Papyrus Ramesseum XIX

Metadaten

Alternative Namen
Papyrus London BM EA 10772 Papyrus Ramesseum 19 TM 380837
Aufbewahrungsort
Europa » Großbritannien » (Städte K-N) » London » British Museum

Inventarnummer: BM EA 10772

Erwerbsgeschichte

Der Papyrus wurde 1896 bei den von der British School of Archaeology in Egypt finanzierten und von W. M. Flinders Petrie und J. E. Quibell durchgeführten Grabungen im Ramesseum gefunden. 1956 wurde er zusammen mit einem größeren Konvolut der Ramesseumspapyri von der British School of Archaeology in Egypt und von A. H. Gardiner, dem die Bearbeitung übertragen worden war, an das British Museum in London gestiftet (ausführlich zur Erwerbungs- und Bearbeitungsgeschichte siehe u.a. Leach 2006, 225–227; Gardiner 1955, 1–6).

Der Papyrus wurde von J. E. Quibell im Jahre 1896 innerhalb des Ramesseums am Fuße eines bereits geplünderten Grabschachts gefunden (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3–4, Taf. 1–3; Parkinson 1991, XI–XIII, XXVI–XXVIII; Parkinson 2009, 139–140). Dieser Grabschacht gehört zu einer Nekropole aus der Zeit des Mittleren Reiches bis zum Anfang der 18. Dynastie (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–117, 127; Parkinson 2009, 139–140), die in der 19. Dynastie durch den Totentempel („Millionenjahrhaus“) Ramses’ II. überbaut wurde. Der Schacht, in dem die Papyri gefunden wurden, liegt laut Quibell unter einem der Ziegelmagazine an der Nordwest-Ecke des Ramesseums (Parkinson 2009, 139–140), unter Magazin 5 auf dem Plan von Quibell (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, Taf. 1), nach heutiger Zählung STI.SA.08. Eine exakte Lokalisierung innerhalb dieses Magazins ist bislang nicht gelungen, da der Fundort auf dem Plan von Quibell nicht eindeutig verzeichnet ist und mehrere Schächte in Betracht kommen (eine vergebliche Suche bei Nelson 2006). Laut einer neu entdeckten Notiz von Newberry aus dem Jahr 1938 (Downing – Parkinson 2016), der bei der Auffindung der Papyri zugegen war, befand sich der Schacht im beschrifteten Korridor des Grabes des Sehetepibre (Porter – Moss 1964, 679), der unter den Magazinräumen 5–7 des Ramesseums nach dem Plan von Quibell läuft, nach heutiger Zählung unter STI.TR bis STI.SA.08. Sollte dies zutreffen (Newberry widerspricht dezidiert Quibell [Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3], der den Papyrus-Schacht nicht mit diesem Grab verbindet), kann der Schacht oder sein Inhalt schwer zum ursprünglichen Grab des Sehetepibre gehört haben, denn Letzteres wird früher datiert als das Papyruskonvolut, d.h. der Priester (ḥm-nṯr) Sehetepibre kann nicht der ursprüngliche Eigentümer der Ramesseumspapyri gewesen sein (Downing – Parkinson 2016, 40–41). Eine neue archäologische Untersuchung des Grabes des Sehetepibre wäre erforderlich, um Klarheit zu bekommen.
Der Papyrus befand sich zusammen mit 23 weiteren Papyri und einem Bündel Schilfrohr in einer Holzkiste (Auflistung der Papyri bei Parkinson 2009, 151–153, Tab. 6.1) auf dem Boden des Schachtes. Die Papyri enthalten medizinische, medico-magische und magische Texte, aber auch literarische Texte (z.B. Beredter Bauer und Sinuhe), liturgische Texte (z.B. Dramatischer Ramesseumspapyrus und Sobek-Hymnus) sowie administrative Texte wie die Semna-Dispatches. Heute ist dieses Papyruskonvolut auf das British Museum in London und das Ägyptische Museum und Papyrussammlung in Berlin verteilt. Das Schilfrohrbündel, bei dem es sich um Rohmaterial für Schreiberbinsen handelt, wird im Manchester Museum aufbewahrt (Inv.-Nr. 1882). Der Verbleib des Holzkastens, der mit weißem Stuck überzogen und mit der Zeichnung eines Schakals dekoriert war (Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898, 3), ist unbekannt (z.B. Leach 2006, 225, Anm. 2). Hermann 1957, 113, Anm. 1 erwähnt eine Nachricht von Anthony J. Arkell, dem damaligen „honorary curator“ der Petrie Collection, dass dieser Kasten vermutlich mit den anderen Objekten von Flinders Petrie in der Sammlung des University College London liegen könnte: Flinders Petrie hatte im Jahr 1913 seine Sammlung dem University College London verkauft (Petrie Museum, letzter Zugriff: 03.07.2020), und nachdem sie im 2. Weltkrieg ausgelagert worden war, widmete sich Arkell Anfang der 1950er Jahre dem Auspacken, Katalogisieren und Ausstellen der Objekte (s. Smith 1981, 146). Die Sammlung war daher Hermann noch nicht zugänglich (s. Hermann, a.a.O.) und die Verifizierung dieser Vermutung steht noch aus.
Weiterhin wurden verschiedene magische Gegenstände im Schacht gefunden. Ein Überblick der Fundsituation findet sich bei Geisen 2018, 2–7; eine Auflistung der von Quibell genannten Objekte mit ihren modernen Inventarnummern findet sich ferner auch schon bei Parkinson 1991, XII–XIII und Kemp – Merrillees 1980, 166.

Die Datierung des Papyrus basiert zum einen auf der Einordnung des archäologischen Fundkontextes, zum anderen auf text- bzw. konvolutinternen Überlegungen. Die Nekropole, in der das Konvolut gefunden wurde, kann in das Mittlere Reich und die frühe Zweite Zwischenzeit datiert werden (Leblanc 2005, 33–34; Nelson 2006, 115–116; Parkinson 2009, 71). Über die im Grabschacht gefundenen Objekte ist keine chronologische Eingrenzung möglich, da viele dieser Gegenstände in Bestattungen des späten Mittleren Reiches gut belegt sind, teils sogar bis in die frühe 18. Dynastie fortlaufen (Parkinson 2009, 143–145). Laut Geisen 2018, 7, 10–15 würden Streufunde in der Umgebung sowie die Grabfunde selbst in Kombination mit Informationen aus den Papyri für eine Datierung der Bestattung in die mittlere 13. Dynastie sprechen.
Die Papyri selbst sind unterschiedlichen Alters und erstrecken sich paläographisch (hieratisch) über einen Zeitraum von etwa einem Jahrhundert (Gardiner 1955, 1–2; Parkinson 2009, 149). Einen Terminus post quem für die Zusammenstellung des Konvoluts geben der Papyrus Ramesseum VI (Sobek-Hymnus) mit der Nennung Amenemhets III. (12. Dynastie, ca. 1818–1773 v. Chr.) sowie das Onomastikon auf Papyrus Ramesseum D, das ein mit dem Namen Sesostris’ III. (ca. 1837–1818 v. Chr.) gebildetes Toponym aufweist. Die älteste Gruppe bilden mit R. B. Parkinson die kursiv-hieroglyphischen Texte aus der späten 12. Dynastie, zu denen bspw. Papyrus Ramesseum V gehört (Parkinson 2009, 149). Die jüngsten Texte gehören in die späte 13. Dynastie (bis ca. 1630 v. Chr.), da sie dem mathematischen Papyrus Rhind und dem Papyrus Boulaq 18 paläographisch aufgrund der runden Formen und stärkeren Verwendung von Ligaturen nahestehen. Papyrus Ramesseum XIX gehört paläographisch in die mittlere Gruppe: Seine Handschrift ist „very similar“ zu derjenigen von pRamesseum A mit der Erzählung des Sinuhe und dem Beredten Bauern, die ihrerseits wiederum etwas jünger sein könnte als pRamesseum D mit dem erwähnten Terminus post quem Sesostris III. und nicht jünger als pBoulaq 18 aus der Zeit Sobekhoteps III. (vgl. Gardiner 1947, 6; Parkinson 2009, 150, 153).

Inhalt

Der Papyrus ist stark zerstört und kaum ein Satz komplett erhalten. Die Existenz von Rubra könnte darauf hindeuten, dass sich der Text in mehrere Sprüche gliedert. Deren Themen lassen sich jedoch kaum benennen. Der Wunsche „Schutz ist hinter [mir, Schutz]!“ in Fragment 2, Zeile x+5 ist ein Hinweis auf einen Schutzzauber, allerdings ist unsicher, wogegen – möglicherweise gegen die später genannten $Nhꜣ.w$-Dämonen. Der unmittelbar daran anschließende Lobpreis auf die Götter Sobek[-Re] und Anubis könnten laut Meyrat 2019, 179 auf einen kleinen Morgenhymnus hinweisen; ihm zufolge werden die Götter angerufen, um dem Magier oder dem Patienten beizustehen. Darauf weist auch der Wunsch hin „Befalle mich nicht!“. Mit der anschließenden Identifizierung als Phönix gibt sich der Sprecher göttliche Qualitäten und wird dadurch unangreifbar.
Auf Fragment b, Zeile 1,x+5 identifiziert sich der Redner mit dem „Gebissenen“ (sicherlich eher so, passivisch, zu verstehen als aktivisch „der Beißende“, weil Letzteres die Gleichsetzung mit einem negativen Wesen bedeuten würde). Mit einer solchen Identifizierung könnte der Redner auf eine Gleichsetzung mit dem jugendlichen Horus abgezielt haben, der laut zahlreichen magischen Sprüchen in seiner Kindheit von – durch den Gott Seth angestachelten – Skorpionen, Schlangen und ähnlichen gefährlichen Tieren bedroht wird. Der betreffende Spruch könnte demzufolge ein Schutzzauber vor Schlangenbissen oder Skorpionstichen sein, aber es ist zu wenig erhalten, um hierfür auch nur annähernd Sicherheit zu haben.
Eines der Fragmente auf der Rückseite enthält zwar ebenfalls marginale Wortreste, aber zu wenig, um etwas über deren Inhalt zu sagen.

Ursprünglicher Verwendungskontext

Der Fundzusammenhang und die Herkunft aus einem gesicherten archäologischen Kontext erlauben eine detailliertere Betrachtung. Der Papyrus war Bestandteil eines Konvoluts von 24 Papyri und befand sich zusammen mit einem Bündel von 118 Schilfrohren (Schreibbinsen) von je ca. 40 cm Länge in einem Holzkasten. Auf diesem Kasten war das Zeichen eines Schakales zu erkennen, das als Schreibung für den Priestertitel ḥr.j-sšt „Hüter des Geheimnisses“ gelesen werden kann. Es ist daher anzunehmen, dass der Besitzer ein Priester war (Parkinson 2009, 141; Parkinson 1991). Unter den weiteren im Grabschacht gefundenen Objekten befanden sich ein aus einem Kupfergemisch gefertigter Schlangenstab, der mit menschlichen Haaren umwickelt ist (Fitzwilliam Museum, Cambridge, E.63.1896), die Elfenbeinfigur eines Zwerges, der ein Kalb trägt (University of Pennsylvania, Museum of Archaeology and Anthropology, E.13405), sowie diverse magische Objekte im Manchester-Museum (Fayencefigur eines nackten Mädchens (Inv.-Nr. 1787), eine aus Elfenbein gefertigte Klapper (Inv.-Nr. 1796), eine Fayencefigur in Gestalt eines Pavians (Inv.-Nr. 1835) sowie ein Djed-Pfeiler-Amulett (Inv.-Nr. 1838) (Parkinson 2009, 141–145)). Diese Utensilien stellen nach A. H. Gardiner „the professional outfit of a magician and medical practitioner“ (Gardiner 1955, 1) dar. Dazu passt, dass die Mehrheit der Papyri (15 der 24 Papyri) medizinische, medico-magische oder magische Inhalte aufweisen. Der Inhaber war demnach vermutlich ein Arzt und Magier, der auch Priesterfunktionen innehatte, oder umgekehrt ein Priester, der auch als Magier und Arzt agierte (Gnirs 2009, 128–156; Morenz 1996, 144–146; Geisen 2018, 15–29, Meyrat 2019, 196–199).
Das differierende Alter der Papyri und die verschiedenen Arten von Texten (medizinisch/magisch, literarisch, liturgisch, administrativ) lassen vermuten, dass die Papyri über mehrere Generationen gesammelt und vererbt wurden, bis der letzte Eigentümer sie als Grabbeigabe erhielt (Parkinson 2009, 149). Die administrativen Angaben auf dem Verso von Papyrus Ramesseum III und Papyrus Ramesseum IV zeigen, dass eine sekundäre wirtschaftliche Nutzung dieser medizinischen Papyri vorliegt, was wiederum nahelegt, dass die Papyri – zumindest in Teilen – aus verschiedenen Quellen zusammengetragen wurden und die Identifizierung des letzten Inhabers als Arzt daher nicht zwingend notwendig ist.

Technische Daten

Der Papyrus ist, wie auch die anderen Ramesseumspapyri, aufgrund der Lagerung in der feuchten Umgebung des Grabschachts in einem schlechten und fragmentarischen Zustand (Leach 2006, 227). Von Papyrus Ramesseum XIX sind nur etwa ein Dutzend Fragmente erhalten, die erst 2006 als Teil einer zusammengehörigen Rolle identifiziert wurden (s. die „Description“ unter British Museum, Papyrus Ramesseum XIX). Aktuell sind diese Fragmente in drei Glasrahmen untergebracht, von denen „Frame 1“ auch noch Fragmente von pRamesseum III und IV enthält und „Frame 2“ zwei Fragmente von pRamesseum C+18.
Mehrere Fragmente enthalten den oberen oder unteren Kolumnenrand, aber nur eines davon, Fragment 4, ist ein potenzieller Kandidat für ein Fragment in voller Kolumnenhöhe. Die Fragmente sind maximal bis auf eine Höhe von 11 cm erhalten; Parkinson 2009, 153 vermutet, dass der Papyrus ursprünglich, wie die meisten anderen aus dem Konvolut, Halbformat besaß und daher auch nicht viel höher war.
Für die Beschriftung der Rückseite wurde der Papyrus über die vertikale Achse gewendet, so dass die Oberkante des Rectos auch die Oberkante des Versos ist.

Schrift
Hieratisch

Der Text ist in waagerechten Zeilen geschrieben (von rechts nach links, wie für Hieratisch üblich). Auf Vorderseite finden sich Rubra.
Der Text ist stichisch geschrieben und zeigt v.a. auf den Fragmenten 1 und 4 stark voneinander abweichende Zeilenlängen sowie sogar Leerzeilen, sofern es sich dabei nicht nur um besonders kurze Zeilen gehandelt hat, die nur aufgrund des fragmentierten Zustandes heute wie komplett leergelassene Zeilen erscheinen.

Sprache
Ägyptisch-Koptisch » Ägyptisch » Mittelägyptisch

Es sind so gut wie keine grammatisch eindeutigen Konstruktionen erhalten, aber der archäologische Kontext spricht dafür, dass dieser Text hauptsächlich mittelägyptisch geschrieben war.

Bearbeitungsgeschichte

Die Bearbeitung der Papyri sollte zunächst durch F. Ll. Griffith erfolgen, wurde dann aber an P. Newberry übergeben, der erste konservatorische Maßnahmen durchführte und erste Abschriften anfertigte (Gardiner 1955, 2; Leach 2006, 226). Auf Vermittlung A. H. Gardiners wurde die Restaurierung dann an H. Ibscher (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin) übertragen, der sie restaurierte, ordnete und rahmte. Da P. Newberry kein weiteres Interesse an der philologischen Bearbeitung hatte, gingen die Papyri schließlich in den Privatbesitz von A. H. Gardiner über, den W. M. Flinders Petrie als geeignet für die Veröffentlichung ansah. A. H. Gardiner schreibt dazu: „realizing, that the cost of conservation and publication would be considerable, Petrie himself suggested that if I acquitted myself of both obligations, I could regard the papyri as my own and dispose of them as I thought best“ (Gardiner 1955, 2). Um die aufwendigen Konservierungsmaßnahmen bezahlen zu können, verkaufte A. H. Gardiner 1910 Papyrus Ramesseum D mit dem Onomastikon an das Berliner Ägyptische Museum. Den Papyrus Ramesseum A, der die Geschichte des Beredten Bauern und den Sinuhe enthält, hatte A. H. Gardiner bereits 1906 dem Berliner Ägyptischen Museum überlassen – unter der Bedingung, dass das Museum die Kosten für die Publikation tragen würde (Leach 2006, 226).
Die Fragmente von pRamesseum XIX wurde, zwischen 1907 und 1937 verglast und dazu auf Gelatine und Zellulosenitrat fixiert (Leach 2006, 233 und 240).
Im Jahr 1955 legte A. H. Gardiner eine Edition der Ramesseumspapyri in Fotografie und tlw. in hieroglyphischer Transliteration vor, wobei allerdings viele der kleineren Fragmente unberücksichtigt blieben. Zu diesen unberücksichtigten Fragmenten zählen auch diejenigen von pRamesseum XIX, die überhaupt erst 2006 als Teil einer zusammengehörigen Rolle identifiziert und als pRamesseum XIX nummeriert wurden (s. die „Description“ unter British Museum, Papyrus Ramesseum XIX).
Eine Gesamtbearbeitung der magischen Ramesseumspapyri, auch von Ramesseum XIX, legte Meyrat 2019, spez. 175–179, 395–399, vor.

Editionen

- Meyrat 2019: P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 175–179, 395–399.

Literatur zu den Metadaten

- Barns 1956: J. W. B. Barns, Five Ramesseum Papyri (Oxford 1956).

- Downing – Parkinson 2016: M. Downing – R. B. Parkinson, The Tomb of the Ramesseum Papyri in the Newberry Papers, The Griffith Institute Oxford, in: British Museum Studies in Ancient Egypt and Sudan 23, 2016, 35–45.

- Gardiner 1947: A. H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica. Vol. I (Oxford 1947).

- Gardiner 1955: A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri. Plates (Oxford 1955).

- Geisen 2018: C. Geisen, A Commemoration Ritual for Senwosret I. P. BM EA 10610.1-5/P. Ramesseum B (Ramesseum Dramatic Papyrus), Yale Egyptological Studies 11 (New Haven, CT 2018).

- Gnirs 2009: A. M. Gnirs, Nilpferdstoßzähne und Schlangenstäbe. Zu den magischen Geräten des so genannten Ramesseumsfundes, in: D. Kessler, et al. (Hrsg.), Texte – Theben – Tonfragmente. Festschrift für Günter Burkard, Ägypten und Altes Testament 76 (Wiesbaden 2009), 128–156.

- Hermann 1957: A. Hermann, Buchillustrationen auf ägyptischen Bücherkästen, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 15, 1957, 112–119.

- Kemp – Merrillees 1980: B. J. Kemp – R. S. Merrillees, Minoan Pottery in Second Millennium Egypt, Sonderschrift, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 7 (Mainz 1980).

- Leach 2006: B. Leach, A Conservation History of the Ramesseum Papyri, in: Journal of Egyptian Archaeology 92, 2006, 225–240.

- Leblanc 2005: C. Leblanc, Recherches et travaux réalisés au Ramesseum durant la mission d’octobre 2004 à janvier 2005, in: Memnonia 16, 2005, 19–45.

- Morenz 1996: L. D. Morenz, Beiträge zur Schriftlichkeitskultur im Mittleren Reich und in der 2. Zwischenzeit, Ägypten und Altes Testament 29 (Wiesbaden 1996).

- Nelson 2006: M. Nelson, La tombe d’une nourrice royale du début de la XVIIIème dynastie découverte au Ramesseum. Concession funéraire STI.Sa05/pu01, in: Memnonia 17, 2006, 115–129.

- Parkinson 1991: R. B. Parkinson, The Tale of the Eloquent Peasant (Oxford 1991).

- Parkinson 2009: R. B. Parkinson, Reading Ancient Egyptian Poetry. Among Other Histories (Chichester, Malden, MA 2009).

- Porter – Moss 1964: B. Porter – R. L. B. Moss, Topographical Bibliography of Ancient Egyptian Hieroglyphic Texts, Reliefs, and Paintings. Vol. I. The Theban Necropolis. Part 2: Royal Tombs and Smaller Cemeteries (Oxford 1964).

- Quibell – Paget – Pirie [Quibell] 1898: J. E. Quibell – R. F. E. Paget – A. A. Pirie [Quibell], The Ramesseum / The Tomb of Ptah-Hetep, British School of Archaeology in Egypt and Egyptian Research Account [2] (London 1898).

- Smith 1981: H. S. Smith, The Reverend Dr Anthony J. Arkell, in: Journal of Egyptian Archaeology 67, 1981, 143–148.

Eine vollständige Bibliographie finden Sie hier.

Autoren
Dr. Lutz Popko

Übersetzung und Kommentar

Recto: Magische Sprüche

[Frg. 1, x+1] [---] die Gefolgsleute [---].
[Frg. 1, x+2] [Werde ..., nach dem Verlesen] des Amuletttextes.1

1 mḏꜣ.t wird im vorliegenden Kontext konkret das Zauberbuch oder den Amuletttext meinen. Aufgrund der Schreibung im Rubrum, in Verbindung mit dem Umstand, dass darunter ein kleiner Freiraum, also wohl eine Leerzeile, ist, wird es Teil einer Rezitationsanweisung innerhalb der Nachschrift eines Spruches sein. Eigentlich erwartet man danach noch ein deiktisches Element, also das Demonstrativpronomen tn. Theoretisch könnte man dieses am heute zerstörten Anfang der nächsten Zeile rekonstruieren; das wäre dann ein Indikator dafür, dass der kurze Freiraum eben doch keine Leerzeile war, sondern eine weitere Zeile, die jedoch so kurz war, dass sie heute komplett zerstört ist. Allerdings hat der Schreiber hinter mḏꜣ.t noch genügend Platz gehabt, um das tn dahinter zu setzen; es gibt keinen textträgerbedingten Grund, es auf die nächste Zeile zu setzen. Daher kann man davon ausgehen, dass die Nachschrift tatsächlich, wenn auch ungewöhnlicherweise, mit mḏꜣ.t allein endete. Derartiges findet sich ein weiteres Mal auf pChester Beatty VIII, rto 3,5, s. DZA 24.503.200 und im TLA. Diese Stelle diente hier als Inspiration zur Ergänzung des Satzes.
Könnte man das Fehlen des deiktischen Elementes auf pChester Beatty VIII wie auch vermutlich auf pRamesseum XIX damit erklären, dass mit beiden Texten eben noch gar nicht das tatsächliche Amulett gemeint ist, sondern nur eine Kopie bzw. Vorlage eines solchen?

Neuer Spruch

[Frg. 1, x+3] [---] ich für mein Schreibkästchen beim Ihn-Retten (?).
[Frg. 1, x+4] [---] um die Schrift zu verkünden(?) [---](?).

Neuer Spruch

[Frg. 1, x+5] [---] meinen ersten [---] der/des ...(?) [Frg. 1, x+6] [---] dieser Spruch, indem er zum [Himmel] herauskommt und an ihm (?) nutzbringend/effektiv ist.
[unbekannte Zahl an Zeilen zerstört]
[Frg. 2, x+1] [---] seine [---]
[---] [Frg. 2, x+2] in der Nacht.
[---] diese Stunde an/auf/bei ihr.
[---] [Frg. 2, x+3] schwarzes ... (?).1
Ich bin [---] [Ib]ha[ti]-Stein2, denn [---] [Frg. 2, x+4] dieses [---], das in [---] ist.
Du mögest Schutz über mich ausüben!
[---] Ibhati-Stein [---]
[Frg. 2, x+5] Schutz ist hinter [mir (?), Schutz]3!
[Frg. 2, x+6] Preis dir, Sobek-[Re], Herr des Himmels, (und auch dir,) Geb, Herr des Erdbodens!4
Ihr möget [in Frieden] erwachen!
[Preis dir (???)], [Frg. 2, x+7] Anubis, [---], Einzigartiger!5
Befalle mich nicht!
Ich bin der Phönix [---]
[Frg. 3, 1] [---] diese [---]6
[Frg. 3, 2] [---] wir werden ge[---] [Frg. 3, 3] [---] [Frg. 3, 4] [---]
Dieser Spruch [Frg. 3, 5] wer[de gesprochen über (?) ---] mit/bei den $Nhꜣ.w$-Dämonen(?)7 [---].
[Frg. 3, 6] [---] das ist das Herauskommen aus dem Feuer [---].
[Frg. 3, 7] [---] auf der Erde auf seinem Gang.
Ich bin [---] [Frg. 3, 8] [---], nachdem er ihn geschützt hat vor [---] [Frg. 3, 9] [---] ich/mich [---] zu [---] [Frg. 3, 10] [---]
[Frg. 4, 1] [---] Re [---] [Frg. 4, 2] [---] Schulter.
[Frg. 4, 3] [---] vier Mal8.
[Frg. 4, 4] [---] Seth, usw.
Mein Arm streckt sich entgegen [---]9
[Frg. 4, 5] [---] der Firmamentangehörige, bezwungen wird [---]
[Frg. a, x+1 bis x+3] [---] [Frg. a, x+4] sagen [---] [Frg. a, x+5] [---] [Frg. a, x+6] beim Finden (?) [---] [Frg. a, x+7] [---]10
[Frg. b, 1,x+1 bis x+4] [---].
[Frg. b, 1,x+5] [---], denn ich bin der Gebissene(?), der herausgekommen ist aus [---].
[Frg. b, 2,1]11 [unbekannte Zahl von Zeilen zerstört]
[Frg. b, 2,x+1]11 [---] [Frg. b, 2,x+2] sagen [---]12
[Frg. c, x+1 bis x+2] [---]
[Frg. c, x+3] [---] Oberarm.
[Frg. c, x+4] [---] als/beim/mit dem Großer/n (Gott) [---] [Frg. c, x+5] ... (?) des/für den Herrn der Sonnenscheibe [---] [Frg. c, x+6] ... (?) in/mit/bei ihnen.
[Frg. c, x+7] [---] Spruch für einen Mann [---] Oberarm [---]13
[Frg. d, x+1] [---] Zeit [---] [Frg. d, x+2] [---] er geht [---] [Frg. d, x+3] [---] Gottheit [NN] ihre(?) Hand [---].
[Frg. d, x+4] [---] mich als/beim/mit Seth [---] [Frg. d, x+5] [---] der Herr der Sonnenscheibe [---] [Frg. d, x+6] [---] [Frg. d, x+7] [---] ... (?) [---]14

1 km: Wenn die Ligatur richtig interpretiert ist, ist das Wort mit Mineralienkorn und Pluralstrichen geschrieben, also dem typischen „Rohstoffklassifikator“ der medizinischen Texte. Diese Schreibung erinnert an die km.w-Droge von H. Grapow – H. von Deines, Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Grundriß der Medizin der alten Ägypter VI (Berlin 1959), 529. Allerdings könnte km auch das hintere Glied eines Kompositums sein, so dass die Klassifizierung diejenige des gesamten Ausdrucks wäre. Denkbar sind bspw. das ḥmty-km: „Schwarzkupfer“ o.ä. (J.R. Harris, Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientforschung. Veröffentlichungen 54 (Berlin 1961), 57, wobei in den bisherigen Belegen km meist mit der Haarlocke klassifiziert ist) oder kꜣj-km (Harris, a.a.O., 133–134).
2 [jb]hꜣ[tj]: Zur Ergänzung s. die folgende Zeile.
3 Eine winzige schwarze Spur hinter der Papyrusstaude, etwa auf der Mittellinie der Zeile, könnte zu einem Suffixpronomen der 1. Pers. Sg. gehören, das auch noch in die Lücke gepasst hätte. Es läge in dem Fall eine Kontamination der magischen Formeln zꜣ ḥꜣ zꜣ: „Schutz hinter Schutz“ bzw. „Schutz ist dahinter, Schutz!“ und zꜣ ḥꜣ NN: „Schutz ist hinter NN“ vor.
4 Ergänzungen mit P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 397 und 178. Der anschließende Satz erinnert an diverse Morgenhymnen, mit denen die Götter frühmorgens beim Tempelritual geweckt werden, s. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 178 und 179.
5 In der Lücke nach dem Gottesnamen wird ein erstes Epitheton gestanden haben. Das darauf folgende wꜥ.yw ist entweder ein dazu gehöriges qualifizierendes Adjektiv, oder es ist ein zweites Epitheton.
6 P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 398 hat die Zeilen auf Fragment 3 als x+1 usw. durchgezählt. Da aber über der ersten Zeile ein großer Freiraum, also sicherlich der obere Kolumnenrand, erhalten ist, kann man hier mit Zeile 1 beginnen.
7 nhꜣ.w: Eine derart genannte Personengruppe – mit schlagendem Mann und Gott klassifiziert – erscheint in A. de Buck, The Egyptian Coffin Texts VII. Texts of spells 787–1185, Oriental Institute Publications 87 (Chicago 1961), 470c als Gruppe von Wesenheiten, an denen der Verstorbene vorüberfährt. Eine andere Version dieses Spruches schreibt stattdessen hnw, was vielleicht nur auf einer Vertauschung der starken Konsonanten basiert, sofern diese Bezeichnung nicht mit hnw: „Jubel“ oder den hn.w-„Angehörigen“ zusammenhängt – dass eine weitere Parallele ms.w: „Kinder“ schreibt, könnte für Letzteres sprechen. In Tb 35 (s. im TLA) werden ebenfalls nhꜣ.w genannte Wesen stromab gefahren; es ist unklar, ob es dieselbe Personengruppe ist oder nicht. Mit nhꜣ gebildete Götter- oder Dämonennamen erscheinen schließlich auch in den königlichen Unterweltsbüchern des Neuen Reiches, s. die kurzen Bemerkungen von G. Roulin, Le Livre de la Nuit. Une composition égyptienne de l’au-delà, Orbis Biblicus et Orientalis 147 (Freiburg (Schweiz), Göttingen 1996), Bd. 1, 146, der aber nichts über ihren Charakter sagen kann.
D. Meeks, Année lexicographique. Égypte ancienne. Tome 2. 1978 (Paris 1981), 78.2150 übersetzt die Bezeichnung des Sargtextspruches mit „ceux qui sont calme, abattus (?)“ und leitet diese Bezeichnung offensichtlich von dem zuvor (78.2149) genannten Verb nhꜣ ab, das er mit „calmer“ übersetzt. Dieses wiederum verbindet er mit dem Verb nh: „beseitigen o.ä.“ (Wb 280.13) sowie den erwähnten Dämonennamen der königlichen Unterweltsbücher. Als zusätzlichen Beleg für das Verb nennt er eine Schutzlitanei aus dem spätzeitlichen Grab der Mutirdis, J. Assmann, Grabung im Asasif 1963–1970. Bd. 6. Das Grab der Mutirdis, Archäologische Veröffentlichungen, Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo 13 (Mainz 1977), 99, Kol. 26: Das dortige nhꜣ ḏw=k übersetzt Assmann, a.a.O., 100 mit: „Beseitigt ist dein Übel“ (Meeks: „calmer le douleur“) und verbindet es ebenfalls (S. 101, Anm. k) mit den Bezeichnungen der Unterweltsführer (aber nicht mit Wb 2, 280.13). Assmann nennt es in diesem Kommentar ein „Verb unsicherer Bedeutung“; seine Übersetzung ist demzufolge nur als Vorschlag zu werten.
Die von Meeks vorgeschlagene Verknüpfung mit Wb 2, 280.13 ist vermutlich die Basis dafür, dass C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. IV. nbth, Orientalia Lovaniensia Analecta 113 (Leuven 2002), 261c–262a sowohl die Personengruppe der Sargtexte als auch die Wesen aus den königlichen Unterweltsbüchern als Ableitungen eines Verbs „vertreiben (o.ä.)“ behandelt. Die Existenz dieses Verbs ist jedoch unsicher; es kommt nur einmal, in Edfu, vor: sw nmt(?)=f m ḥꜥꜥ nh.n=f nšn: „Er marschiert unter Jubel, nachdem er das Unwetter/die Wut nh-gemacht hat.“ Schon Wb hatte a.a.O. erwogen, dieses Verb mit dem davor eingetragenen Lemma nhi̯: „mangeln, entgehen“ zusammenzubringen. Während P. Wilson, A Ptolemaic Lexikon. A Lexicographical Study of the Texts in the Temple of Edfu, Orientalia Lovaniensia Analecta 78 (Leuven 1997), 528 konkret eine transitive Bedeutung von nhi̯ vorschlägt „he causes a lack of rages“ (alternativ erwägt sie noch eine Ableitung von nh: „schützen, beschirmen“: „to protect from“), lässt sich die fragliche Stelle auch ebenso gut mit der schon für die Pyramidentexte erwogenen Übersetzung von nhi̯ als „entgehen“ übersetzen. Damit ist die Existenz dieses Verbs nh fraglich.
8 zp-4: Die Anleitung „vier Mal“ könnte Teil einer Rezitationsanweisung sein, die aber im Gegensatz zu den übrigen auf den Fragmenten nicht rot geschrieben wäre.
9 Phrase unklar. P. Meyrat, Les papyrus magiques du Ramesseum. Recherches sur une bibliothèque privée de la fin du Moyen Empire, Bibliothèque d’étude 172 (Le Caire 2019), 176 schlägt vor: „Mon brasse repousse [...]“. Die Konstruktion NN m sḏm kommt jedoch eher bei Verben der Bewegung vor. Ab dem späteren Neuen Reich gibt es eine Formel ꜥ.wj m ḫsf n NN: „NN die Arme (preisend) entgegenstrecken“ (Wb 3, 337.9), aber angesichts des zuvor genannten Seth ist fraglich, ob man die hiesige Stelle als frühesten Beleg für diese Formel ansetzen kann. Es ist überhaupt unsicher, ob zu lesen ist; vielleicht handelt es sich auch nur um den oberen Teil eines komplexeren Zeichens, das tlw. durch die anschließende Lücke zerstört ist und den senkrechten Strich rein zufällig überragt – möglicherweise gehört dieser also zu dem ḥmw.t-rʾ davor, dem dieser Strich bei der aktuellen Transliteration des Hieratischen fehlt.
10 Im selben Glasrahmen wie Fragment 3 und 4 (https://www.britishmuseum.org/collection/object/Y_EA10772-1) befinden sich noch ein paar kleinere Fragmente von pRamesseum III und IV sowie ebenfalls noch ein paar kleine Fragmente, die zu pRamesseum XIX gehören könnten, die aber nur einzelne und nicht aussagekräftige Zeichen- und Wortreste enthalten. Das größte von ihnen enthält immerhin noch den Rest von sieben Zeilenanfängen sowie eines breiten Interkolumniums rechts davon. Die mittlere Zeile fängt mit einem roten ḏd an (und der kleine rote Haken danach ist vielleicht der Rest eines t von ḏd.tw), und es wäre zu prüfen, ob es sich dabei nicht um den Beginn von Frg. 3, Zeile 6 handeln könnte.
Die übernächste Zeile scheint mit m gm[_]: „beim Finden“ o.ä. zu beginnen. Wenn das rote ḏd zu Frg. 3, 6 gehört, würde Frg. a, x+6 demzufolge den Beginn von Zeile 8 bilden. Zwar endet das Fragment in Zeile 7 mit jnk, was sich nicht direkt an m gm[_] anschließen lässt; und die oberen Zeilen von Fragment 3 sind kürzer als die unteren, so dass auch in den unteren nicht mehr allzu viel von den Zeilenenden gefehlt haben wird. Aber das bedeutet nicht, dass der Zeilenumbruch von 7 auf 8 unmittelbar hinter jnk zu finden war.
11 Sowohl Fragment b als auch Fragment c tragen auf der Rückseite Zeilen- bzw. Wortreste von jeweils einer hieratischen Zeile. Der Papyrus wurde dafür über die vertikale Achse gewendet: die Oberkante der Vorderseite ist auch die Oberkante der Rückseite.
12 Im selben Glasrahmen, in dem das linke Teilfragment von Frg. 2 liegt (https://www.britishmuseum.org/collection/object/Y_EA10772-3), liegen noch drei oder vier (je nach Definition) weitere Teilfragmente, die Meyrat nicht berücksichtigt hat, die jedoch ebenfalls magischen Inhalts zu sein scheinen. Ihre Zuordnung zu pRamesseum XIX wäre zu prüfen. Im Gegensatz zu dessen anderen Fragmenten bieten sie auch Text auf der Rückseite, was aber nicht zwingend gegen eine Zuordnung zu pRamesseum XIX spricht, weil auch pRamesseum XVII aus Fragmenten mit beschriebener Rückseite und solchen ohne besteht. Die Handschrift scheint paläographisch jedenfalls nicht allzu weit von derjenigen des pRamesseum XIX entfernt.
Von diesen Fragmenten besteht das größte seinerseits aus zwei Teilfragmenten und zeigt Reste der letzten Zeilen einer Kolumne sowie vermutlich die Anfänge der beiden unteren Zeilen einer zweiten Kolumne.
13 Das neben Fragment „b“ liegende, hier „c“ genannte Fragment passt insofern gut zu Frg. 4, als die dritte erhaltene Zeile mit [g]bꜣ: „Oberarm“ endet und danach einen Freiraum bietet. Das erinnert an Frg. 4, 2, wo – wenn auch in dem Fall schwarz – die [q]ꜣḥ: „Schulter“ erwähnt wird und dann ebenfalls die Zeile umbricht, obwohl sie nicht vollgeschrieben war.
Die Zeile darunter nennt den Wr: „Großen (Gott)“, die darauf folgende den ... (?) nb n jtn: „den Herrn der Sonnenscheibe“. Dieselbe Bezeichnung kommt auf einem weiteren Fragment, hier „d“ genannt, vor, und dort steht hinter nb der Götterklassifikator, so dass die Interpretation als Nomen „Herr“ eindeutig ist. Der Göttername nb-jtn (im direkten Genitiv) ist nur wenige Male, aber immerhin vom Mittleren Reich bis in die griechisch-römische Zeit, belegt; und bis auf ein einziges Mal, im demotischen Papyrus London-Leiden (Chons-em-Waset Neferhotep), bezieht er sich auf Re, Atum oder Amun, also Sonnengötter, C. Leitz (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen. Bd. III. pnbw, Orientalia Lovaniensia Analecta 112 (Leuven 2002), 590b–c. Daher lässt sich die Frage, ob hier mit jtn die Sonnen- oder Mondscheibe gemeint ist (s. A. von Lieven, Scheiben am Himmel – Zur Bedeutung von ı͗tn und ı͗tn.t, in: Studien zur Altägyptischen Kultur 29, 2001, 277–282), zugunsten des Ersteren entscheiden.
Zeilen x+5 und x+6 fangen beide mit derselben Zeichengruppe an, von der das erste Zeichen wie der hieratische Kiebitz und/oder die Ente mit der Lesung Gbb aussieht – doch weder die Rechyt-Leute noch der Gottesname Geb passt zu der direkt anschließendene Zeichengruppe, die eine Ligatur aus Buchrolle und Pluralstrichen ist.
14 Fragment d liegt sehr nah am Rand des Glasrahmens.
Die Rückseite des Fragments trägt geringe Wortreste von drei Zeilen, davon wohl die Negationspartikel nn, vielleicht genauer nn ḫpr, in der ersten Zeile und eine hieratische weiße Krone in der dritten. Der Papyrus wurde für die Beschriftung der Rückseite über die vertikale Achse gewendet, die Oberkante der Vorderseite entspricht der Oberkante der Rückseite.