Horusstele der Fondation Gandur

Metadaten

Wissensbereiche
Aufbewahrungsort
Europa » Schweiz » (Städte A-K) » Genf » Fondation Gandur pour l'art

Inventarnummer: EG-77

Erwerbsgeschichte

Kunsthandel. Auf dem Zapfen auf der Rückseite befindet sich eine andere oder ältere Inventarnummer „E 925“, die nicht gedeutet werden kann. Ehemals in der Sammlung Liechti (ist die Sammlung Roger Liechti, Genf gemeint?), anschließend (spätestens seit 1999) in der Sammlung „GJC“ (Schwentzel 1999, 172) (GJC = Gandur, Jean Claude).

Herkunft
(unbekannt)
Datierung
von: (Epochen und Dynastien) » Pharaonische Zeit » Spätzeit bis: (Epochen und Dynastien) » Griechisch-Römische Zeit » Hellenistische Zeit » Ptolemäerzeit

Eine genaue Datierung ist aktuell noch nicht möglich. Chappaz 2001, 122 hat „Basse Époque“, mit dem er die 26.–30. Dynastie meint. Gasse 2004, 25 datiert die Horusstele „zuversichtlich“ in die frühe Ptolemäerzeit aufgrund von ikonographischen Ähnlichkeiten mit Horusstelen, die (ebenfalls aus stilistischen und/oder ikonographischen Gründen!) in die 30. Dynastie und vor allem in die frühe Ptolemäerzeit datiert werden („On peut donc dater avec assurance ce monument du règne des premiers Ptolémées“). Sie verweist insbesondere auf ikonographische Ähnlichkeiten (vor allem 2 Menit-Paare oben bzw. mittig am Nefertemsymbol sowie eine zwiebelförmige Basis am Fuße des Lotosstängels) mit den Stelen Leiden AED 147 und Moskau 182, des Weiteren auf München ÄS Inv. 1252. Sternberg-el Hotabi datiert sowohl Leiden AED 147 als auch Moskau 182 in ihre typologische Mittelphase (d.h. 26.–29. Dynastie) (1999, II, 51, 65), München ÄS Inv. 1252 in ihre typologische Frühe–Mittlere Hochphase (d.h. ca. 380–180 v. Chr.) (1999, II, 69). Bianchi 2011 scheint die Datierung von Gasse zu übernehmen, denn er nennt „Early Ptolemaic Period, 305–200 BC“ mit der Begründung „on the basis of parallels“. Der Horusstelentext B findet sich in einer Variante (die „P-R-Version“ von Gutekunst), die vielleicht in der textkritischen „Mittelphase“ (26. Dynastie) von Gutekunst belegt ist, sicher jedoch in seiner textkritischen „Hochphase“ (30. Dynastie bis Frühptolemäisch bzw. ca. 400–250/200 v.Chr.). Er stellt als Hypothese auf, dass die P-R-Version von Horusstelentext B fast zwangsläufig mit Horusstelenspruch C in seiner textkritischen „Hochphase“ kombiniert werde (Gutekunst 1985, 85–86, 234, 288); die Kombination von Horusstelensprüchen B und C ist allerdings schon in der Libyerzeit belegt.

 

Textsorte
Rezitation(en) » Beschwörung(en)
Inhalt

Die Inschriften ist der sog. Horusstelenspruch B in der Langfassung (Z. 1–11), der mit Horusstelenspruch C (Z. 11–22) fortgesetzt wird. Diese Version von Horusstelenspruch B hat, verglichen mit weiteren Textvertretern, eine Reihe von ungewöhnlichen Formulierungen. Auch Spruch C weicht an mehreren Stellen von anderen (überwiegend älteren) Versionen ab, vor allem am Ende.

Horusstelentext B (1–11):
Der sogenannte „Spruch B“ der Horusstelen und Heilstatuen hat zum Ziel, einen Reisenden auf dem Wasser zu schützen, insbesondere vor Krokodilen. Er fängt mit einer Anrufung an den Sonnengott/Schöpfergott an, der Osiris, der auf dem Wasser ist, beschützen möge. Anschließend spricht der Zauberer/Beschwörer die gefährlichen Wassertiere und insbesondere das Krokodil Nehaher direkt und in imperativischer Form an. Sie sollen Osiris nicht angreifen, oder ihnen werde das Gesicht umgedreht bzw. ihnen drohe die Vernichtung. Er sagt, dass eine Vierergruppe von Göttern Osiris und den Reisenden beschützt. Der Zauberer identifiziert sich anschließend mit Chnum und befiehlt dem Angreifer zurückzuweichen, sonst werde er zerstückelt. Zwei mythologische Passagen mit einem lauten Schrei in Heliopolis, in der ein Kater und der Abdu-Fisch eine Rolle spielen, und mit einem zweiten lauten Schrei in Nedit, wo Osiris ermordet wurde, werden eingeflochten, weil Re deshalb sehr wütend geworden sei und die Zerstückelung des Rebellen auf dem Wasser befohlen habe.

Horusstelentext C (11–22):
Der Spruch setzt Horusstelenspruch B fort und ist ebenso hauptsächlich zum Schutz vor Krokodilen gedacht. Zunächst wird der Sonnengott, der aus der Unterwelt und dem Urwasser hervorgekommen ist, angesprochen, dass seine Barkenmannschaft zu ihm geeilt sei. Dann wird das Krokodil Maga aufgefordert, sich zurückzuziehen unter Androhung eines Übels, das in einem mythischen Ort Wadjwadj gegen es gemacht werde. Wenig später ist Maga gefällt und hat keine Macht über Menschen, Pferde oder Vieh, wenn sie auf dem Wasser sind. Es folgen zwei mythologische, auf Heliopolis bezogene Passagen mit einem lauten Schrei im Haus der Neith und einem Wehklagen des Katers wegen etwas, das Maga getan habe und das vom Schöpfergott nicht angeordnet worden sei. Dem Rebellen (Maga) wird seine Zerstücklung und sein zweites Mal (die endgültige Vernichtung?) angedroht. Der Magier identifiziert sich anschließend mit den Göttern Chnum (der mit einer Botschaft von Sepa aus Heliopolis kommt) und Iniaf. Die Götter Ruti und Mechentienirti werden angerufen, auch ein Zwerg aus Fayence (ein Halsschmuck der Neith), der ins Wasser gefallen sei. Der Rebell bzw. das dpy-Krokodil sollen sich fern halten vom Gott, wenn dieser sich im Wasser reinige, und sich vor dem Gottesleib hüten, ansonsten werden sie niedergeworfen. Der Spruch sei siebenmal zu wiederholen.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Mehrere Verwendungskontexte sind denkbar. Eine solche hochwertige, kleine Horusstele gehörte vielleicht zu den Arbeitsmaterialien eines Magiers/Heilers. Ansonsten könnte es ein Weihgeschenk für eine Heilkultkapelle in einem Tempel oder in privatem Kontext sein. Horusstelen in Gräbern sind nur für die Ramessidenzeit und die Dritte Zwischenzeit nachgewiesen, nicht mehr für die späteren Zeiten.

Material
Nicht Organisch » Stein » Kalkstein
Objekttyp
Artefakt » Schriftmedien » Stele » Horusstele / Horuscippus
Technische Daten

Höhe 17,8 cm; Breite 13 cm; Dicke 1,3 cm. Trapezförmige Stele, oben abgerundet, mit einem Zapfen oberhalb der Stelenrundung. Auf der Vorderseite steht das nackte Horuskind frontal dargestellt auf zwei antithetisch angeordneten Krokodilen. Das Horuskind hat einen Uräus und eine Jugendlocke am Kopf. Ein großer Beskopf mit kleinem Sockel auf dem Kopf befindet sich über seinem Kopf. Das Horuskind hält eine Schlange, einen Skorpion und einen Löwen beim Schwanz in der linken Hand, eine weitere Schlange, einen Skorpion und einen Steinbock in der rechten Hand. Links von ihm (Objektperspektive) steht ein Nefertemsymbol, rechts ein Falke auf einer Papyrusstandarte. Die Rückseite ist mit 20 Textkolumnen beschriftet, die sich auf der Unterseite fortsetzen. Der Text fängt auf der rechten Schmalseite (Objektperspektive) mit zwei Textkolumnen an. Die Vorderseite der Stelenbasis sowie die linke Schmalseite sind unbeschriftet.

Schrift
Hieroglyphen

Eingeschnittene Hieroglyphen von guter Qualität. Einige Zeichen wurden mit ähnlichen Zeichen verwechselt (auch aus dem Hieratischen) und sind fälschlicherweise eingraviert worden.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch » traditionelles Mittelägyptisch

Horusstelentext B ist in traditionellem Mittelägyptisch (Traditionsägyptisch) geschrieben. In der Textversion der Stele Gandur erscheint einmal die Negation des Imperativs mit m-jr (Z. 3), die gelegentlich ab der Thutmosidenzeit belegt ist und zum jüngeren Ägyptischen gehört. Horusstelentext C ist ebenfalls in traditionellem Mittelägyptisch (Traditionsägyptisch) geschrieben.

Bearbeitungsgeschichte

Die Stele wurde bislang in mehreren Ausstellungen und Ausstellungskatalogen seit 1999 aufgenommen. Gasse 2004 hat die Publikation vorgenommen, mit Datierungsansatz, Kontextualisierung, Fotos, einer hieroglyphischen Textkopie mit Übersetzung und Kommentar.

Editionen

- Gasse 2004: A. Gasse, Une stèle d'Horus sur les crocodiles. A propos du "Texte C" (Taf. VII-IX), in: Revue d'Égyptologie 55, 2004, 23–43 und Taf. VII–IX.

Literatur zu den Metadaten

- Bianchi 2012: R. S. Bianchi, Ancient Egypt. Art & Magic. Treasures from the Fondation Gandur pour l’Art, St. Petersburg FL 2011, Ausstellungskatalog 17. Dez. 2011 – 29. April 2012, Museum of Fine Arts, St. Petersburg Florida (St. Petersburg, Florida 2012), 84–86 (Nr. 17).

- Chappaz 2001: J. L. Chappaz, in: J.-L. Chappaz J. Chamay, Reflets du divin. Antiquités pharaoniques et classiques d’une collection privée (Genève 2001), 122–123 (Nr. 115).

- Schwentzel 1999: C.-G. Schwentzel, Images d’Alexandre et des Ptolémées (Boulogne/Paris 1999), 172–175 (Nr. 61).

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Peter Dils
Autoren (Metadaten)
Dr. Peter Dils

Übersetzung und Kommentar

Rechte Schmalseite und Rückseite

Horusstelentext B (1–11) = Metternichtstele Spruch 5 = Torso Wien ÄS 40 Spruch 1

[1] Oh alter Mann, der sich zu seiner Zeit verjüngt, (oh) Greis, der als Jugendlicher agiert (wörtl.: den Jugendlichen spielt), mögest du veranlassen, dass Thoth zu mir auf meine Stimme hin kommt, damit er für mich das Wild〈gesicht?〉 (Neha〈-her?〉) vertreibt.
Siehe, Osiris ist auf dem Wasser; das Horusauge ist bei ihm. Der große Flügelskarabäus steht mit gespreizten Flügeln (schützend) über ihm, wenn (?) er die Kinder der Götter ergreift (?)1.
Wenn man dem, der auf dem Wasser ist (= Osiris), zu nahe tritt, dann tritt man dem "Feind" des Horusauges zu nahe.
Erhebt nicht eure Gesichter, die (ihr) auf dem Wasser seid, bis Osiris vor/über eure Gesichter passiert sein wird! 〈Siehe,〉 er ist auf dem Weg nach Busiris.
Versperrt ist/wurde euer Maul, blockiert/verstopft ist/wurde euer Schlund! Zurück mit euch, (ihr) Rebell〈en〉! Erhebt nicht eure Gesichter gegen Osiris!
Re steht bereit, seine Barke zu besteigen, um die Götterneunheit von Babylon zu sehen. [5] Die Herren der Unterwelt stehen bereit, {dich}〈euch〉 zu zerstückeln.
Ihr solltet nicht kommen, (ihr) Wild(gesichter), oder ihr werdet gefesselt2 und eure Arme3 werden (nach hinten) umgedreht werden.
Euer Maul wurde von Re persönlich verschlossen. Euer Schlund wurde von Sachmet verstopft. Eure Zerstückelung wurde von Thoth durchgeführt. Eure Augen wurden von Heka geblendet.
Die Vierergruppe der großen Götter, die den Schutz des Osiris gewährleisten: Sie sind es, die den Schutz dessen, der auf dem Wasser (und auf 〈dem Land?〉) ist, gewährleisten.
Eine klagende Stimme (erklingt) im Haus-der-Neith; ein großes Gejammer (kommt) aus dem Maul des Katers (oder: der Katze).
Die Götter und Göttinnen (sagen): „Was ist los? Was ist los?“ bezüglich (?) des Abdu-Fisches, als er geboren wird.
Hemme für mich dein Voranschreiten, (du) Rebell!
Ich bin Chnum, der Herr von Hutweret.
Hüte dich davor, deine Verletzung (oder: dein Leid) ein zweites Mal zu wiederholen, wegen dessen, was du in Anwesenheit der Großen Neunheit getan hast (oder: was dir in Anwesenheit der Großen Neunheit angetan worden ist)! Wende dich doch ab!
Hui! Hui!
Ich bin der Sohn der Sachmet, den Isis geboren hat. Hui, Göttin!4
Hui! Hui!
〈Oh Re!〉 Bekanntlich hast du meine Stimme nicht gehört zur Zeit des Abends (oder: der Dunkelheit)5 [10] auf jenem Ufer von Nedit, (oder) den lauten Schrei eines jeden Gottes und einer jeden Göttin. Die großen Götter sind in Wehklagen 〈wegen〉 des/dieses großen Verbrechens, das du begangen hast, (du) Rebell. Re ist wütend und zornig deswegen. Er überweist dich (der Richtstätte?), damit deine Zerstückelung durchgeführt wird.6

1 W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 109, 56–159 listet diese Textvariante nicht auf. Gasse 2004, 27, 28 Anm. (c) übersetzt: „son poing a créé les dieux”, wobei sie “son” auf den Skarabäus bezieht.

2 Gasse 2004, 27 möchte hier übersetzen: „Vous ne viendrez pas, Nehaher vous rendra inoffensifs“, aber sie vermerkt selbst (S. 28, Anm. (i), dass diese Aussage sehr ungewöhnlich wäre. W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 191–192, 277, 287–288 betrachtet die Varianten mit dieser Negation als eine Leitvariante für seine „P-R-Version“ des Textes. Sie ist in seiner „Mittelphase“ (26. Dynastie) und in seiner „Hochphase“ (Frühptol., Ptol.) belegt. 
Die Übersetzung von Gasse als „rendre inoffensif“ geht vom Verb snḥꜣ: : „unwirksam machen (Zauberei)“ (Wb. 4, 169.5 und R. Hannig, Die Sprache der Pharaonen. Großes Handwörterbuch Ägyptisch – Deutsch (2800–950 v. Chr.), Kulturgeschichte der antiken Welt 64 (Mainz 2009), 780 {28661}) aus. Sicherlich liegt jedoch das Verb „fesseln“ vor. Man könnte auch an snḥ: „verkehrt sein“ (Wb. 4, 169.3) denken, aber die betreffende Quelle ist fehlerhaft für msnḥ: „(sich) umwenden“ (Papyrus Anast IV 10.2 = Late Egyptian Miscellanies 45.2), so dass die Existenz von snḥ: „verkehrt sein“ nicht abgesichert ist.

3 Normalerweise ist hier die Rede von umgedrehten Köpfen, und tatsächlich sind die Köpfe der Krokodile, auf denen das Horuskind steht, oft zu ihrem Schwanz hin umgedreht/gewandt.

4 Diese Variante findet sich nicht in der Auflistung von W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 123–124, 223–224. Die Lesung „Sachmet“ ist nicht einwandfrei. Ist „Hui, Göttin!“ ein Fehler für „(Isis), die Göttliche“?

5 Die Zeitangabe findet sich nicht in den übrigen Versionen bei W. Gutekunst, Textgeschichtliche Studien zum Verjüngungsspruch (Text B) auf Horusstelen und Heilstatuen (Trier 1995), 124 (Phrase 13.2). Es ist wahrscheinlich eine Neuinterpretation von „seit“.

6 Neuinterpretation von: „Er befiehlt, dass deine Zerstückelung durchgeführt wird.“

Rückseite

Horusstelentext C (11–22)

Oh, du Aufgehender, der aus der Unterwelt gekommen ist, der im (oder: aus dem) Nun aufgegangen ist, der im/am Horizont erschienen ist, indem er den Himmel mit seinen beiden Augen erhellt hat: Siehe, deine Schiffsmannschaft ist herbeigeeilt; deine Barke ist in Freude; es gibt keinen Gott, der deinen Namen nicht kennt.
Weiche von mir zurück, wenn du deine Schritte machst, (oh) Maga, Sohn des Seth! Du sollst dich zurückziehen, (du) Rebell!
Du sprichst in Wadjwadj (?).1 Der Gott in ihm ist Re.
Dein Gesicht wurde geblendet! Dein Schritt wurde gehemmt! Nach hinten mit dir, (du) Rebell!
Richte dich doch auf, (du) Heliopolitaner, um jeden deiner Feinde, der hinausgegangen ist, zu schlagen!2
Der (du) (in feindlicher Absicht) hinausgegangen bist, du wirst keine Macht haben über irgendeinen Menschen, irgendein Pferd, irgendein Stück Kleinvieh, irgendein Stück Großvieh, das heute auf dem Fluss ist.
Eine klagende Stimme (erklingt) im [15] Haus/Tempel der Neith. Ein großes Gejammer (kommt) aus dem Maul des Katers (oder: der Katze) wegen dessen, was du getan hast, Maga.
Es ist nicht etwas, das angeordnet worden ist seitens dem, der sie/es gemacht hat (d.h. dem Schöpfergott), (nämlich) Sebeq/Sobek, der Große, der gegen dich vorgeht, der deinetwegen das Gemetzel deines Leibes durchführt.
Hüte dich, dass deine beiden Unterschenkel verkürzt sind, nachdem (?) deine Augen geblendet wurden. Du hast ein zweites Mal gegen dich agiert. Was dir passiert ist, ist das, was du gegen dich angerichtet hast. Weiche doch von mir zurück!
Ich bin Chnum, der Herr von Herwer/Hutweret; mit einer Botschaft (oder: einem Auftrag) von Sepa bin ich aus Heliopolis gekommen.
Ich bin Ini-af (wörtl.: Der-der-seinen-Arm-holt).
Oh Ruti, oh Chentiirti, Vorsteher-von-Letopolis3, oh jener Zwerg aus Fayence, der am Hals der Neith, der Großen, der Gottesmutter, der Herrin von Sais ist, der ins Wasser gefallen ist!
Fürchte dich vor ihm!4 Zurück, (oh du,) jener Rebell! Du wirst geblendet sein, (oh) dpj-Krokodil auf der Flut5! Hüte dich vor dem Gott, entsprechend wie (?) er rein ist (oder: wenn er sich reinigt?)6. [20] Hemme dein Voranschreiten, (oh) Rebell!
Hüte dich vor diesem Gottesleib, der im Angesicht des Rebellen in Aktion bereitsteht (oder: im Angesicht des Rebellen bereitsteht zu agieren)!7 Er hat alle Feinde gefällt.8
Die großen Götter, die in der Unterwelt sind, sind im Jubel. Es gibt nicht diejenigen, die ihren Kopf gegen dich erheben, (oh du) NN, geboren von NN.
Fließ aus, (du) Gift!

1 Parallelversionen haben: „man spricht zu dir in Wadjwadj“. 

2 Gasse 2004, 27 übersetzt: „L’Héliopolitain est dressé contre toi.“ Allerdings ergibt ihre Übersetzung des nächsten Satzes wenig Sinn: „〈Tu〉 fais tomber ton ennemi alors qu’il sort contre toi.“, denn sie braucht einen Subjektswechsel, den die Vorlage nicht hergibt.

3 Gelesen nach den Parallelen: Auf den Horusstelen des Nachtefmut in Paris (J. Berlandini, Un monument magique du „Quatrième prophète d’Amon“ Nakhtefmout, in: Y. Koenig (Hrsg.), La magie en Égypte: à la recherche d’une définition. Actes du colloque organisé par le musée du Louvre les 29 et 30 septembre 2000 (Paris 2002), 83–148) und Museum of Seized Antiquities Kairo (L. Kákosy – A. M. Moussa, A Horus Stela with Meret Goddesses, in: Studien zur altägyptischen Kultur 25, 1998, 143–159 und Taf. 2–5) ist Chentienirti eindeutig erkennbar, aber der Vorsteher-von-Letopolis ist dort nicht vorhanden. Gasse 2004, 28, 3132 (Anm. ao) liest: „Khenty-(n)-irty dans Akhmim“ und scheint nicht an das Toponym Letopolis gedacht zu haben, das für Chentiirti/Mechentienirti viel selbstverständlicher ist.

4 Auf der Horusstele des Nachtefmut steht: „Halte dich fern von ihm!“

5 Gasse 2004, 28 übersetzt: „la face sur le flot“. Die Parallelen haben nicht das dpy-Krokodil auf der Flut, sondern das Imeny-Krokodil (Turin Suppl. 18356; Kairo JE 86115; Museum of Seized Antiquities; Horusstele des Nachtefmut; Horusstele IFAO).

6 Die Textparallelen haben: „wenn er sich reinigt“.

7 
Auf dem Sockel Turin Suppl. 18356 ist „Gottesleib“ das letzte, das man noch eindeutig lesen kann, aber die weiteren Spuren passen nicht zu der Version der Sammlung Gandur. Auch auf der Horusstele im Museum of Seized Antiquities und auf der Horusstele KarnakHamburg (H. Altenmüller, Der Sockel einer Horusstele des Vorstehers der Wab-Priester der Sachmet Benitehhor, in: Studien zur altägyptischen Kultur 22, 1995, 1–20) lautet der weitere Text anders als auf der Stele Gandur.

8 A. Gasse 2004, 32, Anm. (ax) emendiert zu: „il a repoussé“.