Papyrus Louvre E 4864 Verso
Übersetzung und Kommentar
Papyrus Louvre E 4864 Verso
Die Zeilenzählung bei Étienne (in: Charron/Barbotin, Khâemouaset, 258 [114]) in der ersten Kolumne ab Zeile 5 ist verrutscht. Zeile 6 wurde nicht gezählt, die darauf folgenden Zeilen sind um eine Nummer zu niedrig bezeichnet. In Kolumne 2 wurde zudem der Inhalt der ersten Zeile auf zwei Zeilen verteilt, was dazu führt, dass die Zählung für die zweite Kolumne fünf anstatt der nur erhaltenen vier Zeilen angibt.
[1,1] [… … …] … (?) … .11 [___]⸮bꜣ?: Am Ende der Zeile sind drei Zeichen zu erkennen. Posener (L’enseignement loyaliste, 144) transkribiert: zꜣ-Gans (G39) mit Semogramm-Strich, darunter eine Buchrolle (Y2) sowie den sitzenden Mann mit der Hand am Mund (A2). Das ist gut mit den erkennbaren Spuren zu vereinbaren, bringt allerdings keinen sehr guten Sinn. Der Vogel könnte ebenso gut als Ba-Vogel (G 29) aufgefasst werden. Der sitzende Mann mit der Hand am Mund (A2) könnte als Kurzschreibung für zwr „trinken“ (Wb 3, 428.5–17; MedWb 726–730) gedeutet werden, vgl. MedWb 729–730. Durch den zerstörten Kontext ist letztlich keine sichere Einschätzung möglich.
[… … …] Tot/Toter (?)2.2 mwt: Posener (L’enseignement loyaliste, 144) fasst das letzte Zeichen in dieser Zeile als Klassifikator für Holz (M3) auf. Allerdings ist m.E. das Zeichen paläographisch eindeutiger mit dem Abkürzungsstrich für den gefallenen Feind (Z6) zu identifizieren, was zudem zu der vorausgehenden Gruppe mt inhaltlich gut passt.
P. Dils (Schreiben vom 8.2.2019) weist darauf hin, dass es sich bei dem Zeichen ebenfalls um den schlechten Vogel (G36) handeln könnte, wie ein Vergleich mit dem Zeichen in Z. 2.3 verdeutlicht. Dafür spräche auch, dass das Zeichen Z6 auf der Rückseite des Papyrus deutlich anders (mit dem Querstrich in der Mitte) geschrieben sei. Da mwt „sterben“ bzw. „Tot“ oder „Toter“ gewöhnlich nicht mit diesem Zeichen klassifiziert ist, überlegt er, ob die Reste eines senkrechten Zeichens, die am rechten Rand der Lücke erkennbar sind, mit dem m(ḥ)r-Meißel (U23) zu verbinden sein könnten. Inhaltlich wäre diese Lesung vorzuziehen, doch m.E. sind die Spuren des senkrechten Zeichens eher mit dem Götter-Klassifikator (G7) oder dem ḥ-Docht (V28) zu verbinden, vgl. z.B. Z. 1.5 u. 1.7 (V28). Leider gibt es für die beiden anderen Zeichen (G7, U23) keine Vergleiche im Text. Die andere Schreibung des Zeichens Z6 auf der Rückseite des Papyrus spricht m.E. nicht gegen die Lesung mwt, da es sich laut Posener (L’enseignement loyaliste, 4) zwar um zeitgleiche, aber unterschiedliche Schreiber gehandelt haben dürfte und beide Schreibvarianten zeitgleich belegt sind, s. Möller, Paläographie II, 4 [49].
Fasst man bei einer Lesung mwt die Spuren des senkrechten Zeichens auf dem rechten Rand als Götter-Klassifikator (G7) auf, könnte man zu [nṯr ntr.t] mwt [mwt.t] ergänzen, vgl. Eb 168, 225, 229, 231 u. pHearst 75, H78 u. H83 (Hinweis von P. Dils, Schreiben vom 8.2.2019).
3 ḥs: Die Spuren am rechten Rand der Lücke passen zum ḥ-Docht (V28), so dass hier zu ḥs „Kot, Exkrement“ (Wb 3, 164.4–10; DrogWb 358–363) ergänzt werden kann.
[… … …]: Werde damit verbunden4 bis er gesund ist.4 [wt]: Ergänzung nach Zeile x+5, vgl. Bardinet, Papyrus médicaux, 464; Barbotin, Voix des hiéroglyphes, 47 [13]. Zur Formulierung wt ḥr =s, s. MedWb 227–230, 231 [§1].
Ein Heilmittel (zum) Töten ⟨von …⟩ im Bauch:5 Natron [1,5] [… … … vom] [Sch]wein6, „Haarfrucht“ (eine Art Wacholder?),7 (Tier)fett, (Bienen)wachs: Werde damit verbunden.5 pẖr.t smꜣ ⟨___⟩ m ẖ.t: Das Objekt und damit die Krankheitsursache ist ausgelassen. Bardinet denkt an eine Wurmbehandlung und ergänzt parallel zu Zeile 2,4 „le ver-hefat“ (Papyrus médicaux, 464). Dem folgen Barbotin (Voix des hiéroglyphes, 47) und Étienne (in: Charron/Barbotin, Khâemouaset, 258 [114]). Westendorf (Handbuch Medizin, 408, mit Anm. 657) bezweifelt das, aufgrund der in diesem Rezept erhaltenen Anwendungsanweisung zur einer äußerlichen Behandlung durch Applikation (wt ḥr=s), die für die Behandlung des ḥfꜣ.t-Wurms bisher nicht belegt ist. Er erwägt fnṯ „Wurm, Made“, weil im Papyrus Berlin P 3038 (Bln 19: Brose, Papyrus Berlin P 3038: Übersetzung und Kommentar, Bln 19) Gehirn/Gekröse vom Schwein zur Behandlung eines fnṯ-Wurms appliziert werden soll. Ebenfalls verweist er auf den Vorschlag wḫd.w „Schmerzstoffe“ in: Grundriss IV.2, 235. Zu wḫd.w als krankheitsauslösende Entitäten, s. Kolta/Tessenow, in ZÄS 127 (2000) 38–52.
6 [š]ꜣjw: vgl. Grundriss IV.2, 235. Warum in diesem Text neben den Spruchtiteln und den Zahlenangaben auch einzelne Produkte rubriziert sind, wie an dieser Stelle und auch [⸮ḥmꜣ.t?] ḥmꜣy(,t) in Zeile 1,11 ist unklar.
7 pr.t-šnj: Nach Lüchtrath (in: Edfu: Bericht über drei Surveys, 127–130) vermutlich mit Beeren vom Phönizischem Wacholder (Juniperus phoenicea L.) zu identifizieren, siehe ausführlich Dils, in: BWL-Wortdiskussion.
8 mrḥ.t ḥḏ.t: Der erste Bestandteil ist hier lediglich mit dem W22-Krug und Pluralstrichen geschrieben. Barbotin (Voix des hiéroglyphes, 47 [3]) und Étienne (in: Charron/Barbotin, Khâemouaset, 258 [114]) lesen „bière (?) claire“. Westendorf (Handbuch Medizin, 408) sowie Bardinet (Papyrus médicaux, 464) lesen mrḥ.t ḥḏ.t. Zu mrḥ.t ḥḏ.t „weißes Öl“, vgl. DrogWb 257–258 [III]. Grundriss V, 541 liest über den Pluralstrichen hinter ḥḏ.t irrig W24 (nw-Topf) statt N33 (Kügelchen).
Ein anderes (Heilmittel) zum Abkühlen/Erfrischen der mtw-Gefäße: [… … …] von der Dornakazie. Ein anderes gutes (Heilmittel): schwarze Augenschminke: 1, Honig: 1, Ö[l] [… … …] „Haarfrucht“ (Wacholder?)9, Erbsen (?)10, getrocknete Myrrhe: werde damit verbunden an 4 Tagen.9 pr.t-šnj: Nach Lüchtrath (in: Edfu: Bericht über drei Surveys, 127–130) vermutlich mit Beeren vom Phönizischem Wacholder (Juniperus phoenicea L.) zu identifizieren, siehe ausführlich Dils, in: BWL-Wortdiskussion.
10 tjḥw: Der Vorschlag tjḥw als „Erbse“ (Wb 5, 323.1–4; DrogWb, 559–561) zu identifizieren, wird kontrovers diskutiert, vgl. Popko, in: BWL-Wortdiskussion.
11 r hrw 3: Grundriss der Medizin IV.1, 314 liest „4 (?)“. Unterhalb der Zahlstriche ist der Papyrus zerstört. Die drei Striche sind deutlich zu erkennen und ein vierter Strich wäre neben den anderen und nicht darunter zu erwarten, was eindeutig nicht der Fall ist. Die Angabe von drei Tagen findet sich äußerst selten, nur zwei weitere Belege sind bekannt. In MedWb 569, insb. Anm. 1–2, werden alle Belege als unsicher angesprochen. Während der Beleg im gynäkologischen Papyrus Kahun (UC 32057 VI.I Kol. 2,25; Kah 16: Köhler, in TLA, Version Okt. 2014; Collier/Quirke, Lahun Pap., 61) tatsächlich sehr schlecht erhalten und daher unsicher ist, ist der Beleg im Ramesseumspapyrus IV C18 (Sperveslage, Papyrus Ramesseum IV. Übersetzung und Kommentar, Fragment C, Fall 17) gut erhalten und die drei kurzen Striche eindeutig zu erkennen. Die für diese Stelle in MedWb 569, Anm. 2 vorgeschlagene Alternativlesung mhr.w ist inhaltlich wenig wahrscheinlich.
Ein anderes (Heilmittel): Blätterzweige des šb.t-Baums:12 1, ḫꜣsj.t-Pflanzen13 [… … …] (?), Salz (?)14, Salz des Nordens:15 werde zerrieben mit Honig [… … …] (?) Honig16, Samen/Früchte (oder: [„Haar“]-Frucht?)17 [… … …] werde zerrieben (?); [2,1] werde verbunden [… … …].12 ꜥšm.w šb.t: Zu ꜥẖm.w „Blätterzweige“ (Wb 1, 226.12–13; DrogWb 108–109; Wilson, Ptol. Lexikon, 178) s. Dils, in: BWL-Wortdiskussion. Der folgende Pflanzenname ist mit dem Zeichen M1A klassifiziert, das den Baum mit dem Holz kombiniert. Eine Verbindung zum Persea-Baum (šwꜣb: Wb 4, 435.10–15, DrogWb, 484–485; Germer, Handbuch, 130) ist aufgrund der Orthographie eher unwahrscheinlich. Eine Identifizierung wird erschwert durch eine Reihe homonymer Bezeichnungen (š(b)b(.t)) für Pflanzen bzw. pflanzliche Produkte, die nur schwer zu differenzieren sind. Pflanzenprodukte wie die šb.t-Maische (Wb 4, 437.10–11; DrogWb 486–489) sowie weitere Bezeichnungen, die auf šbi̯ bzw. šbn „mischen“ (Wb 4, 436.4–14 bzw. Wb 4, 440.5–441.3) zurückgehen, werden im Folgenden nicht berücksichtigt.
Der TLA bietet vier Lemmata, die eindeutig als Pflanzenbezeichnungen zu identifizieren sind: šb.t „Gurke“ (Wb 4, 438.2–4; DrogWb 485–486; Germer, Handbuch, 130–131), šb und šbb „Mastix“ (Wb 4, 438.6–7, 440.1–2; Wilson, Ptol. Lexikon, 997; Lüchtrath, in: Edfu: Bericht über drei Surveys, 117 ff.), sowie den Begriff šbb (Wb 4, 439.13; DrogWb 489; Germer, Handbuch, 131) für eine nicht identifizierte Pflanze in medizinischer Verwendung. Grapow (DrogWb 485) und ihm folgend auch Germer (Handbuch, 131) fassen darüber hinaus ꜥšm.w šb.t aus dem vorliegenden Papyrus mit gꜣb.t n.t šb.t im Papyrus Berlin P 3038 (Bln 55) zu einem weiteren Lemma šb.t zusammen. Mit Hinweis auf den Baum-Klassifikator (M1A) trennen sie die beiden Belege von den šb/šbt-Cucurbitaceae, die medizinisch stets mit dem Mineral-Kügelchen (N33) klassifiziert sind. Diese Begründung greift allerdings nicht für den Beleg im Papyrus Berlin P 3038, da dort der Klassifikator nicht erhalten ist. Die Zuordnung dieses Belegs erfolgte aufgrund der angegebenen Verwendung der Blütenblätter (gꜣb.t: „Wir haben die beiden Drogen zusammengestellt, da sie in der Nennung der Blätterzweige und Blätter eine gewisse Ähnlichkeit zeigen.“ DrogWb 485). Für die Etablierung einer weiteren, zusätzlichen Pflanzenbezeichnung šb.t erscheint dieser Befund etwas dünn, zumal auch für die Verwendung von bestimmten Pflanzenteilen der Melone Belege überliefert sind: pr.t „Frucht/Same“ sowie mnww (?), was nicht näher zu bestimmen ist, s. Germer, Handbuch, 130. Und gerade die Verwendung von Blüten würde bei Melonen ebenfalls Sinn ergeben.
Es bleibt somit zu prüfen, ob der hier in diesem Papyrus vorliegende Beleg mit einem der anderen Pflanzennamen zusammengeführt werden könnte. Das als Ingredienz in der Kyphi-Herstellung belegte šb(b), wurde von Lüchtrath mit Mastix identifiziert, s. Lüchtrath, in: Edfu: Bericht über drei Surveys, 117–119. Im Rezept in Edfou II, 211.8 wird šb mit ftt (Wb 1, 581.9–14; MedWb 308; DrogWb 210–211; Dils, in: BWL-Wortdiskussion) gleichgesetzt. Sie verweist u.a. auf Loret (Flore, 97), der darauf hinwies, dass ftt das Harz und šb den Baum der Mastix-Pistazien bezeichne, s. Lüchtrath, in: Edfu: Bericht über drei Surveys, 118. Tatsächlich findet sich in einer Anweisung zur Extraktion von flüssigem Styrax im Laboratorium des Edfu-Tempels zweimal die Bezeichnung šb klassifiziert mit dem Baum (M1): Edfou II, 229.4/9, vgl. Aufrère, in: Univers végétal III, 235–237. Ebenfalls auf diesen Beleg hat sich offenbar Loret bei seiner Angabe gestützt, wie an anderer Stelle deutlich wird, s. Loret, in: JA 10 (1887), 114, Anm. 5. Nun ist allerdings in einer zweiten Variante des Rezepts (Edfou VI, 167.2/6; ITE 3, 292–293) an gleicher Stelle nicht šb sondern šbn belegt, vgl. hierzu Wilson, Ptol. Lexikon, 999 [4], die den Beleg unter šbn aufführt. Ebenso verhält es sich mit einem weiteren Beleg: Im Zweiten Verarbeitungsgang des Kyphi-Rezepts in Philae (Kockelmann/Winter, Philae III, 48a, Z. 12) steht šb mit dem Pflanzenklassifikator (M2), doch in den parallelen Stellen in den beiden Rezeptvarianten in Edfu wird zum einen šbn (Edfou II, 203.9) und zum anderen gꜣywy n(.j) wḥꜣ.t (Edfou II, 211.11–12) aufgeführt. Wilson (Ptol. Lexikon, 999) überlegt auf Grundlage verschiedener Schreibungen, die kein ausgeschriebenes n sondern den nw-Topf aufweisen, ob eventuell mit šbn flüssiges šb vorliegen könnte. Chassinat (Khoiak, 394–395) hingegen verbindet das Wort mit demot. šbn „grain“ (CDD Š, 81–82, mit weiterer Literatur auch zu den koptischen Belegen).
Weitere Belege aus einem Kontext, der eindeutig mit der Verwendung von Aromata verbunden ist, sind nicht bekannt. In den Aromata-Listen im Papyrus Harris sind weder šb noch šbn als Bezeichnungen für Pflanzen belegt. Auch in der Kanopenprozession im Sanktuarraum D3 in Athribis, die vermutlich eine monumentale Ausgestaltung eines Kyphirezepts darstellt (s. Leitz, in: Rickert/Ventker, Altägyptische Enzyklopädien, 512–513), hat sich weder šb noch šbn, erhalten. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass keiner der späten Belege eine Schreibung mit .t aufweist. Allerdings kommt in Eb 852 šb.t klassifiziert mit dem Mineralkügelchen (N33) im Rezept für eine Räuchermischung vor, wo die Verwendung von Melone seltsam anmutet und daher zu überlegen wäre, ob dieser Beleg eventuell anders aufgefasst werden müsste, s. Germer, Handbuch, 130; Popko, Papyrus Ebers, Übersetzung und Kommentar, Eb 852, Anm. 2.
Da es sich bei der Mastix-Pistazie um einen verholzenden Strauch handelt, kommen als Klassifikator sowohl der Baum M1 als auch die Pflanze M2 in Frage. Klassifiziert mit der Pflanze M2 finden sich ebenfalls in den griechisch-römischen Tempelinschriften in weniger spezifischen Zusammenhängen noch drei weitere Belege für šb: Im Mammisi von Edfu (Edfou Mam., 185.3) werden šb- und tḫ-Pflanzen (Wb 5, 325.10–14; Wilson, Ptol. Lexikon, 1149; Westendorf, Handbuch Medizin, 510) nebeneinander genannt. Beide Wörter sind mit der Pflanze M2 klassifiziert und aus dem Kontext geht hervor, dass es sich um duftende Pflanzen handelt. Des Weiteren sind in einer Gauprozession an der Außenwand des Naos in Edfu im Abschnitt zum 11. unterägyptischen Gau (Pharbaitites) in der Übergabe des Fruchtlands šb-Pflanzen zusammen mit sꜣb-Pflanzen belegt, s. Edfou IV, 30.12; Leitz, Soubassementstudien IV.1, 484, IV.2, 135. Beide Wörter sind mit der Pflanze M2 klassifiziert. Die Schreibung von šb bei Wilson (Ptol. Lexikon, 997 [3]) ist etwas missverständlich, da dort fehlerhaft das folgende jm=s, das mit dem Baum M1 geschrieben ist, mit angegeben ist. Leitz vermutet, um den im Kontext als Oberbegriff zu den Pflanzen verwendeten Begriff wḥmw zu erklären, dass es sich eventuell um „wiederholt blühende Blumen“ handeln könnte, s. Leitz, Soubassementstudien IV.1, 484 mit Anm. 13. Die ebenfalls genannten sꜣb-Pflanzen versteht Leitz (Soubassementstudien IV.1, 484 mit Anm. 15) als Ableitung von sꜣb „bunt, gesprenkelt“ (Wb 4, 17.13), wohingegen Wilson (Ptol. Lexikon, 790) an eine Verschreibung von sꜣp.t „Lotusblatt“ (Wb 4, 18.5–7) denkt.
Eine nach DZA 29.992.900 vermeintliche Parallele an der nördlichen Außenwand des Hathortempels in Dendara (Dümichen, Geogr. Inschriften IV, 117) kann eliminiert werden, da sie auf einer von Dümichen (ebd.) vorgelegten Ergänzung beruht. Der Anfang des Textes ist nicht erhalten und mit ihm auch der erste der paarweise genannten Pflanzennamen. Dümichen ergänzt nach Edfou IV, 30.12 šb. Der an zweiter Stelle stehende Pflanzenname ist gut erhalten und eindeutig qꜥ zu lesen (vgl. Cauville, Dendara XII, 194 [XLIII], Taf. 117), was bedeutet, dass der Text eine Parallele der Version in Edfou V, 19.12–13 (nach Leitz: B1) darstellt, die anstelle des Pflanzenpaars šb und sꜣb das Paar qꜥ und ḏꜥ überliefert, s. Leitz, Soubassementstudien IV.1, 484 und 12.
Eine weitere unbekannte Pflanze ist zweimal in medizinischen Texten als Bestandteil in Verbänden belegt: šbb(.t) (DrogWb 489). Die Pflanze ist als Maskulinum (Eb 568) und als Femininum (Bln 128) belegt und in beiden Fällen mit der Pflanze M2 klassifiziert.
Die Beleglage ist recht disparat. Vergleichsmöglichkeiten aus einem ähnlichen Zeithorizont sind rar, das Gros der in Frage kommenden Belege stammt aus ptolemäisch-römischen Tempeltexten. Der jeweilige Kontext für die mit dem Baum (M1) klassifizierten Belege passt zur Mastix-Pistazie, ebenso wie die Verwendung von Blätterzweigen in unserem Text. Ein Gegenargument stellt allerdings die Tatsache dar, dass die Belege, die šb mit Baum oder Pflanzenklassifikator zeigen, niemals eine t-Endung aufweisen. Plausibler erscheint daher eine Zuordnung zu der bisher nicht identifizierten šbb(.t)-Pflanze, die ebenfalls in Verbänden Verwendung findet und mit der Pflanze M2 klassifiziert ist.
13 ḫnsꜣ[y]: Es handelt sich um eine Schreibvariante der ḫꜣsj.t-Pflanze (Wb 3, 234.3–5; DrogWb 391–393; Charpentier, Recueil, 506–507, Nr. 813; Germer, Arzneimittelpflanzen, 288–292; Germer, Handbuch, 98–100). Dawson (in: JEA 20, 1934, 45) identifizierte die Pflanze aufgrund ihrer Anwendung in Rezepten sowie wegen ihrer mit sd bezeichneten Pflanzenteile, die er als Ranken (wrtl. Schwanz) interpretiert, als Zaunrübe Bryonia dioica Jacq. Germer hält diese Identifikation für „nicht haltbar“ (Arzneimittelpflanzen, 291–292) bzw. stuft sie als „sehr unsicher“ ein (Handbuch, 100), u.a. weil diese Varietät in der ägyptischen Flora fehlt und die stark abführende Wirkung der Zaunrübe in Anwendungen der ḫꜣsj.t-Pflanze nicht belegt ist. Grundriss IV.1, 314 und DrogWb, 392 verweisen auf Dawsons Vorschlag, ebenso wie Charpentier (Recueil, 506–507, Nr. 813) und Bardinet (Papyrus médicaux, 465). Sowohl Barbotin (Voix des hiéroglyphes, 47 [13]) als auch Étienne (in: Charron/Barbotin, Khâemouaset, 258 [114]) lassen eine Identifikation offen.
14 [ḥmꜣ.t]: Die bisherigen Bearbeiter haben die erkennbaren Spuren zu Beginn der Zeile zu ḥsmn „Natron“ ergänzt, vgl. Grundriss IV.1, 314; Bardinet, Papyrus médicaux, 465; Barbotin, Voix des hiéroglyphes, 47 [13]; Étienne, in: Charron/Barbotin, Khâemouaset, 258 [114]. Die erhaltenen Spuren am rechten Rand des Papyrus lassen sich zu einem ti-Stößel (U32) ergänzen. Davor ist allerdings gut sichtbar noch ein W22-Krug zu erkennen, der so hoch über der Zeile steht, dass darunter Pluralstriche o.ä. Platz haben. Das kann nicht mehr zur Schreibung dieses Begriffs gehören, sondern muss sich um das Ende einer voranstehenden Droge handeln. Das bedeutet, dass hier eine Kurzschreibung (U32-N33-Z3) vorliegt, die für ḥmꜣ.t „Salz“ (Wb 3, 93.14–94.3; DrogWb 340–344) spezifisch in der Verbindung ḥmꜣ.t mḥ.t „unterägyptisches Salz“ des Öfteren belegt ist (vgl. Eb 646, 670: DrogWb 340 u. 613; pLouvre E 32847 rto 4.18, 6.21, 8.4, 10.1: Bardinet, Médecins et Magiciens, 61, 74, 79, 85), aber eben nicht für „Natron“ (Wb 3, 162.11–163.2; DrogWb 364–369), für das eine ähnliche Kurzschreibung mit einem zusätzlichen n etabliert ist. Zwar ist nur der obere Teil des Stößels erhalten, doch der Duktus und die Länge der Striche machen es unwahrscheinlich, dass unterhalb des Stößels noch ausreichend Platz für eine Wasserlinie sein dürfte, zumal diese Position für das n äußerst ungewöhnlich wäre.
Nun folgt allerdings in unserem Papyrus direkt ḥmꜣ.t mḥ.t in ausführlicher Schreibung. Das bedeutet entweder, dass der Schreiber mit der Kurzschreibung tatsächlich Natron gemeint haben könnte, aber fehlerhaft ein n ausgelassen hat. Oder aber diese Stelle kann als weiterer Hinweis gewertet werden, dass tatsächlich das unterägyptische Salz von „einfachem“ Salz unterschieden werden muss, worauf bereits ein Beleg im Papyrus Ebers (Eb 96) hindeutet, in dem mḥ.t in ḥmꜣ.t mḥ.t nachträglich durchgestrichen worden ist, was nur Sinn ergibt, wenn es sich um unterschiedliche Produkte handelt, s. Popko, Papyrus Ebers: Übersetzung und Kommentar, Eb 96, Anm. 1 sowie Eb 13, Anm. 1.
15 ḥmꜣy(.t)-mḥt.t: Nur der erste Teil des zusammengesetzten Ausdrucks ḥmꜣy(.t) ist rubriziert.
16 [__] bj.t: Am rechten Rand ist noch ein Strich erhalten. Da er mit schwarzer Tusche geschrieben ist, muss es sich um einen Semogramm-Strich handeln. Vermutlich ging entweder eine Produktbezeichnung mit indirektem Genitiv n.w oder eine Handlungsanweisung auf ḥr endend voran. Parallel zur vorhergehenden Zeile wäre eine Ergänzung zu nḏ ḥr denkbar.
17 pr.t: Eine Ergänzung zu pr.t-šnj (vgl. Z. 1,4 u. 1,9) ist zu erwägen.
18 […]w ⸮n(,j)? ⸮hʾ?: Eine w-Schlaufe sowie der W22-Krug über Pluralstrichen sind am Ende der Lücke in roter Tusche geschrieben zu erkennen. Hier liegt also das Ende einer Drogenbezeichnung vor. Der in der Lücke zur Verfügung stehende Platz reicht für einen kurzen Spruchtitel mit ein oder zwei folgenden Drogenbezeichnungen, die ähnlich wie in den Zeilen 1,5 und 1,11 ebenfalls rubriziert waren.
19 hʾ „Hof“ (Wb 2, 470.1–5) kommt auch medizinisch, und zwar in Verbindung mit mkj „Schmutz (?)“ (Wb 2, 162.6; DrogWb 291), jtn „Erdboden, Schmutz, Staub“ (Wb 1, 145; MedWb 109) und ẖnnw „Staub“ (Wb 3, 384.4; DrogWb 415) vor (Popko, Papyrus Ebers, Eb 620, Anm. 1; vgl. DrogWb 328–329). Diese Begriffe sind zumeist mit dem Mineral-Kügelchen (N33) klassifiziert, wohingegen hier bei der vorausgehenden, leider zum großen Teil zerstörten Drogenbezeichung eine Klassifizierung mit dem W22-Krug vorliegt. Auch ist h in den oben genannten Verbindungen stets zusätzlich mit dem Hausgrundriss (O1) klassifiziert, was in unserem Papyrus nicht der Fall ist. Des Weiteren wäre zu überlegen, ob bei einem zusammengehörenden Ausdruck nicht auch der zweite Bestandteil rubriziert zu erwarten wäre. Wenn hier trotz dieser Argumente, die an sich gegen eine Lesung h „Hof“ sprechen, von eben dieser ausgegangen wird, dann deshalb, weil es an einer sinnvollen Alternative mangelt, aber vor allem weil der Semogramm-Strich kaum anders zu erklären ist.
20 s__nw.pl: Mit dieser Gruppe liegt wohl eine weitere Drogenbezeichnung vor. Die beiden Zeichengruppen vor der großen Lücke wurden von Posener (L’enseignement loyaliste, 144) nicht transkribiert. Mit Verweis auf die letzte Zeichengruppe der letzten Zeile in der vorhergehenden Kolumne möchte ich in dem einzeln stehenden kleinen Zeichen einen nw-Topf (W24) erkennen, gefolgt von einer Ligatur von Mineralkügelchen (N33) mit horizontalen Pluralstrichen (Z2). Mit einer bekannten Schreibung kann ich dies nicht zusammenbringen. P. Dils (Schreiben vom 8.2.2019) vermutet in dem einzeln stehenden Zeichen eher ein recht flüchtig geschriebenes ꜣ (G1).
21 [__].pl n.w ḏꜣ⸢r⸣.t: Das Produkt ist bis auf die Pluralstriche nicht erhalten. Westendorf (Handbuch Medizin, 408: „[Wasser (Saft/Extrakt) (?)]) und Bardinet (Papyrus médicaux, 465: „[suc (?)]“) gehen von einer Flüssigkeit wie Saft oder Wasser aus, vgl. DrogWb 590. Zur Identifizierung von ḏꜣr.t mit der Johannisbrotfrucht bzw. dem gesamten Baum, s. Popko, Glossar.
22 tḫw: Die Stelle ist sehr abgerieben und schlecht zu lesen. Grundriss V, 542 gibt keine Lesung an, Posener (L’enseignement loyaliste, 144) schlägt ꜥb „rein sein, reinigen“ (Wb 1, 175.4–10) vor. Grundriss IV.1, 314 und Westendorf (Handbuch Medizin, 408) lesen pr.t-šnj (vgl. Z. 1.9), was allerdings nicht mit den erkennbaren Zeichenresten zu vereinbaren ist. Bardinet (Papyrus médicaux, 465) schlägt „graines pourries“ (pr.t ḫnš) vor und Étienne (in: Charron/Barbotin, Khâemouaset, 258 [114]) übersetzt „graines malodorantes (?)“. Ich erkenne eine runde Form mit einem Strich darunter, den man eventuell als Ligatur für Pluralstriche interpretieren könnte, und möchte daher tḫ.w (Wb 5, 325.10–14; DrogWb 561; Germer, Handbuch 157) vorschlagen, da pr.t tḫ.w im Papyrus Berlin P 3038 (Bln 127 u. 128) zweimal ebenso wie hier als Bestandteil von Verbänden bezeugt ist.
Die Pflanze wird mit kopt. ⲧⲁϣ/ⲧⲉϣ verbunden (Vycichl, Dict. étym., 224). Weder bei Germer (ebd.) noch im DrogWb (ebd.) wird eine Identifizierung angeboten. Pommerening hingegen plädiert sehr überzeugend auf der Grundlage einer Gleichsetzung von τουκού, das sie auf äg. tḫw zurückführt, mit griech. περικλύμενον in der Synonymaliste des Pseudo-Dioskurides für eine Identifizierung von tḫw mit einer Geißblatt-Varietät (Lonicera L. spp), s. Pommerening, in Dils/Popko (Hrsg.), Zwischen Philologie und Lexikographie, 102–103. Die Pflanzen bilden leuchtend rote Beeren aus, die beim Verzehr zu Übelkeit, Durchfall und Erbrechen führen.
23 [ḥmꜣy] mḥy.t: Ergänzung nach Z. 2,4, wo mḥ.t in der gleichen Schreibung vorliegt, s. Bardinet, Papyrus médicaux, 465. Westendorf hingegen (Handbuch Medizin, 408) geht von mḥj: „Lein“ (DrogWb 281; Germer, Handbuch, 79) aus und denkt aufgrund der Klassifizierung mit dem Mineral-Kügelchen N33 und Plural an „Flachskörner (?)“.
24 šd.t: Ein Wort šd.t, das mit dem schlechten Vogel (G37) klassifiziert ist, ist sonst nicht belegt, eine Interpretation ist daher schwierig, vgl. MedWb, 874 zu dieser Stelle: „in unklarem Zusammenhang“. Falls die Hoden des Seth mit einem Zauberspruch zusammenhängen sollten, ist vielleicht šdi̯: „rezitieren“ zu lesen: „Zu rezitieren im Haus [...]“ (?), wobei auch hier der Klassifikator erklärungsbedürftig wäre.
Ein Heilmittel zum Töten eines ḥfꜣ.w-Wurms25 im Bauch: unterägyptisches Salz, Natron, Senf26, [… …] [2,5] [… … …].25 ḥfꜣ.w: Zum ḥfꜣ.t-Wurm, s. Popko, Glossar.
26 ḥmjm.t: Dieser Beleg wird im DrogWb, 345–347 als Graphie von ḥmꜣj.t aufgefasst, doch handelt es sich eher um ölhaltige Samen der ḥmꜣ.w-Pflanze (DrogWb, 348), deren pharmazeutische Wirkung schon länger bekannt ist (Germer, Handbuch, 94–95), und die erst kürzlich als „Senfkörner“ identifiziert werden konnten (Pommerening, in: Fs Fischer, im Druck). Zur Diskussion weiterer Identifizierungsversuche, s. Dils, in: BWL-Wortdiskussion.