Ostrakon Deir el-Medineh 1681
Metadaten
Inventarnummer: oIFAO 2831
Das Ostrakon stammt aus den Grabungen von Bernard Bruyère in Deir el-Medineha von 1949. Die während der jahrelangen Grabungen von Bruyère gefundenen Ostraka wurden zu Studiumszwecken nach Kairo ins IFAO transportiert, wo sie sich heute noch befinden. Infolge der Suezkrise von 1956 wurde das IFAO unter Sequester gestellt. Die Räume mit den Ostraka wurden von den ägyptischen Behörden versiegelt und in den Jahren 1968–1970 durch die ägyptische Altertümerbehörde inventarisiert (Sauneron, in: Černý 1970, vi; Gasse 1990, ix mit Anm. 9). Unser Ostrakon bekam die Sequester-Nummer 919. Nachdem die Sammlung im Jahr 1970 wieder zugänglich geworden war, fing Georges Posener zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einer neuen Inventarisierung der ihn interessierenden literarischen Ostraka an, die er bis Nr. 2780 durchführte. Sie wurde von Annie Gasse fortgesetzt, die diesem Ostrakon die Inventarnummer 2831 gab (Gasse 1990, x).
Das Ostrakon trägt eine Markierung, die sowohl den Fundort als auch das Funddatum angibt: „27.2.49 GP“. Die Zahl steht für das Datum, d.h. den 27. Februar 1949. „GP“ steht für den „Grand Puits“ in Deir el-Medineh. Dieser große Brunnen wurde von B. Bruyère im Auftrage des Institut Français d’Archéologie Orientale (IFAO) untersucht (Gasse 1990, ix und 4) und lieferte mehr als 5000 Ostraka, die während zwei Grabungskampagnen im März/April 1949 und im Frühjahr 1950 gefunden wurden (Bruyère 1953, 17, 60).
A. Gasse datiert aufgrund der Paläographie und des Fehlens weiterer Indizien für eine genauere Eingrenzung alle von ihr publizierten Ostraka in die Zeit von der 19. bis zur 20. Dynastie (Gasse 1990, x). Vielleicht erlaubt eine zukünftige eingehendere Untersuchung der Paläographie eine Eingrenzung innerhalb der Ramessidenzeit. Der „Grand Puits“ wurde möglicherweise erst unter Ramses III. gegraben (Driaux 2011, 130–133 und 137) und in der Nachfolgezeit wieder verschüttet, aber das hilft nicht, um die dort später hineingeworfenen Ostraka genauer zu datieren (vgl. Gasse 2000, 7–8). Laut Bruyère stammt die Mehrheit der Ostraka aus dem großen Brunnen von Deir el-Medineh aus inhaltlichen und paläographischen Gründen vom Ende der 19. und von der 20. Dynastie (Bruyère 1953, 61).
Das Ostrakon enthält in den Zeilen x+3–6 wahrscheinlich eine Textparallele zu einem Schlangenspruch auf dem Papyrus BM EA 10309, Kol. x+2.11–14. Wegen der Lücken ist es nicht möglich, den Inhalt des Spruchs genauer zu rekonstruieren. Weil die vorangehenden und folgenden Zeilen sehr fragmentarisch sind und auch der Londoner Papyrus Löcher aufweist, lässt sich nicht bestimmen, ob die Zeilen x+1–2 und x+7–9 ebenfalls derselbe Text sind. In Zl. x+1 ist die ḥpj-Pflanze das einzige erhaltene Wort; es findet sich nicht in Papyrus EA 10309. Auch für „Horus, der Sohn des Gottes [...]“ gibt es keine Parallele in EA 10309. Nach Zeile x+6 sind vermutlich zwei Zeilen zu ergänzen, bevor das Ostrakon mit einer winzigen, nicht identifizierbaren Spur als Zeile x+7 fortgesetzt wird. Diese und die beiden letzten Zeilen enthalten nur wenige Zeichen, die kaum in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen sind.
Die rote Keramikscherbe hat aktuell eine Höhe von 12,5 cm und eine Breite von 11,2 cm. Im unteren Drittel befindet sich ein Gefäßhenkel. Keiner der originalen Ränder ist erhalten. Das Ostrakon wurde nur einseitig beschriftet (auf der konvexen Außenseite), wovon insgesamt neun Zeilenreste zeugen. Die ersten sechs befinden sich oberhalb des Henkels, die letzten drei rechts daneben, in Form weniger Zeichenreste. Der Text wurde in der Richtung der Längsachse des Gefäßes geschrieben, wie aus dem Henkel hervorgeht (Gasse 1990, 4).
Die Schrift ist schwarz. Es wurden keine Gliederungspunkte gesetzt bzw. sind ebensolche im Fragment nicht erhalten (Gasse 1990, 4). Die Buchschrift verzichtet auf Ligaturen.
In den erhaltenen Resten sind keine eindeutigen Hinweise auf neuägyptische Konstruktionen identifizierbar, bis auf eventuell die Verwendung des Definitartikels bei dem Wort für „Gift“.
Das Ostrakon ist bei A. Gasse im „Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh“ mit Photographie sowie hieroglyphischer Transliteration aufgeführt (Gasse 1990, 4). Verbesserte Lesungsvorschläge bietet Fischer-Elfert 1993, 125. Ein Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einem Spruch von Papyrus BM EA 10309 sowie eine deutsche Übersetzung finden sich bei Stegbauer (2015, 268).
- Gasse 1990: A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990), 4.
- Bruyère 1953: B. Bruyère, Rapport sur les fouilles de Deir el Médineh (Années 1948 à 1951), Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 26 (Le Caire 1953).
- Černý 1970: J. Černý, Catalogue des ostraca hiératiques non littéraires de Deir el-Médinéh, Nos 624–705, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 14 (Le Caire 1970).
- Driaux 2011: D. Driaux, Le Grand Puits de Deir al-Medîna et la question de l’eau: nouvelles perspectives, in: Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale 111, 2011, 129–141.
- Fischer-Elfert 1993: H.-W. Fischer-Elfert, [Review:] A. Gasse, Catalogue des ostraca hiératiques littéraires de Deir el-Médineh. IV,1. Nos 1676–1774, Documents de Fouilles de l’Institut Franҫais d’Archéologie Orientale du Caire 25 (Le Caire 1990), in: Bibliotheca Orientalis 50, 1993, 125–130, hier: 125.
- Gasse 2000: A. Gasse, L’inventaire des ostraca littéraires de Deir el-Médina conservés à l’IFAO. Premiers résultats, in: Göttinger Miszellen 174, 2000, 5–14.
- Stegbauer 2015: K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen in der ägyptischen Bronzezeit (Borsdorf 2015), 268 (doi.org/10.11588/propylaeum.529).
Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.
Übersetzung und Kommentar
Ostrakon Deir el-Medineh 1681
[x+1] [...] ḥpj-Pflanze [...]
[...] Horus, Sohn des Gottes [...]
[... (Bewegungsverb)] in/gegen die Höhle1 [...]
[... ... um Ehrfurcht] der Götter in [ihren] Herzen [zu geben ...]
[x+5] [dann leben] die, die sich in den Hügeln befinden (= Schlangen)2, [...]
[...]. Nicht wird zerschnitten das Gift (oder: der Gefäßstrang), das/der ist in [...]
[...]
[... (Göttin) ...], Sohn von [...]
[...]
1 r bꜣbꜣ: Lesung gemäß Fischer-Elfert 1993, 125.
2 jm.jw-jꜣ.wt: Lesung gemäß Fischer-Elfert 1993, 125.