Papyrus Ramesseum XV

Metadaten

Wissensbereiche
Alternative Namen
Papyrus London BM EA 10768 Papyrus Ramesseum 15 TM 381255
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10768

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde 1896 bei den von der British School of Archaeology in Egypt finanzierten und von W. M. Flinders Petrie und J. E. Quibell durchgeführten Grabungen im Ramesseum gefunden. 1956 wurde er zusammen mit einem größeren Konvolut der Ramesseumspapyri von der British School of Archaeology in Egypt und von A. H. Gardiner, dem die Bearbeitung übertragen worden war, an das British Museum in London gestiftet (ausführlich zur Erwerbungs- und Bearbeitungsgeschichte siehe u.a. Leach 2006, 225–227; Gardiner 1955, 1–6).

Herkunft
Niltal südlich von Assiut bis zum 1. Katarakt » Theben » westliches Ufer » Ramesseum

Der Papyrus wurde von J. E. Quibell im Jahre 1896 innerhalb des Ramesseums am Fuße eines bereits geplünderten Grabschachts gefunden (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3–4, Taf. 1–3; Parkinson 1991, XI–XIII, XXVI–XXVIII; Parkinson 2009, 139–140). Dieser Grabschacht gehört zu einer Nekropole aus der Zeit des Mittleren Reiches bis zum Anfang der 18. Dynastie (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–117, 127; Parkinson 2009, 139–140), die in der 19. Dynastie durch den Totentempel („Millionenjahrhaus“) Ramses’ II. überbaut wurde. Der Schacht, in dem die Papyri gefunden wurden, liegt laut Quibell unter einem der Ziegelmagazine an der Nordwest-Ecke des Ramesseums (Parkinson 2009, 139–140), unter Magazin 5 auf dem Plan von Quibell (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, Taf. 1), nach heutiger Zählung STI.SA.08. Eine exakte Lokalisierung innerhalb dieses Magazins ist bislang nicht gelungen, da der Fundort auf dem Plan von Quibell nicht eindeutig verzeichnet ist und mehrere Schächte in Betracht kommen (eine vergebliche Suche bei Nelson 2006). Laut einer neu entdeckten Notiz von Newberry aus dem Jahr 1938 (Downing – Parkinson 2016), der bei der Auffindung der Papyri zugegen war, befand sich der Schacht im beschrifteten Korridor des Grabes des Sehetepibre (Porter – Moss 1964, 679), der unter den Magazinräumen 5–7 des Ramesseums nach dem Plan von Quibell läuft, nach heutiger Zählung unter STI.TR bis STI.SA.08. Sollte dies zutreffen (Newberry widerspricht dezidiert Quibell [Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3], der den Papyrus-Schacht nicht mit diesem Grab verbindet), kann der Schacht oder sein Inhalt schwer zum ursprünglichen Grab des Sehetepibre gehört haben, denn Letzteres wird früher datiert als das Papyruskonvolut, d.h. der Priester (ḥm-nṯr) Sehetepibre kann nicht der ursprüngliche Eigentümer der Ramesseumspapyri gewesen sein (Downing – Parkinson 2016, 40–41). Eine neue archäologische Untersuchung des Grabes des Sehetepibre wäre erforderlich, um Klarheit zu bekommen.
Der Papyrus befand sich zusammen mit 23 weiteren Papyri und einem Bündel Schilfrohr in einer Holzkiste (Auflistung der Papyri bei Parkinson 2009, 151–153, Tab. 6.1) auf dem Boden des Schachtes. Die Papyri enthalten medizinische, medico-magische und magische Texte, aber auch literarische Texte (z.B. Beredter Bauer und Sinuhe), liturgische Texte (z.B. Dramatischer Ramesseumspapyrus und Sobek-Hymnus) sowie administrative Texte wie die Semna-Dispatches. Heute ist dieses Papyruskonvolut auf das British Museum in London und das Ägyptische Museum und Papyrussammlung in Berlin verteilt. Das Schilfrohrbündel, bei dem es sich um Rohmaterial für Schreiberbinsen handelt, wird im Manchester Museum aufbewahrt (Inv.-Nr. 1882). Der Verbleib des Holzkastens, der mit weißem Stuck überzogen und mit der Zeichnung eines Schakals dekoriert war (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3), ist unbekannt (z.B. Leach 2006, 225, Anm. 2). Hermann 1957, 113, Anm. 1 erwähnt eine Nachricht von Anthony J. Arkell, dem damaligen „honorary curator“ der Petrie Collection, dass dieser Kasten vermutlich mit den anderen Objekten von Flinders Petrie in die Sammlung des University College London liegen könnte: Flinders Petrie hatte im Jahr 1913 seine Sammlung dem University College London verkauft (https://www.ucl.ac.uk/culture/node/21/about, letzter Zugriff: 03.07.2020), und nachdem sie im 2. Weltkrieg ausgelagert worden war, widmete sich Arkell Anfang der 1950er Jahre dem Auspacken, Katalogisieren und Ausstellen der Objekte (s. Smith 1981, 146). Die Sammlung war daher Hermann noch nicht zugänglich (s. Hermann, a.a.O.) und die Verifizierung dieser Vermutung steht noch aus.
Weiterhin wurden verschiedene magische Gegenstände im Schacht gefunden. Ein Überblick der Fundsituation findet sich bei Geisen 2018, 2–7; eine Auflistung der von Quibell genannten Objekte mit ihren modernen Inventarnummern findet sich ferner auch schon bei Parkinson 1991, XII–XIII und Kemp – Merrillees 1980, 166.

Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Mittleres Reich » 11. Dynastie (nach der Reichseinigung) bis: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Zweite Zwischenzeit » 13. Dynastie

Die Datierung des Papyrus basiert zum einen auf der Einordnung des archäologischen Fundkontextes, zum anderen auf text- bzw. konvolutinteren Überlegungen. Die Nekropole, in der das Konvolut gefunden wurde, kann in das Mittlere Reich und die frühe Zweite Zwischenzeit datiert werden (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–116; Parkinson 2009, 71). Über die im Grabschacht gefundenen Objekte ist keine chronologische Eingrenzung möglich, da viele dieser Gegenstände in Bestattungen des späten Mittleren Reiches gut belegt sind, teils sogar bis in die frühe 18. Dynastie fortlaufen (Parkinson 2009, 143–145). Laut Geisen 2018, 7, 10–15 würden Streufunde in der Umgebung sowie die Grabfunde selbst in Kombination mit Informationen aus den Papyri für eine Datierung der Bestattung in die mittlere 13. Dynastie sprechen.
Die Papyri selbst sind unterschiedlichen Alters und erstrecken sich paläographisch (hieratisch) über einen Zeitraum von etwa einem Jahrhundert (Gardiner 1955, 1–2; Parkinson 2009, 149). Einen Terminus post quem für die Zusammenstellung des Konvoluts geben der Papyrus Ramesseum VI (Sobek-Hymnus) mit der Nennung Amenemhets III. (12. Dynastie, ca. 1818–1773 v. Chr.) sowie das Onomastikon auf Papyrus Ramesseum D, das ein mit dem Namen Sesostris’ III. (ca. 1837–1818 v. Chr.) gebildetes Toponym aufweist. Die älteste Gruppe bilden mit R.B. Parkinson die kursiv-hieroglyphischen Texte aus der späten 12. Dynastie, zu denen bspw. Papyrus Ramesseum V gehört (Parkinson 2009, 149). Die jüngsten Texte gehören in die späte 13. Dynastie (bis ca. 1630 v. Chr.), da sie dem mathematischen Papyrus Rhind und dem Papyrus Boulaq 18 paläographisch aufgrund der runden Formen und stärkeren Verwendung von Ligaturen nahestehen; Papyrus Ramesseum XV gehört paläographisch in die mittlere Gruppe (Parkinson 2009, 150, 153).

Textsorte
magischer Spruch
Inhalt

Die Vorderseite enthält die Reste einer Kolumne mit einem magischen Spruch, dessen Inhalt schwer zu erfassen ist. Der Spruch soll verhindern, dass der Sprecher getötet oder allgemein Opfer negativer Handlungen werden soll. Zu diesem Zweck identifiziert sich der Sprecher vielleicht mir Horus, und die angerufene Schutzgottheit könnte evtl. Thot sein – aber beides beruht nur auf den aus anderen Texten bekannten Bezügen der Epitheta(reste) und muss hypothetisch bleiben.
Die Rückseite enthält Reste zweier Kolumnen, die nicht weniger zerstört und inhaltlich unklar sind als die Vorderseite. In der ersten Kolumne werden die „Kinder der Müden“ genannt, bei denen es sich um eine Kategorie von Schlangen handelt. Da zuvor davon die Rede ist, dass „er stirbt“, fragt sich, ob hier konkret ein Schutz gegen Schlangen vorliegt.
Parkinson 2009, 153 vermutet dagegen auf Vorder- und Rückseite „spells to protect the body“.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Fundzusammenhang und die Herkunft aus einem gesicherten archäologischen Kontext erlauben eine detailliertere Betrachtung. Der Papyrus war Bestandteil eines Konvoluts von 24 Papyri und befand sich zusammen mit einem Bündel von 118 Schilfrohren (Schreibbinsen) von je ca. 40 cm Länge in einem Holzkasten. Auf diesem Kasten war das Zeichen eines Schakales zu erkennen, das als Schreibung für den Priestertitel ḥr.j-sštꜣ „Hüter des Geheimnisses“ gelesen werden kann. Es ist daher anzunehmen, dass der Besitzer ein Priester war (Parkinson 2009, 141; Parkinson 1991). Unter den weiteren im Grabschacht gefundenen Objekten befanden sich ein aus einem Kupfergemisch gefertigter Schlangenstab, der mit menschlichen Haaren umwickelt ist (Fitzwilliam Museum, Cambridge, E.63.1896), die Elfenbeinfigur eines Zwerges, der ein Kalb trägt (University of Pennsylvania, Museum of Archaeology and Anthropology, E.13405), sowie diverse magische Objekte im Manchester-Museum (Fayencefigur eines nackten Mädchens (Inv.-Nr. 1787), eine aus Elfenbein gefertigte Klapper (Inv.-Nr. 1796), eine Fayencefigur in Gestalt eines Pavians (Inv.-Nr. 1835) sowie ein Djed-Pfeiler-Amulett (Inv.-Nr. 1838) (Parkinson 2009, 141–145)). Diese Utensilien stellen nach A. H. Gardiner „the professional outfit of a magician and medical practitioner“ (Gardiner 1955, 1) dar. Dazu passt, dass die Mehrheit der Papyri (15 der 24 Papyri) medizinische, medico-magische oder magische Inhalte aufweisen. Der Inhaber war demnach vermutlich ein Arzt und Magier, der auch Priesterfunktionen innehatte, oder umgekehrt ein Priester, der auch als Magier und Arzt agierte (Gnirs 2009, 128–156; Morenz 1996, 144–146; Geisen 2018, 15–29, Meyrat 2019, 196–199).
Das differierende Alter der Papyri und die verschiedenen Arten von Texten (medizinisch/magisch, literarisch, liturgisch, administrativ) lassen vermuten, dass die Papyri über mehrere Generationen gesammelt und vererbt wurden, bis der letzte Eigentümer sie als Grabbeigabe erhielt (Parkinson 2009, 149). Die administrativen Angaben auf dem Verso von Papyrus Ramesseum III und Papyrus Ramesseum IV zeigen, dass eine sekundäre wirtschaftliche Nutzung dieser medizinischen Papyri vorliegt, was wiederum nahelegt, dass die Papyri – zumindest in Teilen – aus verschiedenen Quellen zusammengetragen wurden und die Identifizierung des letzten Inhabers als Arzt daher nicht zwingend notwendig ist.

Material
Organisch » Faser, Pflanzliche und Tierische » Papyrus
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Schriftrolle
Technische Daten

Der Papyrus ist, wie auch die anderen Ramesseumspapyri, aufgrund der Lagerung in der feuchten Umgebung des Grabschachts in einem schlechten und fragmentarischen Zustand (Leach 2006, 227). Von Papyrus Ramesseum XV ist nur ein einziges Fragment mit den Resten einer Kolumne auf der Vorderseite und zweier Kolumnen auf der Rückseite erhalten. Auf beiden Seiten ist der untere Rand erkennbar. Für die Beschriftung der Rückseite wurde der Text über die vertikale Achse gewendet, so dass der Rückseitentext ebenso orientiert ist wie der Text auf der Vorderseite. Parkinson 2009, 153 gibt die Höhe des Fragments mit 12 cm an; er geht davon aus, dass der Papyrus ursprünglich Halbformat hatte und daher etwa 13,5 cm hoch gewesen war. Das würde nach sich ziehen, dass der Text über nahezu die gesamte Kolumnenhöhe erhalten wäre.
Gardiner 1955, 15 schreibt ferner, dass sich in den Glasrahmen 25, 28 und 34 weitere Fragmente von Ramesseumspapyri befänden, von denen einige auch zu Papyrus Ramesseum XV gehören könnten,  „but they yield nothing of importance“. Diese Zuordnung scheint bislang nicht verifiziert worden zu sein: Sein Rahmen 28 ist hier zu sehen und sein Rahmen 34 hier; beide werden als Teil von pRamesseum XVII angesehen. Sein Rahmen 25 muss noch identifiziert werden.

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in waagerechten Zeilen geschrieben (von rechts nach links, wie für Hieratisch üblich).

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Die wenigen Textreste enthalten mittelägyptische Satzkonstruktionen.

Bearbeitungsgeschichte

Die Bearbeitung der Papyri sollte zunächst durch F. Ll. Griffith erfolgen, wurde dann aber an P. Newberry übergeben, der erste konservatorische Maßnahmen durchführte und erste Abschriften anfertigte (Gardiner 1955, 2; Leach 2006, 226). Auf Vermittlung A. H. Gardiners wurde die Restaurierung dann an H. Ibscher (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin) übertragen, der sie restaurierte, ordnete und rahmte. Da P. Newberry kein weiteres Interesse an der philologischen Bearbeitung hatte, gingen die Papyri schließlich in den Privatbesitz von A. H. Gardiner über, den W. M. Flinders Petrie als geeignet für die Veröffentlichung ansah. A. H. Gardiner schreibt dazu: „realizing, that the cost of conservation and publication would be considerable, Petrie himself suggested that if I acquitted myself of both obligations, I could regard the papyri as my own and dispose of them as I thought best“ (Gardiner 1955, 2). Um die aufwendigen Konservierungsmaßnahmen bezahlen zu können, verkaufte A. H. Gardiner 1910 Papyrus Ramesseum D mit dem Onomastikon an das Berliner Ägyptische Museum. Den Papyrus Ramesseum A, der die Geschichte des Beredten Bauern und den Sinuhe enthält, hatte A. H. Gardiner bereits 1906 dem Berliner Ägyptischen Museum überlassen – unter der Bedingung, dass das Museum die Kosten für die Publikation tragen würde (Leach 2006, 226).
Zwischen 1907 und 1937 wurden mehrere der Ramesseumspapyri, darunter auch Papyrus Ramesseum XV, verglast und dazu auf Gelatine und Zellulosenitrat fixiert; im Jahr 1992 wurde festgestellt, dass sich die Gelatine im unteren Bereich des Rahmens verfärbt hatte; und 2003 wurde festgestellt, dass der Papyrus ausgebleicht war (Leach 2006, 233 und 239).
Im Jahr 1955 legte A. H. Gardiner eine Edition der Ramesseumspapyri in Fotografie und tlw. in hieroglyphischer Transliteration vor, wobei allerdings viele der kleineren Fragmente unberücksichtigt blieben. Auch verzichtete er auf eine hieroglyphische Transliteration der Papyri Ramesseum I–V, da diese von J. W. B. Barns bearbeitet wurden (Barns 1956). Gardiners Edition enthält ein Foto von Papyrus Ramesseum XV (S. 15 und Taf. 47).
Eine Gesamtbearbeitung der magischen Ramesseumspapyri, auch von Ramesseum XIV, legte Meyrat 2019, spez. 103–107, 340–343, vor.

Editionen

- Gardiner 1955: A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri (Oxford 1955), 15, Taf. 47.

- Meyrat, 2019: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 103–107, 340–343.

Literatur zu den Metadaten

- Barns 1956: J. W. B. Barns, Five Ramesseum Papyri (Oxford 1956).

- Downing – Parkinson 2016: M. Downing – R. B. Parkinson, The Tomb of the Ramesseum Papyri in the Newberry Papers, The Griffith Institute Oxford, in: British Museum Studies in Ancient Egypt and Sudan 23, 2016, 35–45.

- Geisen 2018: C. Geisen, A Commemoration Ritual for Senwosret I. P. BM EA 10610.1-5/P. Ramesseum B (Ramesseum Dramatic Papyrus), Yale Egyptological Studies 11 (New Haven, CT 2018).

- Gnirs 2009: A. M. Gnirs, Nilpferdstoßzähne und Schlangenstäbe. Zu den magischen Geräten des so genannten Ramesseumsfundes, in: D. Kessler et al. (Hrsg.), Texte – Theben – Tonfragmente. Festschrift für Günter Burkard, Ägypten und Altes Testament 76 (Wiesbaden 2009), 128–156.

- Hermann 1957: A. Hermann, Buchillustrationen auf ägyptischen Bücherkästen, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 15, 1957, 112–119.

- Kemp – Merrillees 1980: B. J. Kemp – R. S. Merrillees, Minoan Pottery in Second Millennium Egypt, Sonderschrift. Deutsches Archäologisches Institut. Abteilung Kairo 7 (Mainz 1980).

- Leach 2006: B. Leach, A Conservation History of the Ramesseum Papyri, in: Journal of Egyptian Archaeology 92, 2006, 225–240.

- Leblanc 2005: C. Leblanc, Recherches et travaux réalisés au Ramesseum durant la mission d’octobre 2004 à janvier 2005, in: Memnonia 16, 2005, 19–45.

- Morenz 1996: L. D. Morenz, Beiträge zur Schriftlichkeitskultur im Mittleren Reich und in der 2. Zwischenzeit, Ägypten und Altes Testament 29 (Wiesbaden 1996).

- Nelson 2006: M. Nelson, La tombe d’une nourrice royale du début de la XVIIIème dynastie découverte au Ramesseum. Concession funéraire STI.Sa05/pu01, in: Memnonia 17, 2006, 115–129.

- Parkinson 1991: R. B. Parkinson, The Tale of the Eloquent Peasant (Oxford 1991).

- Parkinson 2009: R. B. Parkinson, Reading Ancient Egyptian Poetry. Among Other Histories (Chichester, Malden, MA 2009).

- Porter – Moss 1964: B. Porter – R. L. B. Moss, Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings. Vol. I. The Theban Necropolis. Part 2: Royal Tombs and Smaller Cemeteries (Oxford 1964).

- Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898: J. E. Quibell – R. F. E. Paget – A. A. Pirie [Quibell], The Ramesseum / The Tomb of Ptah-Hetep, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2] (London 1898).

- Smith 1981: H. S. Smith, The Reverend Dr Anthony J. Arkell, in: Journal of Egyptian Archaeology 67, 1981, 143–148.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Recto: Schutz- oder Abwehrzauber?

[Rto. X+1, x+1] [---]
Siehe, Horus [---] Furcht [---]. Ich bin der Knabe, der Einzigartige, das Licht(?)1 [---] tot [---], [den/das] ich im/mit [...] Wasser [verletz]te (o.ä.)2, den/das ich um meinetwillen finde, den/das ich (aber?) nicht finde [---]. Leiter der Beiden Länder,3 [Rto. X+1, x+5] du hast mich angeleitet. Leiter der Beiden Länder, ich gebe mir dein [---]. (???)4
Siehe, sollst du (etwa) getötet werden?5 Ich will mir deine Hand geben.6
Siehe, soll ich (etwa) massakriert7 werden? (Aber) wahrlich, mich werden weder Menschen noch Götter, Verklärte oder Untote töten (können). Gegen mich soll nicht irgendwie schlimm und übel gehandelt werden, weil ich Horus bin, der 〈seinen〉 Vater rächt (und) sein Erbe (ist), der seine Hohe (Krone) (oder: seine beiden Hohen (Kronen)) erbt in Anwesenheit aller Menschen und [---]8, der gesamten Oberschicht und Unterschicht, [Rto. X+2] [---]

1 wꜥ.w ḥḏḏ[_]: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 104 vermutet: „[l’uni]que de Hédéd[et]“. Ein solches Kompositum ist bislang im LGG nicht belegt; und vielleicht wäre es auch eher mit indirektem Genitiv gebildet worden. Könnte dagegen eher ein Mitglied der Wortfamilie ḥḏḏ: „leuchten“ vorliegen? Vgl. bspw. die im Amduat genannte Götterbezeichnung Ḥḏḏw.tj, die in griechisch-römischer Zeit auch in der kürzeren Form Ḥḏḏw vorkommt und einmal Horus-Behdeti bezeichnen kann (C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. V. , Orientalia Lovaniensia Analecta 114 (Leuven 2002), 611c–612a). Vor diesem Hintergrund ließen sich die Epitheta dieser Zeile vielleicht mit dem in der vorigen Zeile genannten Horus verbinden.

2 Von dem Verb ist nur noch das Bein mit Messer, Gardiner Sign-list D57 (𓂿) erhalten. Dieses Zeichen dient als Klassifikator für jꜣṯ: „verstümmeln; verstümmelt werden, schmerzen“ (Wb 1, 34.21-22; H. von Deines – W. Westendorf, Wörterbuch der medizinischen Texte. Erste Hälfte (ꜣ-r), Grundriß der Medizin der alten Ägypter VII.1 (Berlin 1961), 20, §1) und nkn: „verletzen, beschädigen“ (Wb 2, 346.8-12); gelegentlich auch für andere Wörter und Wortfamilien (s. die Zeichenliste des Wörterbuches, Zettel D90), dort aber erst in späterer Zeit. Aufgrund des folgenden m mw kommt nur ein intransitives Verb infrage, oder ein transitives in einer syntaktischen Konstruktion, die ohne nachgestelltes direktes Objekt auskommt, wie eine Relativform. Dasselbe Problem liegt in der folgenden Zeile mit gmi̯=j vor, weshalb eine parallele Konstruktion recht nahe liegt.
Aufgrund der Unsicherheiten der Ergänzung ist auch unklar, ob m mw lokal oder instrumental aufzufassen ist. Die größte Wahrscheinlichkeit hat eine lokale Auffassung – falls der Redner Horus ist oder sich mit Horus identifiziert, würde diese Passage an die Episode des Zweikampfes zwischen Horus und Seth im Horusmythos des pChester Beatty I, wo Seth zugunsten des Horus durch Isis verletzt wird, und an den Horusmythos von Edfu, in dem Horus selbst den Seth verletzt, erinnern. Danben bleibt die – wenn auch weitaus unwahrscheinlichere – Möglichkeit, dass m mw das Instrument ist, mit dem jemand geschädigt wird, nämlich durch eine bestimmte Flüssigkeit.
Das nur noch in Ansätzen vorhanden Wort hinter m mw ist vermutlich das letzte der Zeile; dahinter wird keines mehr gestanden haben. Zumindest sind alle nachfolgenden Zeilen kürzer als diese; und auch x+7, wo der Papyrus sogar noch etwas länger erhalten ist als in x+3 und die bis zur Abbruchkante vollgeschrieben ist, scheint vollständig zu sein. Möglicherweise handelt es sich um eine attributive Ergänzung zum „Wasser“.

3 Die Nominalverbindung „Leiter der Beiden Länder“ bzw. der beiden Landesteile, d.h. Leiter Ägyptens, kann, wenn auch nicht sehr häufig, als Epitheton verschiedener Götter verwendet werden (C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. VI. s, Orientalia Lovaniensia Analecta 115 (Leuven 2002), 629c–630a). Mit drei Belegen bezieht es sich am häufigsten auf Thot, einmal, in den Sargtexten, auch auf Horus. Wenn man dieses Epitheton hier noch an den vorherigen Satz hängt, in dem sich der Redner vielleicht mit Horus identifiziert (s. den entsprechenden Kommentar), könnte man in pRamesseum XV einen weiteren Beleg vermuten, in dem sich das Epitheton eben auf Horus bezieht. Andererseits braucht der Satz sšmi̯.n=k wj, streng mittelägyptisch analysiert, eine vordere Erweiterung, weshalb hier eine Deutung von sšm.w tꜣ.wj Vokativ und damit als vorangestelltes Subjekt (Schenkelsche Rang-II-Erweiterung) favorisiert wird. Damit scheidet ein Bezug auf Horus aus, so dass sich fragt, ob hier nicht ebenfalls Thot angerufen wird. Zu Thot als Magier und Arzt sowie als Heiler des Horus s. P. Boylan, Thoth, the Hermes of Egypt. A Study of Some Aspects of Theological Thought in Ancient Egypt (London 1922), 124–135.

4 Satz völlig unklar. Dass jemand sich selbst etwas „gibt“, ist ungewöhnlich und scheint sonst nicht belegt zu sein. Die einfachste Lösung scheint zu sein, das ḏi̯=j zu einem ḏi̯=k zu emendieren: „Du gibst mir dein ...“. In der folgenden Zeile steht aber dieselbe Sentenz – ḏi̯=j n=k ḏr.t=k (m=k tw ḥwtf.tw=j) –, die dann denselben Fehler aufweisen würde. Das lässt einen Textfehler weniger wahrscheinlich erscheinen.

5 Es stellt sich die Frage, wie die dieser Satz sinnvoll in den Kontext einzubetten ist. Die folgende Sentenz ist parallel konstruiert, nur ist dort davon die Rede, dass der Redner selbst getötet werden soll, was sich inhaltlich durchaus mit dem daran Anschließenden verbinden lässt. Hier dagegen ist unklar, wieso plötzlich der Adressat des Redners in Gefahr ist. In der zweiten Sequenz liegt ferner eine Übersetzung als virtueller Fragesatz nahe. Dasselbe müsste dann auch für diese Sequenz der Fall sein.

6 Satz völlig unklar. A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 15 übersetzt imperativisch: „give me thy hand.“ Er markiert aber durch die Kleinschreibung und die Punkte vor dem Satz, dass er ihn als unvollständig ansieht. Außerdem schreibt er vorher explizit, dass seine Übersetzung dieses Papyrus nur „tentavely“ sei. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 104 übernimmt Gardiners imperativische Lesart, macht daraus aber einen vollständigen Hauptsatz: „Donne-moi ta main“. Für Gardiners und Meyrats Übersetzung müsste man von einem seltenen Imperativ von rḏi̯ ausgehen – statt von dessen Ersatzform jmi̯. Zu den Formen des Imperativs von rḏi̯ s. A.H. Gardiner, Egyptian Grammar. Being an Introduction to the Study of Hieroglyphs, 3rd, rev. edition (Oxford 1957 (Repr. 2001)), § 336; die in pRamesseum XV vorliegende (von Meyrat als ḏi̯.t transliteriert) ist jedoch nicht darunter. Es ist verführerisch, die vorliegende Stelle einfach als weitere Variante für diesen Imperativ den bisherigen an die Seite zu stellen, wenn nicht in der vorigen Zeile vermutlich derselbe Satz – ebenfalls gefolgt von einem m=k tw sḏm.tw=f – gestanden hätte und dort die erste Ligatur des Satzes nicht als ḏi̯.t gelesen werden kann.

7 ḥwtf: Während dieses Wort meist als „berauben“ oder „plündern“ verstanden wird, zeigt M. Defossez, Note lexicographique sur le mot ḥwtf 𓎛𓅱 𓏏𓆑𓍢𓂡, in: Revue d’égyptologie 38, 1987, 187–190, hier 187–190, dass in einigen Fällen ein stärker pointiertes „tuer, massacrer“ besser passt. Auch in pRamesseum XV passt eine solche Bedeutung besser.

8 r(m)ṯ(.t) ⸢___⸣ nb.t: Zwischen den Menschen und den rḫ.yt hat – ganz unidiomatisch – noch eine weitere Personengruppe gestanden, die mit den Menschen so eng verbunden war, dass sie sich einen Quantifikator teilen.

Verso: Magische Sprüche gegen Schlangen

[Vso. X+1, x+1]1 [---] andere/r/s [---] sein [___]-Gebäude, kämpfen [---], um zu neigen [---] der/den [---]. Folglich stirbt er.
Er kann (aber?) durch sie nicht sterben in einem anderen Fall,2 [X+1, x+5] [--- (nämlich, wenn dieses und jenes passiert) ---]. [---] meine Finger [wurden(?)] zu den ‚Kindern der Müden‘ 3. Ich legte meinen Arm und meine Finger [---]3 (?)4 [---].

[Vso. X+2, x+1] [---]5 Ich [---] ihre Schwester [---] meine Finger. Der Redner(?) kann nicht [---] ergreifen [---]. [---] Horus.6 Mit [meinem] Bruder (oder: Onkel?) kämpfte ich.7 [---] [Vso. X+2, x+5] mit/in euren Balken (???)8. Zugewendet sind [---] / [---] wendet sich zu [---]9 [---] [---] ich griff nach dem, was seinem Verstande/Herzen nützlich ist (???), wissend [---]10 [---] belastet mich. [---] schlief mit [---] [---] Apophis ist ins Wasser gefallen [---] Ich kann den Kanal11 nicht befahren [---] [nicht(?)] [Vso. X+2, x+10] seinen Namen nennen. Es wird kein Fest12 gefeiert [---] Wasser vom Überschwemmungswasser [trinken] [---]. Gesagt wird [---]13

1 P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 343 fügt unter seiner Zeile x+1 eine Zeile x+2 ein, die bis auf den Rest einer Hornviper zerstört ist. Doch diese gehört ihrer Position nach sicherlich noch zur Zeile x+1, so dass Meyrats Zeile x+2 sozusagen eine „Ghostline“ ist. Die hier verwendete Zeilenzählung weicht daher von Meyrats Zählung ab.

2 n ... ky zp: Der zerstörte Kontext macht es schwierig bis unmöglich, die genaue Nuance der Satzbedeutung zu fassen. Theoretisch wäre es auch denkbar, dass der Satz schon mit n=sn endet und mit ky zp, dann im Sinne von „Ein weiterer Fall: (...)“, eine neue Sinneinheit beginnt. Jedoch ziehen sowohl Gardiner als auch Meyrat das ky zp noch zu diesem Satz und interpretieren es daher als absolut gebrauchte Nominalphrase. Im Satz zuvor wird gesagt, dass „er“ folglich sterbe; im hiesigen Satz heißt es nun, dass „er“ nicht sterben kann. Das ky zp dürfte daher vielleicht auf veränderte Umstände hindeuten, unter denen dann eben kein Tod erfolgt.

3 Die „Kinder der Müden“ ist eine Bezeichnung einer Vierheit von Schlangen, die als Feinde des Sonnengottes erscheinen s. Wb I, 488.3 und C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 422c–423b. In ramessidischer Zeit scheint es sich hierbei um eine Bezeichnung von vier Erscheinungsformen des Apophis zu handeln, die am Anfang der Schöpfung den Sonnengott bedrohen und dem am Ende die vier Horuskinder gegenüberstehen, s. C. Leitz, Tagewählerei. Das Buch ḥꜣt nḥḥ pḥ.wy ḏt und verwandte Texte, Ägyptologische Abhandlungen 55 (Wiesbaden 1994), 99–101. Im späten Papyrus zu den Deltamythen, pBrooklyn 47.218.84, § 10 (Zeile 4.5–6) entstehen sie dagegen aus den vier Fingern des Sonnengottes: wn.jn ḏbꜥ.w n nṯr pn ḫpr r=sn m ms.w Bdš.t m Sḫ.t-snḥm.y n.t(j)t rs.j n Ḥtp.t: „Die Finger dieses Gottes [gemeint ist Re, L.P.] waren nun zu den Kindern der Müden geworden, im Heuschreckenfeld, das südlich von Hetepet liegt.“ (D. Meeks, Mythes et légendes du Delta d’après le papyrus Brooklyn 47.218.84, Mémoires publiés par les membres de l’Institut français d’archéologie orientale 125 (Le Caire 2006), 10). Schon Meeks (a.a.O., 200) vermutet in pRamesseum XV eine frühe Anspielung auf denselben Mythos, zumal in der folgenden Kolumne auch Apophis genannt wird. Aus diesem Grund wird hier vorgeschlagen, ebenfalls das Verb ḫpr zu ergänzen, um auch syntaktisch eine ähnliche Konstruktion zu erhalten, wobei hier keine Festlegung auf eine genaue syntaktische Analyse erfolgen soll – bei einer Deutung als Verbalsatz ist natürlich streng mittelägyptisch gesehen zusätzlich noch eine vordere Erweiterung zu erwarten.
Neben dieser mythologischen Anspielung dient ms.w-Bdš.t anscheinend auch als Bezeichnung einer realweltlichen Kategorie von Schlangen. Laut dem Brooklyner Schlangenpapyrus, § 20 (Zeile 1,22) gehören die sdb-Schlangen zur Kategorie der ms.w-Bdš.t (S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie. Papyrus du Brooklyn Museum No. 47.218.48 et .85, Bibliothèque générale 11 (Le Caire 1989), 14; vgl. auch § 48a, a.a.O., 74); und laut § 80b ist die bṯ.t-Schlange „ohne Ohren“ eine ḥnp.t-Schlange oder ein „Kind“ (d.h. eine Art?) der ms.w-Bdš.t-Schlangen (a.a.O., 108–109). Hinter der sdb-Schlange vermutet er (a.a.O., 151–152) Echis coloratus und in der bṯ.t-Schlange (a.a.O., 163) eine Viperart. Auch hinter ms.w-Bdš.t vermutet er daher eine Viper (a.a.O.). Dagegen hält C. Leitz, Die Schlangennamen in den ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften und der Literatur: Abhandlungen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse 6 (Stuttgart 1997), 40–42 die sdb-Schlange für eine Sandrennnatter, genauer Psammophis schokari und/oder Psammophis sibilans, deren Charakteristika viel besser zu denen der sdb-Schlange passen würden als Saunerons Echis coloratus. Die Sandrennnatter gehört zu den Trugnattern, ebenso Telescopus-Arten, die Leitz, a.a.O., 42–45 als wahrscheinliche Identifizierung der beiden im Schlangenpapyrus erwähnten ḥnp.t-Arten ansieht; demzufolge vermutet er a.a.O., 146 auch in den Namen bṯ.t und ms.w-Bdš.t Trugnattern.
Vor dem Hintergrund dieser beiden Kontexte fragt sich, ob das Verso des Papyrus einen oder mehrere Sprüche gegen Schlangen enthält – die Erwähnung der Finger, die zu den ms.w-Bdš.t „[werden]“(?), könnten ebenso wie die Erwähnung des Apophis und anderer Sentenzen der folgenden Kolumne Anspielungen auf einen mythischen Präzedenzfall bilden, während die Wortfetzen „kämpfen“, „neigen“ u.ä. und auch die Sätze „Folglich stirbt er. Er kann durch sie kein anderes Mal sterben.“ an die Beschreibungen der realweltlichen Schlangen, ihrer Verhaltensweisen und dem Grad ihrer Gefährlichkeit im Brooklyner Schlangenpapyrus erinnern.

4 3: Die elaborierte Form der drei senkrechten Striche spricht vielleicht eher für eine Zahl als die Pluralstriche.

5 Diese Zeile ist von Meyrat nicht berücksichtigt worden, weshalb seine Zeilenzählung eine Zeile weniger aufweist. D.h. Meyrats x+1 ist hier X+2, x+2, usw.

6 A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 15 schlägt vor: „(...) my son Horus“, hat also die Zeichenreste am Zeilenanfang als zꜣ=j interpretiert. Ob er an eine Schreibung [G39:Z1*Z1] dachte?

Da unmittelbar zuvor der Name des Horus erwähnt wird, ist es gut denkbar, dass hier vom Kampf zwischen Horus und Seth die Rede ist. In dem Fall läge kein Bruder-Verhältnis vor, sondern eines von Neffe (Horus) zu Onkel (Seth). Auch dieses Verwandtschaftsverhältnis wird durch sn ausgedrückt, s. D. Franke, Altägyptische Verwandtschaftsbezeichnungen im Mittleren Reich, Hamburger Ägyptologische Studien 3 (Hamburg 1983), 61-70, hier spez. 64 und 66. Welche Übersetzung bei sn dann die bessere wäre – „Neffe“ oder „Onkel“ – hängt natürlich davon ab, wer hier redet; vermutlich ist es Horus, der in magischen Texten häufiger zu Wort kommt als Seth.

8 m sꜣ.w=tn: A.H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955), 15 übersetzt: „in an overland boat(?)“, was sich nur auf diese Stelle beziehen kann. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 105 übersetzt dagegen: „avec vos poutres“. Meyrats Übersetzung von sꜣw als „poutres“ ergibt sich aus seiner Transliteration des Wortendes als Holz-Klassifikator über Pluralstrichen. Gardiner, der an eine Schiffsbezeichnung dachte, dürfte das obere Zeichen dagegen als hieratisches Schiff gelesen haben; das untere hat er jedenfalls nicht als Pluralstriche gelesen, da er singularisch übersetzt. Tatsächlich sieht das obere Zeichen einem hieratischen Schiff wesentlich ähnlicher als einem Ast; andererseits unterscheidet sich die Linienführung etwas von dem Boot, dass in Zeile x+9 das Verb sqdi̯ klassifiziert. An welches Wort für „overland boat“ Gardiner dachte, bleibt jedoch leider unklar. Ob er eine späte Form des sꜣṯ-Bootes dachte – ob unter Annahme einer Lautentwicklung sꜣṯ > sꜣt, einer anschließenden Re-Analyse als Feminium *sꜣ.t und einem Wegfall der vermeintlichen Femininendung: sꜣw? Zumindest ist das die einzige bekannte Bootsbezeichnung mit der Wurzel zꜣ. Jedoch zeigen die wenigen, wenn auch nicht ganz sicheren späten Belege (J.J. Clère, Une statue naophore hathorique d’Époque Saïte, in: Revue d’égyptologie 24, 1972, 46–54, hier 53, Z. D.4 und evtl. P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 795), dass bei dieser Bootsbezeichnung der Dental nicht verschwindet.

9 Übersetzung höchst unsicher. Das Verb ḥzi̯ kommt normalerweise nicht ohne Erweiterungen aus, die aussagen, wer sich wohin bzw. wogegen wendet. Das darauf Folgende liest P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 343 und 105 nn rn jm: „il n’y a pas le nom là [...]“. Angesichts der dann fehlenden Erweiterung von ḥzi̯ sowie des Umstandes, dass man bei rn: „Name“ eine weitere Spezifizierung erwartet, fragt sich, ob das Hieratische nicht anders zu lesen ist, ohne dass aber ein Alternativvorschlag gemacht werden kann.

10 Sinn unklar.

11 mr wird üblicherweise mit dem Kanalzeichen geschrieben; auf Papyri kann das Wort dagegen auch, wie hier, mit der Hacke geschrieben werden: DZA 24.133.010 kennt solche Schreibungen für die 19./20. Dynastie; ein Beleg vom Ende der 18. Dynastie findet sich auch auf pMoskau o.Nr. (The Sporting King), Z. E3,2, R.A. Caminos, Literary Fragments in the Hieratic Script (Oxford 1956), Taf. 15. Üblicherweise wird das Wort als Kanal und/oder Teich bzw. künstlicher See verstanden, was darin begründet liegt, dass er oft „angelegt“ (jri̯) oder „gegraben“ (šdi̯) wird. In manchen Gaulisten erscheint der mr aber als Bezeichnung von bestimmten Abschnitten des jtrw-ꜥꜣ, des Nils, weswegen A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. II (Oxford 1947), 164* vermutet, dass mr „was always a reach of the Nile, never a mere canal“.
Interessant ist ferner die Kombination mit dem Verb sqdi̯, die nicht idiomatisch zu sein scheint. Die Bewegungsrichtung ist daher nicht ganz klar.

12 ḥ(ꜣ)b: Das s direkt an der Abbruchkante lässt zunächst eine Ergänzung zu ḥ(ꜣ)b-s[d]: „Sed-Fest“ verführerisch erscheinen, aber es gibt ansonsten keinen Hinweis, dass man sich in diesem Text in einem königlichen Umfeld bewegt.

13 Der Satzanfang klingt danach, als könnte hier die Nachschrift mit der Rezitationsanweisung vorliegen: „[Dieser Spruch] werde gesprochen [über ...]“. Was dagegen spricht, ist die schwarze Farbe des Textes.