Ostrakon DeM 1642
Übersetzung und Kommentar
Fragment I
= Schutztext pChester Beatty IX vso B.14.7–14.9; B.16.1
[1] [Möge Dich] ⸢Horus⸣ aus (?) dem Westen1 [reinigen], möge Dich Ne[mti] [...] reinigen2.3 [...] Re.4 Möge Dich Thot im Himmel (?)5 [...] reinigen, [möge Dich Thot, der Vorsteher von (?), schützen].6 [...].7 Möge Dich Chons von Theben [rei]nigen, [möge Dich Schu, der Sohn des Geb beschützen].8 [...] [Name eines Gottes].9 [...].
1 ⸢Horus⸣ aus (?) dem Westen (⸢Ḥr.w⸣ jr jmn.tt): Die Parallele schreibt nb jmn.tt (pChester Beatty IX, vso B.14.7: swꜥb tw Ḥr.w nb jmn.tt ḫwi̯ tw Nmt.j nb ꜣ⸮t?f.t (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNykk8a7Z60WZq1YdtFmGlG0); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 111; Bd.2, pl. 60). Das jr an dieser Stelle ist problematisch. Ein Epitheton jr.j jmn.tt „Zugehöriger zum Westen“ ist nicht belegt, wobei die defektive Schreibung zwar selten, aber gelegentlich in anderen Epitheta vorkommt (z.B. pKairo CG 24095, Tb 149 347: jr.j nʾ.t „Hüter der Siedlung“, Backes, in: TLA, Satz-ID IBUBd1xjsPn5Ek5ugR1wAguO36U). Als Präposition aufgefasst, ergibt sich für jr im lokalen Gebrauch eher der Ausdruck einer Bewegung „hin zu“, was nicht sehr viel Sinn ergibt. Ausgehend von einem idiomatischen Gebrauch der Präposition, könnte man an „von“ denken, was ich hier als Lösung präferiere, wenn auch eher aus Verzweiflung in Ermangelung einer besseren Idee. Meiner Meinung nach liegt hier ein Fehler oder eine Verschreibung vor.
2 reinigen (swꜥb): In der Parallele ist im zweiten Teil des Satzes regelmäßig das Verb ḫwi̯ „schützen“ (Wb 3, 244.10–245.22; Lemma-ID 115110) geschrieben, s. Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 111-113; Bd. 2, pl. 60; Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNykk8a7Z60WZq1YdtFmGlG0; Quack, in: Rösch/Simon, How Purity is Made, 109.
3 Parallele: vgl. pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.14.7: swꜥb tw Ḥr.w nb jmn.tt ḫwi̯ tw Nmt.j nb ꜣ⸮t?f.t (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNykk8a7Z60WZq1YdtFmGlG0); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 111; Bd. 2, pl. 60. Auf der linken Bruchkante sind noch Reste eines hohen, schmalen Zeichens zu sehen, die Posener (Catalogue III.3, pl. 67) als Finger (D50) über t (X1) interpretiert; hier ist wohl der Gott Nemti genannt. Direkt davor ist etwas Platz gelassen. Es ist auf den zur Verfügung stehenden Fotos (Zugriff 23.02.25) nicht gut zu erkennen, aber es scheint, dass an dieser Stelle die Oberfläche der Scherbe angegriffen ist, und somit für eine Beschriftung eher ungeeignet. Andererseits ist auf Fragment II in Höhe der Zeile x+6 ein großes Stück aus der Oberfläche der Scherbe ausgebrochen und der Schreiber hat in den Bruch hineingeschrieben. Es ist also unklar, ob der Platz dort intentionell frei gelassen worden ist oder nicht. Textverlust: Die Reste des erhaltenen Textes zeigen deutlich, dass diese Scherbe bzw. das Gefäß ursprünglich mit dem Exzerpt eines Reinigungs- und Schutzrituals, das wir aus pChester Beatty IX (pBM EA 10689, vso B.1–18) kennen, beschrieben war. Die hier erhaltene erste Zeile war sicherlich auch der Beginn der Aufschrift, da man oberhalb der Zeile gut den Ansatz des Gefäßhalses erkennen kann. Nach der Parallele fehlen zu Beginn vermutlich nur ca. drei Quadrate, in denen der Beginn des Satzes (swꜥb tw) zu ergänzen ist. Vom nächsten Satz ist lediglich ein Teil des letzten Götternamens in der zweiten Zeile des Ostrakons erhalten. Entsprechend der Parallele ist auf der linken Seite mit dem Verlust von 14 bis 15 Quadraten zu rechnen.
4 Parallele: vgl. pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.14.8: swꜥb tw Bꜣ-nb-Ḏd.t ḫwi̯ tw bꜣ n.j Rꜥw (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNWHnxYGOEEdSloX5i7IclvU); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 111; Bd. 2, pl. 60. Es handelt sich im Paralleltext um den Folgesatz zum vorhergehenden. Und auch der hierauf folgende Satz entspricht dem Paralleltext. Die erhaltenen Zeichen passen ebenfalls.
5 Thot im Himmel (?) (Ḏḥw.tj m ⸮p.t?): Im Paralleltext ist Ḏḥw.tj m pr-mḏꜣ.t „Thot im Bücherhaus“ genannt. Da p.t am linken Rand der Scherbe steht und der Rest des Satzes nicht erhalten ist, kann man schwer einschätzen, ob hier eine Verschreibung, ein Fehler oder eine andere Version vorliegt. In einem der ersten Sätze (Nr. 3) der Litanei ist im vorderen Satzabschnitt einmal Rꜥw m p.t genannt. Möglicherweise ist der Schreiber des hier vorliegenden Textes durcheinandergekommen. Es mag auch sein, dass die Götterbezeichnungen in der Litanei nicht festgelegt waren, sodass mit Varianten zu rechnen sein dürfte.
6 Parallele: vgl. pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.14.8–9: swꜥb tw Ḏḥw.tj m pr-mḏꜣ.t ḫwi̯ tw Ḏḥw.tj ⸮ḥr.j? 〈...〉 (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDN1SzRXQG6UqlrxQ5LeO6PEA); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 111; Bd. 2, pl. 60.
7 Textverlust: Der erhaltene Text in Zeile 3 zeigt einen Satzanfang. Wenn man den vorhergehenden Satz in Zeile 2 nach der Parallele ergänzt, bleiben mindestens 10 Quadrate für einen kurzen Satz, der vollständig verloren ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt, um welchen Satz aus der Parallele es sich handeln könnte, da der Schreiber mit dem neuen Satz in Zeile 3 im Paralleltext 16 Sätze weiter springt. Möglich ist auch, dass die Reihenfolge der Götterpaare nicht festgelegt war, sodass dem Schreiber womöglich eine andere Version vorlag. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Schreiber den Text aus dem Gedächtnis notiert hat und so zu einer anderen Reihenfolge gekommen ist.
8 Parallele: vgl. pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.16.1: swꜥb tw Ḫns.w-m-Wꜣs.t ḫwi̯ tw Šw zꜣ-Rꜥw (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNz9c0wPyDUx7tWS0Mtn450I); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 112; Bd. 2, pl. 60–61. Mit diesem Satz ist der Schreiber nach der Textparallele 16 Sätze weiter nach vorn gesprungen.
9 Textverlust: In der Zeile 4, der letzten erhaltenen Zeile von Fragment I, ist zu Beginn recht deutlich der Götterklassifikator G7 zu erkennen. Wenige, nicht eindeutig zu identifizierende Zeichenreste geben keinen weiteren Anhaltspunkt auf den verlorenen Text. Fragment II beginnt mit einem Satzbeginn, der im ersten Element eine Form des Gottes Horus angibt. Es ist verführerisch, anzunehmen, dass Fragment II eventuell direkt an Fragment I anschließen könnte, so dass der erhaltene Götterklassifikator in Frgm. I, Zeile 4 möglicherweise zu der Schreibung des Gottes Horus in Frgm. II, Zeile x+4 gehören könnte. Auch die von Posener in der Transliteration (Catalogue III.3, pl. 67) verwendete Zeilenzählung (1 bis 4 auf Frgm. I und x+4 für die erste erhaltene Zeile auf Fragment II) deutet in diese Richtung. Einer genaueren Überprüfung hält diese Idee allerdings nicht stand. Es ist davon auszugehen, dass die zweite Scherbe aus einem Bereich weiter unten im Text stammt. Sehr plausibel in Bezug auf ein mögliches Bruchmuster ist beispielsweise die Anordnung der Faksimiles von Posener (Catalogue III.3, pl. 67a). Bei dieser Anordnung ergibt sich, dass zwischen den Scherben eine Zeile gänzlich verloren ist. Ausgehend von dem verbleibenden Platz in der Zeile 3 von Fragment I, gehe ich davon aus, dass hier vermutlich das Ende des ersten Teils eines Satzes oder aber das Satzende im Falle eines sehr kurzen Satzes erhalten ist.
Fragment II
= Schutztext pChester Beatty IX vso B.15.1–4
[x+4] Möge Dich Hor[siese (?)] [rei]nigen, [möge Dich Horus, der Herr von Letopolis beschützen (?)].1 [...] [Name eines Gottes].2 [x+5] Möge Dich der Südliche Himmel reinigen, möge [Dich] der [ḥr.t (?)]-Himmel schützen.3 [Möge Dich Horus-Behedeti reinigen, möge] Dich Harendotes [schützen].4 Möge Dich Ptah, der Herr der Maat, reinigen, möge [Dich der Vorsteher des Tjenenet-Heiligtums (in Memphis)] schützen.5 Möge Dich Horus-Chenticheti [rei]nigen, möge [Dich] [Re bei seinem Aufgang] schützen.6 [...].7
1 Parallele: Der Satzbeginn mit Nennung des Gottes Horus ist nicht sehr aussagekräftig. Allerdings gibt es insgesamt im Paralleltext vier Sätze, die in der ersten Position eine Form des Horus nennen. Einer (B.14.7: Horus, der Herr des Westens), ist bereits auf dem Fragment I genannt. Zwei weitere Sätze sind im Folgenden auf dem Fragment II in den Zeilen x+6–7 genannt. Das bedeutet, dass nach dem Paralleltext nur noch ein Satz übrig ist, in dem Formen des Gottes Horus genannt sind. Es handelt sich um pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.14.5–6: swꜥb tw Ḥr.w-zꜣ-Ꜣs.t ḫwi̯ tw Ḥr.w nb-Sḫm (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNw3UMmQmLkpfun2OFoMBq7s); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 111; Bd. 2, pl. 60. Mit diesem Satz wäre dann der Schreiber im Paralleltext wieder zurückgesprungen, und zwar noch vor den Satz, den er als Beginn seines Exzerpts ausgewählt hatte.
2 Textverlust: Ausgehend von der rekonstruierten Länge der einzelnen Zeilen ist ein weiterer Satz vollständig bis auf den Götterklassifikator G7 am Ende des Satzes verloren.
3 Parallele: Dieser Satz ist schwierig einzuordnen. Den Südlichen Himmel als Bezeichnung der Nut kennen wir vom Sarg der Asetemachbit (CG 61031: LGG III, 7a). Im Paralleltext kommt diese Bezeichnung jedoch nicht vor. Allerdings ist es durch die nachfolgenden Sätze in den Zeilen x+6–7, die eindeutig zu identifizieren sind und auch im Paralleltext aufeinanderfolgen, möglich, die Position im Paralleltext zu bestimmen. Interessanterweise ist genau dieser Satz in der Parallele nicht eindeutig bzw. etwas verderbt. Es handelt sich um den Satz pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.14.9–15.1: swꜥb tw rs.j mḥ.tj (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDN6Qu2sWq00PDpZCAYuLNhEQ); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 112; Bd. 2, pl. 60–61. Gemeinsam ist immerhin die Komponente rs.jt. Möglicherweise kannte der Schreiber des Ostrakons eine Version, in der dieser Satz vollständig erhalten war. Oder aber er hat versucht, den korrupten Satz durch etwas für ihn Sinnvolles zu ersetzen. Die Zeichenreste nach ḫwi̯ wurden von Posener (Catalogue III.3, pl. 67a u. 67) im Faksimile dargestellt, aber nicht transliteriert. Die erhaltenen Zeichenspuren passen zu einem schlagenden Mann (A24; ich danke Johannes Jüngling für diesen Hinweis), was inhaltlich gut zu ḫwi̯ passen würde. Das enklitische Pronomen wäre dann in der Lücke zu erwarten. Somit bliebe nur ein Quadrat für die zweite Götterbezeichnung. Das Himmelszeichen als Klassifikator am Ende der Phrase deutet darauf hin, dass auch der zweite Teil des Satzes eine Bezeichnung für den Himmel bzw. Nut enthalten haben könnte. Eine plausible Lösung wäre es, einfach ḥr.t „Himmel“ (Wb 3, 144.8–17; Lemma-ID 107670) zu ergänzen. Posener (Catalogue III.3, pl. 67a u. 67) gibt das letzte Zeichen vor dem Klassifikator als ḥ-Schlaufe (V28) an. Im Foto ist dies aber nicht so deutlich, wie in seinem Faksimile. Es könnte sich auch lediglich um einen Strich (Z1) handeln. Im Quadrat vorher wäre dann eine Schreibung für ḥr.t zu ergänzen, möglicherweise ḥr (D2) über t (X1), was mit den winzigen Resten auf der Kante korrespondieren würde. Schreibungen, in denen ḥr.t Himmel mit einem Semogrammstrich geschrieben werden, sind zwar selten, aber belegt, z.B. auf dem oGardiner 28, Recto 8 aus der 19. Dynastie (Popko, in TLA, Satz-ID IBUBdWiSBNJW8kXbn1mMSWR7dV4) und im pLeiden I 348, vs. 2.2 (Stegbauer, in: TLA, Satz-ID IBUBd5j16fzj50vfhzjSP0RQYaw).
4 Parallele: pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.15.1: swꜥb tw Ḥr.w-Bḥd.tj ḫwi̯ tw Ḥr.w-nḏ-〈〈ḥr〉〉-jt.ṱ=〈f〉 (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDN7nE4R65sEoWnQsgt4PQ2yI); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 112; Bd.2, pl. 60–61. Die rekonstruierte Länge der ursprünglichen Zeilen lässt in der Zeile x+5 genügend Platz für den Beginn des Satzes. Im Paralleltext ist oberhalb von jtj ein ḥr (D2-Z1) über der Zeile ergänzt, vermutlich da nḏ dort mit dem Mann mit der Hand am Mund (A2) klassifiziert wurde und der Schreiber womöglich nḏ ḥr im Sinn hatte. Interessanterweise zeigt auch unserer Ostrakontext die Schreibung von nḏ mit dem Mann mit der Hand am Mund (A2) und oberhalb von jtj ist ebenfalls ein zusätzliches Zeichen oberhalb der Zeile eingefügt. Genau an dieser Stelle ist aber die Oberfläche tief ausgebrochen und das Zeichen in den Bruch geschrieben, sodass es sehr schwer eindeutig zu identifizieren ist. Posener (Catalogue III.3, pl. 67–67a) gibt etwas Ähnliches wie einen Hausgrundriß (O1) an, der inhaltlich in der Götterbezeichnung allerdings keinen Sinn macht.
5 Parallele: vgl. pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.15.2: swꜥb tw Ptḥ nb-mꜣꜥ.t ḫwi̯ tw Ḫnt.j-tʾ-nn (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDN3fGakS2P03wt2OIgwrkeaw); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 112; Bd. 2, pl. 60–61.
6 Parallele: pChester Beatty IX (pBM EA 10689), vso B.15.3–4: swꜥb tw Ḥr.w-ḫnt.j-ẖt.y ḫwi̯ tw Rꜥw m wbn=f (Dils, in: TLA, Satz-ID IBgDNxUySTsQm0tRuWHWElm072M); Gardiner, HPBM 3, Bd. 1, 112; Bd. 2, pl. 60–61.
7 Textverlust: Es ist unklar, ob es noch mehr Text auf der Scherbe/dem Gefäß gegeben hat.
