Ostrakon DeM 1690
Übersetzung und Kommentar
Ostrakon DeM 1690
[Rto. 1] Bitte, verwende deine Aufmerksamkeit darauf, wirklich (?)1 eine weise Frau zu suchen, und diesen Ba zu (be)fragen, der sich in der Frau manifestiert (wörtl. der in der Frau ist). Denn Su[...?...]2 hat folgendes gesagt: „(Es ist) der Ba der Thoeris, der Herrin des Himmels, der [5] gegen/in Bezug auf (?) sie handelt durch/wegen sein/es Gesicht/s.“3
1 wirklich (tjw): Vgl. Gardiner, in: ZÄS 43, 1906, 42 [7], vgl. GEG § 258.
2 Su[...?...]: Lesung als Personenname nach Fischer-Elfert, in BiOr 50, 1993, 126. Karl (in SAK 28, 2000, 134–135) liest sw, geht von einem Personennamen aus, der komplett verloren ist und ergänzt nach dem Namen noch jr pꜣ. Es ist aber nach der sw-Binse (M 23) ausreichend Platz für maximal zwei Schriftquadrate. Das reicht für kaum mehr als einen Personennamen, der mit Sw[...] beginnt. Entsprechende Namen sind vielfältig, s. Ranke PN I, 212.27–213.4 u. 301.23–303.1. Eine nähere Eingrenzung ist nicht möglich. Gasse (Catalogue 4.1) liest in der letzten Zeile auf dem Verso, in der der Name vermutlich nochmals erwähnt ist, Swn, doch sind die Zeichen sehr verblasst und nicht eindeutig zu identifizieren. Ein entsprechender Name ist jedenfalls nicht belegt.
3 Die Aussage ist nicht gerade verständlich, da wir nicht nachvollziehen können, auf wen sich die Personalpronomen beziehen. Gleichwohl ist die Rekonstruktion von n.tj am Ende von Zeile 4 eine gute Möglichkeit, einen Sinnzusammenhang herzustellen. Der Satz in Zeile 5 benötigt eine Einleitung. Der Platz am Ende von Zeile 4 ist aber mehr als begrenzt. Schaut man sich die Rückseite genauer an, fällt auf, dass an dieser Stelle nur wenig vom Ostrakon abgebrochen sein kann. Erhalten hat sich am Ende der Zeile 4 der vordere Teil des nb-Korbs (V30) und derjenige des darunter geschriebenen Himmelszeichens (N1). Beide Zeichen kann man im Duktus des Schreibers gut vervollständigen. Da es sich um ein Epitheton der Göttin Thoeris handelt, dürfte man auch noch einen Klassifikator (Kobra I12 o.ä. bzw. Falke auf der Standarte G7) erwarten. Damit bleibt aber nur Raum in der Größe eines Quadrats für eine Ergänzung. Daher schließe ich mich dem Vorschlag von Fischer-Elfert (in: BiOr 50, 1993, 126) an, der n.tj ḥr vorschlägt und möchte annehmen, dass die Präposition ḥr im Präsens I in diesem Zusammenhang mit größter Wahrscheinlichkeit ungeschrieben geblieben sein dürfte. Raum für jw=f (ḥr) (s. Karl, in: SAK 28, 2000, 134) erkenne ich an dieser Stelle eher nicht.
Des Weiteren: [Du sollst]4 ⸢also⸣ zu der weisen Frau gehen wegen [ihm (?) (=dem Ba)] in [ihren (?)] beiden eigenen Augen5. (Und) du sollst6 [Vso. 1] ihn (den Ba) für mich konsultieren b[ei ihr] (der weisen Frau), und zu ihr sagen: Weswegen handelt der Ba? Du sollst nicht nachlassen, in Bezug auf jedes Körperteil um Rat zu fragen. Es (der Auftrag) ist (noch) nicht zufriedenstellend erledigt wie [Vso. 5] das Befragen von Sw[...] (?).
4 [Du sollst] ([⸮mtw?]=[⸮k?]): Auch im Übergang von Zeile 5 zu Zeile 6 ergibt sich das Problem des Anschlusses. Fischer-Elfert (in: BiOr 50, 1993, 126) ergänzt daher zu Beginn von Zeile 6 mtw=k. Wenn man sich allerdings auf den Fotos den Verlauf der Kante an dieser Stelle des Ostrakons auf der Rückseite anschaut, wird deutlich, dass an dieser Stelle nur kleine Bruchteile der Kante abgesplittert sein können. Die Ergänzung eines ganzen Quadrats zu Beginn der Zeile halte ich aufgrund des Kantenverlaufs und der Beschriftung auf der Rückseite für ausgeschlossen. Dies sind Überlegungen auf der Basis des Studiums der Fotos, eine Autopsie am Original muss letztendlich Klarheit bringen. Bis dahin gehe ich davon aus, dass die rechte Seite des Rectos vollständig sein dürfte und auf der linken Seite nicht mehr als ein Schriftquadrat abgebrochen sein kann. Letztendlich ist dann die Ergänzung von mtw=k die einzig sinnvolle Variante. Doch würde ich erwägen, die Gruppe am Ende von Zeile 5 anzusetzen. Karl (in: SAK 28, 2000, 134) ergänzt [jr] (6) [jw=k ḥr], was ich aufgrund der oben angeführten Argumente ausschließen möchte.
5 wegen [ihm (?) (=dem Ba)] in [ihren (?)] beiden eigenen Augen (⸮ḥr?=[⸮f?] m jr.(w)j r-⸢ḥꜥ.w⸣=[⸮s?]): Auch im Übergang von Zeile 6 zu Zeile 7 ergibt sich das Problem des Anschlusses. Denkbar ist, dass sich der Ba in den Augen der weisen Frau manifestiert. Daher ergänzen Fischer-Elfert (in: BiOr 50, 1993, 126) sowie Karl (in: SAK 28, 2000, 134–135) [pꜣ] (7) [bꜣ.w n.tj]. Wie bereits in Bezug auf den Übergang von Zeile 5 und 6 ausgeführt, gehe ich davon aus, dass auf der rechten Seite des Verso keine größeren Teile des Ostrakons abgebrochen sein können. Daher bleibt als Raum für Ergänzungen lediglich das Ende von Zeile 6 mit maximal einem Quadrat. Da im folgenden Text der Ba durch das Suffixpronomen =f angesprochen ist und die weise Frau entsprechend durch =s, möchte ich annehmen, dass dies in diesem Satz ebenso sein könnte, und ergänze unter Vorbehalt am Ende von Zeile 6 ein Suffixpronomen 3. Person Singular Maskulinum zu ḥr=f und am Ende von Zeile 7 ein entsprechendes Suffixpronomen Femininum.
6 du sollst (mtw=k): Alle bisherigen Übersetzungen des Ostrakons (Mathieu, in: BIFAO 93, 1993, 335–336; Fischer-Elfert, in: BiOr 50, 1993, 126; Karl, in: SAK 28, 2000, 134–135) basieren auf dem von Gasse (Catalogue 4.1) publizierten Material. In der Datenbank des IFAO (Zugriff 18.02.25) sind aber auch noch ältere SW-Fotos (Recto: NB_1977_00012; Verso: NB_1977_00013) zugänglich. Diese zeigen, dass auf dem Recto ursprünglich acht und nicht sieben Zeilen gestanden haben. In dieser letzten Zeile ist mtw=k geschrieben, so dass der Text vom Verso ohne weitere Ergänzungen anschließt. Diese Fotos wurden entsprechend ihrer Bezeichnung im Jahr 1977 gemacht. Irgendwann in der Zeit nach 1977 und bevor 2012 die Farbfotos (Recto: NU_2012_ 17399; Verso: NU_2012_17400) für die Publikation gemacht worden sind, ist die untere Ecke des Ostrakons abgebrochen, offenbar ohne dass dies dokumentiert wurde/werden konnte. Der Schreiber hat den Kalkstein vertikal gedreht, um das Verso zu beschriften. Auf dem Verso beginnt die erste Zeile weit unterhalb der Kante, so dass es dort durch die Beschädigung keinen Textverlust gegeben hat. Dies ist auf dem Bild NU_2012_17400 gut zu erkennen.
