen. Weiteren Aufschluss über das medizinische Wissen der Alten Ägypter geben Texte, die im Grunde genommen einem anderen Wissensbereich zugeordnet werden, wie das sogenannte „Demotische Kräuterbuch“, das verschiedene Pflanzen Ägyptens systematisch auflistet. Dabei werden neben Aussehen und Verbreitung der einzelnen Pflanzen auch deren medizinische Anwendungsgebiete benannt. Der Papyrus Brooklyn 47.218.48 & 85 („Schlangenpapyrus“) ist ein Traktat, das die verschiedenen Schlangenarten Ägyptens systematisch beschreibt und verschiedene Rezepte und Heilungsmethoden für Schlangenbisse angibt. Beide Textzeugen gehören grundsätzlich eher dem Wissensbereich Botanik und Zoologie an. Innerhalb der medizinischen Texte werden die unterschiedlichsten Bereiche der Medizin behandelt: Rezepte für Gefäßbehandlungen, Gynäkologie (Frauenkrankheiten, Verhütung …) in enger Verbindung zu Pädiatrie, Chirurgie, Mittel für die Behandlungen des Leibes, Mittel gegen Schlangenbisse, Veterinärmedizin, Lehrtexte für Magenerkrankungen, Ophthalmologie, Geschwulste. Hinweise zur Benutzbarkeit und dem Verwendungskontext der medizinischen Papyri finden sich unter anderem im Format der Texte: Dabei ist das Halbformat von rund 15 cm Höhe gegenüber dem Hochformat mit rund 30 cm Höhe wesentlich handlicher. Durch ein leeres Vorsatzblatt, das beim zusammengerollten Papyrus ähnlich einem Schutzumschlag um die gesamte Rolle reichte, sowie einen großzügigen oberen und unteren Rand sollten der Papyrus und dessen Inhalt auch bei häufigem Gebrauch geschützt werden. Die (nachträgliche) Anbringung von glossenartigen Kommentaren, durch die einzelne Wörter oder Wortgruppen näher erläutert werden, zeugt davon, dass die Anwendung der beschriebenen Rezepte und Lehrtexte bereits erprobt und für gut begutachtet wurden. Schließlich kann ein bekannter oder rekonstruierbarer Fundzusammenhang auch Aufschluss über den ursprünglichen Verwendungskontext geben. So wurden etwa zusammen mit dem Papyrus Ramesseum IV weitere Objekte gefunden, die zur berufsmäßigen Ausstattung eines praktizierenden „Medizin-Mannes“ gehört haben könnten.