jzr „Tamariske“
jzr: Die Identifizierung mit der Tamariske ist bereits früh erfolgt und weitgehend akzeptiert. H. Brugsch, Hieroglyphisch-demotisches Wörterbuch. Enthaltend in wissenschaftlicher Anordnung die gebräuchlichsten Wörter und Gruppen der heiligen und der Volks-Sprache und Schrift der alten Ägypter. Nebst deren Erklärung in französischer[,] deutscher und arabischer Sprache und Angabe ihrer Verwandtschaft mit den entsprechenden Wörtern des Koptischen und der semitischen Idiome. Bd. I (Leipzig 1867), 125 vergleicht das Wort mit hebräisch אֵשֶׁל, arabisch اثل und koptisch ⲟⲥⲓ, ⲟⲥⲉ, das seinerseits über die koptisch-lateinisch-arabischen Scalae mit lateinisch Tamariscus und arabisch اثل identifiziert wurde (vgl. W.E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1939), 257 mit Verweis auf A. Kircher, Lingua aegyptiaca restituta. Opus tripartitum. Quo linguæ coptæ sive idiomatis illius primæui Ægyptiorum pharaonici, vetustate temporum pæne collapsi, ex abstrusis Arabum monumentis, plena instauratio continetur. Cui adnectitur supplementum earum rerum, quæ in Prodromo copto, & opere hoc tripartito, vel omissa, vel obscurius tradita sunt, noua, & peregrina eruditione contextum, ad instauratæ linguæ usum, speciminis loco declarandum (Romæ 1643), 175), und er gibt als Bedeutung „Tamarix orientalis“ an.Die von Brugsch angebrachte Bezeichnung „Tamarix orientalis“ stammt aus Peter Forsskåls Flora Aegyptiaco-Arabica und ist heute nicht eindeutig angenommen oder abgelehnt (vgl. http://www.theplantlist.org/tpl/record/kew-2520138 und http://www.ipni.org/ipni/idPlantNameSearch.do?id=828183-1, letzter Zugriff 03.06.2019). V. Loret, La flore pharaonique d’après les documents hiéroglyphiques et les spécimens découverts dans les tombes, 2., erweiterte Auflage (Paris 1892), 79, Nr. 132 weist allerdings darauf hin, dass das koptische ⲟⲥⲓ zwar tatsächlich über die Scalae als Tamariske identifiziert sei, dass aber das Kompositum ϣⲉⲛⲟⲥⲓ, also „ⲟⲥⲓ-Baum/-Holz“, mit dem arabischen ﻄﺮفا gleichgesetzt werde, wohingegen das arabische اثل mit dem koptischen ⲡⲓ-ⲛⲁⲙ:„Armor similis tamarisco“ (vgl. zu beidem Kircher, ebd.) gleichgesetzt würde. Da nun ägyptisch jzr und arabisch اثل dasselbe Wort seien, es im Vorkoptischen aber keinen Baum namens nm gäbe, auf den das koptische ⲡⲓ-ⲛⲁⲙ zurückgehen könnte, müsse man annehmen, dass jzr der Oberbegriff für alle Tamarisken sei. Ähnlich allgemein bleiben, ebenfalls unter Berufung auf das Koptische, L. Stern, Glossarium, in: G. Ebers (Hrsg.), Papyros Ebers. Das hermetische Buch über die Arzeneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift. Vol. 2 (Leipzig 1875), 1–63, hier 6b: „tamariscus, arbor hortensis“ und Wb 1, 130.1–5: „Tamariske“. L. Keimer, Die Gartenpflanzen im alten Ägypten. Ägyptologische Studien (Hamburg, Berlin 1924), 55–57 nennt für Ägypten zwei Tamariskenarten, Tamarix articulata Vahl. und Tamarix nilotica Ehrbg., die sich deutlich voneinander unterscheiden würden. Aus diesem Grund zweifelt er ebd. und 155–156 Lorets Ansicht an, die Ägypter hätten beide Arten mit demselben Namen benannt. Explizit Stellung zu der Frage, welche der beiden Arten jzr sei, bezieht er nicht. Wenn er aber die im Papyrus Ebers (konkret Rezept Eb 96, der von ihm ebenfalls genannte pHearst ist zu streichen) genannten pr.t jzr: „Früchte vom jzr-Baum“ mit den auf der Tamarix nilotica entstehenden Galläpfeln gleichsetzt statt mit den eigentlichen Tamariskensamen, tendiert er jedenfalls zu einer Identifizierung von jzr mit der Tamarix nilotica. Für dieselbe Gleichsetzung von jzr mit Tamarix nilotica spricht sich R. Germer, Untersuchung über Arzneimittelpflanzen im Alten Ägypten. Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie der Universität Hamburg (Universität Hamburg 1979), 54 aus, wenn auch mit einem anderen Argument, nämlich dass Blätter der Tamarix articulata sehr unscheinbar seien und daher die einmal als Droge verwendeten ḏrḏ-Blätter eben dafür sprächen, dass jzr die andere Tamariskenart bezeichnet habe. N. Baum, Arbres et arbustes de l’Égypte ancienne. La liste de la tombe thébaine d’Ineni (no. 81), Orientalia Lovaniensia Analecta 31 (Leuven 1988), 202 hält gegen Keimer die äußerlichen Unterschiede beider Tamariskenarten für im Grunde vernachlässigbar und spricht sich wieder dafür aus, dass jzr eine generelle Bezeichnung für alle Tamariskenarten sei. Dem schließen sich R. Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Philippika 21 (Wiesbaden 2008), 35 und T. Pommerening, Bäume, Sträucher und Früchte in altägyptischen Listen – eine Betrachtung zur Kategorisierung und Ordnung, in: S. Deicher – E. Maroko (Hrsg.), Die Liste. Ordnungen von Dingen und Menschen in Ägypten, Ancient Egyptian Design, Contemporary Design History and Anthropology of Design 1 (Berlin 2015), 125–166, hier 136, Anm. 37 an.
Tamariskenholz besitzt nach ägyptischen Vorstellungen eine gewisse apotropäische Funktion, v.a. im Zusammenhang mit Horus in Falken- und anderen Gestalten: In Edfu soll nach dem Ritual zum „Schutz des Hauses“ das Schlafgemach des heiligen Falken von Tamariskenzweigen umgeben werden (D. Jankuhn, Das Buch „Schutz des Hauses“ (sꜣ-pr). Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen (Göttingen 1971), 23–24, R. K. Ritner, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practice, Studies in Ancient Oriental Civilization 54, 4th edition (Chicago 2008), 59–60); im pSalt 825, x+11, 3–4 (alt: VI, 3–4) erscheint ein „Stab des Sees“ aus Tamariskenholz, der als „Horus, der seine Feinde niederwirft“ bezeichnet wird (s. P. Derchain, Le Papyrus Salt 825 (B.M. 10051), rituel pour la conservation de la vie en Égypte, Académie royale de Belgique. Classe des Lettres et des Sciences Morales et Politiques. Mémoires. Collection in-8°, Deuxième série 58 (Bruxelles 1965), 139 und Feder im TLA); und im Buch vom Fayum gibt es eine Darstellung der Göttin Neith mit einem „Bogen aus Tamariskenholz“ in der Hand und mit dem Götterkind Horus (in Gestalt des krokodilköpfigen Sobek) neben sich; dieser Darstellung ist ferner beigeschrieben, dass die Tamariske der Schutz des Sobek und der Neith sei (H. Beinlich, Der Mythos in seiner Landschaft. Das ägyptische „Buch vom Fayum“. Bd. 1. Die hieroglyphischen Texte, Studien zu den Ritualszenen altägyptischer Tempel 11,1 (Dettelbach 2013), 111–113 und H. Beinlich, Der Mythos in seiner Landschaft. Das ägyptische „Buch vom Fayum“. Bd. 2. Die hieratischen Texte, Studien zu den Ritualszenen altägyptischer Tempel 11,2 (Dettelbach 2014), 380, Zeile BF 1136). Für die vorliegende Stelle mag ferner interessant sein, dass Tb 101 nach pKairo CG 51189 (Totenbuch des Juja) laut seiner Nachschrift über einem Leinenamulett gesprochen werden soll, das mit Tusche aus Tamariskenruß und Myrrhe beschrieben und dem Verstorbenen um den Hals gelegt werden soll.
Dr. Lutz Popko