ꜥḏn „Zerstörung/Narbe (?)“

Die Beleglage für dieses Wort ist übersichtlich. Der Begriff ist insgesamt drei Mal in den Oracular Amuletic Decrees belegt (L1, Rto. 30; L6, Vso. 30; T2, Rto. 104), wobei L1 und L6 das Wort mit der Papyrusmatte Aa8 schreiben, so dass Edwards (1960a, 4 [22], 42 [21]) qnj liest und diese Belege nicht zusammen betrachtet; zur Lesung ꜥḏn, s. J. F. Quack, Zur Lesung von Gardiner Sign-List Aa 8, in: Lingua Aegyptia 7, 2000, 219224. Der Beleg in T2 gibt in einer Parallele zu L1 den Lautbestand in Einkonsonantenzeichen wieder, was die Quack’sche Lesung bestätigt, vgl. J. F. Quack, Beiträge zur koptischen Etymologie, in: G. Takács (Hrsg.), Egyptian and Semito-Hamitic (Afro-Asiatic) studies in memoriam W. Vycichl, Studies in Semitic Languages and Linguistics 39 (Leiden 2004), 116–133, hier: 118–119. Des Weiteren ist mit ꜥḏn und ꜥḏn.t ein krankheitsverursachendes Dämonenpaar im pEbers (Eb 48) erwähnt. Edwards (1960a, 66 [61]) übersetzt mit Verweis auf die Stelle im pEbers ꜥḏnw als „demon of sickness (??)“. Die Klassifikation mit der Nase (D20) erscheint hier befremdlich, insbesondere, wenn man an einen Krankheits-Dämon denkt. Vermutlich ist dies mit der lautlichen Ähnlichkeit zu ꜥḏ „riechen, hören, sehen“ (Wb 1, 238.14; P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 188) zu verbinden, wenn nicht eine Vorstellung von krankheitsverursachenden Erregern, die durch Augen, Nase, Ohren oder Mund in den Menschen eindringen, dahinter stehen mag. In den beiden anderen Belegen ist das Wort mit der schlechten Pustel (Aa2) bzw. mit dem schlechten Vogel (G37) klassifiziert, was nicht auf einen Krankheitsverursacher, sondern eher auf eine Deformation oder Schädigung durch einen solchen hinweist. Dies scheint mir auch für die Parallele in T2 am plausibelsten, wobei man dann aufgrund des Klassifikators D20 von einer Schädigung im Gesichtsbereich ausgehen dürfte.

Im Demotischen ist ꜥḏn als Verb „zerstören, verdorren“ (CDD ꜥ (03.1), 163) bekannt, was sich im Koptischen ⲱϫⲛ „aufhören, zerstören“ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 539a;J. Černý, Coptic Etymological dictionary (Cambridge 1976), 233; W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch (Heidelberg 1965–1977), 556; W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 252b) fortsetzt. Im Papyrus Insinger (34/17) ist zudem ein ꜥḏn „Zerstörer“ (vgl. M. Lichtheim, Ancient Egyptian literature. A book of readings. Volume III: The Late Period (Los Angeles 1980), 212) belegt, im Koptischen findet sich mit ⲁϭⲛⲓ „Makel, Fleck“ (W. E. Crum, A Coptic Dictionary (Oxford 1962), 26b; J. Černý, Coptic Etymological dictionary (Cambridge 1976), 19; W. Vycichl, Dictionnaire étymologique de la langue copte (Leuven 1983), 23a) womöglich noch ein Nachklang von demotischem ꜥḏn(.t) „Narbe“ (W. Erichsen, Demotisches Glossar (Kopenhagen 1954), 75), das Spiegelberg in einer Personenbeschreibung in einem Papyrus aus der Sammlung Amherst identifizierte (Demotische Miscellen, in: Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l’archéologie égyptiennes et assyriennes 25, 1903, 6–15, hier: 12). Devaud allerdings (Notes de lexicologie copte, in: Le Muséon 36, 1923, 8399, hier: 89) bezweifelt, dass ⲁϭⲛⲓ auf ꜥḏn zurückgeht, doch wird die Zuweisung von Quack (Beiträge zur koptischen Etymologie, in: G. Takács (Hrsg.), Egyptian and Semito-Hamitic (Afro-Asiatic) studies in memoriam W. Vycichl, Studies in Semitic Languages and Linguistics 39 (Leiden 2004), 116-133, hier: 118–119) wieder aufgenommen und bestätigt.

Dr. Anke Ilona Blöbaum